Posts mit dem Label Winteranbau werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Winteranbau werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Mittwoch, 4. Januar 2023

Winteranbau Dicke Bohnen / Puffbohnen bei hartem Frost

Keimling von "Priamus" Ende Oktober

Der Anbau dicker Bohnen (Ackerbohnen, Puffbohnen, Saubohnen, Pferdebohnen) über den Winter ist mittlerweile keine Besonderheit mehr, auch wenn das nach wie vor deutliche Ausfallrisiken hat. Viele Erfahrungen sind bereits in früheren Beiträgen beschrieben, siehe "Ackerbohne, dicke Bohne im Winteranbau - Teil 1" und allgemeines in Teil 2.

Ausfälle passieren vor allem durch unvorhergesehene Extremwetterlagen. Einmal war der Herbst nach knochentrockenem Sommer so heftig nass, dass die Samen im schweren Boden verfault sind. Oder zu früh ausgesät, das Wetter ist zu warm, sie wachsen weit und hoch, haben dann weniger Frosthärte. Oder frühe Kälteperioden verhindern die Keimung. Alles schlecht berechenbar. Diese Saison keimten sie sehr gut, aber wieder entwickelte sich das Wetter sehr wild: T-Shirt Wetter bis November, kein richtiger Frost bis Anfang Dezember, mit Paprika und Auberginenernte, die Bohnen wuchsen bis Dezember in die Höhe, dass es mir Angst und bange wurde.

Puffbohnenreihen am 10. November. Danach noch vier Wochen Wachstum bis zum ersten Frost.

Wurzelbildung früh und stark

Und das aus gutem Grund. Wieder einmal schlagartig fielen die Temperaturen mal eben um 20°C in den Eiskeller. Eine Woche mit Dauerfrost und klare Nächte mit -11°C fegten durch den Garten. Am Boden unten bedeutet das -15°C, die dort dort so manchen hoffnungsvollen Winteranbau beendeten. Es ist jede Menge Gemüse erfroren, trotz Vlies. Das war sogar mit etwas zusätzlich isolierendem Schnee bedeckt. Irgendwann ist eben Ende Gelände.

Und die Puffbohnen? Ausgesät wurden sie Mitte Oktober, die Keimlinge waren ab Ende Oktober zu sehen. Sie keimt aber schneller. Bevor die Keimlinge einer Puffbohne sichtbar sind, bildet sie bereits eine schnurgerade, sehr schnell in grosse Bodentiefen vorstossende erst Pfahlwurzel. Eine habe ich mir angesehen, ein beeindruckendes Bild.

Sie sind dann ohne Winterschutz frei weiter gewachsen, es war ja auch immer sehr warm für die Jahrezeit. Ein Vlies war dann beim späteren Kälteeinbruch nicht mehr möglich, da die Pflanzen bereits zu hoch geworden waren, ein aufgelegtes Vlies erhöht das Umknickrisiko. Die wichtigsten Punkte:

Puffbohne Hangdown, Frost-Totalschaden
  • Ausgesät hatte ich die Sorte Priamus. Nach wie vor ist das die einzige lieferbare Sorte für Hobbygärtner, die den Winteranbau probieren und gute, grosse Kerne ernten wollen. Dieses Jahr hatte ich aber auch Sämlinge bekannter anderer Sorten im Garten, "Hangdown" etwa. Keine dieser anderen Sorten hat den Temperatursturz auch nur teilweise überstanden. egal wie weit sie gewachsen waren. Ihre Stängel sind komplett erfroren, es gab auch keine Nachtriebe mehr. Aus und vorbei. Das bestätigte frühere Erfahrungen: Ohne spezielle, explizit für Winteranbau geeignete Sorten geht es nicht! Die Frosthärte der Sorten unterscheidet sich gravierend.
  • "Priamus" hatte auch Schäden, aber 80% der Pflanzen überlebten ganz, weitere 5% teilweise, 15% gar nicht. Damit ist die Sorte selbst unter so harten Bedingungen wie dieses Jahr wirklich wintertauglich.
  • Zu gross - Stängel erfroren
  • Die Totalschäden sahen im Detail so aus: 2cm über dem Boden erfror der Stängel. Das ist die kälteste Stelle bei Frost, der durch Strahlungsfrost knapp am Boden noch stärker ist. Exakt dort ist der tiefste Punkt der Temperatur. Die Grenztemperatur wurde offenbar sehr genau erreicht und liegt somit bei dieser Sorte definitiv zwischen -13°C bis -16°C. Die Wetterdiensttemperaturen beziehen sich immer auf 2m Höhe, dort waren es amtlich gemessene -11°C. Vor vorhergesagten Temperaturen dieser Kategorie sollte man kurzfristig ein Vlies auflegen, wenn das noch geht.
    Erfroren sind die immer die Pflanzen, die schon am meisten Länge erreicht hatten, das waren 10cm-Pflanzen. Bei ihnen nimmt die Frostfestigkeit offenbar bereits wieder ab und sie wird nicht mehr so schnell aufgebaut. Am frostsichersten ist ein niedriges Stadium mit zwei Blattpaaren. Da lässt sich notfalls auch noch ein Vlies auflegen. Das Vierblattstadium hinzubekommen ist halt schwierig, weil es sehr stark vom Herbstwetter abhängt. Die besten Chancen bei uns hat man mit Aussaat zwischen dem 15. und 30. Oktober.
  • Unten neue Knospen!
  • Die Teilschäden im Detail: Einige Pflanzen hatten noch einen gesunden Stängelrest in der Erde, dort schoben sich in den folgenden (warmen) zwei Wochen neue Knospen heraus, nachdem der obere Teil abgestorben war. "Priamus" regeneriert gut - das ist positiv.
  • Alle Pflanzen zeigten zudem starken Stress. Blätter rollten sich oder hingen schlaff zum Boden, Stängel zeigten Veränderungen durch Schäden auch dann, wenn sie nicht abgestorben waren. Die Pflanzen erholten sich jedoch ganz langsam wieder, zumindest optisch. Dass danach eine vierwöchige Warmphase kam, war sicher positiv.
  • Auch ein weiterer Versuch war erfolgreich: Ich hatte auch Samen "tiefergelegt", in kleine Vertiefungen hineingesät, Saattiefe darin normale 5-7cm. Diese Pflanzen überstanden die Frostwoche auffallend gesund, die Blätter wurden auch weniger schlaff.  Der Stängel war da unten wohl besser geschützt. Hätte ich das bei allen Pflanzen gemacht, hätte ich auch leichter Vlies auflegen können. Da Puffbohnen ausserdem später oft Probleme mit Standfestigkeit haben, wäre die Aussaat in eine Furche generell zu empfehlen. Die lässt sich später wieder zuschieben und damit die Standfestigkeit der Pflanzen verbessern. 
  • Garten-Wegschnecke Arion hortensis
  • Die Warmphase danach war kein Grund zum Aufatmen. Der durch den feuchtwarmen Herbst ohnehin schlimme Befall von Arion hortensis, der kleinen schwarzen Garten-Wegschnecke ging sofort weiter. Diese Art ist schwer zu bekämpfen und gerade die regnerischen Warmphasen im Winter gefallen ihr ausnehmend gut, eine Zeit in der man nicht so sehr an Schneckenbekämpfung denkt. Ein Fehler. Günstig sind Fangbretter, damit habe ich die meisten Erfolge. Glatte alte Holzlatten auf die Erde legen - die Schnecken kriechen bei mildem und feuchtem Wetter darunter, kleben tagsüber am Brett. Regelmässig das Brett drehen, nachsehen und beseitigen. Ich hatte in dieser Saison schon einzelne Bretter mit 15 Schnecken.

Nun bleibt mir nur noch die Hoffnung, dass nicht noch einmal solche Temperatur-Abstürze kommen. Falls nichts passiert, wird es eine sehr frühe Reife geben, denn die Pflanzen sind so weit wie nie und wachsen sichtlich in der jetzigen Warmphase. Das wäre überaus positiv, weil auf diese Weise auch die winterlichen Niederschläge noch nutzbar sind. Nachdem die letzten Jahre im Winter immer Regenzeit und Sommer (in der Hälfte der Jahre sogar extreme) Trockenzeit herrschten, ist das essenziell für den Anbauerfolg. 2022 hatte ich keinen Ertrag. Bei 30°C im April und danach noch viel mehr wurden nicht einmal Schoten angesetzt, die Pflanzen waren dauerschlapp und bleiben klein. Auch Bewässerung half da nichts mehr. Puffbohnen haben nicht nur Frostgrenzen, sondern auch Hitzegrenzen.


Puffbohne oben geschädigt durch Frost, unten spriessen neue Triebe

Bild im Frost, Blätter wirken schlaff

Freitag, 9. Dezember 2022

Dezemberernte Paprika und Auberginen

Früher war im Oktober Schluss. Mittlerweile erlebe ich nun das dritte Jahr, in dem bis Anfang Dezember im Freiland Paprika und Auberginen zu ernten sind, es gibt sogar noch zwei Zucchinipflanzen, aber sie tragen nicht mehr. Es gab immer noch keinen Frost - bis 8. Dezember! Nun soll er aber kommen und ich habe abgeräumt:

Erntetisch im Dezember

Es ist längst ratsam geworden, nicht zu voreilig die Beete freizuräumen. Es können den ganzen Herbst andauernde lange Phasen mit mildem Wetter bestehen bleiben, das ist keine Ausnahme mehr. Die Wintergemüse kommen ebenfalls sowieso laufend - Radicchio, rote Rüben, Kohlrüben, Teltower Rübchen, Sellerie, Lauch, Chinakohl und diverse andere. Wird es richtig kalt, wird auch dort abgeräumt.

Die Früchte hatten noch hohe Qualität und die Paprikapflanzen waren noch sehr gesund:

Paprika, Dolce di bergamo

Himbeeren gab es auch noch. Und viele Obstbäume sind noch voll belaubt:

Apfel "Roter von Simonffi" im Dezember

Nachteile des anhaltend armen Wetters: Der Winteranbau von dicken Bohnen könnte misslingen, weil die Pflanzen bereits in die Höhe wachsen. In diesem Zustand sind sie etwas weniger frostfest und Schnee würde sie umknicken. Beim Radicchio gab es durch die Wärme Probleme mit der Kopfbildung. Die beginnt er erst, wenn das Wachstumswetter vorbei ist. Stattdessen habe ich Riesenpflanzen mit vielen Seitenblättern ohne kompakten Kopf in der Mitte. Kohlrüben sind monströs geworden, Rüben mit 2kg Knollengewicht sind die Regel, die werden wir nie und nimmer essen können, das wäre ansonsten ein Kohlrübenwinter wie 1917. Alle Winterblumenkohlpflanzen sind misslungen, die bildeten bereits jetzt Blumenkohlköpfe anstatt im März.

Und last but noch least: Es war der schlimmste Schneckenherbst seit langem. Immer warm und immer feucht, die Schnecken unter Kontrolle zu halten war fast unmöglich, die Garten-Wegschnecke (Arion hortensis) feierte Dauerpartys. Und auch der schlimmste Unkrautherbst. Vor allem Gräser wuchsen, versamten sich wie nie. Herbst ist der neue Sommer, alles wächst, genug Regen, genug Wärme, während im Sommer alles vertrocknet, verbrennt, stehenbleibt.


Andere Perspektive.
Aubergine hauptsächlich "Bonica", gesunde Pflanzen und Früchte.


Sonntag, 24. März 2019

Puffbohne, dicke Bohne im Winteranbau - Teil 1

Sie sind selbst bei Nutzgärtnern teilweise in Vergessenheit geraten und es bleibt ein ungelöstes Rätsel, wie es mit diesem Schatz der Vergangenheit so weit kommen konnte. Vielleicht auch wegen der wenig schmeichelhaften Namensgebung? Sie hat viele Namen: Dicke Bohne, Ackerbohne, Puffbohne, Saubohne, Pferdebohne, grosse Bohne. Und eine lange Geschichte: Gegessen wurde sie nachweisbar schon vor 8000 Jahren, später war sie beliebt bis in den hohen Norden, jahrhundertelang durchgehend eine der wichtigsten Hülsenfrüchte, gesund und proteinreich. Sie gehört wie Erbsen zu den Wicken und ist die einzige "Bohne", die aus der alten Welt stammt. Gartenbohnen, Feuerbohnen, Limabohnen sind dagegen ausnahmslos Neuweltarten vom amerikanischen Kontinent. Im Gegensatz zu den Neuweltbohnen ist die Ackerbohne roh nicht giftig. Enthalten sind unter anderem reichlich Vitamin-C, etwa 30% Proteine und essentielle Aminosäuren wie Lysin.
Dichter Bestand von Dicken Bohnen gegen Ende des Blühzeitraums
Es gibt wenig Gartenpflanzen, die so viele nützliche Eigenschaften in sich vereinen wie Puffbohnen.

Vorteile Puffbohnen

Knöllchen an den Wurzeln, in denen Bakterien
leben, die Stickstoffsammler sind.
  • Als Leguminose kann sie ihren Stickstoff selbst sammeln, mäht man rechtzeitig und belässt die Wurzeln im Boden hat das bodenverbessernde Wirkung. Als tiefer Pfahlwurzler benötigt sie auch sonst kaum Düngung, denn sie erschliesst sich benötigte Stoffe gut selbst. Ihr Humusbilanz ist ebenfalls positiv. Sie erhöht die Bodenfruchtbarkeit und Bodengare.
  • Sie blüht schön (es gibt sogar rotblühende Sorten), sie hat guten Zierwert, die Blüten duften wohlriechend.
  • Sie ist eine Bienen- und Insektenweidepflanze mit langer Blühdauer, man kann manchmal sogar Puffbohnenhonig ernten wenn man Ackerbohnenfelder anwandert. Aber nur bei Agrarsorten. Bienen gibt die Schmetterlingsblüte ihren Nektar nämlich nicht leicht her. Besonders Hummeln fliegen Ackerbohnen gerne an, da sie mit dem Öffnungsmechanismus der Blüten gut umgehen können.
  • Sie ist ausserordentlich robust, kann sehr früh im Jahr ausgesät werden und wird ab Ende Juni geerntet. Damit steht das Beet für die nächsten Einsaaten anderer Pflanzen bereit. Ein Beet, zwei bis drei Kulturen.
  • Ihre Kältetoleranz ist ebenfalls ausserordentlich gut, das Laub übersteht -8°C und mehr, in milden Gegenden (so auch bei uns) kann sie schon im Herbst ausgesät werden. Sie keimt noch bis zum Frühwinter und wächst mit den ersten warmen Vorfrühlingstagen wieder weiter. Über den Winter gibt es noch keine Stengelbildung, so dass im Fall drohender Tiefsttemperaturen auch ein Vlies überlegt werden kann. Im Mittelmeerraum wird sie immer über den Winter angebaut und bereits im Frühling geerntet, das Feld dann mit einer anderen Kultur bepflanzt.
  • Sie ist als Zwischenfrucht, Mulchmaterialproduzent, Bodendecker und generell Biomasseproduzent geeignet, dafür gibt es eigene Feldsorten, auch über den deutschen Winter hinweg. Die Biolandwirtschaft nutzt sie dafür gerne und auch als Stickstoff-Fixierer. 
  • Sie wächst auf jedem Boden. Lange war sie auf neuem Marschland (der Rohmarsch) wichtig, denn sie hat auch eine hohe Salztoleranz.
  • Sät man etwas enger, bekommt man dicht geschlossene Bestände, die das Unkraut gut unterdrücken. Ackerbohnen sind zur Unkrautsanierung geeignet.
  • Die jungen Blätter sind ebenfalls essbar.
  • Sie hat das Zeug dazu, auch in Mittel- und sogar Nordeuropa die Produktion von eiweissreichem Tierfutter zu ermöglichen anstatt sich komplett auf Sojabohnenimporte aus abgeholzten Regenwaldflächen zu verlassen. Sojabohnen haben nach Norden hin klimatische Grenzen, die Ackerbohne wächst jedoch noch sehr viel weiter nördlich mit brauchbaren Erträgen. In diesem Bereich findet auch eine intensive Züchtungsarbeit statt mit jährlich neuen Sorten.
  • Der letzte und wichtigste Punkt soll alle kulinarischen Eigenschaften der Bohnenkerne zusammenfassen. Behandelt und verwendet man sie richtig, erhält man erstklassige Spezialitäten, die in der Küche sehr vielseitig verwendbar sind. Die Puffbohne hat nur deshalb einen zweifelhaften Ruf, weil überkommene Verwendungs- und Verarbeitungsmethoden ihren kulinarischen Küchenwert gemindert haben. Früher hat man sie ganz ausreifen lassen und getrocknet, das Ergebnis waren etwas grob schmeckende Sattmacher mit Bohnenkäferzugabe. Das kann man heute weit besser machen. Dazu später mehr.
Der heutige Anbau in Deutschland von Puffbohnen ist mit ca. 300 Hektar gering und immer noch sinkend. Häufiger wird sie in England angebaut, das dortige wintermilde und feuchte Klima erleichtert auch die Herbstaussaat und lässt sie gute Erträge erreichen. Im Mittelmeerraum ist sie nach wie vor noch populärer, bekannte Gerichte wie Falafel oder Ful in Ägypten enthalten als wichtige Zutat Puffbohnen. Dort wird sie generell im Winter angebaut, auch wegen ihres Wasserbedarfs.

Herbstaussaat, Winteranbau


Dicke Bohne Anfang März
Mit Herbstaussaaten habe ich ein paarmal experimentiert. Aber bei den hierzuland oft erhältlichen Standardsorten Hangdown, Witkiem (frühe Weisskeimige), dreifach Weisse oder Osnabrücker Markt ist mir das nie gelungen. In manchen milden Winter könnte es schon klappen, aber man braucht normalerweise spezielle Sorten, die frosthärter sind.
Geklappt es erstmalig mit der Sorte "Priamus", ausgesät in den letzten Oktobertagen. Das ist in manchen Jahren zu spät, für die Keimung werden noch gute Bodentemperaturen benötigt. Sät man sie aber zu früh, werden sie vor den Starkfrösten bereits zu gross, was das Schadensrisiko ebenfalls erhöht. Der beste Zeitpunkt ist also auch ein Lottospiel. Andere Wintersorten, aber mehr für den Acker und weniger für die Küche gedacht sind Arthur, Sultan (Züchtungen aus GB), Diva, Diver, Gladice (Züchter Agri-Obtentions aus Frankreich). Darunter sind gerbstoffhaltige Sorten mit kleinen Bohnenkernen, die weniger Kücheneignung haben. Die robusteste Sorte soll "Husky" sein, Züchter Norddeutsche Pflanzenzucht Hans-Georg Lembke KG. Neu und standfest ist "Augusta". Die Landwirtschaft verwendet gern die absolute Kälterekordhalterin "Hiverna", die aber zu langwüchsig ist und leicht umkippt, jedoch frostfest bis -14°C. Bei all diesen Sorten ist die Bohnenkerne aber nicht das Ziel, es geht um typische landwirtschaftliche Vorteile wie Biomasseproduktion, Stickstofffixierung im Boden, Mulchmaterial etc. Die Vorteile des Winteranbaus im Nutzgarten:
  • Auch als Bodendecker nutzbar - dann eng säen und später auslichten oder Landwirtschaftssorten nehmen. Spätere Laubschäden sind dann egal, man sollte sie bereits Anfang Oktober aussäen.
  • Nutzt die bessere Bodenfeuchtigkeit des Winters - Puffbohnen brauchen viel Wasser. Ein Argument, das in vielen Gegenden Deutschlands immer wichtiger wird.
  • Gelingt besser als in sommertrockenem Klima.
  • Weniger Schädlingsbefall, wenn die Bohnenlaus kommt sind die Pflanzen schon gross und die Bohnen reif.
  • Frühere Ernte, mehr Möglichkeiten für die Fruchtfolge, bessere Flächennutzung. Die immer längeren und intensiveren milden und regnerischen Phasen im mitteleuropäischen Winter verstärken auch dieses Argument.

Das hat sich auch im wesentlichen so im Nutzgarten bei mir bewiesen. Es dauert nach der Saat meisens vier Wochen, bis sich die ersten Blätter durch die Bodenoberfläche schieben, bei optimalem Wetter auch zwei Wochen. Mit vier bis sechs Blättern überwintert die Pflanze optimal. In Warmphasen, spätestens Anfang März sieht man, dass die Pflänzchen wieder zu wachsen beginnen. Weiter geht es wie bei Sommersorten gehabt: Das Höhenwachstum beginnt ab Ende März / Anfang April, Blütenbildung wird sichtbar, die Schoten füllen sich, Erntezeit. Ab Ende Juni geht sie los. Die Sommersorten hängen dabei den Wintersorten zeitlich nur wenig hinterher, trotzdem sind schon kurze gewonnene Zeiträume im Frühsommer entscheidend für die Möglichkeiten der weiteren Fruchtfolge auf dem Beet. Ende Juni machen zehn Tage mehr schon sehr viel aus, in dieser Jahreszeit ist jeder Tag sehr wertvoll.

Anbauerfahrungen


Dicke Bohne Mitte Dezember, oben Vliesreste
Besondere Anbautricks für den Winteranbau gibt es nicht. Ich hab auch mal aus Angst vor zu kalten Nächten ein Vlies auf einige der niedrigen Jungpflanzen aufgelegt. Das Ergebnis war leider sogar negativ. Die höhere Feuchtigkeit unter dem Vlies liess bei einigen Jungpflanzen den Stängel faulen. Frei im Wind wollen sie sein. Der Vliesschutz ist bei sehr kalten Nächten sicher richtig, aber wahrscheinlich wäre es besser gewesen, das Vlies nur kurz aufzuziehen. Die Frage ist, ob man so viel Mühe investieren will. Frostschäden hatte ich mit Priamus bisher sowieso nie, was aber nicht viel heissen will, die letzten Winter waren in der Region alle sehr mild ohne Tiefsttemperaturspitzen.

In Teil 2 geht es um Sommersorten und wichtige Zubereitungsregeln.
Ein weiterer Teil dreht sich um weitere Erfahrungen beim Winteranbau.

Donnerstag, 31. Januar 2019

Radicchio Variegata Di Castelfranco, die Orchidee aus dem Keller

Variegata Di Castelfranco im Frühherbst
Radicchio (Cichorium intybus var. foliosum) war mal stärker in Mode, auch im eigenen Garten. Aber so richtig durchgesetzt hat er sich nördlich der Schweiz nicht und auch der richtige Anbau im eigenen Garten hat viele Fragezeichen behalten. Trotz gewisser Schwierigkeiten mit Aussaatterminen und Winterhärte kultiviere ich Radicchio seit Jahren, immer mehrere Sorten. Ich liebe das Aroma und den Stil dieser Salate sehr. Es sind die Aroma- und Winterkönige unter den Salaten.
Radicchio Sorte Granato geerntet im Dezember
  • Sie haben mehr Eigenaroma wie fast alle anderen Salatarten (ausgenommen vielleicht den nicht verwandten Ackersalat)
  • Die Sorten haben auch eine grosse Aromen- und Stilbandbreite
  • Die Art schmeckt in vielen Zubereitungformen - auch gekocht, angeröstet, im Risotto
  • Die Sorten sind auch nach der Ernte gut haltbar
  • die Frosthärte einiger Sorten ist gut
  • Sie sehen oft einzigartig dekorativ aus.
Warum der kommerzielle Anbau der für Deutschland geeigneten Sorten hier exotisch geblieben ist, bleibt ein Rätsel. Vielleicht ist es die aufwendigere Anbautechnik. Die meisten Radicchiosorten vertragen das Umpflanzen nicht gut. Die Jungpflanzvorzucht hat Grenzen.

Im Laden zu kaufen?


R. Castelfranco, halbiert. Lockere, aber geschlossene Köpfe
Mässig bekannt in Deutschland wurde und blieb die einfachste Sorte, der Palla Rossa. Er hat geschlossene, dichtgepackte Köpfe, ist rund, durchgehend rot mit weissen Blattrippen, hält leichte Fröste aus. Den pflanzt man bis Ende Juli und erntet ihn im Herbst. Wahrscheinlich hat er wegen seiner Farbe einen kleinen Erfolg beibehalten und auch wegen der relativ guten Kultivierbarkeit. Trotzdem schaffte auch er es bis heute nicht in die Discounter, er bleibt in Läden mit breitem Sortiment oder im Bioladen und auf dem Markt. Andere Radicchiosorten sind extrem selten oder gar nicht zu haben. Viel häufiger ist jedoch der ziemlich geschmacksfreie und grobe verwandte Endivien zu finden und in der Bioladenszene gibts dann noch einen weiteren Verwandten, den Zuckerhut, den sieht man auch öfter in Privatgärten. Er ist schon sehr lange in Deutschland bekannt. Alle drei, Endivien, Zuckerhut, Radicchio gehören zur Familie der Wegwarten und befinden sich in einer anderen botanischen Familie wie die Lattichsalate. In der Lattichfamilie liegen Kopfsalat, Eissalat, Römersalat, und Schnittsalat.

Sorten


Reste im Janaur abgeerntet, kurz vor Starkfrost
Aussaat in Anzuchtplatten - unbedingt sehr jung verpflanzen
wegen schneller Pfahlwurzelbildung
Radicchiosorten gibt es sehr viele und einige sind für den eigenen Garten in Deutschland nicht gut geeignet. Sie benötigen lange Kultivierungszeiten, vertragen keinen Frost, sind zu schossempfindlich oder benötigen Anbautechniken, die es in Deutschland nicht gibt - zum Beispiel die Sorte Radicchio Rosso di Treviso Tardivo. Bei anderen Sorten gelingt das besser bis perfekt. Diese Saison war bei mir wieder "Rossa di Verona" dran sowie der einfache "Palla Rosso" wie jedes Jahr als sichere Miete. Ferner "Granato" mehr zur Dekoration, und vor allem der "Variegata Di Castelfranco". Angebaut habe ich schon einige Sorten mehr. Der Castelfranco war ein Glücksfall, dieses Jahr, ich hatte frische Samen, die gut keimten und das Wetter in Spätherbst und Winter hatte keine starken Minustemperaturen. Alles stimmte. Ältere Radicchiosamen keimen meiner Erfahrung nach sehr schlecht, Lattichsalatsamen halten da viel länger durch. "Variegata Di Castelfranco" ist relativ wenig frostfest, unter -4°C beginnen sich die Blattränder zu zersetzen. Das war die letzten Jahre bis Anfang Januar nie das Problem, Klimawandel sei Dank. Sollten trotzdem Kaltnächte angesagt sein, kann man ihn gut mit Vlies schützen. Oder man erntet ihn ab und lagert ihn kühl und feucht. Er hält sich ausgesprochen gut, in einem ungeheizten Gartenhaus mit feuchtem Papier bedeckt schafft er ohne grosse Einbussen einen Monat Lagerdauer. Vollends abgeerntet habe ich ihn Mitte Januar, auch dieses Jahr wird er aus dem Lager noch im Februar gegessen werden.

Seine Optik im Garten ist recht variabel, was aber typisch für viele Radicciosorten ist. Hier eine Fotoserie, was dabei herauskommen kann - alles dieselbe Sorte, Variegata Di Castelfranco:
Hier hat sich der Kopf stark und schwer entwickelt
Weniger panaschierte Version
Auch lockere Blätter sind sehr gut, wenn sich kein richtiger Kopf gebildet hat
 

 


Variegarta di Castelfranco, geerntet
Diese Sorte hat noch mehr Vorteile für den Anbau in Mitteleuropa. Es ist eine hinreichend schnellwüchsige Sorte, in unserem Klima reicht die Aussaat bis Ende Juli, um ihn im Spätherbst grosskopfig zu ernten. Seltsamerweise ist der diesbezügliche Rat einiger Samenhänder in Deutschland falsch, sie raten zur Frühjahrspflanzung. Damit wird man scheitern, denn dann schiesst er früh wegen Vernalisationeffekten und man kann gar nichts ernten ausser vielleicht Samen für eine Neupflanzung. Bildete er schliesslich Köpfe und erntet man ihn, hat er eine zarte Konsistenz, herrliche Farbspritzer, ein sehr nussiges Aroma, etwas süss, ein Hauch bitter (genau richtig). Manchmal wird dazu geraten, ihn zu bleichen, unter einen Topf zu stellen. Die Farbe wird dann noch etwas kontrastreicher. Ich würde davon abraten. Das Aroma ändert sich nicht, aber der Nitratgehalt in den Blättern steigt an, weil die Pflanze ohne Licht das Nitrat nicht verstoffwechseln kann. Im Körper bildet sich daraus das krebserregende Nitrit. Nur für ein paar hellere Blätter? Muss nicht sein.

Anbau im Keller


Wurzeln ausgegrabener Radicchio
Man kann das aber auch auf andere Weise geplant nutzen und damit sogar eine zweite Ernte einfahren. Radicchio bildet dicke, tiefe Pfahlwurzeln. Gräbt man die ganze Pflanze aus statt nur den Kopf zu ernten, kann man die Wurzeln wieder in einen Kübel mit feuchtem Sand setzen und im Keller erneut austreiben lassen. Dann bilden sich neue Blätter, die man wieder als Salat essen kann. Ich nehme dazu einen normalen Eimer mit 10-15 Liter Grösse, mit billigem Sand gefüllt und setze dort 2-5
Kelleranbau Radicchio

grob gereinigte Radicchowurzeln hinein, deren Köpfe ich abgeschmitten und bereits gegessen habe. Im Keller wächst dann die zweite Ernte heran, bei 12° und in Dunkelheit. Köpfe gibt es nicht mehr, aber Pflücksalat. Man schneidet die neuen Blätter ab und verarbeitet sie wie gewohnt.

Schon vor 150 Jahren hat man das professionalisiert - nicht nur in Italien, wo eine ganze zweite (und sehr teure) Ernte entsteht, sondern schon früher beim Endivien in Belgien. Herausgekommen ist in Belgien der Chicorée, ein zarter Spross aus Endivienwurzeln, die dunkel und warm gelagert wurden. Das können wir auch im eigenen Keller - nicht unbedingt als geschlossene Knolle, aber als optisch und geschmacklich anregende Blätter. Besonders gut geeignet: der "Variegata Di Castelfranco".

Zu guter Letzt: Die Aussprache


Leider ein Dauerthema, deshalb zum Schluss auch ein paar Worte dazu. Ja, Radicchio wird in Italien "Radikkio" ausgesprochen. Und ja, es ist trotzdem piepegal, wie man es ausspricht. Wem danach ist, der darf jederzeit Raditschio sagen oder sonst etwas, zum Beispiel Zichoriensalat. So wie man "Tomate" sagen darf, obwohl es eine Tomatl ist, dort wo sie eigentlich herkommt - nämlich den Azteken, nicht den Italienern. Es gibt kein richtig oder falsch, nur Gewohnheiten. Wie es ein italienischer Koch einmal treffend formulierte: Nur dumme, arrogante Oberlehrer korrigieren. Er sei froh, das andere Menschen der Welt italienische Küche, aus Italien stammende Lebensmittel kennelernen, nutzen, da spiele es überhaupt keine Rolle, wie das woanders jemand ausspricht. Zumal auch innerhalb Italiens oft keinerlei einheitliche und "richtige" Aussprache existiert. Im Norden Spagetti, im Süden Schpagetti. 

Endeckt, geniesst, aber nervt nicht mit angeblicher Aussprache oder Betonung.