Montag, 20. September 2021

Melonen: Mehr Sorten und Schwemme trotz Kaltjahr

Reife Melonen dieses Jahr

Schon wieder Melonen. Die Gartenzone ist teilweise ein Melonenblog geworden. Aber die Dinger sind einfach zu lecker und es macht zu viel Spass, sie auszuprobieren, sie anzubauen. Gekaufte Ware wird unter viel besseren klimatischen Bedingungen angebaut, trotzdem macht die perfekte Ausreife und Frische der eigenen Melonen diesen Vorteil mehr als wett.

Eigentlich war es ein denkbar ungünstiges Jahr für Freilandmelonen. Eiskalt wars bis Anfang Juni, bis dahin keine Auspflanzung möglich. Dann zwei Wochen extrem heiss, was die jungen Pflanzen stark stresste oder ganz verbrannte. Dann Kälte und Regen bis zur Reife - was soll da aus den Mimosen des Nutzgartens werden?

Melonenbeet 14. September

Es wurde was, auch wenn ein heftiger Kampf gegen Krankheiten geführt werden musste. Die mit den Jahren immer weiter optimierte und auch in der Gartenzone hier beschriebenen Anbautechniken haben das stetig verbessert. Verluste gab es natürlich. Schalenschäden durch lange Regenphasen waren häufig, Krankheiten. Die erste Melone wurde erst Anfang-Mitte August reif, ab Mitte August vereinzelt weitere und erst ab Ende August kam die Haupternte. Die kam mit Wucht, zeitweise habe ich sechs Melonen täglich geerntet. Das kann man nicht mehr essen und muss verschenkt werden. Kinder und Familie waren auch nicht mit dreimal täglich Melone zu begeistern. Haltbar machen kann man Melonen leider nicht. Die Schwemme ging ab Mitte September in einen vertröpfelnden Strom über. Krankheiten erfassten zwei der drei Beete, Nachtkälte bewirkten Mehltau und schwächere Zucker- sowie Aromabildung. Immerhin schafften es manche Sorten bis jetzt und liefern weiter. Andere Jahre lagen bei der Reife drei Wochen früher. Auch der Zuckergehalt erreichte dieses Jahr keine Rekordwerte, blieb aber mit 10-15% niedrigeren Werten im Rahmen. Melonenkrankheiten nahmen von Anfang an kräftigen Anlauf, waren aber so weit zurückzudrängen dass die Haupternte noch gut durchging. In solchen Jahren zeigt sich auch, welche Sorten trotzdem Aroma und Erntemengen bringen. Die Erfahrungen damit und auch einigen erstmals angepflanzten Sorten:

Charentais

Melone "Charentais" bereits mit Schalenrissen

"Charentais" ist sowohl eine Sorte als auch ein Typ von Melonen, vermutlich die Urmutter der Charentaismelonen. In den meisten Jahren kommt sie in unseren Garten, auch dieses Jahr. Im Aroma halten sie Viele für ungeschlagen, zur Spitzengruppe gehört sie auf jeden Fall. Im Duft hat sie etwas kräftig erdbeerartiges, wenn sie reif ist, sie duftet überhaupt sehr stark und schmeckt auf dem Höhepunkt intensiv, hat Umami, Moschus, Gartenbeeren. Gekühlt kommt Vanille stärker. Ich merke beim Gang durch den Garten schon am Duft von weitem, wenn welche reif werden. Gut ausgereift liegt sie bei bis zu 65° OE Zuckergehalt (15,9° Brix). Hier die Beschreibung aus früherem Anbau. In der Konsistenz liegt sie im Idealbereich, zart, aber gleichzeitig fest genug um sich kauen zu lassen. Gewicht dieses Jahr 600-1000g, fünf Melonen pro Pflanze wenn gut versorgt. 

Schäden nach nur einem kräftigen Regenguss

Nachteile: Sehr regenempfindliche Sorte. Die Schale im Stielbereich bekommt nach Regenfällen glasiggrüne Zonen, was dieses Jahr sogar als Regel passiert ist weil es oft regnete. Sehr kurzes Fenster zwischen Vollreif und beginnender Gärung (Pattexgeschmackston) und eine ärgerliche gleichzeitige Reife der meisten Früchte. Man wartet ein Jahr, hat dann einen Stapel reife Charentais auf einmal die man nicht mehr essen kann. Oder es regnet und sie platzen, gären alle miteinander. Dann wieder ein Jahr Pause. Mittlerweile weiss ich: Ernten bei beginnendem Farbumschlag, nicht erst wenn der Stiel von selbst löst oder gar grössere Risse auftreten. Das ist zu spät. 

Die Schale von "Charentais" ist sehr empfindlich

Als sehr alte samenfeste Sorte gibt es eine grosse Bandbreite innerhalb der Sorte. Dieses Jahr waren meine Charentais alle sehr glattschalig und noch empfindlicher. Samen aus anderer Quelle erbrachten Melonen mit leichtem Netzmuster und mehr Grössenvariation. Welche Variante man bekommt, ist leider Zufall. Es lohnt sich sicher, gute Kultivare selbst zu vermehren. Vorsicht, Melonen verkreuzen sich sehr leicht.

Melone "Charentais" - bleibt etwas kleiner

 

Petit Gris de Rennes

Beet mit vielen Melonen Petit Gris de Rennes
Stücke Petit Gris de Rennes. Hochklassig.

Ebenso ein Klassiker der Charentais-Melonengruppe, gehört zusammen mit der Sorte "Charentais" zu meinem Standardprogramm. Zuckergehalt einen Tick niedriger wie der Sorte Charentais, um die 60° OE (14,7° Brix) Melonen in der Grösse variabler, stärker folgernd reifend. Im Aroma kommt sie fast so gut wie Charentais, ist saftiger, aber auch weicher. Der Duft ebenfalls stark, aber nicht ganz so heftig kräftig. Sie ist nach einigen Jahren Anbauerfahrung für den Nutzgärtner ganz klar wertvoller. Die Ernte ist einfacher, denn der Farbumschlag korreliert besser mit der optimalen Reife, sie ist auch regenfester, robuster (das ist aber nur relativ zu sehen!). Umgekehrt kann man auch sagen: Wer schon mit der Petit Gris de Rennes nicht klarkommt, sollte sich an der Charentais gar nicht erst versuchen. Empfindlich reagiert sie wie die meisten Sorten auf eine feuchte Auflagefläche. Früchte auf Holzbrettchen legen. Oft schafft sie nochmal einen weiteren späteren Fruchtansatz, falls sie gesund bleibt. Anfälligkeiten ansonsten wie Charentais. Im Schnitt bringt sie auf gutversorgtem Boden ebenfalls fünf Melonen pro Pflanze, hält sie länger durch kommen noch mehr Früchte dazu.

Typisch für die Petit Gris de Rennes: Wenn sie schon Schalenschäden hat, vielleicht angefressen ist,  Risse hat, dann schmeckt sie immer noch erstklassig, wenn man schlechte Stellen abgeschnitten hat. Sie ist auch im Kühlschrank besser haltbar.

Typisch für Charentais: Auch wenn sie noch gut aussieht, ist sie innerlich bei Vollreife oft bereits verdorben, schmeckt gärig. Ihre Haltbarkeit ist weit schlechter, auch im Kühlschrank.

Schafft auch über 1kg, kann auch gross werden.


Bimbo

"Bimbo" im Melonenbeet, reif und unreif

Eine ungarische Züchtung, der Name "Bimbo" ist auch ungarisch und bedeutet "Knospe" oder Kugel. Von aussen optisch eine gelbe, fast runde und gefurchte Honigmelone, innerlich ist sie aber eine Zuckermelone. Das Fruchtfleisch ist grünlich, etwas glasig und hat optisch Fasern, zur Vollreife hin weicher und leicht rosa. In diesem Jahr wurde sie nicht so wirklich süss, auch das Aroma geht auch Richtung Zuckermelone, wirkte etwas grasig und blieb eher einfach. Hatte dieses Jahr aber eine herausragende Pflanzengesundheit und hohe Flächenträge. Gesunde Blätter, überraschend kompakt wachsend. Vier Melonen pro Pflanze, die Erste mit fast 3kg, die danach mit 1,5 bis 2kg Gewicht. Folgernde Reife. Ein, zwei Wochen später wie Charentais.

Vollreife "Bimbo", aufgeschnitten und entkernt
Schale bekommt Furchen, ist vollreif

Der Reifezustand dieser Sorte nicht leicht zu bestimmen. Sie liegt sehr lange gelb und reif aussehend im Beet, darf aber noch nicht geerntet werden. Plötzlich überschreitet sie die Kante, wird überreif und fault, oft unbemerkt von unten her. Man sollt auf die Stengel achten, leichte Verkorkung ist ein Reifezeichen und auf Vertiefung der Schalenfurchen, die dann unerwartet schnell in Risse übergehen. Braucht unbedingt volle Sonne, sonst bleibt sie geschmacklich minderwertig. Hat sie das ein paar Wochen lang, kommt sie auf über 65° OE Zuckergehalt (15,9° Brix) und bekommt einen rosa Schimmer um den Kernbereich herum, dann ist sie vollsüss, dieses Jahr schafften das nur wenige Früchte. Eine Pflanze pro Jahr reicht im Garten. Das Schwergewicht liegt bei dieser Sorte auf Pflanzengesundheit, insoweit eine gute Wahl für Neu-Melonengärtner mit warmem Klima, die nicht gleich den empfindlichen Aromakönigen nachhecheln.


Stengel einer reifen Melone "Bimbo"


Die Erstfrucht hatte fast 3kg

Dreimal Bimbo, gesund und munter.


Melba

Melone "Melba", halbiert und Stück

Cantaloupe-Melone im amerikanischen Stil. "Orange Sherbet" hat auch diesen Stil. Das sind bevorzugt länglichrunde Früchte, die aussen genetzt, grau und nicht farbstark sind, innen orange, sehr süss. So viel Zucker hat sie aber gar nicht, dafür so wenig Säure dass sie so süss wirkt. Werde ich nicht mehr anbauen, die Blätter sind jedes Jahr klein geblieben und hatten früh Probleme. Die Pflanze wirkt immer licht. In kalifornischem Klima und mit viel Kunstdünger eine gute Wahl, aber nicht meine Wahl in Deutschland. Drei bis fünf Früchte, oval oder bananenförmig, waren immer sehr unterschiedlich gross. Faulen leicht bei Reife. Geschmacklich vom einfachen Cantaloupe-Typ, süss und gut, aber nicht diese irren Süssobst- und Moschusaromen der Charentais-Melonen. 

Dreimal Melba im Melonenbeet. Blätter nicht gross, früh krank.


Melba hat auch grosse Blüten, hier im Gewächshaus wachsend


Chamoe-Melonen

Rechts vorne Chamoe-Melonen

Immer im Anbau, immer dieselben Vorteile und Probleme. Ihnen ist ein eigener Blogbeitrag gewidmet. Dieses Jahr zeigte sich wieder ihre Anfäligkeit auf Wurzelpilze, kein Wunder bei dem kalten nassen Wetter. Auch die Triebe lieben keinen Regen, sind besonders anfällig auf Stängelbrand. Davon erholt sie sich, wenn es rechtzeitig wieder trocken wird. Schäden gibts schon ab zwei Tagen Regen. Wächst sie gut ein, ist sie zuverlässig und liefert, liefert, liefert. Die Melonen kommen erfreulichweise ziemlich folgernd zur Reife. Die meisten Pflanzen gingen aber nach der Auspflanzung dieses Jahr in den Mickermodus - Wurzelpilze. Erst pflanzen, wenn der Boden wirklich warm ist.

Model

Melone "Model", reif - Stielansatz beachten

Habe ich auch jedes Jahr. Die sichere Miete. Nicht hübsch, aussen Gelbgraugrün, innen Grün wie wenn sie unreif wären, aber ein schönes spezielles Aroma (Anis, Banane, "grüne Melone" zwischen Galia und Charentais). Zuckergehalt dieses Jahr 55-60° OE. Fruchtet lange in den Herbst hinein. Leicht zu ernten, deutliche Risse um den Stiel und drei Tage Farbumschlag zeigen die Reife an. Dann ist sie gut, noch ohne Pattexgeschmack. Hält sich im Kühlschrank ein bisschen. Reift grösstenteils folgernd. Oft die Erste und die Letzte, die Früchte liefert. Eine bequeme Sorte ohne besondere Anfälligkeiten mit gutem, ansprechenden Geschmack, der allerdings auch leicht penetrant werden kann wenn man viele davon hat. 

Melone "Model", halbiert. Sehr aromatisch.

 

Ja, Wassermelonen gibts auch noch. Waren auch gut, Pflanzengesundheit oft besser wie bei den Cantaloupe-Melonen. Auch sie wurden nicht ganz so süss, 45° OE und 4kg - Früchte waren die Regel. Da Wassermelonen sowieso relativ haltbar, überall in guter Qualität zu kaufen sind, verwende ich meinen wertvollen Gartenplatz in der Regel lieber für Cantaloupe-Melonen aller Art. Die bekommt man im Laden nur mit heftigen Aromaeinbussen.

Gut ausgereifte Wassermelone mit 4,3kg

Wassermelone halbiert

In Stücken - vollreif, Samen ausgebildet aber noch keine Kavernen. Perfekt.

Melonen: Mehr Sorten und Schwemme trotz Kaltjahr
Melonen, die Mimosen des Gartens und Fehler bei der Auspflanzung
Melonen, was brauchen sie?
Melonen: Die häufigsten Krankheiten
Melonen im Nutzgarten: Sortenerfahrungen und Sortenempfehlungen
Melonen: Koreanische Chamoe-Melonen

Sonntag, 29. August 2021

Und wieder neue Auberginensorten

Einige der diesjährigen Auberginensorten

Melonen, Paprika, spezielle Kürbisse und Auberginen sind meine Lieblingskulturen im Garten. Bei ihnen besteht eine ganz besonders grosse Differenz zu gekaufter Ware in Sachen Qualität, Aromen und Vielfalt. Auberginen traut man das zunächst gar nicht zu, aber von Jahr zu Jahr erlebt man spannendere und immer noch mehr leckere Sorten, wenn man viel ausprobiert.

So auch dieses Jahr. Ein gutes Auberginenjahr im Freiland ist es aber nicht so recht, das Frühjahr war viel zu kalt, dann viel Regen und mässige Temperaturen. Aber im Gewächshaus sind sie dafür so stark wie nie, während in den anderen Jahren die Hitze dort so gross ist dass sie bereits leiden. Und natürlich habe ich neben bekannt guten Sorten auch wieder nach neuen Sorten gefischt, immer eine Pflanze je Sorte im Gewächshaus und die übrigen im Freiland, um zu sehen wo was gelingt.



White Knight

Aubergine White Knight Früchte

Der weisse Ritter mit dem kleinen Schwert, das ist White Knight. Sie ist ein Massenträger, so wie "White Egg" und ähnelt ihr auch in den Wuchseigenschaften. Sie kann kontinuierlich fruchten, man erntet praktisch dauernd. Dabei kommt trotz der kleinen, langgezogen und manchmal keulenförmigen Früchte durchaus was zusammen. Das schafft sie auch im Freiland, wo aber die Früchte und Pflanze kleiner bleiben. Die Pflanzen sind sehr gesund. Grössere Pflanzen schaffen auch grössere Früchte bis etwa Bananengrösse. Generell ist die Fruchtgrösse ziemlich unterschiedlich. Aber alle bleiben weiss, im Freiland mehr beige, zeigen ein dekoratives Aussehen. Wahrscheinlich auch gut für Topfkultur geeignet. Gebraten sind sie sehr gut, mit etwas Aroma, aber aufgrund der Form für einige andere Gerichte wie Aufläufe nicht so gut verwendbar und innen etwas weich, obwohl sie nicht zerfallen. Man erntet sie unabsichtlich oft zu spät, der Reifezustand ist nicht gut zu erkennen. Dann haben sie unangenehme Kerne. Ideale Anfängersorte.
Fruchtqualität Note 3+, Optik Frucht Note 2+, Pflanze 1-2

Pyatachok

Aubergine Pyatachok überreif

Ein lustiger Name für ein lustiges Pflänzchen mit exzellenter Fruchtqualität und guten, frühen Erträgen. "Pyatachok" ist russisch und bedeutet "Schweinchen" oder "Ferkel". Irgendwie erinnern die Früchte auch daran. Es sind Viele. Grössere Pflanzen ernähren problemlos 10 und mehr Auberginenfrüchte. Die Fruchtgrösse und -Form ist ein Mittelding zwischen einigen asiatischen und europäischen Sorten: Oval bis rund, eher klein, aber alle einander recht ähnlich gross, wenig Differenzen.

Sie wächst im Freiland wie im Gewächshaus gut und setzt zuverlässig Früchte an. Der Wuchs ist mittel bist stark, im Gewächshaus können die Pflanzen auch hoch werden. Ein Nachteil ist ihre Grauschimmelanfälligkeit im Gewächshaus, auch im Freiland ist die Blattgesundheit nicht allzu hoch. Gegen Grauschimmel hilft Luftfeuchte senken. Trotzdem können beispielsweise herabgefallene Blütenreste auf Blätter Grauschimmel-Löcher "hineinbrennen".

Die Früchte bekommen im Gewächshaus einen vornehmen hellvioletten Schimmer auf weissem Grund, im Freiland werden sie kräftig violett. Das Fruchtfleisch ist ausgesprochen fest, kompakt und bleibt beim braten stabil. Aromatisch ist ist auch, aber nicht bitter. Hängen die Früchte zu lange, bildet sich eine sternförmige Kaverne innen. Für Aufläufe ist sie erste Wahl, auch wenn die Fruchtscheiben klein sind und mehr Arbeit beim braten machen. Eine schöne Sorten, sehr anbauwürdig.
Fruchtqualität Note 1, Optik Frucht Note 1-, Pflanze 3

Pyatachok ohne Überreife brät sich sehr gut, bleibt fester

 

Kamo

Aubergine Kamo, Scheiben

"Kamo" ist ein Spezialfall von Aubergine. Die Sorte ist sehr alt, kommt aus Kamikamo und Nishikamo bei Kyoto / Japan und hat dort einen sehr guten Ruf. Es gibt einige Spezialitätenrezepte, die nur mit diesem Typ Aubergine gelingen, der in Europa unbekannt ist.

Ihr Wuchs ist bei mir zögerlich, auch der Fruchtansatz, aber sie scheint gesund zu sein. Ihre erste Besonderheit fällt sofort auf und ist fühlbar: Sie hat üble Stacheln, auch an Stellen an denen andere Kultursorten niemals welche haben. So sind sogar die Blätter bestachelt. Greift man an den Fruchtstiel, so greift man in böse Stacheln hinein. Vorsicht also beim anfassen, mit Kamo ist nicht zu spassen. Im Gewächshaus gedieh sie besser wie im Freiland, sie braucht aber viel Licht und erreicht nicht viel Höhe, man sollte sie nicht hinter höhere Pflanzen setzen. Kann sein, dass das in anderen Jahren anders läuft, mehrjährige Erfahrungen habe ich mit dieser Sorte noch nicht, werde sie aber bekommen, denn sie bleibt im Anbauprogramm.

Kamo unten, Pyatachok oben

Ihre Früchte sind mittelgross, einige bleiben auch kleiner. Die Form ist rund bis breit tropfenförmig, wie eine volle Tüte. Nur im Freiland wird sie flächig violett, im Gewächshaus bleibt die Grundfarbe grün mit einer mehr oder weniger starken violetten Auflage. Das sieht immer unreif aus. Rauhe Stellen hatte sie bei mir auch, offenbar hat sich die Frucht an den eigenen Stacheln anderer Pflanzenteile verletzt. Schön regelmässig sind die Früchte selten. Nimmt man sie aber (vor den Stacheln geschützt) in die Hand, spürt man sofort ihre zweite Besonderheit: Sie sind schwer! Ihre Konsistenz ähnelt eher einem Apfel wie einer der weichen europäischen Sorten. Sie ist richtig fest, hat sehr dichtes aber saftiges Fruchtfleisch, bricht auch leichter. Ihr Aroma hat eine süsse Komponente, wirkt fruchtig, kräftig, es ist die reine Auberginenessenz und stärker als bei jeder anderen Sorte. Brät man die Stücke, so bleiben sie auch formstabil, noch besser wie Pyatachok. Im Mund ist sie markig bis sämig, man kann sie mit der Zunge zerreiben. Die Kerne sind vorhanden, aber klein und lange weichbleibend. Richtig störende Kerne habe ich nie festgestellt, was bei andern Sorten ab einem gewisse Reifezustand die Regel ist. In Japan wird sie gerne mit Miso zubereitet, auch süsslich. Sehr gut für Topfkultur geeignet, ausgepflanzt im Freiland oft geringer Ertrag.
Fruchtqualität Note 1+, Optik Frucht Note 3, Pflanze 3-4

Vorsicht, brutale Aubergine. Kamo hat Stacheln.


Snake of Mugla

Aubergine Snake of Mugla

Ein lustiges Pflänzchen, idiotischerweise amerikanisch benannt nach einer türkischen Stadt, aber dieser Typ Aubergine ist weiter im Osten schon lange verbreitet. Aus irgendeinem Grund keimten die Samen aus zwei verschiedenen Quellen schlecht, ich hatte dann weniger Pflanzen wie ich wollte.

Blätter zwischen steil und lappig

Auffallend ist ihr seltsamer Wuchs, immer wieder ragen ihre Blätter steil nach oben und knicken dann lappig hängend wieder nach unten. Aber sie wächst stark, eine hoch wachsende Sorte, fast zu stark fürs Gewächshaus, wo sie bei 1,80m an der Dachschräge angestossen ist. Im Gewächshaus war sie leider auch die Sorte, die alle Krankheiten am stärksten angezogen hat, Spinnmilben, Kräuselmilben, dann kamen Läuse. Bis zum Fruchtansatz dauert es lange. Sie hatte auch Probleme beim Ausreifen, denn ab und zu faulten die Früchte vom Fruchtkelch her, von oben. Das passierte durchgängig während der gesamten Vegetationszeit, unabhängig davon ob es feucht oder trocken, kühl oder heiss war. Letztlich waren es relativ zur grossen Pflanze nur wenige Früchte, die erntefähig waren. 

Wenn man sie anbaut, dann wegen der Fruchtform, tiefviolett, schlangenartig und sehr lang und schmal, bis zu einem halben Meter bei mir. Spektakulär. Aber nicht alle Früchte werden so, manche "verhocken" krumm und kurz. Ihr Geschmack und die Kocheigenschaften sind aber nur einfach, so wie viele in der Türkei populäre Sorten. Brauchbar ist sie schon, sozusagen Auberginen-Standardware. Späte Früchte können auch dicker und kürzer bleiben.
Fruchtqualität Note 2-3, Optik Frucht Note 1-, Pflanze 2-3

Links: Frucht und Faulstellen. Rechts: Lappige Steilblätter

 

Noch eine Krankheit

Kräuselmilben an Aubergine

Nicht nur Sorten sind überraschend, sondern auch Krankheiten. Dieses Jahr haben sich die Auberginen im Gewächshaus erstmalig eine Art Kräuselmilbe eingefangen, die Blätter in pockennarbige Kraterlandschaften verwandelt hat. Aber ich konnte auch mit der Lupe keine Tiere finden. Es gab zwei Befallswellen, die Erste bereits Anfang Juli. Glücklicherweise wurden die Schädlinge aber von der Behandlung gegen Spinnmilben mit Neemöl mit erfasst und der Blattbefall stoppte.

Die Spinnmilbenbehandlung ist sowieso obligatorisch. Kühle Jahre wie dieses Jahr sind da von Vorteil, erstens vermehren sie sich nicht so schnell und zweitens gelingt die Behandlung mit Neemöl besser. Neemöl verliert die Wirkung oberhalb 25°C und in Sonne. In den letzten Hitzejahren musste man sich Nachts ins Gewächshaus schleichen, um Neemöl anzuwenden, in diesem Jahr ist kein Mangel an trüben, kühlen Tagen.

Sorten und Erfahrungen der letzten Auberginenjahre:
https://gartenzone.blogspot.com/2019/08/noch-mehr-auberginensorten.html
https://gartenzone.blogspot.com/2017/09/auberginen-ohne-ende-kohl-am-ende.html

Alle Beiträge: https://gartenzone.blogspot.com/search/label/Auberginen

Auberginenblüte

Sonntag, 22. August 2021

Das Tafeltrauben-Pilzjahr: Echter und falscher Mehltau

Falscher Mehltau, Spätstadium an Blättern -
Alles zu spät im August

Das Jahr hat wieder einmal mehrere Wetterrekorde gebrochen. Ein anhaltend saukalter Frühling bis Anfang Juni, dann kurz brüllende Hitze, schliesslich Niederschlagsrekorde mit anschliessendem Rekord-Hochwasser in manchen Gegenden, das Wetter bringt offenbar immer mehr Extreme. Für Tafeltraubenfreunde hat es sich als ein Jahr entpuppt, das extremen Befallsdruck von echtem Mehltau (Uncinula necator) mit sich bringt und sehr hohen Befallsdruck von falschem Mehltau (Peronospora, Plasmopara viticola). 

 

Woher kommt der Mehltau?

Man kann es sich heute kaum mehr vorstellen, aber Weinbau war einst jahrtausendelang eine ausgesprochen gesunde Kultur, die nur Frost und ein bisschen den Traubenwickler und Motten zu fürchten hatte. Das änderte sich grundlegend, nachdem der Mensch in seiner schier unbegenzten Dummheit drei absolute Katastrophen vom amerikanischen Kontinent ins Herz des Weinbaus nach Europa importiert hat: Die Reblaus, den echten Mehltau an Weinreben und den falschen Mehltau. Echter Mehltau machte den Anfang, er wurde 1845 nach Europa geholt. Um 1865 folgte die Reblaus, wieder mit importierten Rebstöcken. Sie brachte den europäischen Weinbau nach den schweren Mehltauschäden vollends an den Rand des Zusammenbruchs. Und weil Fehler so gerne wiederholt werden, importierte man anschliessend noch den falschen Mehltau mit Unterlagsreben im Jahre 1878. Seither gleicht der Weinbau einer Dauerschlacht, in der mit massenhaft Chemikalien, ständigen Züchtungsversuchen und biotechnischen Methoden den Pflanzen gegen Krankheitsangriffe ein Ertrag abgepresst wird, zumal der Import von noch mehr Krankheiten folgte und den Weinbau noch weiter "bereicherte". Alles diese Krankheiten bleiben. Es gibt kein einziges Problem, das man wirklich wieder losgeworden ist. Im allerbesten Fall sind die Probleme "beherrschbar" geworden, was aber ebenso Zeit, Geld und Mühen kostet.


Echter Mehltau an Wein, Oidium, Uncinula necator

Oidium, echter Mehltau an
Weinbeeren, Juli

In unseren Breiten ist echter Mehltau (auch Oidium genannt, der auslösende Pilz heisst an Uncinula necator) Tafeltrauben der häufigste Spielverderber. Es gibt nur sehr wenige Tafeltraubensorten, die wirklich mehltaufrei bleiben. Seit langer Zeit versucht man mit der Einkreuzung anderer Rebenarten, gute Resistenz mit der den guten Geschmacksqualitäten europäischer Reben zu verbinden. Das gelingt meistens nur teilweise. In Traubenforen, bei Händlern, Züchtern, Vermehrern sind die Resistenzeigenschaften der verschiedenen Sorten ein Endlosthema. Dieses Jahr war der Infektionsdruck so stark, dass nur in absoluten Gunstlagen mehr als ein paar Sorten ohne Mehltau blieben. Hier waren das Venus, Lakemont, Muskat Blau, Sirius. In meinen Tafeltraubentests habe ich ausführlichere Beschreibungen zu den Sortenanfälligkeiten.

Das Krankheitsbild ist einfach und entspricht dem Wort. Die Beeren und manchmal auch Blätter bekommen oft schon ab Juli einen weissen Belag, wie mit Mehl bestäubt. Blätter können aber auch Aufhellungen zwischen den Leitungsbahnen bekommen. Das kann sogar schon in oder gleich nach der Blüte beginnen oder eben später, wenn das Wetter entsprechend ist. Die geschädigten Blätter assimilieren weniger, sterben früh ab und an den Beeren verhärtet sich die Schale, früher oder später platzen sie deshalb auf. Echter Mehltau kann jeder schnell diagnostieren. 

Dem Mehltaupilz gefallen Lagen, die nicht windoffen sind. Beispielsweise an einer windstoppenden Eckmauer, vor dichten Hecken die auch noch Feuchtigkeit verbreiten. Er liebt ferner Gewitterlagen, trockenwarm bei gleichzeitig hoher Luftfeuchtigkeit, Schwüle, nachts Tau. Das hatten wir dieses Jahr seit Anfang Juni dauernd, praktisch jeden Tag.

Echter (Aufhellungen Blattmitte) und falscher Mehltau
(Nekrosen vom Rand her) an Weinblättern, August


Falscher Mehltau an Wein, Peronospora, Plasmopara viticola

Peronospora, Beginn Traubenbefall

Eine andere Pilzart nennt sich Plasmopara viticola, die Krankheit die er auslöst falscher Mehltau oder Peronospora. Der Pilz gehört zur selben Klasse wie Braunfäule an Tomaten und Kartoffeln und die fatalste Blattkrankheiten an Melonen und Gurken. Er liebt Nässe. Feuchter Boden, anhaltend feuchte Blätter durch Tau oder Regen, schon fliegen die Sporen und keimen auf der Pflanze aus. Trockene und schnell abtrocknende Lagen sind wenig gefährdet. 

Auch hier ist die Diagnose einfach. An der Oberseite der Blätter zeigen sich Aufhellungen, sogenannte "Ölflecken". Der Sporenrasen ist mehlig und ausschliesslich an der Unterseite der Blätter zu sehen. Junge Beeren bekommen weisse Beläge, was mit dem echten Mehltau verwechselt werden kann, ältere Beeren werden zu Lederbeeren, vertrocknen. 


Die Verteidigung

Erste Verteidigungslinie für den Nutzgärter ist Sorten- und Pflanzortwahl. Sortenwahl ist am einfachsten, ich habe lange Jahre nur Sorten gepflanzt, die wenig anfällig waren und auch in Kauf genommen, ab und zu Ernteausfall zu haben. Bei sehr robusten Sorten wie Muskat Blau passiert das fast nie. Die Sorten habe ich bis heute, aber am liebsten in einem Aussengarten, weil man dort sowieso nicht ständig hinkommt, um gegenzusteuern. Dort muss die Rebe mit wenig Aufsicht wachsen und fruchten können. Mit der Zeit wollte ich jedoch auch Sorten mit einer grösseren Aroma- und Reifebandbreite und damit kamen dann auch empfindlichere Reben, die nur jedes zweites Jahr ohne Ernteausfall waren. In den Tafeltrauben-Tests stehen auch Erfahrungen mit Krankheitsanfälligkeiten. Wer reine Europäerreben pflanzen will, wozu Spitzensorten wie der Muskattrollinger oder manche Muskatellervarietäten gehören, hat praktisch jedes Jahr Krankheitsärger, denn reine Vitis Vinifera - Reben sind noch empfindlicher.

Für den Pflanzort gilt: So tauarm wie möglich, so windoffen von allen Seiten wie möglich, so viel Sonne (vor allem Morgensonne) wie möglich. Eine Hauswand oder Mauer im Rücken (keine Hecke, deren Nadeln oder Blätter liefern zu lange Feuchtigkeit nach Regen oder Tau) sind trotzdem gut, jedoch verringern Dachüberstände auch Wind und sorgen für "stehende Luft" darunter, das ist wieder schlecht. Reben nicht zu bodennah führen oder an niedrigen Zäunen entlang.

Zweite Verteidigungslinie sind Laubarbeiten, luftig halten, Rückschnitte, Bodenabdeckung, Kräuterbrühen. Darüber gibt es tonnenweise schlaue Ratschläge, die wie üblich endlos abgeschrieben sind und selten auf Praxistauglichkeit sowie Wirksamkeit geprüft werden. Ich habe damit fast durchgäng magere Erfahrungen gemacht: Viel Aufwand, wenig Effekt, oft so wenig dass das der Nachweis von Wirkung im statistischen Rauschen verschwinden dürfte. Am sinnvollsten war noch die luftige Erziehung und Schnitt. Dafür werden Geiztriebe früh gekappt, dicht stehende Triebe ausgelichtet. Prinzip: Prinzip: Alles soll leicht besonnt und durchlüftet werden. Diese zweite Linie ist trotzdem schwach und benötigt viel Arbeit.

Die dritte Verteidigungslinie ist das, was meist abfällig als "spritzen" bezeichnet wird. Die Abfälligkeit kommt meist von Leuten, die eigentlich keine Ahnung von Pflanzen, Krankheiten oder gar Mitteln haben, sich aber selber mit jeder getrunkenen Flasche konventionell angebautem Wein und jeder Schale importierter Tafeltrauben ein Produkt einwerfen, das bis zu 15mal mit verschiedenen Pflanzenschutzmitteln bombardiert wurde. 

Reine Kalischmierseife

Wer richtig behandeln kann, hat Ergebnisse. Hier wird es interessant und sichtbar wirksam. In den vielen Schachtelhalmbrühe-Ratgebern steht nichts über solche Mittel und die Pflanzensude haben leider einen kaum nachweisbaren Effekt.

Gegen echten Mehltau werden ein paar fungizid wirkende Pflanzenschutzmittel auch an Privatleute verkauft. Die sind oft teuer und meistens überflüssig. Echter Mehltau ist mit einfachen Mitteln bekämpfbar, allerdings muss man oft und gründlich behandeln. Dazu bedienen wir uns der Mittel, die auch im Bioanbau Verwendung finden, im Wesentlichen sind das 1. Kaliumbikarbonat (auch Kaliumhydrogencarbonat genannt, Vorprodukt von Pottasche, ein kommerzielles Mittel ist "Armicarb" oder "Vitisan") und 2. Lezitine, wie sie in Milch vorhanden sind sowie 3. Schwefel. Für Schwefel sollte man wirklich zu einem kommerziellen Produkt greifen, "Netzschwefel", aber sehr genau die Anwendungshinweise lesen, damit kann man den Pflanzen auch schaden. Bekannte Mittel heissen "Netz-Schwefelit" oder "Mehltau-frei Thiovit".

Nur von links unten gespritzt:
Beginnender Oidiumbefall rechts oben

Bei meinen wenig anfälligen Sorten komme ich in der Regel sogar nur mit Kaliumbikarbonat aus. Das ist der Lebensmittelzusatzstoff E501, ähnlich wie Backpulver (Natriumbikarbonat), oft Bestandteil von Triebmitteln für schwere Teige wie Lebkuchen. Auch Backpulver (Natriumbikarbonat) geht, ist aber etwas weniger wirksam. Im Chemikalienhandel bei Versendern ist Kaliumbikarbonat für kleines Geld in Kilopackungen zu bekommen. Und so wird es angewendet:

  • Erste Behandlung kurz nach der Blüte. Dafür mischt man 5g KHCO3 pro Liter Wasser und gibt auf 5 Liter einen getrichenen Esslöffel aufgelöste reine Kalischmierseife zu. Rein heisst rein: Keine Duftstoffe, kein Glyzerin. Mit dem Stichwort "Kalischmierseife" findet man passende Produkte. Es gibt sie gebrauchsfertig, in Wasser bereits flüssig gemacht (braucht dann nicht mehr aufgelöst zu werden) oder höher konzentriert mit der Konsistenz von zähem Fett.
    Mischen, bei bedecktem Himmel und mässigen Temperaturen mit einem guten Drucksprühgerät auf Blätter und vor allem die jungen Trauben spritzen. Gründlich, von allen Seiten, lückenlos.
  • Angetrocknete Reste von Kaliumhydrogencarbonat
    Zweite Behandlung 10 Tage später.
  • Weitere Behandlungen, wenn Infektionslagen herrschen: Anhaltende Gewitterschwüle, allererste Anzeichen von Infektionen. Kaliumhydrogencarbonat wird dann gerade noch heilend.
  • Die Wirkung basiert auf Austrocknung der Pilze und einiger Sporen. Treffen sie auf einen Spritzbelag, trocknen und platzen sie. Wird der Belag durch Regen abgewaschen, ist die Wirkung auch vorbei. Solange es nicht regnet und keinen Tau hat, hält die Wirkung an.
Typische Vernarbungen, Spätfolgen eines
überstandenen Oidiumbefalls der Beeren

Lecithin hat dieselben Anwendungszeitpunkte. Am einfachsten verwendet man dafür Magermilch, ein Liter Milch in fünf Liter Wasser kippen. Lecithin kann man auch rein kaufen, es ist der Lebensmittelzusatzstoff E322. Die Herkunft spielt keine Rolle, es gibt Sojalecithin oder Lecithin anderer Herkünfte. Lecithin klumpt beim Auflösen in Wasser und muss zweistufig zubereitet werden. Flüssige Zubereitungen sind z.B. "Pilz Stopp Universal", benötigt werden 7,5ml pro 10 Liter für Wein. Pulverlecithin 10-20 Gramm. Die Wirkung ist meiner Erfahrung nach etwas schwächer als mit Kaliumbikarbonat und nie kurativ, ratsam ist eine Behandung pro Woche.


Verteidigung gegen Peronosphora

 
Peronospora, sporulierender Befall Beeren
Gegen falschen Mehltau wurden hundert Jahre lang Kupfermittel eingesetzt. Das waren die ersten wirksamen chemischen Pflanzenschutzmittel überhaupt. Kupfer hat eine stark fungizide Wirkung, beseitigt auch die Sporen und kann sogar ein Stück weit kurativ (heilend) wirken. Ohne Kupfer würde es keinen Weinbau mehr geben, der starke Niedergang im 19. Jahrhundert wäre ungebremst weitergegangen. Nun sind die Zulassungen für Kupfermittel an Privatanwender ausgelaufen, in anderen Ländern wie der Schweiz sind sie weiter erhältlich. Gegen falschen Mehltau ist mittlerweile auch kein anderes Mittel für Privatanwender zugelassen. Konventionelle Traubenanbauer schöpfen dagegen aus dem Vollen. Der letzte Schrei sind Pyrimidylamine, am häufigsten werden ausserdem  ß-Phthalimide ausgebracht und dann das alte Dithianon, eine chemische Verbindung aus der Gruppe der Chinone, Nitrile und schwefelhaltigen Heterocyclen von 1962. Daneben gibts es noch einige weitere Mittel. Das alles haben wir nicht und das wollen wir nicht im Nutzgarten.
Peronospora, falscher Mehltau, stark befallene Beeren - Lederbeeren
 
Falscher Mehltau, Blattbefall Beginn
Was bleibt uns? Im Ökoweinbau wurden eine Zeitlang als Geheimtip Phosphonate eingesetzt, die aber in einer Grauzone lagen. Sie hätten Kupfer ersetzen können, wurden aber als Pflanzenschutzmittel ohne echte Begründung EU-weit für Ökowinzer verboten, seither nehmen die wieder Kupfer - erlaubte Mengen sind 3 bis 4 Kilo pro Hektar. Im Moment kann man noch einen Blattdünger kaufen, der auch Phosphonat enthält: Phosfik. Früher gab es noch weitere Marken. Es kann aber gut sein, dass das bald nicht mehr möglich ist oder Phosphonat darin nicht mehr enthalten ist. Dieser Dünger hat jedenfalls eine Nebenwirkung auf falschen Mehltau - in einer Dosierung von 5-8ml pro Liter Wasser. Das nutzt nur etwas, solange das Pflanzengewebe jung ist und wächst, zwischen Blüte und Anfang August an Tafeltrauben. Alte Blätter werden sowieso nicht mehr von falschem Mehltau befallen. Heilend wirkt der Dünger auch nicht, sondern nur vorbeugend. Phosphonate zerstören den Pilz nicht, aber bringen die Pflanze in die Lage, ihn selbst bekämpfen, verursachen also eine induzierte Resistenz. 
Falscher Mehltau, typisches Bild Blattunterseite


Damit die Nebenwirkung gegen falschen Mehltau eintritt, muss ab Blüte im Abstand von 10 Tagen ein paarmal mit dem genannten Blattdünger gedüngt werden mit Extragaben bei Infektionslagen. In stabilen Gutwetterlagen kann das unterbleiben.
Falscher Mehltau, beginnende Nekrosen links



Fazit

 
Es gibt Jahre, da geht gar nichts mehr, so wie dieses Jahr. Wochenlang blieb das Laub nass, eine Behandlung war gar nicht in den nötigen Intervallen möglich weil alles sofort wieder abgewaschen worden wäre. Glücklich blieb nur, wer eine der wenigen sehr robusten Traubensorten hatte. Die Biowinzer in unserer Region haben teilweise einen Totalschaden erlitten, über den auch in der Presse berichtet wurde. Ihre Hybridrebsorten und viele unserer ebenfalls hybriden Tafeltraubensorten halten normale Jahre ohne oder mit wenig Behandlung aus, dieses Jahr 2021 ist wieder einmal alles komplett zusammengebrochen. Das letzte derart schlimme Jahr war 2016.

Der Nutzgärtner setzt am Besten auf Risikostreuung. Man pflanzt sehr robuste Tafeltrauben (Muskat Blau, Lakemont, Venus) plus ein paar gute weniger Robuste, die dann nach obigen Vorschlägen behandelt werden. Einen Ertragsausfall wie dieses Jahr nimmt man leichter hin, wenn man wenigstens noch gesunde Trauben von Muskat Blau in der Hinterhand hat. Das dürfte die pilzfesteste Tafeltraubensorte ohne Fuchsgeschmack überhaupt sein.

Behandelt und gesund geblieben - reife Tafeltraube


Freitag, 9. Juli 2021

Litschitomate Solanum Sisymbrifolium, die Stachelshow

Eines der auffälligsten Nachtschattengewäche ist der klebrige Nachtschatten, Solanum Sisymbrifolium. Samenverkäufer haben die besser klingende Bezeichnung "Litschitomate" oder "Litschibeere" erfunden. Die Untergattung der Nachtschattengewächse, zu der die Litschitomate gehört kennt auch viele invasive Arten, die weltweit verschleppt Schäden und Probleme verursachen. Auch die Litschitomate ist in einigen Ländern ein unerwünschter invasiver Neophyt. In einem Klima ohne Frost wächst sie mehrjährig, der Stiel verholzt. In Deutschland friert sie ab.

Die Pflanze wird auf gutem Boden (Starkzehrer) deutlich über 2m hoch, ist imposant bestachelt, entwickelt dekorative Fruchtstände und die Früchte sollen essbar sein. Also gebot mir die gärtnertypische Neugier, sie auszuprobieren. Das hat auch erstklassig funktioniert. Die Anzucht startete im März zusammen mit Physalis und Tomaten unter denselben Bedingungen. Sie keimten leicht und vollständig
Jungpflanze Solanum Sisymbrifolium, Litschitomate
im Zimmergewächshaus. Nach der Auspflanzung im Mai (Frost verträgt sie nicht) entwickelten sich schnell immer grösser werdende Stachelgewächse. Bald erschienen Blütenstände in Rispen, wie bei Tomaten. Die Blüten waren weiss bis lila, ähnlich Kartoffelblüten. Daraus entwickeln sich grüne Früchte, die langsam abreiften. Bereits zur Reife hin beim Farbton "orange" zogen sich die Stachelblätter an der Frucht stetig zurück, so dass man die schliesslich glänzend rot werdenden Beeren greifen konnte. Schliesslich wurden sie leuchtend Rot, wurden etwas stumpfer, fielen bei Vollreife (erst ab Ende August) von selbst ab. Laufend wurden neue Fruchtstände nachgeschoben.

Mein letzter absichtlich geplanter Anbau liegt zwei Jahre zurück. Danach sind immer wieder neue Pflanzen aus Samen heruntergefallener Früchte aufgegangen, auch dieses Jahr. Die Samen bleiben also auch im Freiland sehr lange keimfähig, die Pflanze hat in unseren Breiten trotz fehlender Frostfestigkeit ein gewisses Unkrautpotential. Dieses Jahr kamen sie ebenfalls von selbst auf, massenhaft im Juni trotz eines sehr kalten Frühlings in der Nähe des alten Standorts. Jetzt fruchten sie bereits und haben kräftig an Höhe gewonnen. Das ist der richtige Zeitpunkt, um mehr über diese Gartenpflanze zu schreiben und ein paar Bilder zu zeigen:

Erste Blüten - weiss bis hellviolett
Fruchtstände erscheinen
...und werden reif

Die Pflanzen werden immer höher
Reife Früchte, von selbst abgefallen

Der Geschmack? Nun ja. Es ist ja immer mehr als verdächtig, wenn besonders wohlklingende Namen für Obst oder Gemüse nachträglich erfunden werden. Auch hier bestätigte sich der Verdacht. Die Litschitomate schmeckt weder nach Litschi noch nach Tomate und auch nicht Richtung Physalis, sondern sie ist säuerlich, auch noch bei Vollreife. Nicht ganz vollreif würde ich sie sogar als "ungeniessbar" bezeichnen. Die kleinen aber harten Kerne stören ebenfalls. Das Aroma ist nachtschattenartig, nicht stark, das Restaroma kommt wenig angenehm. Nichts, das man freiwillig isst. Immerhin die Hühner haben sie ser Kerne wegen sehr gerne gefressen und es schadete ihnen nicht.

Heftiges Stachelzeug
Die Pflanzen hatten auch etwas Probleme. Man musste sie anbinden, bei Sturm werden sie leicht umgerissen und einige Äste kippten wegen des reichen Fruchtbehangs ab. An den Blättern frassen Kartoffelkäfer, andere Blätter zeigten Symptome wie bei Braunfäule an Kartoffelpflanzen. Sie hielten aber gut durch bis zum Frost. Gepflanzt hatte ich sie ursprünglich am Grundstücksrand mit der Intention, dort etwas dekoratives stehen zu haben und Passanten mittels der Stacheln etwas auf Abstand von meinen Melonen in der Nähe zu halten. Als eine Pflanze bedenklich Richtung Strasse kippte, wirkt das wie der Angriff eines Stachelmonsters auf die Öffentlichkeit. Kein Passant traute sich, von den leicht zu greifenden roten Früchten zu probieren, sie sehen einfach zu suspekt aus, wirken wie roten Tollkirschen. Sie soll auch nicht selbstfruchtbar sein, für Fruchtansatz werden mehrere Sämlinge benötigt. Die ich immer hatte, der Beweis des Gegenteils steht also aus.

Prädikat: Was für den Ziergarten. Der Nutzgärtner muss sie nicht haben.

Freitag, 2. April 2021

Brettacher, der Winter- und Frühlingskönig

Brettacher im März - nach 6 Monaten Lagerung!

Ein Beitrag über einen Apfel im Frühlung? Ja, beim Brettacher hat das seine volle Berechtigung. Gut acht Kilometer von hier ist sie entstanden, die Apfelsorte Brettacher, eine ungeplante Zufallskreuzung aus Champagner Renette und vermutlich Jakob Lebel, einem früher sehr beliebten Backapfel. Brettacher ist meine Nr. 1, meine Lieblings-Universalsorte für alle Verwertungsarten, der Sieger des Herzens, der Sieger nach Punkten, der Sieger im Anbau. Über den Brettacher gibt es viel zu schreiben, seine "Sortenwerdung" ab 1908 und die Verbreitung ab den 1930er Jahren ist gut dokumentiert. In den 1950er Jahren war er sogar eine sehr beliebte Marktsorte. Darüber später vielleicht mehr. 

 

Beschreibung der Äpfel


Meine Kinder essen ihn gerne.
Saft und Spritzigkeit gewinnen

Zunächst eine Beschreibung dieses Apfels nach vielen Jahren Erfahrungen mit eigenen Brettacher-Bäumen:
Der Apfel ist optisch ausgesprochen hübsch. Er ist gross, breit, glattschalig und regelmässig gebaut. Grundfarbe grün, im Lager zitronengelb werdend. Ab September bekommen besonnte Früchte leuchtend rote Backen. Grünbleibende oder nur wenig gefärbte Früchte waren wenig besonnt und sind qualitativ etwas schlechter. Geerntet wird er meistens Anfang Oktober. Auf dem Lager fettet er glücklicherweise etwas, durch diesen natürlichen Verdunstungsschutz auf der Schale wird er erst im April schrumpeliger. Dank dieser Eigenschaft kommt er auch mit weniger feuchter Lagerluft besser klar als andere Sorten. Die kommerzielle Züchtung hasst fettende Äpfel, angeblich mag sie der Konsument nicht, zudem spielt ihre natürliche Haltbarkeit keine Rolle, weil auch Herbstäpfel mit Grosslager, 1-Methylcyclopropen-Behandlung, sauerstoffarmer künstlicher Atmosphäre, technischer Kühlung endlos gelagert werden.

Angeschnitten - prall und saftig

Beisst man in das weisse Fruchtfleisch der vollreifen Äpfel hinein, fällt sofort der hohe Saftgehalt auf, er ist knackig, spritzig, fruchtig und schafft als eine der wenigen Sorten das Kunststück, trotzdem nicht gleichzeitig hart und grobzellig zu wirken. Die unangenehme Härte moderner Sorten hat er nicht. Das hat die Unsitte befördert, den Apfel erst mit einem Messer in Stücke zu teilen, weil man in die harten Bollen kaum mehr direkt hineinbeissen kann, früher hat man sich diese Mühe nur für kleine Kinder und Greise gemacht. Beim Brettacher kann man sich solche Umwege sparen. Nachteil: Man sollte ihn vorsichtig pflücken, um Druckstellen zu vermeiden. Mit dem Apfelpflücker nicht einfach, denn die grossen Äpfel knallen auf die bereits im Pflücker liegenden Früchte und verursachen Druckstellen, besser nur einzeln von den Ästen holen.

Halbierter Brettacher

Er glänzt durch eine schnittige, weinige und überaus erfrischende Art, die heutige Apfelsorten nicht haben. Seine Würze ist Apfelaroma, Weinwürze ohne die Blumigkeit von Golden Delicious oder Cox Orange. Rieslingtrinker lieben auch Brettacher. Hier scheiden sich die Geister: Für den Einen ist er ein säuerlicher Mostapfel, für den Anderen eine Sinfonie mit strahlendem Säurespiel. Brettacher hat frisch ein Zucker-Säureverhältnis von 10:1 bis höchstens 12:1. Die Säure ist aber nicht scharf wie beim Glockenapfel oder Ontario, sondern weinig. "Moderne" Sorten liegen da völlig anders, 18:1 ist keine Ausnahme, das bedeutet mehr Zucker, viel weniger Säure. Das Zucker-Säureverhältnis beschreibt das Verhältnis des Zuckergehalts und des Säuregehalts in Prozent. Ein Apfel mit 12% Zucker und 1% Gesamtsäuregehalt hat ein ZSV von 12:1.

Seine Lager- und Anbaueigenschaften im heutigen Klima machen ihn für Nutzgärtner oder Leute mit Platz für Äpfel zu einer Sorte mit enormem Wert. Dieses Jahr ist mir das wieder stark aufgefallen, deshalb sollte man gerade im Frühling an den Brettacher erinnern. Wir leben beim Obst ab Januar bis in den Mai hinein im Grunde von Brettachern. Jedes andere Obst müssen wir in dieser Zeit kaufen. Nur sehr wenige Birnensorten sind über den Januar hinaus im Naturlager lagerfähig und unter den Äpfeln gibt es fast keinen, der noch im April so schön saftig, knackig und frisch schmeckt, weiterhin für Mus, Kuchen, Apfelküchle und alles andere verwendbar bleibt. Sein Fruchtfleisch kann man nach Lagerung mit der Zunge abreiben, trotzdem wirkt er nicht mehlig oder matschig. Der Brettacher ist eine Freude und in dieser Zeit eine Notwendigkeit. Und: Bei einigen Sorten habe ich Allergiesymptome, beim Brettacher nicht.


 Voraussetzungen für Langlagerung zu Hause

 

Apfelkiste mit Brettachern Ende März
nach Folienhaubenlagerung

Wie bleibt er so lange frisch und hält die Qualität? Zwei Dinge sind wichtig: Die richtige Lagerung, die heute auch ohne tiefen Naturkeller gut gelingen kann. Das ist zum Beispiel eine Folienhaubenlagerung, so wie sie in diesem Beitrag detailliert beschrieben ist: https://gartenzone.blogspot.com/2018/11/apfel-und-birnen-lange-lagern-ohne.html. Dann der richtige Erntezeitpunkt, der beim Brettacher glücklicherweise nicht so punktgenau wie bei anderen Sorten stimmen muss. Man darf dabei nicht so sehr auf den Geschmack achten, Brettacher erreicht sowieso erst nach etwas Lagerung seine Höhe. Es ist die Schalenfarbe, die es anzeigt, in unserem Klima kann das ab Ende September bis in die zweite Oktoberwoche so weit sein. Er hängt ungeerntet länger und sieht noch frisch aus, wäre aber nicht mehr lange lagerfähig. Ein erntereifer Brettacher hat rote Backen, die er erst recht spät bekommt, wenn die Nächte kühler werden. Er ist noch sattgrün, aber manche Früchte sind bereits in Aufhellung von grasgrün in helleres grasgrün begriffen. Wenn eine ganz leichte Farbveränderung anrollt, ist er spätestens so weit. Sein Zuckergehalt liegt dann bei mindestens 50 OE, im Schnitt bei meinen Äpfeln 55, maximal bis 65° OE (12,5 / 13,75 / 16,25 Brix). Die 65° wurden beispielsweise 2020 erreicht, erst dachte ich an einen Messfehler, aber es stimmte exakt mit Gegenproben und unterschiedlichen Bäumen überein. Kommen immer wieder Jahre mit unter 50°, dann ist das Klima zu schlecht für ihn. Auch als Saft macht er dann nicht viel her, höchstens als Säureträger. Früher war das sein Pferdefuss, die benötigten guten Wärmesummen. Er wurde aus gutem Klima gewachsen probiert und hatte dann den "den will ich auch haben" Faktor, dann zu oft in kühleren Landesteilen gepflanzt, wo er als Baumrübe enttäuscht. Heute im veränderten Klima hat sich seine Anbaufähigkeit aber stark erweitert und seine immer schon vorhandenen Stärken machen ihn erst recht zu einem Gewinner.

Er ernährt uns auch beim Saft und etwas Gärmost. Der Saft ist erstklassig, ausserdem lässt sich der Apfel leicht pressen. Der Saft ist schnittig, ohne sauer zu wirken, solche Säfte lassen sich auch leicht mit Wasser verdünnen und schmecken dann immer noch. Ebenso Gärmost, wo bei mir hohe Alkoholgehalte unerwünscht sind, dafür ein angenehmes Säurerückgrat existieren muss. Das Durchschnittsjahr mit 55°OE bringt immer noch 6,9% Alkohol, verdünnt ergibt dies stilistisch eine Art selbstproduziertes Weissweinschorle.

 

Eigenschaften des Baums


Blühender Brettacher-Hochstamm

Der Baum wächst stark und kommt mit heissen, trockenen Sommern überdurchschnittlich gut zurecht. Kühlere Standorte verursachen bei ihm nicht nur saure Äpfel, sondern auch Befall mit mit dem Pustelpilz Neonectria ditissima, im Volksmund auch "Obstbaumkrebs" genannt wegen der Wucherungen, die er optisch hervorruft. In Wirklichkeit sind die aber nichts krebsartiges, sondern Folge der Pilzkrankheit. Begünstigt wird sie durch schwere Böden, aber beim Brettacher sind kühle Standorte der stärkere Faktor. Eine seiner besten Baumeigenschaften ist seine Robustheit gegen Rindenbrand, er auf meinen warmtrockenen Obstwiesen insgesamt 60% aller Sorten hinweggefegt hat. Als triploide Sorte ist Brettacher ein schlechter Befruchter für andere Sorten. Sein Hauptnachteil für Selbstversorger ist sein Problem mit schwachwachsenden Unterlagen, das viele alte Sorten haben. Die meisten Leute haben heute keinen Platz mehr für grosse Bäume, also wird auf schwachwachsenden Unterlagen gepflanzt, so wie in der Plantage, um damit kleine Bäume zu bekommen, die auch im beengten Hausgarten Platz haben. Sorten wie Brettacher entwickeln dabei aber übergrosse Äpfel, die häufig durch physiologische Ungleichgewichte innen früh stippig werden und damit nicht lagerfähig. Das passiert manchmal auch bei starkem Überbehang, wenn das Vorjahr beispielsweise Frost wegen Ertragsausfall hatte. Auch ältere Bäume alternieren jedoch nicht stark. Sie benötigen auch wenig Pflege. Seine Blüte ist prächtig, mittelspät bis spät und damit auch etwas spätfrostsicherer wie der Durchschnitt.

Brettacher im Herbst am Baum, gut besonnt,
gut verteilt, Idealbehang

Grössere Baumformen sind überaus robust, gesund und erntesicher bei guten Erträgen. In unserer Gegend lag der Anteil von Brettachern bei Obstwiesenbepflanzungen über ein halbes Jahrhundert lang bei mindestens 50%. Auch die grausamen 1970er Jahre und danach hat er überstanden. Damals wollte man Sorten aus dem Supermarkt wie den Golden Delicious oder Gloster auch auf der eigenen Wiese haben. Aber man hat denen trotzdem nie ganz getraut, ohne Brettacher ging es nie: Oben auf der Wiese vier Brettacher als sichere Miete, unten das neue Zeug. Heute stehen die Brettacher noch und tragen, der Rest ist längst tot. Viele Brettacher in der Umgebung sind noch aus Reisern entstanden, die man beim Ur-Brettacher an der Strasse zwischen Brettach und Langenbeutigen geholt hat, bis er aufgrund einer völlig enthemmten und katastrophalen Flurbereinigung umgesägt wurde. Diese Zeit war auch in anderer Hinsicht eine brutale Zäsur, in der massenhaft andere gute Dinge bei Obst, im Land, der Natur unwiderbringlich zerstört wurden.

Pflanzen wir neue Bäume. Brettacher ist eine Sorte, die zwar nicht in Gartenmärkten, aber glücklicherweise oft in Baumschulen zu finden ist. Er wird zwar auch auf Unterlagen wie M9 angeboten, aber kaufen sollte man ihn aus den oben erwähnten Gründen mindestens auf mittelstarken Unterlagen wie MM111. Diese Bäume sind bereits standfest und auch im Hausgarten noch in tragbaren Grössenordnungen zu halten. Am Besten aber auf Bittenfelder Sämling für eine Obstwiese.

Samstag, 27. März 2021

Backhonig, besser als sein Ruf

Was ist "Backhonig"? Den Namen hört man selten, im Laden gibt es keinen Backhonig. Er klingt etwas wie der untergangene "Kunsthonig", ein Begriff der verboten wurde. Heute muss das "Invertzuckercreme" heissen, alles was "Honig" als Wortbestandteil hat muss von Bienen stammen. Und Backhonig?


Gläser mit Backhonig

In der Honigverordnung existiert er in der Liste der Honigarten, die als Lebensmittel geeignet sind. Dort taucht er als letzte Kategorie auf, nach Blütenhonig, Honigtauhonig, Wabenhonig, Honig mit Wabenteilen, Tropfhonig, Schleuderhonig, Presshonig, gefilterter Honig. So wie einige andere Kategorien hat er jedoch kaum Marktbedeutung. Für Backhonig gelten einige Ausnahmen, die bei keiner anderen Honigart erlaubt sind. Er darf angegoren sein, er darf Fremdaromen aufweisen, er darf erhitzt worden sein. Der Wassergehalt darf 23% statt 20% betragen, ein wenig mehr Säure darf er aufweisen. Als Backhonig deklariert muss er mit dem zusätzlichen Hinweis "nur zum Kochen und Backen" versehen werden. Damit kann (aber muss nicht) Backhonig ein minderwertiger Honig sein. Die Honigverordnung sagt ferner: "Honig, der für industrielle Zwecke oder als Zutat für andere Lebensmittel, die anschließend verarbeitet werden, geeignet ist." Naja, jeder Honig ist für die Verarbeitung geeignet.

 

Wertigkeit

Bei der Wertigkeit von Backhonig spielt es eine entscheidende Rolle, wieso ihn der Imker oder ein Verkäufer als Backhonig deklariert hat. Ist dies nur deshalb passiert, weil er in irgendeinem Verarbeitungsschritt erhitzt wurde, dann ist er als Back- und Kochzutat ebenso wertvoll wie jeder andere Honig. Verschiedene wertgebende Inhaltsstoffe sind zwar schon vor dem backen durch die Erhitzung deaktiviert (z.B. Enzyme), was aber völlig irrelevant bleibt, weil er beim Backen sowieso erhitzt wird. Spätestens dann wäre auch jeder andere Honig im selben Zustand. Erhitzter Honig ist übrigens nicht wertlos, nur etwas weniger wertvoll. Fast alle der 120 verschiedene Duft- und Aromastoffe sind nach wie vor vorhanden, ebenso Mineralien (Magnesium, Calcium, Natrium, Kalium, Eisen und Phosphor), die weniger hitzeepfindlichen Vitamine (etwa Biotin), Flavoniode, einige Aminosäuren (Prolin erwa), die grosse Vielfalt bis zu 30 unterschiedlicher Zuckerarten, Fruchtsäuren. Man kann ihn sich entgegen der Etikettendeklaration sehr wohl auch aufs Brot streichen und genussvoll ohne Schaden essen. Wertvoller als irgendeine Industriezucker-Kakaomargarine wie Nutella ist er immer noch. Sämtliche anderen käuflichen Zuckerarten sind bei ihrer Fertigstellung stärker raffiniert und höher erhitzt worden.

Manche Imker sind bei der Ernte im Stress, sie verzichten während der Ernte bei manchen Chargen auf ein Feinsieb und Abschöpfen von Schaum und feinen Wachspartikeln, das sogenannte abschäumen. Mit diesem Grund als Backhonig deklarierter Honig unterscheidet sich kaum von anderem Honig, er ist ebenso hochwertig.

Aus Angst vor Veränderungen im Honig deklarieren manche Imker Honig nach zwei Jahren Lagerdauer als Backhonig. Dann kommt es stark auf die Lagerung an. Kühl, dunkel und luftdicht gelagerter Honig ist ohne Qualitäts- und Geschmackseinbusse sehr viel länger haltbar. Honig, der zu warm steht ist dagegen schon nach ein paar Monaten nicht mehr auf der Höhe. Lagerbedingungen und Lagerdauer sind voneinander unabhängige Faktoren.

Angegorener Backhonig oder mit Fremdaromen belasteter Honig ist problematischer. Fremdaromen verderben unter Umständen auch das Backergebnis. Fremdaromen kommen auch durch Gärvorgänge in den Honig. Angegorener Honig hatte zu viel Wasser und war deshalb unreif. Selten kommen auch Fremdaromen bereits mit den Bienen. Es gab den Fall, dass Zuckerabfälle einer Bonbonfabrik nicht bienensicher im Container lagen und es auch noch hineinregnete. Dort sind Bienen eingeflogen, holten Wasser mit gelöstem Bonbonzucker und der Honig hatte dann Minzgeschmack, denn es wurden gerade Pfefferminzbonbons produziert. Derlei kuriose Ergebnisse sollte aber der Imker nicht als Backhonig verkaufen, sondern bestenfalls bei erwiesener Ungefährlichkeit als Winterfutter für die Bienen verwenden. Wer es frühzeitig merkt, stellt die Völker von vornherein weitab aller künstlicher Zuckerquellen auf. Industriellen Zucker meidet jeder Imker wie der Teufel das Weihwasser. Der lässt sich natürlich nachweisen, damit verdirbt man sich die Honigernte, man wird ihm sofort unterstellen, er hätte mit Zucker den Honig gefälscht, der reine Horror.

Schliesslich gibt es noch einen besonders kuriosen Grund für "Fehlaromen" im Honig. Wenn Kirschen oder Zwetschgen reif sind und beispielsweise wegen starkem Regen platzen, tritt süsser Saft aus. Wird das Wetter trocken und konzentriert sich der Zucker durch Verdunstung weiter, weckt dies das Interesse von Bienen. Sie holen solche Säfte genauso wie auch Honigtau, sie werden im Bienenstock zu Honig weiterverarbeitet. Der bekommt eine braunrote Farbe, schmeckt nach Steinobst, Leder, Rosinen, anderen Trockenfrüchten. Eigentlich eine besondere und seltene Spezialität, aber im Sinne der Honigverordnung ein Fehlaroma: Backhonig.

 

In der Imkerpraxis

Der häufigste und noch immer weiter steigende Grund für Backhonig ist erhitzter Honig. So ist das auch bei meinem Backhonig. Doch warum erhitzt der Imker seinen Honig? Der bittere Hauptgrund bei mir: Jahre mit Melezitosehonig kommen immer häufiger. Das bedeutet eine Katastrophe, riesigen Mehraufwand und keinen Honig, der in ein Glas gefüllt werden kann. Denn Melezitose ist eine der Zuckerarten (es gibt 24 verschiedene Zuckerarten im Honig), die Honigtauerzeuger in manchen Jahren zeitweise in höherer Konzentration produzieren, vor allem in trockenwarmen Sommern. Und von trockenwarmen Sommern hatten wir wahrlich genug in den letzten Jahren. Die Bienen sammeln den Honigtau mit mehr Melezitose ebenso wie jeden anderen erreichbaren Honigtau für Waldhonig. Melezitose ist kein komischer Fremdstoff sondern eine natürliche Dreifachzuckerart, der in allen Honigtauhonigen von Natur aus vorhanden ist, die Frage ist immer nur in welcher Konzentration.

Der Honig schmeckt oft klasse und hat Waldhonigaroma, aber kandiert in den Waben sofort zementhart. Kein Schleudern mehr möglich. Nun hat man verschiedene Möglichkeiten, diesen Zuckerzement irgendwie loszuwerden. Alle sind aufwendig, eine davon ist das Ausschneiden der vollen Waben und vorsichtiges Erhitzen auf 65°C. Das Wachs der Waben schmilzt und sammelt sich oben, unten setzt sich der Honig ab. Abkühlen lassen, Honig abgiessen. Kein so schlechter Honig eigentlich, aber selbstverständlich wärmegeschädigt. Mein Backhonig ist geboren. Leider mittlerweile jedes zweite Jahr. Er ist dunkel wie anderer Waldhonig, kandiert nach dem erhitzen spät oder nie.

Sieht im Gegenlicht aus wie Waldhonig


Verwendung

Was macht man mit so einem Backhonig? Zuerst: Was nicht? Er ist kein Ersatz für raffinierten Zuckerrübenzucker. Dafür ist er zu kräftig und zu dunkel. Besser nicht fürs Süssen von heissem Tee oder Kaffee nehmen oder für helles Gebäck wie Hefezopf. Das Aroma ist zu dominierend. Anderen Waldhonig würde man dafür auch nicht gerne nehmen.

Für klassische Lebkuchen aller Art ist er jedoch ideal, mit Abstand das Beste das überhaupt dafür zu bekommen ist. Er macht sie aromatisch und hält sie feucht, sorgt für perfektes Aroma. Ideal ist er auch für alle Würzsossen, für die Senfherstellung, Senf-Honigsossen, Senfdips, Liköre, Zutat zur Met-Herstellung, Desserts wie gebackene Bananen mit Honig, scharfe Sossen, Süssmittel für eingelegte Gurken oder sonstiges Gemüse, zum Süssen von allen Gebäckfüllungen (z.B. Zimtschnecken), Honigriegel, Vollkorngebäck, Honig-Zimt-Eis, Bratapfel... auch anstatt Zuckerrohrmelasse ist so ein Backhonig gut verwendbar. Je nach Kristallisationsgrad ist er als Brotaufstrich tauglich.


Verkauf, Preise, Angebotsform

Angenehm für Jeden, der Backhonig verwendet aber nicht für Verkäufer ist der Preis: Backhonig ist wesentlich billiger wie andere Honigarten. Deutscher Blütenhonig liegt im Durchschnitt bei 10-12 EUR pro kg (also das 500g - Standardhonigglas ab 5 EUR Stand Anfang 2021), Backhonig meist bei 6-7 EUR Stand Anfang 2021. Oder noch weniger: Wer ihn im Lagergebinde nimmt oder mit eigenen geeigneten Gefässen kommt, bleibt unter 5 EUR das Kilo Stand Anfang 2021. Die Abfüllung in Gläser lohnt sich da nicht mehr. Oder er wird einfach verschenkt. Auch wenn die Preise steigen, so steigen sie insgesamt, es bleibt immer ein Abstand zum Standardhonig.

Auf Märkten ist er selten zu finden, die Imker fürchten um ihr Image, obwohl das unbegründet ist. Bei mir gibts ihn auch nur ab Haustür und vor Weihnachten auf dem Wochenmarkt, da werden auch Backzutaten gekauft. Einige Leute holen ihn aber mittlerweile regelmässig, weil sie ihn probiert haben und ihn seither gerne in der Küche verwenden. Damit zu experimentieren ist preiswert und einfach.