Sonntag, 21. April 2024

Sterbende Äste an Steinobst: Monilia

Lichte Aprikosenkrone mit moniliabefallenen Ästen

Zweigmonilia,  Monilia-Spitzendürre, monilia laxa oder Monilinia ist in meiner und vielen anderen Lagen die beherrschende und begrenzende Pilzkrankheit an sehr vielen Steinobstarten. Am schlimmsten wütet sie an Aprikosen, Renekloden, Sauerkirschen, Koreakirschen. Stark befallen werden auch Mirabellen, viele Kirschen, Mandeln, Zwetschgen, Pfirsiche. In manchen Jahren erwischt es auch Kernobstaustriebe, dann vor allem Birnensorten. Manche Lagen sind besser, luftigsonnige Südostlagen, Höhenlagen, kontinentales Klima haben Vorteile bis hin zu dem Punkt, dass sie dort überhaupt nicht auftritt. Auch überdacht, etwa an Hauswänden mit Dachüberstand ist Steinobst moniliageschützt.

Wenige Wochen vorher

Aprikosen trifft es immer am stärksten. Dieses Jahr war der schlimmste Befallsfrühling seit langem. Ausgerechnet! Denn ausnahmsweise sind die Blüten und Jungfrüchte lange nicht abgefroren, wie es seit 2017 immer der Fall war. Stattdessen sind diesmal die Zweige samt Jungfrüchten wegen Moniliabefall sofort nach Blüte abgestorben bis hin zum Totalverlust von Bäumen. Es ist zum mäusemelken, einmal friert nichts sofort wieder ab und dann vernichtet diese Krankheit alles. Wie sieht sie aus, Diagnosebild?

Monilia laxa, das Schadbild

Monilia an Koreakirschen (prunus tomentosa)

An Aprikosen ist die Krankheit leicht zu identifizieren. Kurz nach oder schon während der Blüte sterben mindestens die letztjährigen Triebe, sie verwelken. Das kann eine Weile anhalten und auch noch später im Jahr weitergehen. Charakteristisch sind Harztropfen, die durch Saftdruck aus den Ästen austreten. Der Pilz dringt bei Feuchtigkeit (länger Tau nachts reicht) durch die offenen Blüten und Rindenverletzungen in die Äste, breitet sich dort zuerst im jungen Holz aus und blockiert die Saftbahnen. Äste ohne Blüten werden kaum befallen. Hinter der Blockade zur Astspitze hin stirbt der Ast dadurch unrettbar ab, mitsamt Blüten, Früchten, Blättern dran. Vor der Blockade staut sich Saft und Baumharz, tritt schliesslich aus. Man kann zusehen, wie der Baum rückwärts wächst.

Monilia bei einer Zwetschge

Der Harzfluss ist auch Pfirsichen und Mandeln zu sehen. An anderem Steinobst nur manchmal oder nicht. An Birnen verwelkt die ausgetriebene Knospe mit den neuen Blüten und Blättern, auch an Kirschen erwischt es zuerst die Blütenbüschel. Betroffene Austriebe welken.

Monilia in den Austriebsbüscheln von Birnen

Gerne übersehen, aber dann bitter bereut wird es, wenn Moniliapilze durch Winterschnitt in den Baum kommten Vor allem Jungpflanzen, die nach der Pflanzung einen Pflanzschnitt erhalten sind stark gefährdert. Dort dringen Moniliapilze über die offenen Astringe auch in älteres Holz und machen richtig übel Schaden. Vermeidbar! Niemals Steinobst im Winter schneiden. Das wird von selbsternannten Experten gerne in Abrede gestellt, meist weil sie es mal gemacht und haben und "nichts passierte" oder weil sie gar nicht begriffen haben, dass sich Steinobst und Kernobst in diesem Punkt stark unterscheiden. Oder pures Glück oder eine bevorzugte Lage wird dann voller Ahnungslosigkeit zur Allgemeingültigkeit erhoben. Ein Fehler. Auch ich habe dieses Jahr wieder zwei Bäume, Pfirsich und ein Aprikose, die von der Baumschule mit Pflanzschnitt geliefert wurden (auch, damit sie leichter versendet werden können) und deren Äste dann natürlich von den Schnittorten her weit hinein abgestorben sind. Das war auch die Jahre vorher so, dieser Schnitt ist selbst bei günstigem Wetter eine sehr zuverlässige Eintrittspforte in den vormals gesunden Baum.

Monilia an Früchten?

 

Monilia fructigena Fruchtmumie mit veritablem Sporenrasen. Entfernen!
Durch Baumschulen und in Unterhaltungen wird Fruchtmonilia ausserdem gerne mit Zweigmonilia durcheinandergebracht. Für die an Früchten ist ein anderer Stamm verantwortlich, Monilia fructigena. Beide sind zwar nahe verwandt, aber zeigen völlig unterschiedliche Schadorte und Schadbilder. Fruchtmonilia befällt Früchte, wie der Name schon nahelegt. Durch kleinste Verletzungen in der Schale (Insekten, Risse, Wickler, Kirschessigfliege...) gelangt der Pilz in die Frucht, die dann fault. Das passiert bei praktisch allen Baumobstarten, Kernobstfrüchten wie Steinobstfrüchten. Monilia ist massgeblich für hängenbleibende Fruchtmumien verantwortlich. Das sind im Folgejahr böse Sporenquellen direkt neben neuen Früchten und erhöhen den Befallsdruck.

Wenn also irgendjemand, eine Baumschule von "robst gegen Monilia" daherredet, wäre erst einmal zu fragen, welche Monilia eigentlich gemeint ist. Die in Ästen oder die in Früchten? Entscheidend bei Steinobst ist immer Monilia laxa, die Spitzendürre. Eine höhere Anzahl fauler Früchte kann man leichter ertragen wie sterbende Äste und "rückwärts wachsende" Bäume.

Monilia bekämpfen

Charakteristischer Harztropfen vor totem Jungholz

Vorbeugende Massnahmen gegen Zweigmonilia sind:

  • Kein Baumschnitt und keine Astverletzungen im Winter. Steinobst "grün", erst nach der Blüte schneiden, wenn es warm und trocken ist.
  • Luftfeuchte, windstille, morgenschattige Lagen meiden, wenn man anfällige Gehölze pflanzt. Morgensonne ist wichtig, weil solche Orte nach nächtlichem Tau schneller abtrocknen, die Pflanzen sind kürzer feucht. Hört sich leicht an, aber in diesem engen, sehr dicht besiedelten Land kann man sich natürlich keine Grundstücke heraussuchen, man kann schon froh sein, wenigstens einen kleinen Rest-Hausgarten zu haben. Wer Aprikosen am Haus will, sollte unbedingt einen der wertvollen Orte mit Dachüberstand dafür nehmen, am besten einen der Richtung Ost oder Südost geht - Morgensonne statt Wetterseite.
  • Auch durch Verletzungen dringt Monilia ein
    Sortenwahl: Es gibt keine resistenten Aprikosen. Jede einzelne Sorte war dieses Jahr befallen. Sortenunterschiede existieren aber. Die sollte man unbedingt nutzen, wenn man neu pflanzt. Stark anfällig ist übrigens auch alles, was als Wildaprikose und Zuckeraprikose verkauft wird, ebenso praktisch alle alten Sorten, zum Beispiel die Marmeladenaprikose "ungarische Beste". Renekloden sind auch alle anfällig. Bei Mirabellen zeigt sich die Metzer Mirabelle robuster wie die Nancymirabelle. Etwas weniger anfällig zeigt sich bei mir "Orangered", "Kioto", "Elsa", "Mia". "Congat", eine späte Sorte soll auch besser sein, das muss ich noch ausprobieren. Sehr interessant ist ihre Kombination mit einer späten Blütezeit.
  • Der "luftige Schnitt" wird gerne empfohlen. Eine lichte Krone soll weniger anfällig sein. Das halte ich für eine wertlose Formel. Die besonders betroffenen Steinobstsorten wachsen sowieso nie dicht. Und man schneidet sowieso, damit keine Fruchtäste verschattet sind, damit ist das mit erledigt. Besser eine möglichst starkwachsende Unterlage, damit überhaupt Wachstum stattfindet trotz den nötigen Rückschnitten wegen toter Äste.
  • Tote Zweige ausschneiden. Aber erst später ab Frühsommer, niemals zu Infektionszeiten, wenn es feucht und noch kalt ist! Das wird in allen Ratgebern niemals gesagt, ist aber wichtig. Missachtet man das und schneidet noch im Frühling, erreicht man genau das Gegenteil, man zerstört die Äste noch tiefer, durch die offenen Stelle dringen neue Sporen ins lebende Gewebe ein. Erst bei anhaltender Wärme und Trockenheit schneiden, bei Aprikosen schneidet man bis kurz hinter den Harztropfen, von der Astspitze her gesehen.
  • Fruchtmonilia: Fruchtmumien konsequent entfernen.
Monilia: Durch die Blüten eingedrungen

Aktive Bekämpfung: Das übliche Bild, im kommerziellen Anbau kann die volle Dröhnung von Fungiziden auf die Bäume gedonnert werden. Privatleuten wurde Stück für Stück alles entzogen. Das letzte brauchbare Mittel ist "Duaxo Universal Pilz-frei" (Wirkstoff: Difenoconazol), sicher ist das auch bald weg. "Protect Garden Curacor T Steinobst-Pilzfrei" mit Fenhexamid soll etwas wirken, an Aprikosen aber zweifelhaft. Mit diesen Mitteln muss man mehrfach behandeln, wenn die erste Blüte offen ist, wenn der Baum voll blüht und wenn er verblüht ist. Das ist utopisch und gelingt selten, denn gerade in Infektionsjahren gibt es diese Gelegenheiten gar nicht, das ist ja gerade das Problem: Es regnet und deshalb kann man nicht spritzen. Gleichzeitig ermöglicht der Regen erst die Infektionen. Zugespitzt gesagt: Korrekt spritzen geht nur, wenn es unnötig ist, weil kein Infektionswetter herrscht. 

Später Befall an Aprikose, welkende Blätter

Der kommerzielle Anbau darf sich mit ganz anderen Mitteln betrinken: Kupfermittel, Mittel mit Fludioxonil, Mefentrifluconazole, Trifloxystrobin, Pyraclostrobin + Boscalid, Tebuconazol + Fluopyram sowie interessanterweise auch Kaliumhydrogencarbonat (enthalten im Produkt "Kumar") - das ist eine Backpulverart, in Lebensmitteln als E501 zugelassen und hier im Blog schon öfter genannt.

Kaliumhydrogencarbonat kann man auch selbst ausprobieren, weil es leicht erhältlich und anmischbar ist. Verboten ist natürlich trotzdem alles. Angewendet wird es ebenfalls ab Blühbeginn. Keine Rückstände, ungefährlich für Bienen. Einziger Nachteil: Schädigt Raubmilben der Art Typhlodromus pyri (fressen Spinnmilben an Obstgehölzen) und räuberische Blumenwanzen der Art Orius laevigatus (fressen Spinnmilben und Thirpse). Auch solche einfachen und ungiftigen Grundstoffe haben Nebenwirkungen. KHCO3 wirkt immer nur präventiv und nicht kurativ (heilend). Es zerfällt in Wasser, CO2 und Pottasche (Kaliumkarbonat). Dessen Anwendung wird mein Projekt nächstes Jahr.

Dienstag, 9. April 2024

Sellerie zum Keimen bringen

Eigene Ernte Sellerie

Apium graveolens var. rapaceum, Sellerieknollen, das sind die grossen und oft langweiligen Rübenknollen. Hat man sie im Nutzgarten, dann oft als Jungpflanze in der 6er Schale gekauft, ausgepflanzt, dann wenig gepflegt und im Herbst zum Frost geerntet. Anschliessend landet er im Eintopf. Häufiger aber spart sich auch der Nutzgärtner den Anbau komplett. Er kauft stattdessen die Bollen lieber im Supermarkt, wo sie ganzjährig und sehr billig zu haben sind. Billig ist er, weil er im kommerziellen Anbau hohe Hektarerträge schafft, 35 Tonnen/ha sind keine Ausnahme. Sellerie - dröge.

Samentütchen Sellerie

Alt ist er auch und er stammt aus der alten Welt: Er wurde schon von 3000 Jahren im neuen Reich in Ägypten genutzt, auch im antiken Griechenland, woanders mit Sicherheit ebenfalls. Heutzutage ist er ein weniger beliebtes Gemüse und in Gärten ist er wirklich nicht oft zu sehen, obwohl sein Anbau nicht so schwer ist. Aber: Dröges Image, wenig Platz, billig, den lässt man lieber beiseite, lieber was anderes, lieber die tausendste Tomatensorte. Stark zu Unrecht vernachlässig meiner Meinung nach. Denn die kommerziellen Sorten sind im Anbau immer überdüngt (er ist Starkzehrer, fette Knollengrössen nur mit fettem Dünger), gezüchtet auf möglichst weisse Knollenfarbe, bei der Ernte leicht zu schneidende Wurzeln, Grösse/Ertrag. Unter die Räder kommt dabei das Aroma. Wer mal eine Knolle einer alten Sorte roh aus dem Garten probiert hat, merkt dann erst, was er versäumt hat und was da noch drin stecken kann. Zartbrechende und nie zähe oder wattige Konsistenz, eine intensive ätherische Aromatik, nussige Komponenten, Fruchtsäuren. Selllerie kann eine Aromabombe sein. Alte Sorten sind nicht immer weiss, sie sind auch mal von dunkleren Adern durchzogen wie "Magdeburger Markt" oder beige wie "Ruhm von Zwijndrecht". Kleine und hocharomatische Knollen liefert z.B. "Alba" oder "Bergers Weisse Kugel".

Jungpflanzenkauf - nicht mal die Sorte steht drauf

Über alle Kulturdetails will ich jetzt keinen Aufsatz schreiben, denn seit vielen Jahren zeigt bereits ein sehr früher Punkt nach wie vor riesige Probleme, sozusagen der Knackpunkt. Nämlich die Aussaat, die Keimung. Sellerie ist Lichtkeimer, also nur flach säen. Direktsaat im Feiland klappt bei mir nie. Er geht nicht auf. Oberfläche schnell trocken ist einer der Gründe. Tipps wie in einen Streifen mit Substraten wie Vermiculit säen halfen nicht. Also in die Pflanzschale im Haus, mit Aussaaterde. Geht mal, geht mal nicht. Dauert mal lange, mal kurz. Ich komme nicht dahinter, wie das mit mehr Zuverlässigkeit hinzubekommen ist. Am Ende kauft man dann doch wieder die Jungpflanzen. Ein paar Tricks habe ich aber gelernt und einiges geht jetzt besser, dieses Jahr stimmte erstmalig vieles in Kombination. Hier die Erfahrungen damit.

Sellerie aussäen - wie?

Selleriesamen ist winzig klein, leicht, einzelne Körner sind nicht zu säen. Pilliertes Saatgut gibt es für die kommerzielle Jungpflanzenanzucht, aber in normalen Mengen für den Hobby-Nutzgärtner habe ich es noch nicht entdeckt, vor allem nicht alte Sorten. Ein Windstoss fegt ihn von der Hand. Seine Haltbarkeit beträgt angeblich sechs Jahre, aber ich merkte schon im Jahre drei, dass kaum mehr was geht. Offenbar benötigt er auch sehr gute Lagerungsbedingungen. Durchgehend kühl, dunkel. Haben wir Samen, geht es ab Ende Februar los, geht aber auch noch bis Mitte März: 



  • Aussaat in eine Schale statt in Einzeltöpfe. Schale am Südfenster im Licht, Zimmertemperatur, 20°C.
  • Vorbereitung: Nährstoffarme Aussaaterde in die Schale füllen, festdrücken, Selleriesamen darüberstreuen, mit dem Finger auf die Erde drücken, aber nicht hineindrücken. Mit Wasser aus der Sprühflasche befeuchten. Die offenliegenden Samen so lassen. Noch einmal Sprühflasche drüber. Oft wird "mit Sand bestäuben" empfohlen, aber meiner Erfahrung nach senkt das nur die Keimrate. Keine Staunässe verursachen, nicht zu feucht.
  • Anzucht mit locker aufgelegter Folie
  • Nun ein Trick: Eine Frischhaltefolie locker auflegen. Locker, nicht festdrücken, nicht festziehen. Das sorgt für Feuchtigkeit an den Samen trotz voller Beleuchtung. Ist viel besser wie ein Deckel auf der Anzuchtschale. Gute Erde schimmelt nicht so schnell. Frischhaltefolien bestehen aus Polyethylen ohne Weichmacher, die Erde oder die Pflanzen bekommen keine unerwünschten Stoffe ab.
  • Warten, warten, warten. Sellerie lässt sich Zeit. Nicht giessen, die Folie hält genug Feuchtigkeit. Schale am Licht lassen. Zusatzheizung unnötig, Wenn mal Sonne drauf scheint, schadet das nicht. Nur Kälte mag er nicht. Beginnt die Keimung, dann Folie nicht abheben, es kommen mit der Zeit noch viele Nachkeimer, er keimt folgernd. Den bereits gekeimten Jungpflanzen schadet die Folie nicht.
  • Eben pikiert und noch etwas schwach auf der Brust
  • Hat man einen schönen Jungpflanzenrasen, lässt man sie noch zwei Wochen wachsen, dann vereinzeln, pikieren in die Vertiefungen von Anzuchtplatten.
  • Das umpflanzen stresst enorm, viele Feinwurzeln reissen ab. Also erst wieder langsam hochpäppeln. Dann auch erstmalig mit etwas Dünger im Giesswasser. Auspflanzung ins Beet des Freilands nicht vor Mai. Kältephasen führen dazu, dass er schiesst. Das Risiko erhöht sich bereits, wenn er bei der Anzucht mal kalt stand, obwohl die Pflanzen da noch sehr klein sind. Deshalb keine Anzucht an Fenstern, die man auch mal kippt. Der kühle Luftzug rächt sich später.

Hätte man pilliertes Saatgut, wäre Aussaat direkt in Anzuchtplatten noch arbeitssparender. Optimal wäre geprimtes Saatgut, das steht aber nur kommerziellen Käufern zur Verfügung, das muss man allerdings auch sofort verwenden.

Aber auch so bekommt man mit eigener Anzucht die Chance, Sorten zu entdecken, die eine ganz andere Aromaklasse darstellen wie der 79 Cent - Riesenhurgel aus dem Supermarkt.

So langsam wird er wieder. Sind aber noch Wochen bis zur Auspflanzung.