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Sonntag, 9. November 2025

Haferwurzel, Tragopogon porrifolius - neue Freude trotz alt und vergessen

Erdfrische Haferwurzeln

Die letzten Jahre hatte man den Eindruck, dass immer weniger Gemüsesorten im Garten etwas werden. Hitze und Trockenheit machen den Sommer von der Wachstumszeit zum Sommerloch, in dem beispielsweise alle Kohlgemüse das Wachstum einstellen, nichts mehr keimt, alles verzwergt, Salat ab Mai nicht mehr geht, der Sonnenbrand Früchte und Blätter empfindlicher Sorten zerstört. Dieses Jahr waren zum Beispiel auch Pastinaken nicht mehr zum keimen zu bringen, Frost und Rekordhitze in kurzer Abfolge liessen noch nicht einmal dieses robuste Wurzelgemüse etwas werden.

Auf einem Beet, auf dem die geliebten Pastinaken einfach nicht zum keimen zu bringen waren, probierte ich deshalb relativ spät im Jahr etwas ganz Neues, das eigentlich etwas ganz Altes war, nämlich Haferwurzeln, Tragopogon porrifolius. Hatte eh nichts zu verlieren. Aussaat der länglichen Samen erst Ende Mai, kurz nach dem Spätbodenfrost am 22.5, das war auch so ein Wetterextrem. Mal ausprobieren ohne grosse Hoffnung auf eine vernünftige Ernte, aber vielleicht mit Spass dabei. Um das Ergebnis vorwegzunehmen und nicht erst wie in Youtube-Videos endlos herumzulabern damit einem Werbung reingedrückt wird: Es war überraschenderweise auf Anhieb ein voller Erfolg. Aber was ist das denn überhaupt für ein Zeug, die Haferwurzel? Kennt ja keiner mehr.

Was sind Haferwurzeln?

Haferwurzeln, fast wie eine Wiese

Haferwurzeln stammen auf der Familie der Korbblütler und liegen im selben Tribus wie eine Reihe anderer Nutzpflanzen, etwa die Wegwartensalate Radicchio, Zuckerhut, Chicoree oder alle Garten-Blattsalate, die sehr nahe verwandten Schwarzwurzeln, Gemüse-Gänsedisteln. Ihre Wildformen wachsen mit Schwerpunkt im östlichen Mittelmeerraum. In Kultur waren sie der Wurzeln und Blätter wegen (auch die noch geschlossenen Blütenknospen sind beliebt gewesen) seit Tausenden von Jahren. Heute will man ihr vor allem an die Wurzeln. Viele Verwandte sind auch in Deutschland heimisch, es sind die Wiesenbocksbärte, an Blüten und Blättern sieht man die Verwandtschaft sofort. Der nahe Verwandte "Schwarzwurzel" hat ihren Schwerpunkt im westlichen Mittelmeerraum.

Bester Pflanzabstand

Ihre wichtigste Zeit als Gemüsepflanze hatte sie bis ins 19. Jahrhundert und wurde dann wie so viele andere Wurzelgemüse von der Kartoffel verdrängt, die bessere Erträge hat. Satt werden war eben am wichtigsten. Kaufen kann man sie fast nicht, wenn dann auf Erzeugermärkten, aber auch dort wird man viel eher die Schwarzwurzel bekommen. Von der bin ich nicht so der Fan, auch im Anbau nicht. Sie schält sich unangenehm mit ihrem vielen Latexsaft oder sie muss vorher gekocht werden, dann geschält, sie wird schnell innen hohl wenn sie dicker ist, für meinen flachgründigen Boden hat sie zu lange Wurzeln und ihr Aroma bleibt durchweg blass. Auch sie hat es selten bis nie in die Supermärkte geschafft, nur als Dosengemüse fristet sie ein traurig-mattes Restdasein.

Bei den Inhaltsstoffen liegt sie auf ähnlichem Niveau wie andere Wurzelgemüsse, z.B. besagte Schwarzwurzel, Klettenwurzel, Pastinake. Gelbe Rüben weichen etwas ab, sie haben auch nur die Hälfte der Kalorien. Eine Besonderheit der Haferwurzel ist ihr Inulinreichtum, da liegt sie in der Gruppe von Topinambur, Schwarzwurzel, Klettenwurzel. Inulin wirkt präbiotisch, ist gut für die Darmflora, fördert Bifidobakterien, bis man sich daran gewöhnt hat kann es aber blähen. Das verbessert sich bei häufigerem Konsum.

Haferwurzel im Jahresverlauf

Keimung auf dem verschlämmten Boden

Ausgesäht habe ich sie in der vorletzten Maiwoche. Angeblich kann man das auch schon zwei Monate früher ab Ende März - sie hält etwas Frost aus und auch Vernalisation ist angeblich kein Problem, d.h. sie schiesst deshalb nicht mit früher Blütenbildung. Kleine Kerbe in den Boden gezogen, Samen reingebröselt, wieder zugeschoben, also rund 2cm Saattiefe. Natürlich angegossen. Am besten haben die Samen in der Reihe mindestens 3cm Abstand. "Zu eng stehen" ist aber nicht so richtig tragisch. Auch was etwas enger steht, wird oft was.

Und schon die erste Überraschung: Das Zeug ging bombengut ohne Lücken auf. In einer Woche, schneller als alle Gartenbücher behaupten. Und das auf meinem schweren Boden, der immer bald Trockenrisse zeigt und hart wird. Nach dem Bodenfrost kam sofort Hitze, das schadete weder der Keimung noch den Jungpflanzen. Dabei gleich die nächste Überraschung. Trotz Hitze räumten Schnecken im Garten immer noch stark ab, aber nicht so bei den Haferwurzelpflänzchen, darauf hatten sie keine Lust. Grösster Nachteil war, dass die Jungpflanzen lange wenig konkurrenzstark sind und auch später das Beet immer licht wirkt, weil die schmalen Blätter keinen geschlossenen Bestand zuliessen. Damit bleibt das Thema Unkraut während der gesamten Kulturdauer wichtig. Man sollte nicht auf verunkrautetem Beet säen wie man das mit Mais tun kann, der später allen unerwünschten Beikräutern das Licht nimmt. Vielmehr sollte man auch die Unkrautbekämpfung schon bei der Aussaat beachten, etwa in möglichst geraden Linien säen, damit man später rückenschonend leicht die Pendehacke durchziehen kann.

Anfang Juli
...und im August
Haferwurzel, Oktober, nach Sturm

Das Wachstum in den folgenden Monaten passierte sehr kontinuierlich, stetig wurden Blätter geschoben und von der Seite sah das Beet aus wie eine Wiese oder eng gesetzter Junglauch. Ab August verlangsamte sich das Blattwachstum. Besondere Düngung gab es nicht, aber Gartenboden ist natürlich immer besser versorgt wie eine umgebrochene Wiese. Das Zeug wuchs einfach, obwohl der Standort alles andere als gut war. Morgens Schatten, dann pralle Nachmittagssonne mit Hitzestau, unterbrochen von zwei Wochen kühlfeuchter Nässe ab Ende Juli, dann wieder trocken. Bis dahin habe ich sie auch wie den übrigen Garten bewässert, aber immer nur knapp. Andere Gemüsearten zeigten Trockenschäden, mir ging es darum die begrenzten Wasservorräte nicht in kurzer Zeit hinauszublasen. Ab August wurde noch weniger bewässert. Der Boden wie gesagt schwer, hat auch Steine und ist nur rund 25cm tief, was für Wurzelgemüse wie Petersilienwurzel, gelbe Rübe, Klettenwurzel ein Riesenproblem ist. Nur Pastinake kommt durch und wird was, wenn man sie zum keimen und durch die Jungpflanzenphase bringt.

Anfang September zeigte sich Mehltau auf den Blättern, ansonsten nicht die Spur einer Krankheit. Der Mehltau verschwand wieder in den Folgewochen ohne Blattschäden zu hinterlassen. Stürme zerzausten die Blätter, alle lagen am Boden. Und standen wieder auf, die Haferwurzel wuchs weiter. Haferwurzeln schien einfach nichts zu bremsen, absolut nichts.

Ernte

Ernte meiner allerersten Haferwurzel

Da sie Frost aushält und auch lange im Boden bleiben kann, habe ich erst Ende Oktober die erste Wurzel gezogen. Ernten soll man sie ab November, angeblich wachsen sie noch im Spätherbst. Auch das war überraschend. Es erschein eine schöne, gerade, beige Wurzel ohne Mehrbeinigkeit, wie eine schlanke gelbe Rübe aus Sandboden. Auch ohne Schneckenfrass, wie das Grün oben. Mit gut 20cm ideal lang. Leicht zu reinigen. Vorsicht aber beim ziehen, sie können abbrechen und wer mit einer Schaufel hantiert, verletzt sie leicht. Besser mit dem Spaten die Reihe blockweise hochbringen und dann die Wurzeln herausklauben. Als ich dann eine grössere Ladung herausholte, zeigte sich eine recht variable Grössendifferenz bei den Wurzeln und auch ein paar mehrbeinige Pflanzen. Das kommt also schon vor, aber bei unserem schweren Boden ist das bei gelben Rüben, Petersilienwurzel & Co viel problematischer. Vor allem gelbe Rüben kann man fast vergessen. 

Ein paar Haferwurzelpflanzen kann man stehen lassen, eventuell über den Winter Stroh draufschütten. Im Folgejahr schieben sie schöne violette Blüten, aus denen Samen mit Schirmchen entstehen, wie bei anderen Bocksbärten. So schafft man ohne Mühe eine eigene Samengewinnung.

Verwendung, Rezepte

Leicht geschält, bald in Pfanne mit Deckel gedünstet

Im frühen 18. Jahrhundert verschwindet sie in deutschen Kochbüchern oder nur noch die ähnliche Schwarzwurzel fristet als regionale Spezialität eine kleine Rolle. In der Gegenwart hat die französische Küche mit Abstand die größte Rezeptvielfalt und lebendigste Tradition im Umgang mit der Haferwurzel, gefolgt von der italienischen und britischen Küche. Einzelne Rezepte gibt es auch in Spanien ("salsifí") und der flämischen Küche. Typische Zubereitungen sind gekocht und in Butter geschwenkt, mit Bechamelsosse, Sahnesosse, in Teig ausgebacken (GB), in Gemüsesuppe, überbacken, püriert (GB), mit Eiersosse (Flämisch). Sie ist sogar roh essbar, wie alle Bocksbartgewächse. Roh schmeckt sie aber recht neutral.

Pflanzensaft wie Nougat. Vorsicht, der klebt.

Zu Beginn probierte ich sie pur, schälte sie leicht mit dem Sparschäler, schnitt sie in Stücke und kochte sie mit etwas Salz. Bürstet man sie gut ab, kann man sich schälen auch noch sparen. Heraus kam ein leicht süssliches Gemüse, im Aroma ähnlich anderen Wurzelgemüse-Speicherknollen, etwas erdig, etwas Artischocke und gekochter Mais oder Klettenwurzel, aber die Haferwurzel war einen Strich nussiger, süsser plus etwas Säure, mit angenehmen schwachen Bitterton (aber nie bitter) ähnlich Radicchio, auch die gelegentlichen Vergleiche mit Austern kann man nachvollziehen. Sie wirkt rustikal, anpassungsfähig, rund. Weitere Versuche waren mit Sossen, gekocht in der Pfanne mit Wasser, Weisswein, Olivenöl, dann mit einer Bechamelsosse aus Milch, Butter, Mehl fertiggegart. Gewürze zurückhaltend Muskat oder Muskatblüte, Salz, Pfeffer. Auch bei Kräutern ist eher Zurückhaltung angebracht, Petersilie, Schnittlauch, Kerbel. Orientieren kann man sich an Spargel.

Gekocht, in leichter Bechamelsosse finalisiert

Immer herausragend war die Konsistenz. Sie ist markig-sämig, ohne trocken zu wirken, gart in mässiger Zeit gut durch, keine Fasern, keine Hohlräume. Ich mag diesen "Bodenspargel" auf Anhieb sehr.

Aber Vorsicht. Sucht man im Internet, kommt ein Riesenschwung aufwendiger Schwachsinnsrezepte mit kaum zu beschaffenden Spezialzutaten, die dieses Gemüse geschmacklich plattwalzen. Oder es wird eine Regionalität erfunden, die gar nicht existierte oder existiert. Manche Seiten korrigieren auch den Suchbegriff "Haferwurzel" zwanghaft zu "Haferflocken", weil die viel häufiger Zustat sind. Viele Treffer, falscher Inhalt. Anzuraten ist, erst einmal Grundrezepte damit zu probieren.

Lagerung

 

Die Lagerung ist einfach und orientiert sich an anderen Wurzelgemüsen. Ausgraben, grob säubern, in eine Kiste mit feuchtem Sand legen, Sand drüberstreuen, Kiste mäuse- und frostsicher aber kühl lagern - Gartenhaus, Erdmiete, Aussengarage... Oder man lässt sie einfach im Garten stehen, heutzutage ist der Boden sowieso nie mehr wirklich lange gefroren, so dass man sie auch herausbekommt. Wie für Samengewinnung kann man auch Stroh über das Beet drüberstreuen, damit kein starker Kahlfrost Schaden anrichtet. Ich lass sie draussen, grabe sie aus wenn ich damit etwas vorhabe, bürste sie dann unter fliessend Wasser ab und lege sie bis zur Verwendung ins Kühlschrankgemüsefach. Dort halten sie auch über eine Woche.
 

Fazit

 
Der austretende Milchsaft wirkt fast violett
Die Haferwurzel ist eine Freude für Nutzgärtner und Geniesser. Sie macht wenig Arbeit, benimmt sich problemlos im Garten selbst unter schwierigen Bedingungen, ist gut zu verwerten, ich finde kaum ein Haar in der Suppe. Kritisch könnte man die geringen Flächenerträge werten, die Wurzeln sind halt nicht schwer und nicht fett, auch verzwergte Pflanzen sind immer eingestreut. Das macht einen kommerziellen Anbau unwirtschaftlich, uniforme Ergebnisse und die Kilo auf der Verkaufswaage kriegt man nicht bzw. wollen nicht bezahlt werden. Das neue Sommerwetter hält sie im Gegensatz zu vielen anderen Gemüsearten aus, sie profitiert vom milden Herbst und Winter. Wer wegen seines Bodens immer Probleme mit Wurzelgemüse hatte, dem sei sie besonders ans Herz gelegt. Ausprobieren ist es wert. Bei mir kommt sie ins Dauerprogramm.
 
Haferwurzeln mit Blaukraut und Semmelknödeln

Dienstag, 12. November 2024

Yamswurzel, wieder was Neues im Garten

Yamswurzelknollen

Auch nach vielen Jahren grosser Experimentierlust im Garten gibt es in jedem Garten nach wie vor ständig neue Kulturen, die noch nicht ausprobiert sind. Dabei kommen oft interessante und nützliche Ergebnisse heraus, die dann auch ins Dauerprogramm übernommen werden. Das waren die letzten Jahre zum Beispiel Süsskartoffeln, Klettenwurzeln, Yakon. Auch Oca sieht vielversprechend aus. Die jüngste Runde in diesem Spiel bestritten Yamswurzeln, genauergesagt Dioscorea polystachya (polystachya = vielährig), auch Lichtwurzel genannt. Sie hat noch eine Menge anderer Namen, Verkäufer verwenden am liebsten "Dioscorea batatas" (batatas = Knolle, haben aber mehrere Yamsarten), weil das irgendwie an Süsskartoffeln erinnert, aber eigentlich veraltet und falsch ist.


Was sind Yams?

Heftig grosse Pflanzen gibt das mit
langen Ranken und Gestrüpp

Eine riesige Pflanzengattung mit 800 Arten, die aber fast alle nur in den Tropen vorkommen. In Europa gibt es nicht einmal eine handvoll Arten. Die einzige, die auch in Deutschland vorkommt ist der gemeine Schmerzwurz, Dioscorea communis. Nicht gerade ein attraktiver Name. Er ist ausserdem giftig. Wie alle Yams ist es eine Kletterpflanze mit langen Ranken und er bildet Knollen.

Nur ein Bruchteil der 800 Arten hat essbare Knollen und die wachsen vor allem in den Tropen, sind dort mässig beliebte aber dringend gebrauchte Stärkelieferanten. Im Nährstoffgehalt, Stil und Verwendung sind sie anderen Stärkeknollenpflanzen ähnlich, etwa Süsskartoffeln, Taro, Maniok, Kartoffeln. Topinambur.

In Mitteleuropa können nur zwei essbare Yamsarten angebaut werden, besagte Lichtwurzel aus Ostasien und eine andere asiatische Art, Yamaimo, Dioscorea nipponica, bekannte japanische Gerichte wie Tororo werden aus beiden Arten zubereitet. Bisher hat Yams in Europa nicht gezündet, ist zwar schon lange bekannt, aber eine Sonderkultur geblieben, nur ein Hobby. Bescheidene Anbauversuche gab es in Frankreich. Anthroposophen hahen sich mit ihr beschäftigt, in diesen Kreisen war sie besser bekannt.

Blätter und rispenartige Blütenknospen

Ihr Misserfolg in Europa hat gute Gründe, die ich dann auch selber erlebt habe. Die Knollen kann man nur in Handarbeit ernten, gehen zudem 1m tief oder mehr, sie zerbrechen unweigerlich bei der Maschinenernte. Eine effiziente Ernte ist somit unmöglich und damit ist ein kommerzieller Anbau erledigt. Kein Bauer kann so kostendeckende Preise für diese Knollen verlangen, so dass ein Batallion Erntehelfer bezahlt werden kann, die sie ausgraben. In Asien geht das, wo entweder sehr hohe Preise bezahlt werden wie in Japan oder Arbeitskraft (noch) billig ist wie in anderen Teilen Ostasiens. Es gibt langjährige laufende Züchtungsversuche, um zu runden Knollen zu kommen, ein brauchbares Ergebnis ist noch nicht in Sicht. Von anderen kostensteigernden und mühsamen Eigenschaften wie die Führung der langen Ranken mit Rankhilfen ist da noch nicht einmal die Rede. Von kulinarischen Höhepunkten auch nicht. Aber vielleicht ist sie was für den Hobby-Nutzgarten? Mal sehen.

 

Yamswurzeln pflanzen und ziehen

Reife Bulbillen, kleine Knoten die dann abfallen

Man kann die Jungpflanzen mittlerweile bei verschiedenen Versendern kaufen oder Bulbillen (siehe nächstes Kapitel) und daraus Pflanzen ziehen. Häufig gibts die Sorte Dr. Yao, die ich auch hatte. Im April oder noch Mai werden getopfte Jungpflanzen ausgepflanzt, leichte Fröste vertragen sie, die Grenze lag bei mir bei -3° am Boden, aber das war ein individueller Wert, der bestätigt werden muss. Wie ein Schlangenkopf schiebt sich die erste Ranke rasend schnell nach oben und sucht nach Halt. Als Rankpflanze benötigt sie den. Meine waren am Gartenzaun, den sie sofort durchwucherten. Allerdings griff sie wie gierige Tentakel auch sofort nach Nachbars Tomatenstäben und wollten in alle Richtungen weg. Dann schaffte eine fette Ranke den Sprung zu Nachbars ungenutztem Brombeergerüst und von da gings weit in die Höhe. Die Triebe ab Pflanzstelle wurden bis zu 4,5m lang, weil die grösste Pflanze dort schon das zweite Jahr stand, sie können auch unterirdisch mehrjährig gezogen werden. Begünstigt wurde ihr Wachstum durch dieses Jahr viel Regen und ausnahmsweise weniger Hitzetage mit deutlich über 30°. Das mag sie nicht und Sommertrockenheit auch nicht, sie stellt dann das Wachstum ein und die Speicherknollen bleiben klein. In ihren Hauptanbaugebieten hat sie feuchtwarme, lange Sommer, leichten Boden, viele bedeckte Tage.


Vermehrung

Trieb aus Wurzel des letzten Jahres rechts oben
Wild aufgegangene Pflanzen aus Bulbillen Rest

Das ist wirklich einfach. Man muss bei Yams eher fragen, wie man sie bremst, denn sie vermehrt sich auch gerne massiv von allein. Eigentlich tut sie nur eines nicht so leicht: Sich über Samen vermehren. Geht auch, aber dazu würde man erst einmal zwei verschiedengeschlechtliche Pflanzen benötigen. Bei Yams geht es aber noch einfacher: Sie bildet sogenannte Bulbillen in Zweigachseln, das sind kleine Kügelchen oder Knoten. Die fallen im Herbst auf den Boden, bleiben dort überirdisch und offen in Frost und Kälte liegen, im nächsten Jahr schieben sie Wurzeln und eine neue Pflanze entsteht. Nicht einpflanzen, einfach liegen lassen oder hinlegen.

Wurzeln wieder eingraben gehen auch. Oder Stücke. In Japan werden einfach die Spitzen der geernteten langen Speicherwurzeln abgeschnitten und wieder eingepflanzt. Oder man lässt die Wurzeln kleiner Pflanzen im Boden, im zweiten Jahr wird die Pflanze und die Wurzeln dann deutlich grösser. Pflanzen aus Bulbillen bleiben im ersten Jahr auch erst mal kleiner, meist lohnt sich eine Ernte dann erst im zweiten Jahr. Ich hatte früh vorgezogene Jungpflanzen, das gibt schon im ersten Jahr eine Ernte. Vier von fünf Sternen.


Besondere Eigenschaften der Pflanze

Lichtwurzeln zeigten ein paar ziemlich spezielle Eigenschaften.

  • Herbstfärbung. Yams klimmt in die Höhe.
    Im Sommer überraschte ein wochenlang anhaltender intensiver Duft, den ich lange nicht zuordnen konnte. Erst dachte ich, ein obskurer Pilz habe den Komposthaufen befallen und nun würde das absonderlich stinken, aber es war die Yamswurzel, ihre vielen aber unscheinbaren Blüten, die lange und folgernd kamen. Leider nicht Vanille, sondern ein intensiver Zimtduft, aber leider auch nicht genau Zimt, sondern schwerer, erdiger, irgendwie dumpf, angekokelt und schnell penetrant. Ich hoffe, die Nachbarn haben mir das verziehen, je nach Windrichtung könnte das lüften schon etwas erschwert gewesen sein. Im Hausgarten ist das durchaus ein relevanter Punkt. Sicher wirds auch viele Leute geben, die das lieben.
  • Ihre Ranken wachsen Richtung Sonne. Sie wollen sehr nach oben, nach Süden, Richtung Norden war das Wachstum an allen Pflanzen geringer. Diese Sonnenrichtung der Ranken war wahrscheinlich Pate für den Namen "Lichtwurzeln". Am Boden will sie nicht liegen, nicht wie es Süsskartoffeln gut können.
  • Sie schlingt, aber sie würgt nicht. Es sind keine erdrückenden Schlingen, mit denen sie sich ausbreitet.
    Knollen können zerfressen sein
  • Sie hat eine schöne, anhaltende Herbstfärbung von Grün in Gelb und Rotbraun, die sich über Wochen hinzieht und sehr ziert. Im Sommer hat sie hübsche glänzende Blätter, die nie angefressen oder verpilzt sind.
  • Keine oberirdischen Krankheiten. Trotz Extrembefall mit Schnecken waren nur die ersten jungen Triebe direkt nach durchstossen der Erde gefährdet, Laub und Stengel blieben dann aber unangetastet. Das will schon was heissen in diesem verrückten Schneckenjahr. Die Knollen unterirdisch waren in etwa so von Drahtwürmern und anderen Lochfressern befallen wie die von Kartoffeln. So gesund wie Süsskartoffeln oder Klettenwurzeln waren sie nie, schlimmer als bei Kartoffeln wars aber auch nicht.

Duft (wenn man ihn mag), Zierde, robust - vier von fünf Sternen. 

Farben des Herbstes der Yamswurzelblätter

 

Die Ernte

Exterm schwer auszugraben, zerbrechen sofort

Ab Ende Oktober können die Knollen geerntet werden, heisst es. Das ist der Zeitpunkt, an dem auch das Laub rotbraun geworden ist und fällt. Als es so weit war, wurde mir schlagartig klar, wieso die Lichtwurzel anhaltend unbeliebt bleibt. Die Speicherknollen ragen weit in die Tiefe. Versucht man sie mit dem Spaten auszugraben, zerbrechen sie unweigerlich stark und oft, sie sind sehr zerbrechlich. An den Bruchstellen sondert sie weissen, schmierigen Pflanzensaft ab, der fadenziehend klebrig ist und die Konsistenz von Schneckenschleim hat, auch beim Abwaschen. Man wäscht ganz schön lange, bis man ihn wieder los ist. Die Knollen selbst sind innen strahlend weiss wenn jünger bis gelblich bei Älteren. Jüngere Bereiche sind noch leichter zerbrechlich. Angesichts der zerbröselten Wurzeln stellten sich Fragen nach dem optimalen Lager nicht mehr.

Kleine Ernte. Rechts eine zu alte Wurzel.

Der echte Zusammenbruch passierte wegen unserer Bodenverhältnisse. Bekanntlich werden nachweislich die besten Böden der Gemeinde ausschliesslich Industriegebiet verwendet und mit grösstmöglicher Brutalität nachhaltig vernichtet, alle Hausgärten im Stadtteil haben dagegen nur 30cm hohen tonigen, steinigen Lehm, darunter Kalk mit Ton, also sehr schwer und grausam flachgründig. Das tiefe Graben ist ausgesprochen mühsam, die Knollen kaum aus dem schweren Boden zu bringen. Sie sind dann auch noch verkrüppelt, krumm, weil sie logischerweise nicht in die Kalkplatten kommen. Fazit: Ausserhalb tiefem Sandboden oder wenigstens leichten Boden ist der Anbau von vornherein eine Qual. Davon ist abzuraten. Riesendämme oder extra Hochbeete aufzuschütten habe ich keine Lust. Das sind Spielereien für Leute mit Museumsgarten und sehr viel Zeit. Auch dabei spielen Verkäfer die übliche unrühmliche Rolle, indem sie solche Pflanzen auch für ungeeignete Verhältnisse empfehlen und stattdessen solche aufwendigen Erdarbeiten vorschlagen, die in der Praxis eh niemand mehr als einmal hinbekommt.

Der Gesamtertrag war bezogen auf die Rankenlänge richtig mies, ich brachte keine zwei Kilo verwertbare Knollen aus der Erde. Das hat sich nicht gelohnt. Ein Halber von fünf Sternen.


Wie wird sie zubereitet, wie schmeckt sie?

Ihre Knollen enthalten klebrig / schleimige Stoffe

Lichtwurzeln werden als "roh essbar" beworben, sie sind roh zwar ungiftig, aber klebrig und langweilig, bestenfalls etwas nach Erde, kulinarisch kein Genuss. Vorsicht, sie brechen nicht nur bei der Ernte leicht, sondern auch bei der Verarbeitung. Gekocht garen und zerfallen sie fast noch schneller wie Süsskartoffeln, mit denen sie Verkäufer gerne vergleichen. Ich kann keine Ähnlichkeit damit schmecken oder sehen. Insbesondere sind sie nicht süsslich und haben nicht diesen leichten Ton nach gelben Rüben, jedenfalls nicht die, die in Mitteleuropa Anfang November aus dem Boden kommen, in Südchina mag das andere Ergebnisse geben. Zieht man die Schale vom gekochten Yams-Knollenstück ab, was sehr dem Kartoffelschälen ähnelt, kommt nach wie vor weisses, etwas durchscheinendes Material, das im Mund sehr mehlig und sämig wird, fast trocken, in Konsistenz und Aroma wie sehr mehlige halbzerkochte Kartoffeln. Manchmal sind kurze Fasern enthalten. Insgesamt bleiben die Aromen bei dieser Zubereitung schwach. 

Gekochte Yamswurzeln

Wesentlich besser waren sie vorab geschält und dann angebraten, sie vertragen Brathitze gut, bilden eine leckere feste Kruste mit angenehmen Röststoffen, die alles sehr gut zusammenhält. Frittiert waren sie sehr gut. Der Kontrast zwischen der guten, kräftigen Kruste und dem sämigen Inneren kommt ziemlich gut. Oder man verzichtet ganz aufs Innere, schneidet dünn und macht Chips draus. Gut! Aus der lässt sich durchaus was machen. Ebenso kann man breitere Stücke grillen, sie vertragen höhere Temperaturen weit besser wie Süsskartoffeln. Etwas problematisch ist, sie roh zu schälen. Aus dem kuriosen Grund, weil sie so schmierig ist dass sie einem ständig aus den Fingern rutscht. Man kommt auch in den Drang, ständig die Hände zu waschen, weil die Schmiere bei jeder Berührung dran klebt. Damit ist die Verarbeitung zur Zubereitung auch etwas ungewohnt. Drei von fünf Sternen für den Küchenwert.

Endfazit: Was für die Wucherecke auf Sandboden, sofern sie ranken kann. Auf schwerem Boden nur zur Zierde, wegen Duft oder aus Kuriositätsgründen.

Mittwoch, 2. November 2022

Willkommen im Garten: Klettenwurzel als Gemüse

Die Grosse Klette im Garten, arctium lappa

Seltenere Gemüsesorten haben Konjunktur. Auf der Suche nach Neuigkeiten finden Nutzgärtner, Gourmets und Freunde schmaler Pfade einen reichen Anstrom an Pflanzen, die gegenwärtig etwas im Schatten der Aufmerksamkeit liegen. Nutzgärtner sind da im Vorteil, sie können selber sofort alle möglichen dieser Spezialgemüse anbauen und ausprobieren, sofern die klimatischen Bedingungen passen.

Und so waren dieses Jahr Klettenwurzeln dran. Das sind die dicken Wurzeln der Pflanze "grosse Klette", arctium lappa, einer in Europa, ganz Eurasien immer schon massenhaft verbreiteten Pflanze, auf anderen Kontinenten existiert sie auch als Neophyt. Jeder kennt sie vom Sehen, sie wächst häufig an Waldwegen, am Waldrand, im Auwald. Ihre grossen Blätter und später die kugelförmigen Blütenkörbe mit blauvioletten Röhrenblüten sind recht charakteristisch. Sie gehört in die grosse Gruppe der Carduoideae, zusammen mit Disteln, Flockenblumen, Karden, Artischocken. 

 

Geschichte

Blüten der Wildpflanze

Die grosse Klette wird seit mindestens tausend Jahren als Nutz- und Heilpflanze mit vielfältigen medizinischen Wirkungen verwendet, vermutlich noch viel länger. Die Nutzung der Wildpflanze liegt nahe, sie ist sehr verbreitet. Sie taucht auch im Verzeichnis der Nutzpflanzen auf, das Karl der Grosse im Jahre 795 erstellen liess. Als Nutzpflanze war immer die Wurzel am beliebtesten. Sie hatte im Mittelalter dieselbe Beliebtheit als Wurzelgemüse wie Haferwurzel, Schwarzwurzel, Pastinake, Rüben. Verwendbar sind auch junge Blätter sowie das Mark der Stängel. Das Stängelmark hatte ich früher schon ausprobiert, es ist etwas fest, aber gut essbar, schmeckt "grün". Für die Blätter muss man jedoch Hunger haben, damit sie schmecken. Belegt ist vor allem die Verwendung der Wurzel, die auch als Speicherorgan den energiereichsten Teil der Pflanze bildet. Es ist die Wurzel, die satt macht.

Mit der Ankunft und Verbreitung der Kartoffel aus Amerika verloren alle heimischen Wurzelgemüse in Europa stark an Bedeutung, so auch die Klettenwurzel. Die Kartoffel brachte deutlich höhere Erträge und hatte eine grössere Anbaubreite. Damit waren auch die Zuchtanstrengungen für die alten Wurzelgemüse stark eingebremst, so gibt es in Europa keine echten Kultursorten der Klettenwurzel mit verbesserten Eigenschaften, die dem Menschen wichtig sind. Bis heute sind Klettenwurzeln aber bekannt, zu kaufen - getrocknet für medizinische Anwendungen, Herkunft oft China. Die frischen Wurzeln als Gemüse haben sich nur in Ostasien gehalten, vor allem Japan. Ein sehr bescheidener kommerzieller Anbau in Europa findet in den Niederlanden statt. Die Kilopreise der Frischware liegen bei 8 EUR und die Käufer sind Liebhaber des Besonderen.

 

Die Pflanze

Die grosse Klette und alle andere Klettenarten sind zweijährig. Sie sind Frostkeimer (Keimung erst nach Kältereiz), keimen im zeitigen Frühjahr, bis zum Herbst werden immer grössere Blätter geschoben und die Pfahlwurzel verdickt sich. Die Blätter können auf guten Standorten riesig werden, bis zu fast einem Meter Durchmesser. Die Pflanze speichert ihre Vitalstoffe in der Wurzel, überwintert und treibt im zweiten Jahr wieder aus dieser Wurzel aus. Im zweiten Jahr ist die Wurzel verholzt, ein Blütenstängel wird gebildet, er kann bis zu 1,5 m hoch werden. Ab Juli blüht sie, spät im Jahr. Die kugelförmigen stachligen Blütenkörbe erinnern an Kugeldisteln. Für uns Nutzgärtner ist nur das erste Jahr interessant. Wenn die Wurzel im zweiten Jahr verholzt ist, kann man nur noch junge Blätter und Stängelmark ernten und essen, das lohnt sich nicht. Wer allerdings wieder Samen bekommen will, muss sie zweijährig ziehen. Die Blütenkörbchen mit den Samen drin sind übel stachelig und benehmen sich namensgebend, haken sich überall ein und werden so verbreitet.

 

Der Anbau im Nutzgarten

 
Für die drei heimischen Klettenarten Grosse Klette, Kleine Klette und Filz-Klette kann man Saatgut kaufen, gesammelt aus Wildpflanzen. Alle sind essbar, am besten verwertbar ist die Grosse Klette. Europäische Gemüsesorten oder Kulturformen der grossen Klette gibt es nicht bzw. sind verloren. Ab und zu findet man japanische Sorten: Nakanomiya Early, Watanabe Early, Takinogawa long. Takinogawa ist die häufigste Sorte, lieferbar von De Bolster. Diese Sorte habe ich auch verwendet.

Aussaat in Anzuchtplatte, Jungpflanzen
Jungpflanze im Juni

Ausgesät habe ich Ende April in eine Pflanzplatte, die draussen im Halbschatten stand. Die Keimung gelang schnell und problemlos. Mitte Mai waren die Jungpflanzen dann ausgepflanzt, lange wollte ich sie nicht in der Pflanzplatte lassen, weil sich das mit der Pfahlwurzelbildung nicht verträgt. Auch frühere Aussaaten sind möglich, ab März. Je früher die Aussaat, desto besser die Wurzelentwicklung. Spätere Aussaaten gehen noch bis Juni, das hat sogar Vorteile: Die Wurzeln bleiben dann kleiner, sind schwarzwurzelähnlicher, man kann die Pflanzen dichter setzen. Ausgepflanzt habe ich an verschiedenen Standorten, um sehen, welche Bedingungen sie bevorzugt.

Das Wachstum startet erst einmal langsam, man übersieht die Pflanze leicht, doch Blatt für Blatt wird alles grösser, dann sehr gross. Ab Spätsommer sollte man mit riesigen Blättern rechnen und andere Kulturen auf Abstand halten, sonst werden die verschattet.

Probleme hatten sie mit den hiesigen Schnecken, vor allem im Herbst. Hauptart hier ist die Gartenwegschnecken, Arion hortensis. Da wurden eifrig Blätter abgefressen, die Pflanze scheint dafür sehr attraktiv zu sein. Schutz durch Schneckenbekämpfung war unerlässlich. Ansonsten gab es keine Probleme durch Krankheiten oder Schädlinge.

Gartenwegschnecke (schwarz, klein) an Unterseite von Klettenblatt auf frischer Tat

Auch alte Blätter werden von Schnecken niedergemacht

Hitzeschaden an Blättern

Sehr wichtig war ihre Hitzeverträglichkeit und das Verhalten bei Bewässerung. Um das zu testen war der ganze Sommer bis September geeignet, denn es war knochentrocken und mehrmals bis 40 °C heiss, die Sonne brannte mit viel UV-Energie auf die grossen Blätter. Das meisterte die grosse Klette verhältnismässig gut. Einmal am heissesten Tag gab es Blattschäden, aber das war zu verschmerzen. Sie benötigt zwar viel Wasser, aber Trockenheit killte sie auch nicht gleich, vermutlich weil sie tief wurzelt. Wenn gegossen wird, dann besser viel alle paar Tage und nicht täglich ein bisschen. Gewachsen ist sie mit wenig Düngung, würde sie als höchstens Mittelzehrer einschätzen. Sie kam gut mit dem schweren und flachgründigen Boden zurecht. Dass die Wurzeln sich da nicht optimal ausbreiten können, war mir bewusst. Das Blattwachstum hat es nicht gebremst. Pflanzen mit zu wenig Bewässerung (hatte sie auch im Aussengarten) bleiben jedoch klein, aber starben nicht. Die grossen Blätter suggerieren Schattenverträglichkeit, aber das war sie nicht, Pflanzen im Halbschatten bleiben ebenfalls klein. Sie sollte schon sonnig stehen. 

 

Ernte

 
Kurz vor der Ernte, Spaten zum Grössenvergleich
Mitte Oktober hab ich zum Spaten gegriffen. Und mich gleich gefreut, weil die Blätter aus einer schönen, fetten Wurzel kamen. Und sofort wieder geärgert, die Wurzel ist brüchig, sie zerbricht beim Ausgraben. Und Graben ist eine Heidenarbeit. Die Wurzeln gingen recht gerade weg, meist senkrecht nach unten, ein paar auch schräg nach unten. Unser Boden ist aber nur eine Spatentiefe mächtig, dann kommt Kalkschutt, Ton, Kalkplatten. Die Wurzeln gingen in der Tiefe horizontal weiter, weil sie weiter nach unten konnten. In der schweren lehmig-tonigen Erde war ausgraben eine Knochenarbeit und ich habe sicher nicht mal alle brauchbaren Wurzeln erwischt. Die brauchbare Wurzellänge lag über 40 cm und manchmal weit länger. Ärgerlicherweise reichten die Wurzeln auch in andere Kulturen daneben hinein, die ich nicht ausgraben wollte. Der Gesamtertrag pro Fläche lag bei einem bis zwei Kilo pro Quadratmeter.
 
Das obere Wurzelstück ausgegraben

 
Dammkultur wird gelegentlich empfohlen und sicher kein Fehler. Angesichts der kräftigen und langen Wurzeln wären kräftige, hohe Dämme angebracht. Das würde die Ernte sehr erleichtern und man kommt auch nicht in Versuchung, die anfangs kleinen Pflanzen mit anderen Gemüsearten zuzustellen.
 
Die Wurzel
 

Essen!

Stücke gekocht - gelbgrünes Kochwasser

Endlich die vielleicht wichtigste Frage: Wie schmeckt sie? Taugt sie was? Ja, sie schmeckt. Ja, sie taugt was. Überraschend gut sogar. Zunächst habe ich sie mit dem Sparschäler geschält, in Stücke geschnitten, gut zehn Minuten in etwas Wasser gekocht, nur mit Salz gewürzt. Das Kochwasser färbt sich Gelb mit einem Grünstich. Schälen ist einfach, wesentlich simpler als die Verarbeitung von Schwarzwurzeln mit ihrem furchtbar klebrigen Saft und oftmals kleinen Stangen, tiefen Fehlstellen. Das Aroma war erstaunlich und kräftig. Ich würde es als 20 % Topinambur, 20 Schwarzwurzel, 50 % Artischocke und 10 % Yakon bezeichnen. Topinambur ist die erdige Komponente, leicht Karotte, Wurzelgemüse-erdig, Schwarzwurzel hat das auch. Artischockenaroma ist der kräftigste Teil, sie schmeckt wirklich stark nach Artischockenblütenboden. Das kommt nicht ganz so überraschend, wenn man weiss dass Klettenwurzeln mit Disteln und Artischocken verwandt sind. Schliesslich hatten Klettenwurzeln eine erdige Süsse, wie Yakonwurzeln. Ebenso wie Yakon entwickelt sich die Süsse mit zunehmender Lagerung, zwei Wochen nach Ernte merkt man das schon ziemlich deutlich. Gut ist auch mit einem Kräuterquark, im Eintopf, weil sie nicht zerfällt und Aroma, Süsse bringt. Frittiert oder im Ofen geht sicher auch. Zusammengefasst das Aroma: zunehmende Süsse, immer erdig, immer sehr viel Artischocke. Eine Bereicherung!

Geschält, geputzt

Auch die Konsistenz ist gut. Beim Schälen und Zerschneiden zeigt sich der Wurzelkern oft holzig und faserig, es gibt auch dunkle Ringe, ähnlich wie bei Rettichen, wenn die Wurzel überaltert ist. Etwas frühere Ernte wäre nicht schlecht gewesen. Aber schlimm war es auch nicht, sehr holzig aussehende Bereiche kann man abschneiden, im gekochten Zustand kaut sich dann alles immer noch sehr homogen. Die Stücke bleiben aber relativ fest. Sie zerfallen auch nicht wie eine Topinambur. Im Mund sind sie ebenfalls fest, aber gleichzeitig zart und gut kaubar, etwa wie Teltower Rübchen oder festbleibende Artischockenböden. Keine Fasern. 

Abgebürstete Stücke, roh

Rezepte gibts einige, in Japan ist sie mit Sojasosse, Mirin und Sesamöl und Karotten beliebt. Dieses klassische japanische Gericht mit Klettenwurzel ist "Kimpira Gobo". Hierzulande werden Zubereitungen wie für Schwarzwurzeln oder Haferwurzeln empfohlen. 

Stücke gekocht

Fazit

Nicht viele der weniger bekannten Gemüsesorten laden zu häufigeren Anbau ein. Die Klettenwurzel schaffte das aber. Nachteile sind die Arbeit, die man mit ihr hat, eine schwierige Ernte auf schweren Böden und die mässigen Erntemengen pro Fläche. Ich werde sie sicher wieder anbauen. Das haben bisher nicht viele Spezialgemüse geschafft.

Samstag, 1. Dezember 2018

Yakon, Polymnia sonchifolia, wieder was Neues

Yakon, Wurzel, halbiert
Immer mehr Wurzeln aus Südamerika rollen in Deutschland an. Süsskartoffeln sind fast schon eingebürgert, Yakon oder Yacón erlebt sprunghafte Verbreitung, Maca und Oka kommen, einen etwas bescheideneren späten Erfolg feiert Topinambur, Gärtner probieren auch schon Arakacha aus. Teilweise werden sie  wegen ihrer angeblichen Gesundheitswirkung angepriesen, teilweise ist es einfach die Lust auf Novitäten, die zu neuen Zielen drängt. Topinambur habe ich schon lange, Süsskartoffeln seit einiger Zeit, Maca ausprobiert und nun auch Yacón.

Im Internet ist schon sehr viel deutschsprachiges über Yakon in Deutschland zu lesen, hervorgehoben werden oft gesundheitliche Wirkungen und guter Geschmack, beispielsweise unter  https://www.garten-treffpunkt.de/lexikon/yacon.aspx. Davon will ich nichts wiederholen, sondern von eigenen Erfahrungen berichten. Vor allem der Punkt "Geschmack" wird gerne oft in blumigen Worten und positiv dargestellt. Ist das so?

Yakon Jungpflanze
Dieses Jahr zog sie in unserem Garten ein. Die ausgepflanzten Jungpflanzen entwickelten sich nur langsam, das Wachstum verlief zäh und langsam. Der Sommer war heiss und trocken, trotz viel Wassergaben kam sie nicht vom Fleck, sondern liess jeden Nachmittag die Blätter hängen. Offensichtlich tut ihr trockene Hitze nicht gut. Gegen den Herbst hin wurde endlich das Höhenwachstum stärker, aber schon beim ersten leichten Nachtfrost im Oktober wurden die Blätter geschädigt, während daneben noch Paprika und Tomaten drei Wochen länger bis November ohne Schaden wuchsen.
Yakonpflanzen im Oktober, Frostschaden
Die Höhe blieb mit 80cm bei allen Pflanzen unter den Voraussagen. Blüten gab es keine. Ich habe sie dann Ende Oktober geerntet. Pro Pflanze gab es rund ein Kilo verwertbare Knollen. Nett, aber auch keine grossen Mengen.

Wie schmeckt sie?


Frisch geerntet und halbiert
Die entscheidende Frage. Zunächst die Konsistenz: Die Knollen sind nicht sehr hart, brechen leicht und sind unglaublich saftig. Die Knollenstruktur ist viel weicher wie Topinambur, die grossen Knollen wirken innen fast schon breiig, nur aussen fester.

Nun der Geschmack: Direkt nach der Ernte war das Aroma sehr schwach, sie wirken wässrig, auch keine Süsse war zu spüren. Sie sind noch geschmacksdünner wie Topinambur, höchstens ein erdiger Hauch wie bei Karotten. Erst im späteren Nachgeschmack kommen Aromen, aber sie sind unangenehm, ein anhaltender Bitterton breitet sich aus und etwas papierartiges, das sehr lange im Mund bleibt und dem Nachgeschmack einiger Süßstoffe entspricht, vor allem die aus Glykosiden, Steviablätter, Süßholz, aber ohne die Süsse. In diesem Zustand waren sie für mich eigentlich ein Fall für den Kompost.
Hell gelagerte Knollen wurden rosa
Dann lagerte ich sie eine Zeitlang hell, wie es empfohlen wird. Dadurch sollen sie süsser und besser werden. Zuerst änderte sich die Farbe, von Weiss zu Rosa. Jetzt stimmte auch der Sortennamen "rose". Letzte Woche schliesslich nochmal verkostet. Im Geschmack zeigten sie sich nun richtig süss, aber es ist eine neutrale Süsse ohne Begleitung, wie die einer Zuckerrübe, nur weicher in der Konsistenz und ohne jede Säure. Der Bitterton verschwand. Aber selten so eine langweilige, süssliche Wurzel gegessen.

Dafür hatte sie keine Krankheitsprobleme. Die Knollen waren makellos, Drahtwürmer und Schnecken mögen sie wohl nicht. Die Süsskartoffeln in der Nähe waren durchaus wieder angefressen, am Nichtvorhandensein der Schädlinge lag es nicht. Eine ziemlich gesunde Pflanze abgesehen von der Wasserbedürftigkeit. Sturm, Blattläuse, allerlei Raupen, Sonnenbrand, nichts hat sie niedergemacht. Das dargebotene Grün wird übrigens auch von den Hühnern abgelehnt. Unsere sind ansonsten wenig heikel und fressen gerne viel Grünes, aber Yakonblätter nicht. Für Menschen werden sie als Tee empfohlen.

Fazit


Das Ergebnis stimmt nicht gerade begeistert. Sie hat einfach zu wenig Aroma, um interessant zu sein. Die Süsse ist für ein Wurzelgemüse einzigartig, aber viel zu einseitig und nicht begleitet von Geschmack. Prädikat: Netter Versuch, wird aber erst einmal nicht viel Platz im Garten bekommen.

Stengel sind innen hohl, macht sie windfester

Yakon, Frisch aus der Erde gezogen

Yakon, eben geerntet





Sonntag, 12. November 2017

Rote Rüben, Rettung für den faulen Gärtner

Sie ist schon immer in Europa gewesen, schon die Kelten hatten sie, ich und viele andere Nutzgärtner haben sie auch: Beta vulgaris. Die Pflanze hat heute mehreren Formen: Als das Blattgemüse "Mangold" oder in Form der jüngeren roten Rübe, Beta vulgaris subsp. vulgaris. Ferner als Zuckerrübe, die aber weniger im privaten Nutzgarten, die wächst hier seit Erfindung des Rübenzuckers auf den Äckern und sorgt für viel Erosion, Glyphosat- und Düngemittelverwendung. Zuckerrübe und Rote Rübe wurden im 18. und 19. Jahrhundert aus der Runkelrübe (heute nur noch als Tierfutter verwendet) gezüchtet. Ab da trennten sich die Wege in Futterrübe (hoher Protein- und Mineralstoffgehalt), Zuckerrübe (hoher Saccharosegehalt) und die farbigen roten Rüben (guter Geschmack, weich kochbare Wurzel).

Ein Schlager

Roten Rüben oder Rote Bete sind ein Dauerschlager im Nutzgarten. Die rote Rübe kämpft auf jeden Fall um die Goldmedaille des problemlosesten Gemüses im Anbau bei gleichzeitig hohem Ertrag. Sie gehört in jeden Nutzgarten, wächst auf jedem Boden, verträgt viele Wetterextreme, lässt sich gut lagern. Etwas, dessen Anbau auch jeder Gartenneuling erfolgreich probieren kann. Verwendbar sind
neben der Rübe auch die Blätter, wie Mangoldblätter werden sie gerne von Hühnern gefressen und
Spenderorgan im Angebot
jung schmecken sie auch Menschen, sie sind etwas herber als Mangold. Leider werden die Eier der Hühner von den farbstoffreichen Blättern nicht rot, das wäre ein witziger Nebenffekt.
Die Vielfalt von roten Rüben ist viel grösser wie auf den ersten Blick sichtbar. Baut man sie nicht selbst an, kennt man sie aus dem Supermarkt, da sind sie rund und besteht aus ähnlich grossen, möglichst süssen Sorten. Dort liegt sie als fast-fertig-Produkt im Regal zwischen frischem Gemüse, eingeschweisst in Plastikfolie und bereits sehr weich gekocht. Ihr Anblick in der roten Sosse unter Plastik ist traurig und gleicht einem Spenderorgan, das vergeblich auf eine Transplantation wartete und nun verrottet.

Crapaudine, die Gute

Crapaudine, Knollen mit 1,5kg und mehr sind nicht selten
Es gibt rote Rüben aber auch als lange Walzen, keilförmig, es gibt sie in leuchtendem Gelb, in Weiss, mit Farbringen. Nach "Burpees Golden", "Ägyptische Plattrunde", "Opolski", "Forono" habe ich dieses Jahr habe die bisher leckerste Sorte angebaut: Crapaudine, eine sehr alte Sorte, sogar eine der ersten roten Rübensorten überhaupt. Angepriesen wird sie als hohe Erträge liefernd und wohlschmeckend. Wohlschmeckend stimmt: Sie hat ein ganz ausgezeichnetes, intensives, erdiges Aroma, die zugehörige Süsse wirkt perfekt eingepasst. Für Salat ist sie fast zu schade, am besten kommt sie in grobe Stücke geschnitten zur Geltung, die mit Balsamico- oder Rotweinessig, Salz und einem guten Walnussöl angerichtet sind. Ein hochfeines Gemüse, fein gehobelt auch roh sehr gut.

Frisch angeschnitten ein Gemetzel
Bei den Erträgen sieht es nicht so gut aus. Richtig ist, dass sie sehr grosse Wurzeln entwickeln kann, aber das können viele Sorten bei guten Bedingungen. Leider hat Crapaudine auch eine grosse Streubreite, es gibt in jedem halbwegs gut versorgten Beet einige Riesen und dann wieder viele ziemlich klein gebliebene Pflanzen mit 50g-Wurzelrüblein. Hat aber seine Vorteile. Kleine Rüben kochen schneller, man kann sich die optimale Grösse schon auf dem Beet aussuchen. Die Riesen mit >1kg Gewicht müssen bis zu 45 Minuten kochen, bis sie durch sind.

Schälen lässt sie sich manchmal nicht ganz so gut, weil sie unregelmässigere Formen annimmt und ein Wurzelbart an den Rüben hängt. Dafür ist ihre Lagerfähigkeit so gut wie bei modernen Sorten.

Der Anbau

Rote Bete im Beet, Herbst
Rote Bete gelingt immer. Sie wächst auf jedem Boden, auch auf unserem schweren flachgründigen Minutenboden, wo es Wurzelgemüse sonst schwer hat. Mit der Aussaat kann man sich von Mai bis Ende Juni Zeit lassen. Man kann sie auch später säen für kleiner bleibende Knollen. Im Glas eingemacht sehen sie hübsch aus. Die Aussaat ist einfach, da die Samen gross sind, sie keimen gut und leicht. Zu eng stehende Pflanzen sollte man beseitigen, verpflanzen der Sämlinge gelingt nicht, da sie bereits sehr jung tief wurzeln. Dann wachsen sie und wachsen und wachsen. Kühles Wetter und Halbschatten wird besser vertragen wie Sonnenglut, sie müssen nicht an den sonnigsten Stellen im Garten stehen. Ältere Pflanzen kommen auch mit weniger Wasser gut klar.

Ernte, Lagerung

Laufend ernten, sobald die Grösse gefällt. Ansonsten auf dem Beet stehen lassen bis zu den ersten Frösten, leichter Nachtfrost wird gut vertragen. Ab -4°C müssen sie vom Beet und in die frostfreie Sandkiste. Dort halten sie sich bis ins Frühjahr, schliesslich werden sie holzig.

Gelbe und weisse Sorten habe ich auch, darüber später mehr. Nicht nur die Farbe unterscheidet sich, auch die Inhaltsstoffe und das Aroma. Gut sind sie auf ihre Weise alle!