Samstag, 26. Oktober 2019

Süsskartoffeln: Neue Sorten

Süsskartoffelblüte
Süsskartoffeln sind seit ein paar Jahren im Standardprogramm unseres Nutzgartens. Auch dieses Jahr habe ich weitere Batatensorten ausprobiert. Da der Mai sehr kalt war, habe ich erst Ende Mai bei beginnender Sommerwärme gepflanzt. Die Hitzewochen danach mit regelmässig über 35°C gingen ohne Schäden vorbei, ab und zu habe ich aber bewässert. Nicht so im Aussengarten, wo sie ohne zusätzliches Wasser waren.

Die Ranken wuchsen ungerührt in der Hitze, ab Ende August war ein dicht schliessender Teppich mit enorm viel grüner Biomasse gebildet, einzelne Triebe gingen mehrere Meter in Nachbarbeete. Das war so beabsichtigt. Daneben standen nicht ganz dicht schliessende Kulturen mit Tomaten, Paprika, Auberginen. Auf diese Weise konnte der Platz optimal genutzt werden, pro Süsskartoffelpflanze war kein halber Quadratmeter wirkliche Freifläche nötig.

Gepflanzt habe ich die Sorten "Bonita", die ich schon mal hatte sowie "Evangeline" und die violettfleischige "Sakura". Bonita reift früh, Sakura gehört dagegen zu den hierzulande späten Sorten.

Bonita


Ist die Sorte mit den schönen Blüten. Täglich gingen morgens mehrere herrliche Büten auf, die aber ab Mittag bereits verwelken. Sie erinnern an manche Prunkwindenarten (Bataten sind mit Winden verwandt, das merkt man), es sind weisse Blüten mit violettem Inneren, durchaus dekorativ.

Laub zieht vom Pflanzplatz her ein.
Bonita gehört zu den Sorten mit der kürzesten Vegetationszeit. Dieses Jahr ist erstmalig ab Anfang Oktober das Laub gelblich geworden. Das war keine Krankheit, sondern die Pflanze hatte genug und zog ein, hatte das Ende ihrer Vegetationsperiode erreicht. Das habe ich bei Süsskartoffeln bisher noch nicht erlebt, sonst hat man immer bei noch vollgrünem Laub geerntet mit dem Eindruck, sie hätte durchaus noch einige Wochen weiter wachsen können.

Der Ertrag pro Pflanze lag bei gut 3,6 kg, noch besser wie in den letzten Jahren. Die Knollen waren wieder schön gleichmässig gross, gelegentlich verformt aber insgesamt gut zu verarbeiten. Sie wirkte dieses Jahr auch ein wenig süsser. Weissfleischig, röstet gut, zerfällt kaum. Frittiert ist sie am Besten.

Fette Ernte bei Süsskartoffel Bonita


Evangeline


Die etwas misslungene Evangeline
Eine dunkelrote Sorte, dunkler wie beispielsweise Beauregard. Grosse Pflanze, aber mit der lief etwas schief. Der Ertrag war gering, dafür fanden sich enorm viele ringelnde Wurzeln. Entweder war sie zu lange im Topf oder virusbefallen oder sonst etwas war falsch. Das Aroma erschien mir auch nicht besser wie bei der innen ebenfalls orangen "Beauregard" aus den Jahre vorher, aber süss ist sie.

Sakura


Laub der Süsskartoffelsorte Sakura
Eine Überraschung in mehrfacher Hinsicht. Zunächst mal Laub und Wuchs: Die Blätter sahen ganz anders aus wie bei den übrigen Sorten, einerseits grösser, andererseits aber stark gelappt. Offenbar gibts bei Süsskartoffelsorten für Mitteleuropa durchaus deutliche Diversität. Auch der Wuchs unterschied sich, Sakura wächst horstiger und macht weniger lange Ranken weg von der Pflanze. Als spätreifende Sorte habe ich weniger Ertrag erwartet. Die Ernte war entsprechend überraschend, fast 4 kg verwertbare Knollen. Die zudem aussergewöhnlich gerade, regelmässig und gleich gross waren. Optisch und für die Verarbeitung absolut perfekt.

Noch fettere Ernte bei Sakura
Im Aroma wirkte sie weniger süss, was an ihrer langen Vegetationszeit liegen könnte, die nichtsortenbedingte Süsse hängt mit dem Wetter am Ende ihres Wachstums zusammen. Liegt das zu spät im Herbst, kommt wenig zusammen. Das Aroma erinnerte aber an Esskastanien. Das etwas marmorierte violette Fruchtfleisch wird beim backen ganz violett, farblich ein tolles Ding im Schmorgemüse. Kocht man sie in Wasser, wird das Kochwasser grünlich. An Farben sparen Süsskartoffeln wirklich nicht.

Problem war dieses Jahr an allen Sorten die Mäuseplage, die deutschlandweit aufgetreten ist. Süsskartoffeln sind attraktiv für Mäuse, mir wurden mehrere Knollen angenagt oder aufgefressen. Auch bei Sakura, die Erträge hätte ohne Mäuse bei über 4kg gelegen.
Die marmorierte Sakura
Schale von Sakura

...und die klassischen Kartoffeln?


Derweil machen die Nachtschatten-Kartoffeln immer weniger Spass. Die Frühkartoffeln sind halbwegs gelungen, wenn auch die Erträge zu wünschen übrig liessen. Als es nach zwei Monaten Trockenheit Ende Juli (pünktlich zum hiesigen Ferienbeginn) plötzlich kräftig regnete, trieben die späten Sorten durch und wurden unbrauchbar. Knollen weich, Fehler in der Struktur, geringer Stärkegehalt. Ich hätte vorher dauerbewässern müssen, was selbst im Hausgarten nicht so einfach ist und im Aussengarten gar nicht geht.

Jedes Jahr gibt es irgendeine Katastrophe, wieso die Nachtschatten-Kartoffeln versagen und geringe Erträge haben. Mal Alternaria, mal frühe Braunfäule, ständig zu wenig Wasser, Hitzeschäden. Auch in der kommerziellen Landwirtschaft sinken die Durchschnittserträge seit etwa zehn Jahren. Mehr Fläche, weniger Ernte. Der Anbauaufwand wird immer grösser, weil ohne Bewässerung immer weniger geht. Nebenan wuchern die Süsskartoffeln mit viel weniger Aufwand, aber Flächenerträgen, die im Nutzgarten doppelt so hoch wie die Kartoffeln liegen. Werden wir bald vor allem Süsskartoffeln haben und die Nachtschatten-Kartoffeln teuer aus Island und Finnland importieren?

Frühere Beiträge:
- Süsskartoffelernte, vier Sorten und zu wenig Wasser
- Süsskartoffeln Dank Klimawandel

Sommermorgen bei den Bataten

Montag, 7. Oktober 2019

Heurige Fehlschläge

Nutzgärtner, die über viele Erfolge berichten und schöne Bilder zeigen, sind verdächtig. Es gibt keinen Nutzgarten, in dem alles gelingt und gut aussieht. Von den Kulturen, die ich im Garten stehen habe, dürfte regelmässig ein Viertel so viel Probleme haben, dass sie als ziemlich gescheitert angesehen werden müssen. Und wenn ganz neue Nutzpflanzen ausprobiert werden, dürfte die Quote sogar bei 50% liegen. Dicke Ernten sind schön, aber direkt daneben läuft immer einiges schief. Leute, die kaum Probleme haben, haben immer eine Kombination aus vielen seltenen Ressourcen oder sie lügen. Sehr viel Zeit, Gunstlage, Glück mit dem Wetter. Da gibt es dann auch Jahre, die man vorzeigen kann. Aber schon ein Jahr später kann es wieder ganz anders aussehen und es stellt sich heraus: Ausnahme, nur mal Glück gehabt.

Auch dieses Jahr gab es einen Strauss alter und neuer Reinfälle bei mir. Manchmal lässt sich ergründen, woran es lag, manchmal bleibt es ein Rätsel. Meistens bleibt es bei Vermutungen, die mit Indizien unterlegt sind. Stellen wir also die Hitliste der Gartenversager 2019 auf.

Platz 4: Yakon


Yaconpflänzchen im Oktober - nach 5 Monaten Entwicklung
Hatte ich schon 2018 und konnte da mit viel Bewässerung ein paar Knollen ernten. Dieses Jahr blieben die Pflanzen winzig klein oder gingen sogar kaputt. So langsam schält sich aus heraus, warum das so ist. Wie alle diese "Neuentdeckungen" stammt sie aus Hochlagen der südamerikanischen Tropen. Das Klima dort unterscheidet sich signifikant von dem Mitteleuropas. Die Vegetationszeit ist viel länger, keine Hitzespitzen, warme Nächte, gleichmässige Niederschläge. In unserer trockenen Sommerhitze bleiben die Pflanzen im Wachstum stehen, um dann viel zu früh im Oktober oder sogar September vom Frost erwischt zu werden.
Die Yacon dieses Jahr stand sonniger wie letztes Jahr und auf flacherem Boden. Beides mag sie nicht. Tief und feucht sowie Nachmittagsschatten gefallen ihr viel besser. Und keine Monate mit >30°C, um dann früh in den ersten Bodenfrost zu stürzen, nach dem sie sofort ihr Grün einbüsst.

Platz 3: Ulluco


Ulluco am Ende der Vegetationsperiode
Noch so eine südamerikanische Knolle. Gepflanzt, versagt. In der Sommerhitze zeitweise so sehr, dass man den Eindruck hatte, sie geht ganz drauf. Aber sie überlebte, fing erst im September zart zu wachsen an, im Oktober erreicht sie wieder den Pflanzzustand, wenigstens verträgt sie leichten Frost, wächst aber nicht mehr richtig. Die Knollen blieben winzig, eigentlich sollen sie grösser sein und lustig punktiert aussehen. In Südamerika ist sie eine Pflanze der Höhenlage zwischen 3000 und 4000 Meter in der Tropenzone. Bei uns das übliche: Viel zu heiss, viel zu kurze Phasen mit normalen Temperaturen, zu trocken. Ihr fehlen mehrere Vegetationsmonate mit Temperaturen von 10-20°C.

Platz 2: Maca


Macapflanze, trauriger Rest
Die nächste Knolle, die versagt, eigentlich eine Rübe). Und sie treibt es noch schlimmer.  Im Ursprungskontinent Südamerika wächst sie auf bis zu 4500 Meter und hält einiges an Frost aus. Angeblich schafft sie das Wachstum auch unter extremen Bedingungen. Immerhin ging sie bei mir auf und wuchs auch eine Zeitlang, wenn auch sehr langsam. Es ist ein Kreuzblütler und gehört zur Gattung der Kressen. Dann passierte das, was allen Kreuzblütlern hier mittlerweile passiert: Massenhaft Kohlerdflöhe machen sie nieder, dazu kamen noch Bodenläuse. Man konnte die von den Erdflöhen abgefressenen Reste recht leicht aus dem Boden ziehen, unten waren noch andere Lauskolonien dran. Totalschaden durch Schädlinge. Dass sie angeblich auch von Schnecken abgefressen wird, spielte bereits keine Rolle mehr, die anderen Schädlinge waren schneller. Daran wird sich auch nichts ändern, die Schädlinge sind ohne intensiven Einsatz der Agrochemie nicht zu beherrschen. In den Anden gibts die hiesigen Schädlinge in grossen Höhen nicht.

Platz 1: Eissalat


Eissalat: Schlechter Start
Mal etwas, das nicht aus Südamerika stammt, dafür um so trauriger. Und früher durchaus erfolgreich im Garten angebaut. Doch diese Zeiten sind vorbei. Nicht nur bei mir, auch andere Nutzgärtner in warmen Lagen wie meiner berichten dasselbe: Totalschaden bei den gut schmeckenden alten Sorten wie "Laibacher Eis" oder "Grazer Krauthäuptel". Schade, einer meiner Lieblingssalate ist damit dahingegangen.

Eissalat: Baldiger Hitzetod
Es handelt sich damit beileibe nicht nur um den Sommeranbau. Bereits im Frühjahr klappt es nicht mehr. Der ausgepflanzte Salat verbrannte, so wie 2018 und mehrfach in den Jahren vorher. Im Juni, in seiner Hauptwachstumszeit steigen die Temperaturen bereits weit über 30°, früher war das die absolute Ausnahme und heute die Regel. Der Salat stellt das Wachstum ein, die Blätter sind ab Mittag schlaff. Viel giessen hilft da nichts mehr. Sie nehmen von den äusseren Rändern her eine rote Färbung an, dann gehen die Pflanzen Stück für Stück ein oder schliessen ohne Kopfbildung.  Wahrscheinlich geht es noch mit Sprühwasserkühlung, aber Nebeldüsenkonstruktionen und Wasserverbrauch übersteigen meine Möglichkeiten. Wenn ich schon im Juni mit Wasser kühlen muss, ist mein Wassertank im Juli leer und ich kann den Rest des Gartens stillegen. Oder muss Leitungswasser nutzen, das grösstenteils vom Bodensee hergepumpt wird und das ich teuerst bezahlen muss.

Eissalat im Wetterwandel
Herbstanbau geht genauso wenig. Ich muss dafür im August pflanzen, da ist es zu heiss. Schon die Keimung ist schwierig, Direktsaat unmöglich. Seit Jahren bekommt man ihn  nur noch in einer Pflanzplatte zum keimen, die im kühlen Keller steht. Auch der Vollschatten im August ist zu heiss für eine Keimung. Der kommerzielle Profianbau hat ebenfalls Ausfälle von über 50%, nutzt spezielle moderne Sorten. Neuzüchtungen schön und gut, aber ich habe nur welche mit starken Abstrichen beim Geschmack erlebt. Grün gefärbtes Knitterpapier, süsslich, optimiert auf Konsistenz, Optik und automatisierte Feldtechnik, Geschmack irrelevant. Die Salatklassiker sind nicht süsslich, sondern säuerlich mit einer Spur Herbheit, im Aroma eine Kombination aus Butter und grünem Blatt. Wozu Knitterpapier anbauen? So etwas kann ich auch billig kaufen. Laibacher Eis und den Grazer Krauthäuptel nicht.