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Montag, 12. Februar 2024

Nashornkäfer, unser Lieblingsgartentier

Nashornkäfermännchen

Wir haben seit Jahren hunderte Nashornkäfer im Garten und wir lieben sie mehr als jedes andere Wildtier: Nashornkäfer und ihre Larven. Wie kommts, dass uns dieses Insekt so gefällt? Was ist das überhaupt für ein Viech, ein Nashornkäfer? Hübsch ist es auf den ersten Blick und warum ist es auch so nützlich?

Männchen und Weibchen, die sich in Erde versteckten

Zuerst etwas Biologie: Das Tier gehört zur Gruppe der Riesenkäfer. Nahe Verwandte hat er in Deutschland nicht, auch der Hirschkäfer ist nicht näher verwandt. Aber in den Tropen und Südosteuropa gibt es verwandte Arten. Der glückliche Nutzgärtner sieht meistens zuerst seine beeindruckenden Larven. Sie sehen aus wie viele andere Blatthornkäferlarven, sind aber enorm gross, erreichen bis zu zehn Zentimeter Länge. Sie leben im Boden. In erster Linie sind diese Larven dort zu finden, wo auch Totholz im Boden ist, ihre Lieblingsnahrung: Unter Holzmulch, an verrottenden Hölzern, auch im Kompost. Vor allem im Kompost werden junge und damit kleine Nashornkäferlarven mit Rosenkäfer- oder Junikäferlarven verwechselt, die dort häufiger sind. Und im Garten nicht so gerne gesehen, denn die anderen Arten fressen auch lebende Wurzeln. Zu unterscheiden ist die Nashornkäferraupe im Jungzustand schlecht, wenn sie älter werden kann man sie an ihrer enormen Grösse, der Tendenz zur gelblichen Färbung und ihrer Gärmagenstruktur erkennen.

Im Pferdemist lebt sichs vergnügt

Bei mir sitzen Nashornkäferlarven zu hunderten im verrottenden Pferdemist. Der enthält nämlich Holzspäne als Einstreu und daran laben sich Larven ausgiebig, das ist ihre Hauptnahrung. Man kann den gelagerten Pferdemist kaum umschichten, ohne Gefahr zu laufen, Käferlarven zu verletzen. Ich bin deshalb besonders vorsichtig und schabe das Substrat nur von der Oberfläche her ab, Larven werden gepackt und umgesetzt. Jetzt gerade passiert das und die Larven kann man nicht mehr zählen, die dabei ans Tageslicht kommen.

Ständig Larven retten...

Diese Larven sind recht aktiv, bewegen sich stetig wenn man sie einmal sieht. Ihre Nahrung besteht wie gesagt aus morschem Holz. Sie gehören zu den wenigen Tieren, die Zellulose sehr gut verdauen können, andere dieser ähnlich aussehenden Larven (wie besagter Rosenkäfer) können das lange nicht so gut. Das schafft das Nashorn über einen eigenen Gärmagen mit Hilfe von Bakterien und Pilzen ohne Sauerstoff. Dabei entsteht Methan. Das sieht man auch, tatsächlich sehen die Larven immer prall und aufgebläht aus. Es sind hocheffiziente chemische Fabriken, die über einen komplexen mehrstufigen Prozess etwas schaffen, was sonst kaum einer schafft. Die Larven erzeugen in ihrem Gärmagen eine optimale Umgebung für hilfreiche Mikroorganismen, die das Holz schnell abbauen und verdauen anschliessend sowohl die Mikroorganismen als auch deren Produkte des Holzabbaus.

Der Gärmagen mit den charakteristischen Falten und Adern

Bis zu fünf Jahre dauert die Entwicklung, dann bauen sich die Laven eine gemütliche unterirdische Höhle, verpuppen sich, schlüpfen als echte Käfer und fliegen ab Mai durch die Nacht. Die Käfer leben nur wenige Wochen, fressen wenig bis nichts, ihre Aufgabe ist nur die Paarung und Eier legen. In optimalem und warmem Substrat des Pferdemists mit Holz habe ich schon nach ein bis zwei Jahren Entwicklung die schlüpfenden Käfer. Die Käfer kennen keine Furcht. Deckt man die Larven auf, versuchen sie nur sich schnell wieder in den Untergrund zu wühlen, weg vom Licht. Für Hühner und Vögel sind es begehrte Opfer. Amseln scharren sehr tief, um an die Larven heranzukommen und zerstören dabei Pflanzen und Beet.

Larven unter Holzbrettchen, aufgedeckt. Ihre Schabespuren am Holz.


Tapferer Käfermann
Von unten

Eindrucksvoll, hübsch und effizient sind sie also, aber warum sind sie so nützlich? Fressen sie nicht auch Wurzeln an und schaden den Pflanzen? Genau das tun sie nicht. Sie fressen ausschliesslich Totholz. Totholz, das ohne sie langsam verrotten würde und bei diesem Prozess wertvolle Stickstoffverbindungen im Boden wegfrisst. Boden mit Holzspänen und vor allem mein gelagerter Pferdemist mit den Holzspan-Einstreuresten magern also stärker aus, weil die Verrottung Stickstoff kostet. Das verhinden die Nashornkäfer, setzen das Holz zügig auf eigene Kosten um und geben mir dafür erstklassigen Wurmkompost mit vielen pflanzenwertvollen gelösten Stoffen. Und lebende Wurzeln, sind die wirklich geschützt oder ist das wieder so ein Märchen? Im Gewächshaus, wo ich gelagerten Pferdemist verwendet habe ich massenhaft Larven, die Pflanzen wachsen fantastisch, ohne jede Spur von Wurzelfrass. Lasse ich Holzbrettchen liegen, kommen sofort Nashornkäferlarven hoch und schaben am Totholz. Im Sommer klopft es nachts laut im Gewächshaus. Keine Poltergeister oder Auberginen die Sexparties feiern, sondern schlüpfende Nashornkäfer. Die geschlüpften fertigen Käfer wollen fliegen und sich vermehren, donnern aber gegen das Dach statt zur offenen Tür hinauszubrummen. Wer rechnet schon damit, in einem Gewächshaus zur Welt zu kommen. Ich gehe wochenlang spätabends mit einem Licht hinein, packe die Käfer und trage sie nach draussen. Pro Abend sind das 5-25 Käfer, Männchen wie Weibchen. Kommen sie nicht hinaus, wühlen sie sich wieder in die Erde, wo sie den hellen Tag verbringen.

Das erste Fledermausgeschwader fliegt an
Batman kreist um die Laterne

Die Käfer sind herrliche Tiere. Sehr tapfer, marschieren auf der Hand herum, kennen keine Furcht. Männchen haben das riesige Horn und kämpfen auch miteinander um die flotten Käferweibchen ohne Horn. Es gibt auch Männchen ohne Horn, sie tarnen sich als Weibchen, werden deshalb nicht angegriffen und machen sich hinterrücks an die Käferweiben heran. Ein Tarnverhalten im Tierreich, das auch bei einigen anderen Arten bekannt ist. Sie fliegen ungern, aber schliesslich brummen sie durch die Nacht und bescheren uns damit ein weiteres eindrucksvollen Schauspiel, vor allem ab Ende Mai: Angelockt von den Nashornkäferscharen kommen Feldermäuse, die hinter den Käfern her sind. Und zwar das grosse Mausohr, die grösste Fledermaus Deutschlands mit über 40cm Flügelspannweite. Lautlos fetzen ganze Schwärme in waghalsigen Flugmanövern um die Strassenlaternen vor unserem Garten, die Strasse entlang, um das Gewächshaus. Manchen Leuten macht das Angst, die Fledermäuse rasen nur Zentimeter über den Kopf weg, sie fliegen auch sonst sehr niedrig, wie es für diese Art typisch ist. Krabbelnde Käfer auf dem Boden werden geortet und gefressen, aber meiner Beobachtung nach können sie auch die träge fliegenden Käfer problemlos packen und wegvespern. Trotzdem bleiben genug Nashornkäfer, um meinen Pferdemist alljährlich einen dichten neuen Besatz von Larven zu bescheren. Danke, liebe Käfer.



Donnerstag, 4. Januar 2024

Der Biber erntet Obst, Schutz dagegen

Mahlzeit, Herr oder Frau Biber

Biber haben wir in der Gegend nach einer Pause schon seit Jahrzehnten wieder, obwohl es gar nicht so viel Raum für sie gibt. An den Flüssen hat er sich sehr schnell wieder ausgebreitet. Bäche und andere Oberflächengewässer gibt es in der Gegend jedoch nicht so viele und wenn, dann liegen die lange oder sogar den grössten Teil des Jahres trocken. Hier im Muschelkalkgebiet versickert sehr viel und sehr tief in den Untergrund. Das ist keine Biberfreude, denn bei trockenfallendem Gewässer sind vor allem seine Jungtiere ungeschützt und können Beute von Mardern, Füchsen, Greifvögeln werden. Auch die Gehölzzonen an den Trockenbächen bleiben eher klein, es gibt wenig vernässte Zonen, keinen Sumpf, keinen Bruch, damit hat er weniger Nahrungspflanzen.

Dieses fette Nagetier frisst Rinde lebender Gehölze, bedient sich aber auch opportunistisch an landwirtschaftlichen Kulturen wie Mais. Man kann lange Listen mit positiven und eben auch negative Folgen herableiern, Vorteile wie Konflikte. Optisch sofort jedem Menschen auffallend ist: Wo es auftaucht, sterben Bäume. Ganz besonders Apfelbäume. Diese Eigenart des Apfelvorzugs konnte ich schon länger an wassernahen Grundstücken beobachten und nun habe ich sie auf der eigenen Wiese erlebt: Ein Biber hat mir eine mittelalte Renette weitgehend abgefressen. Er verwertet diesen Obstbaum auf seine Weise.


 "Mein" Biber mit der Wildkamera. Frisst Geäst wie Spaghetti.

 

Der Biber räumt auf bzw. ab

Mein Apfel - geerntet vom Biber.
Art und Höhe deuten auf ein Jungtier hin.

Ärgerlich. Aber was das Ereignis so unerwartet macht, ist der Ort, die Wiese liegt nämlich nur an einem Graben, der den grössten Teil des Jahres knochentrocken ist. Trotz langjährigen Biberrevieren am Fluss gab an diesem Graben niemals Biber. Deshalb hatte ich mich auch auf solche Schäden nur zu 90% und nicht zu zu 100% vorbereitet. Von den 20 Bäumen dort sind 15 recht gut mit Drahthosen oder Manschetten geschützt, vor allem weil auch schwere Fegeschäden durch Wild stattfinden. Grössere Stämme weiter weg vom Bach sind nicht mehr geschützt. Wild fegt nur an dünneren Stämmen. Nachdem schon Draht eingewachsen ist und die Befürchtung aufkam, damit auch der Waschbärenpest eine Kletterhilfe zum Obst hoch zu bieten, fehlen sie an den dickeren Stämmen abseits vom immer schon biberfreien Graben.

Nun fanden aber zum ersten Mal seit 21 Jahren wieder über drei Monate anhaltende Regenfälle von Herbst bis jetzt statt. Der Graben führte schon im Frühherbst plötzlich Wasser und das seither ständig, weil es ausnahmsweise fast täglich regnete. Das fliessende Wasser verführte Jungbiber, sofort einzuwandern und auch sogleich Obstbäume zu "ernten". Bei meinem Apfel zeigte sich auch eine weitere Spezialität: Der stand gar nicht am Bach, sondern ein Stück den Hang rauf. Ungeschützt im Bach standen eine Birne und zwei Steinobstbäume. Und hunderte grosse und kleine Gehölze aller Art. Da musste er direkt vorbei, aber die hat er nicht angerührt. Der Apfel musste es sein. Nur den hat er abgenagt. Dafür nimmt er auch unbequeme Wege in Kauf. Ein Verhalten, das ich auch auf den Wiesen andernorts sehen konnte, wo der Biber sowieso schon in angrenzenden Gewässern lebt: Apfel wird ganz klar bevorzugt. Er frisst Rinden und alle Hölzer, aber eben am liebsten Apfel. Und dafür watschelt er auch einen Hang hinauf, an Weide, Birne, Erle, Zwetschge vorbei.

Des Jungbibers Fussabdrücke, Hinterpfoten gross, Vorderpfoten klein
 

Was tun gegen Biber am Obstbaum?

Vorbeugen. Im Internet gibt es viele Beispiele für einen Stammschutz. Hier in der Gegend werden Estrichmatten als Stammschutz empfohlen, eine Art Armierungsgitter. An dem 2mm dicken verzinkten Stahl verliert selbst ein Biber die Nagelust. Die Matten werden rund gebogen und um die Stämme befestigt, am Boden verankert damit der Biber sie nicht einfach hochschiebt. Zusammenbinden kann man die gebogenen Matten mit Kabelbindern oder Draht.

Das ist nicht teuer. Die Naturschutzbehörde und der hiesige Wasserbauhof halten sogar solche Matten vor, sodass sie schnell bei Biberproblemen zur Verfügung stehen und so erhaltenswerte Bäume geschützt werden können. Das ist eine optimale Lösung, und ein gutes Beispiel für unbürokratische Problemlösung die wirklich etwas bringt, vorausgesetzt man weiss das und gerät gleich an die richtigen Ansprechpartner. Was nun jeder Leser dieses Beitrages auch versuchen kann, wenn er Obst an Wasserläufen hat, an denen Bibereinwanderung droht oder schon erste Schäden an Obstbäumen da sind und es deshalb eilig ist.

Estrichmatten. Leicht und biegsam, trotzdem sehr robust. Wenn man sie parat hat.

Zwei geschützte Bäume, jung und mittelalt. Unten der Graben, der Bütten"bach".


Was bleibt? 

Eindeutige Biberfraßspuren an Schnittgut. Er ist da.

Der Biber vermutlich nicht. Im wieder trockenen Graben wird er sicher die Lust verlieren, weil er monatelang auf dem Trockenen sitzen wird. Vorher soll er gefälligst noch was arbeiten. Ich habe Schnittgut vom Obstbaumschnitt in den Graben geworfen, vielleicht kriegt er dann Lust dazu. Angenagt hat er die Äste bereits, er ist also weiterhin präsent und betrachtet das als sein Revier. Ein Damm wäre perfekt. Der Graben hat nämlich das Problem, dass er wie eine Regenrinne bei Gewittern kurz und heftig Wasser führt, weil an seinem Oberlauf Quadratkilometerweise Flächen mit gigantischen Grosslagern und noch gigantischeren LKW-Aufmarschplätzen mit mies bezahlten Billigarbeitsplätzen zubetoniert wurden. Aus dieser konsequent vernichteten Landschaft fliesst Regenwasser sofort und heftig ab und überflutet auch extra angelegte Stauräume (auch wieder auf bestem Boden) schnell. Auf Asphalt, Beton und Blech versickert nun mal nichts, die Flächen unter all den Betongrabsteinen fallen als natürliche Speicher für Wasser aus, die sie vorher waren. Angesichts der ungünstigen Wetterveränderungen obendrauf ist das doppelt folgenreich.


Eine der vielen Folgen: Der Graben frisst sich deshalb metertief ein, Erosion nimmt die gute Erde mit, dann wieder monatelang staubtrocken und tot. Das stört dann keinen Bürgermeister und keinen Gemeinderat mehr, die vorher bestes Land planmässig und billig vernichten liessen. Ein Bekannter sagte dazu "das Schmiergeld ist schon kassiert, wie es weitergeht ist dann egal". So hätte ich das nicht gesagt, aber die Blindheit gegenüber unseren natürlichen Grundlagen zugunsten künstlich herbeigeredeter Sachzwänge und sehr kurzfristigem Denken ist eine Tatsache. Es herrscht rein quantitatives Wachstum bei qualitativem Zusammenbruch. Vielleicht lässt sich der Biber wenigstens an diesem Graben als Helfer einspannen und er baut noch einen Damm dort, bevor er wegen Trockenheit die Lust verliert - Dämme wären genau richtig gegen solche Wasserstürze, wenigstens auf ein paar Abschnitten. Ich helfe ihm jedenfalls dabei mit Schnittholz. Noch lieber wären mir Beton-Biber, die die nahen Betongrossprojekte zu Fall bringen.

"Biberrutsche". Sein Aufgang vom Bach zur Wiese.
Abdrücke seiner hinteren Watschelpfoten mit Schwimmhaut und Krallen sind zu sehen.

Hinterpfote, auch Schwimmhaut ist zu erkennen.

Apfel mit restlicher Drahthose, die zu klein wurde.
Der Biber frisst jede erreichbare Rinde. Andere Baumarten in der Nähe blieben alle unberührt.