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Sonntag, 9. November 2025

Haferwurzel, Tragopogon porrifolius - neue Freude trotz alt und vergessen

Erdfrische Haferwurzeln

Die letzten Jahre hatte man den Eindruck, dass immer weniger Gemüsesorten im Garten etwas werden. Hitze und Trockenheit machen den Sommer von der Wachstumszeit zum Sommerloch, in dem beispielsweise alle Kohlgemüse das Wachstum einstellen, nichts mehr keimt, alles verzwergt, Salat ab Mai nicht mehr geht, der Sonnenbrand Früchte und Blätter empfindlicher Sorten zerstört. Dieses Jahr waren zum Beispiel auch Pastinaken nicht mehr zum keimen zu bringen, Frost und Rekordhitze in kurzer Abfolge liessen noch nicht einmal dieses robuste Wurzelgemüse etwas werden.

Auf einem Beet, auf dem die geliebten Pastinaken einfach nicht zum keimen zu bringen waren, probierte ich deshalb relativ spät im Jahr etwas ganz Neues, das eigentlich etwas ganz Altes war, nämlich Haferwurzeln, Tragopogon porrifolius. Hatte eh nichts zu verlieren. Aussaat der länglichen Samen erst Ende Mai, kurz nach dem Spätbodenfrost am 22.5, das war auch so ein Wetterextrem. Mal ausprobieren ohne grosse Hoffnung auf eine vernünftige Ernte, aber vielleicht mit Spass dabei. Um das Ergebnis vorwegzunehmen und nicht erst wie in Youtube-Videos endlos herumzulabern damit einem Werbung reingedrückt wird: Es war überraschenderweise auf Anhieb ein voller Erfolg. Aber was ist das denn überhaupt für ein Zeug, die Haferwurzel? Kennt ja keiner mehr.

Was sind Haferwurzeln?

Haferwurzeln, fast wie eine Wiese

Haferwurzeln stammen auf der Familie der Korbblütler und liegen im selben Tribus wie eine Reihe anderer Nutzpflanzen, etwa die Wegwartensalate Radicchio, Zuckerhut, Chicoree oder alle Garten-Blattsalate, die sehr nahe verwandten Schwarzwurzeln, Gemüse-Gänsedisteln. Ihre Wildformen wachsen mit Schwerpunkt im östlichen Mittelmeerraum. In Kultur waren sie der Wurzeln und Blätter wegen (auch die noch geschlossenen Blütenknospen sind beliebt gewesen) seit Tausenden von Jahren. Heute will man ihr vor allem an die Wurzeln. Viele Verwandte sind auch in Deutschland heimisch, es sind die Wiesenbocksbärte, an Blüten und Blättern sieht man die Verwandtschaft sofort. Der nahe Verwandte "Schwarzwurzel" hat ihren Schwerpunkt im westlichen Mittelmeerraum.

Bester Pflanzabstand

Ihre wichtigste Zeit als Gemüsepflanze hatte sie bis ins 19. Jahrhundert und wurde dann wie so viele andere Wurzelgemüse von der Kartoffel verdrängt, die bessere Erträge hat. Satt werden war eben am wichtigsten. Kaufen kann man sie fast nicht, wenn dann auf Erzeugermärkten, aber auch dort wird man viel eher die Schwarzwurzel bekommen. Von der bin ich nicht so der Fan, auch im Anbau nicht. Sie schält sich unangenehm mit ihrem vielen Latexsaft oder sie muss vorher gekocht werden, dann geschält, sie wird schnell innen hohl wenn sie dicker ist, für meinen flachgründigen Boden hat sie zu lange Wurzeln und ihr Aroma bleibt durchweg blass. Auch sie hat es selten bis nie in die Supermärkte geschafft, nur als Dosengemüse fristet sie ein traurig-mattes Restdasein.

Bei den Inhaltsstoffen liegt sie auf ähnlichem Niveau wie andere Wurzelgemüsse, z.B. besagte Schwarzwurzel, Klettenwurzel, Pastinake. Gelbe Rüben weichen etwas ab, sie haben auch nur die Hälfte der Kalorien. Eine Besonderheit der Haferwurzel ist ihr Inulinreichtum, da liegt sie in der Gruppe von Topinambur, Schwarzwurzel, Klettenwurzel. Inulin wirkt präbiotisch, ist gut für die Darmflora, fördert Bifidobakterien, bis man sich daran gewöhnt hat kann es aber blähen. Das verbessert sich bei häufigerem Konsum.

Haferwurzel im Jahresverlauf

Keimung auf dem verschlämmten Boden

Ausgesäht habe ich sie in der vorletzten Maiwoche. Angeblich kann man das auch schon zwei Monate früher ab Ende März - sie hält etwas Frost aus und auch Vernalisation ist angeblich kein Problem, d.h. sie schiesst deshalb nicht mit früher Blütenbildung. Kleine Kerbe in den Boden gezogen, Samen reingebröselt, wieder zugeschoben, also rund 2cm Saattiefe. Natürlich angegossen. Am besten haben die Samen in der Reihe mindestens 3cm Abstand. "Zu eng stehen" ist aber nicht so richtig tragisch. Auch was etwas enger steht, wird oft was.

Und schon die erste Überraschung: Das Zeug ging bombengut ohne Lücken auf. In einer Woche, schneller als alle Gartenbücher behaupten. Und das auf meinem schweren Boden, der immer bald Trockenrisse zeigt und hart wird. Nach dem Bodenfrost kam sofort Hitze, das schadete weder der Keimung noch den Jungpflanzen. Dabei gleich die nächste Überraschung. Trotz Hitze räumten Schnecken im Garten immer noch stark ab, aber nicht so bei den Haferwurzelpflänzchen, darauf hatten sie keine Lust. Grösster Nachteil war, dass die Jungpflanzen lange wenig konkurrenzstark sind und auch später das Beet immer licht wirkt, weil die schmalen Blätter keinen geschlossenen Bestand zuliessen. Damit bleibt das Thema Unkraut während der gesamten Kulturdauer wichtig. Man sollte nicht auf verunkrautetem Beet säen wie man das mit Mais tun kann, der später allen unerwünschten Beikräutern das Licht nimmt. Vielmehr sollte man auch die Unkrautbekämpfung schon bei der Aussaat beachten, etwa in möglichst geraden Linien säen, damit man später rückenschonend leicht die Pendehacke durchziehen kann.

Anfang Juli
...und im August
Haferwurzel, Oktober, nach Sturm

Das Wachstum in den folgenden Monaten passierte sehr kontinuierlich, stetig wurden Blätter geschoben und von der Seite sah das Beet aus wie eine Wiese oder eng gesetzter Junglauch. Ab August verlangsamte sich das Blattwachstum. Besondere Düngung gab es nicht, aber Gartenboden ist natürlich immer besser versorgt wie eine umgebrochene Wiese. Das Zeug wuchs einfach, obwohl der Standort alles andere als gut war. Morgens Schatten, dann pralle Nachmittagssonne mit Hitzestau, unterbrochen von zwei Wochen kühlfeuchter Nässe ab Ende Juli, dann wieder trocken. Bis dahin habe ich sie auch wie den übrigen Garten bewässert, aber immer nur knapp. Andere Gemüsearten zeigten Trockenschäden, mir ging es darum die begrenzten Wasservorräte nicht in kurzer Zeit hinauszublasen. Ab August wurde noch weniger bewässert. Der Boden wie gesagt schwer, hat auch Steine und ist nur rund 25cm tief, was für Wurzelgemüse wie Petersilienwurzel, gelbe Rübe, Klettenwurzel ein Riesenproblem ist. Nur Pastinake kommt durch und wird was, wenn man sie zum keimen und durch die Jungpflanzenphase bringt.

Anfang September zeigte sich Mehltau auf den Blättern, ansonsten nicht die Spur einer Krankheit. Der Mehltau verschwand wieder in den Folgewochen ohne Blattschäden zu hinterlassen. Stürme zerzausten die Blätter, alle lagen am Boden. Und standen wieder auf, die Haferwurzel wuchs weiter. Haferwurzeln schien einfach nichts zu bremsen, absolut nichts.

Ernte

Ernte meiner allerersten Haferwurzel

Da sie Frost aushält und auch lange im Boden bleiben kann, habe ich erst Ende Oktober die erste Wurzel gezogen. Ernten soll man sie ab November, angeblich wachsen sie noch im Spätherbst. Auch das war überraschend. Es erschein eine schöne, gerade, beige Wurzel ohne Mehrbeinigkeit, wie eine schlanke gelbe Rübe aus Sandboden. Auch ohne Schneckenfrass, wie das Grün oben. Mit gut 20cm ideal lang. Leicht zu reinigen. Vorsicht aber beim ziehen, sie können abbrechen und wer mit einer Schaufel hantiert, verletzt sie leicht. Besser mit dem Spaten die Reihe blockweise hochbringen und dann die Wurzeln herausklauben. Als ich dann eine grössere Ladung herausholte, zeigte sich eine recht variable Grössendifferenz bei den Wurzeln und auch ein paar mehrbeinige Pflanzen. Das kommt also schon vor, aber bei unserem schweren Boden ist das bei gelben Rüben, Petersilienwurzel & Co viel problematischer. Vor allem gelbe Rüben kann man fast vergessen. 

Ein paar Haferwurzelpflanzen kann man stehen lassen, eventuell über den Winter Stroh draufschütten. Im Folgejahr schieben sie schöne violette Blüten, aus denen Samen mit Schirmchen entstehen, wie bei anderen Bocksbärten. So schafft man ohne Mühe eine eigene Samengewinnung.

Verwendung, Rezepte

Leicht geschält, bald in Pfanne mit Deckel gedünstet

Im frühen 18. Jahrhundert verschwindet sie in deutschen Kochbüchern oder nur noch die ähnliche Schwarzwurzel fristet als regionale Spezialität eine kleine Rolle. In der Gegenwart hat die französische Küche mit Abstand die größte Rezeptvielfalt und lebendigste Tradition im Umgang mit der Haferwurzel, gefolgt von der italienischen und britischen Küche. Einzelne Rezepte gibt es auch in Spanien ("salsifí") und der flämischen Küche. Typische Zubereitungen sind gekocht und in Butter geschwenkt, mit Bechamelsosse, Sahnesosse, in Teig ausgebacken (GB), in Gemüsesuppe, überbacken, püriert (GB), mit Eiersosse (Flämisch). Sie ist sogar roh essbar, wie alle Bocksbartgewächse. Roh schmeckt sie aber recht neutral.

Pflanzensaft wie Nougat. Vorsicht, der klebt.

Zu Beginn probierte ich sie pur, schälte sie leicht mit dem Sparschäler, schnitt sie in Stücke und kochte sie mit etwas Salz. Bürstet man sie gut ab, kann man sich schälen auch noch sparen. Heraus kam ein leicht süssliches Gemüse, im Aroma ähnlich anderen Wurzelgemüse-Speicherknollen, etwas erdig, etwas Artischocke und gekochter Mais oder Klettenwurzel, aber die Haferwurzel war einen Strich nussiger, süsser plus etwas Säure, mit angenehmen schwachen Bitterton (aber nie bitter) ähnlich Radicchio, auch die gelegentlichen Vergleiche mit Austern kann man nachvollziehen. Sie wirkt rustikal, anpassungsfähig, rund. Weitere Versuche waren mit Sossen, gekocht in der Pfanne mit Wasser, Weisswein, Olivenöl, dann mit einer Bechamelsosse aus Milch, Butter, Mehl fertiggegart. Gewürze zurückhaltend Muskat oder Muskatblüte, Salz, Pfeffer. Auch bei Kräutern ist eher Zurückhaltung angebracht, Petersilie, Schnittlauch, Kerbel. Orientieren kann man sich an Spargel.

Gekocht, in leichter Bechamelsosse finalisiert

Immer herausragend war die Konsistenz. Sie ist markig-sämig, ohne trocken zu wirken, gart in mässiger Zeit gut durch, keine Fasern, keine Hohlräume. Ich mag diesen "Bodenspargel" auf Anhieb sehr.

Aber Vorsicht. Sucht man im Internet, kommt ein Riesenschwung aufwendiger Schwachsinnsrezepte mit kaum zu beschaffenden Spezialzutaten, die dieses Gemüse geschmacklich plattwalzen. Oder es wird eine Regionalität erfunden, die gar nicht existierte oder existiert. Manche Seiten korrigieren auch den Suchbegriff "Haferwurzel" zwanghaft zu "Haferflocken", weil die viel häufiger Zustat sind. Viele Treffer, falscher Inhalt. Anzuraten ist, erst einmal Grundrezepte damit zu probieren.

Lagerung

 

Die Lagerung ist einfach und orientiert sich an anderen Wurzelgemüsen. Ausgraben, grob säubern, in eine Kiste mit feuchtem Sand legen, Sand drüberstreuen, Kiste mäuse- und frostsicher aber kühl lagern - Gartenhaus, Erdmiete, Aussengarage... Oder man lässt sie einfach im Garten stehen, heutzutage ist der Boden sowieso nie mehr wirklich lange gefroren, so dass man sie auch herausbekommt. Wie für Samengewinnung kann man auch Stroh über das Beet drüberstreuen, damit kein starker Kahlfrost Schaden anrichtet. Ich lass sie draussen, grabe sie aus wenn ich damit etwas vorhabe, bürste sie dann unter fliessend Wasser ab und lege sie bis zur Verwendung ins Kühlschrankgemüsefach. Dort halten sie auch über eine Woche.
 

Fazit

 
Der austretende Milchsaft wirkt fast violett
Die Haferwurzel ist eine Freude für Nutzgärtner und Geniesser. Sie macht wenig Arbeit, benimmt sich problemlos im Garten selbst unter schwierigen Bedingungen, ist gut zu verwerten, ich finde kaum ein Haar in der Suppe. Kritisch könnte man die geringen Flächenerträge werten, die Wurzeln sind halt nicht schwer und nicht fett, auch verzwergte Pflanzen sind immer eingestreut. Das macht einen kommerziellen Anbau unwirtschaftlich, uniforme Ergebnisse und die Kilo auf der Verkaufswaage kriegt man nicht bzw. wollen nicht bezahlt werden. Das neue Sommerwetter hält sie im Gegensatz zu vielen anderen Gemüsearten aus, sie profitiert vom milden Herbst und Winter. Wer wegen seines Bodens immer Probleme mit Wurzelgemüse hatte, dem sei sie besonders ans Herz gelegt. Ausprobieren ist es wert. Bei mir kommt sie ins Dauerprogramm.
 
Haferwurzeln mit Blaukraut und Semmelknödeln

Sonntag, 5. November 2023

Noch mehr Neues von der Yakon, Polymnia sonchifolia

Yakonblüte, schön, aber kommt spät im Jahr

Yacón, das hört sich an wie ein mexikanischer Drogenhändlerboss. "Yacón will wissen, was du für 100 Kilo Stoff zahlst." Vor ein paar Jahren habe ich sie erstmalig angebaut und dort https://gartenzone.blogspot.com/2018/12/yakon-polymnia-sonchifolia-wieder-was.html darüber berichtet. Sehr begeistert war ich nicht. Aber aufgegeben wird auch nicht, ich habe immer wieder gepflanzt, mehrere Sorten, mehrere Orte, viele neue Erfahrungen. Jetzt habe ich die diesjährige Ernte eingefahren und möchte noch einmal darüber berichten.

 

Ertrag und Pflanzplatz

Die Erträge waren in den Folgejahren lange mies, die Pflanze wuchs nicht oder die Knollen brachten nicht viel. In voller Sonne gab es Blattschäden und bei hohen Temperaturen stellte sie wie alle diese Hochlandpflanzen das Wachstum ein. In Norddeutschland oder Hochlagen mag das anders laufen, aber wir haben eine sehr sommerheisse Gegend. Im Dreiviertelschatten wuchs sie ein bisschen besser, setzte aber wenig an. Es war praktisch immer zu trocken für die Pflanze, vor allem auf meinem Boden. Yacón sind Säufer! So viel Wasser brachte ich gar nicht an die Pflanze, wie sie will. Die Erträge kamen dann auf 1 bis 1,5 kg pro Pflanze, was ich für mager halte. Blüten waren selten zu sehen, hoch wurde sie gar nicht erst.

Jungpflanze am idealen Platz. Richtung Süden die Teilverschattung

Erst mit der Zeit hatte ich den Dreh raus und erst dieses Jahr war alles so weit optimiert, dass sie ein Volltreffer wurde. Mein Nachbar hat mich nämlich auf meiner Südseite komplett zugebaut. Direkt auf der Grundstücksgrenze. Eine Garage, Wassertanks, hohe Pflanzen und dann eine riesige Balken-Foliendachkonstruktion. Ein breiter Streifen auf meiner gesamte Gartensüdseite ist dadurch verschattet. 

Aber die Yacónpflanzen explodierten dort förmlich, wie ich feststellte. Ich pflanzte hinter den Foliendächern. Die schatteten zu 50 % ab. Zum Pflanzzeitpunkt im Mai bis Anfang Juli stand zudem die Sonne so hoch, dass ohnehin noch viel Licht hinkam. Dann wanderte der Schattenwurf wegen Folien und hohen Tomaten. Aber meine Yacon-Pflanzen hatten auch Höhe gewonnen, die wuchsen so schnell wie der Sonnenhöchststand mit dem Jahresverlauf sank. Damit war der Boden und der untere Bereich im Schatten, oben war Luft und Sonne. Ideal, immer gleich teilverschattet, diesmal keine Hitzeschäden! Die grossen Pflanzen mit den grossen Blättern sorgten nebenbei auch dafür, dass kaum Unkraut kam.

August. Sie wächst kräftig.
September. Blüte. Oben immer Sonne trotz Herbstbeginn.

Durch den früh beschatteten Boden war auch Verdunstung und Verschlämmung gebremst. Nochmal ideal. Und schliesslich packte ich eine dicke Mulchauflage rund um die Pflanze. Auch das erwies sich als ideal. Es verbesserte die Wasserversorgung entscheidend: Das Giesswasser drang viel leichter in den Boden, die Verdunstung nach oben blockiert, bessere Nährstoffversorgung. Anders als behauptet habe ich durchaus den Eindruck, dass Yacónpflanzen ganz schön Nährstoffe ziehen, sie aber nur nutzen können, wenn auch alle anderen Punkte stimmen. Dann explodiert sie. Und so hatte ich im Oktober Pflanzen, die aus einem Stangenwald berstanden, der 2 m Durchmesser erreicht und 2 m Länge. Aber nicht 2m Höhe, denn die langen Triebe fielen etwas auseinander statt immer steil senkrecht zu wachsen. Sie blühten ab September, sogar Samen zeigten sich. Im Oktober wurden einige Blätter vom ersten Nachtfrost zerstört, Ende Oktober erntete ich die Wurzeln und bekam pro Pflanze 4,5 kg verwertbare Wurzeln. Das war dann doch eine ganz andere Nummer wie die Jahre vorher.

Direkt nach der Ernte

Probleme durch Schnecken trotz starkem Schneckenbesatz von Arion Hortensis hatte sie nach wie vor nicht, keine Krankheiten, keine Schädlinge. Das ist eine echte Stärke dieser Art.

Und schliesslich die Sorte: Am meisten brachte die Sorte "Morado", die es auch häufig zu kaufen gibt. Die Knollen sehen auch gut aus, bei der Ernte rot, später dann dunkler. An den Pflanzen waren keine Unterschiede zu anderen Sorten zu sehen, das kann aber durch andere Faktoren überlagert sein. Morado soll überdurchschnittlich gross werden. Wird sie. Die oberirdische Biomasseproduktion zusätzlich zu den Knollen ist nicht schlecht, so wie bei vielen Helianthae und Smallanthus. Einige aus diesen Gattungen (zum Beispiel Silphium perfoliatum) sind sogar als Energiepflanzen nutzbar, die Biogasausbeute ist mit Mais vergleichbar.

Gewaschen, netto 4,5kg
Einzelknollen bis zu 739g
Auch die Stängel sind Brummer. Unten am Stock sinds sogar bis 4cm Durchmesser


Das Aroma

In der Sonne süss werden lassen

Direkt nach der Ernte sind sie praktisch ungeniessbar, das stimmt weiterhin auch bei dieser Sorte. Man sollte die Wurzelknollen möglichst unverletzt lassen, abspülen und für einige Tage auf einen Gartentisch in der Sonne legen, jedenfalls bei Frostfreiheit. Das ergibt dann nach spätestens einer Woche mildes, saftiges, süsses Fruchtfleisch, das viel mehr von Obst hat wie von Wurzelgemüse. Im Hintergrund steht noch etwas Erdaroma, etwa Richtung Topinambur. Sie isst sich roh ganz angenehm, schälen sollte man sie aber. Sie bräunt etwas an der Luft. Mittlerweile kommen auch immer mehr Verwendungs- und Rezepttipps im deutschen Sprachraum an. Sie bleibt beim Kochen fest. Und da nun endlich gute Rohware da ist, kann ich da loslegen. Kaufen kann man sie nach wie vor nur im Ausnahmefall. Markt, Bioladen, selten, frech, teuer. Kilopreise um die 10 EUR sind die Regel.

Die Vermehrung

Rhizome, Wurzeln, Speicherknollen, Stengel

Das bleibt ein Problem. Die Jungpflanzen sind sauteuer. Selber vermehren ist also wichtig. Die dicken Knollen sind reine Speicherorgane und dienen nicht der Vermehrung. Dafür sind die Rhizome da, das sind die unterirdischen Sprossachsen, der Wurzelstock. Rhizome sind nicht die Wurzeln selbst. Eine Wurzel besitzt weder Nodien (Sprossknoten) noch Internodien (Verdickungen). Von dem Rhizom gehen nach unten die eigentlichen Wurzeln und Knollen, nach oben die Triebe der Blätter aus. Die Rhizome der Yacon sind kleine, manchmal (ja nach Sorte) rote Verdickungen direkt unter der Erde. Man lagert den ganzen Block und teilt dann im Frühjahr die Rhizome ab, setzt sie einzeln in einen 8 cm Topf mit Erde, zieht die Pflanzen vor. Aus einem gut entwickelten Stock kann man bis zu 20 Rhizome gewinnen.

Den Stock sollte man trocken in Sand bei 1-4° über den Winter lagern. Das ist im Nutzgarten natürlich schwierig. Der Keller ist wärmer, Gartenhäuser nicht frostfrei. Ideal wäre eigentlich ein kühl eingestellter Kühlschrank. Wer aber einen weiteren Kühlschrank deswegen benötigt, kann gleich die Jungpflanzen kaufen, das ist billiger wie die entstehenden Stromkosten.

Meine Überwinterungsversuche fanden bisher in der Garage statt, in einem Eimer mit Sand. Und der richtige Erfolg war es noch nicht, bisher nur Teilerfolge - ich muss die Rhizome recht früh wider in einen Topf setzen, sonst halten sie nicht bis ins Frühjahr. Hat man einen geeigneten Boden, wäre noch eine Überwinterung in der Erdmiete einen Versuch wert. Maus- und feuchtigkeitsgeschützt natürlich. Da gibt es noch etwas zu entdecken.

Halbierte Yacon Blütenstände mit Samen

Da Yacon auch Blüten bilden, könnte man auf die Idee kommen, sie aus Samen zu vermehren. Das wäre dann eine generative statt vegetative Vermehrung und das Ergebnis könnte von der ursprünglichen Sorte abweichen.

Problem ist dabei, dass die Blüten erst spät im Jahr erscheinen, ähnlich wie bei Topinambur und dann die Samen nicht mehr voll ausreifen. Trotzdem habe ich einzelne braue Samen in meinen Blüten gefunden, die aber nicht reif genug waren. Mit etwas Nachreife im Haus, Blütenstängel in Vase und später dann die Blüten trocknen lassen, könnte vielleicht etwas keimfähiges herauskommen.

Montag, 28. Dezember 2020

Helianthus strumosus, die Sonnenwurzel

Blüte Helianthus Tuberosus, Topinambur

Ein typisches frisches Gemüse aus dem Nutzgarten im Dezember sind Topinambur, in den USA auch seltsamerweise Jerusalem-Artischocke genannt, obwohl sie dort heimisch ist. Die Pflanze ist ganz langsam aber sicher bekannter geworden, hat aber nie den grossen Durchbruch geschafft. Sie kann auch zum Unkraut werden, ist ein Neophyth der sich in Flusstälern auch leicht von selbst ausbreitet. Auch hier an der Jagst gibt es ein paar Stellen, an den sie ausgewildert zu sehen ist, ihre Konkurrenzkraft ist aber bei weitem nicht so gross wie die des Springkrauts oder gar des Sachalin-Knöterichs, der ein echtes Teufelszeug ist.

Topinambur gehören zur Gattung der Helianthi, der Sonnenblumengewächse. Davon gibt es sage und schreibe 67 Arten, alle stammen ausschliesslich aus Nordamerika. Helianthus tuberosus, wie die Art mit botanischem Namen heisst schmeckt so la la, was einer der Gründe für ihre mehr als mässige Beliebtheit darstellt.

Helianthus strumosus, Knollen?

Nun ist seit ein paar Jahren noch eine Topinamburverwandte in Deutschland auf Internetseiten und bei Pflanzenverkäufern aufgetaucht: Helianthus strumosus, die "Sonnenwurzel". In den USA heisst sie Blassblättrige Waldsonnenblume. Nah verwandt ist die Topinambur, die blasse Sonnenblume (H. decapetalus), Waldsonnenblume (H. divaricatus), die borstige Sonnenblume (H. hirsutus). Angeblich soll die Sonnenwurzel besser schmecken wie Topinambur, glattere Knollen haben. Auf mehreren Internetseiten, auch deutschen wird das als Tatsache verkündet. Das habe ich dieses Jahr ausprobiert, eine Pflanze für nicht gerade wenig Geld gekauft und im Mai gesetzt. Sie wuchs gut. Bei genauerem Hinsehen wurde ich jedoch misstrauisch, das Ding sah sehr nach gewöhnlicher Topinambur aus. Also fing ich an zu recherchieren, las die Bescheibungen von H. Strumosus und kam ziemlich schnell zu einem eindeutigen Ergebnis. Das lautete:

Die Sonnenwurzel gibt es gar nicht. Die Art Helianthus strumosus gibts es natürlich schon, aber sie entwickelt generell überhaupt keine Knollen, nur ganz normale dünne Wurzeln, die für die Ernährung aber untauglich sind. Brauchbar sind sie nur für einen Absud, der gegen Würmer bei Kindern angewendet wird. Was man mir verkauft hat, war in der Tat nur eine Standard-Topinambur und zwar die Sorte "blaue Französische". Tja... man sollte nicht jeder vermeintlichen Neuigkeit nachrennen.

Sehr hohe Pflanzen

Bleiben wir noch etwas bei Topinambur. Obwohl ich sie schon als Kind im Garten meiner Eltern kennengelernt habe, bin ich nie so recht warm geworden mit ihr, habe sie in geringem Unfang aber bis heute angebaut. Das ist der Grund, dass sie auch in der Gartenzone keine grössere Erwähnung fand. Einige ihrer grössten Probleme würden sich aber durch Zucht sicher verbessern lassen:

  • Die sehr unförmigen Knollen mit Sprossknollen, kaum zu reinigen, schwer zu verwerten. Einige Sorten sind da schon recht weit und haben Knollen, die für die Verarbeitung viel besser geeignet sind, Gföhler Rote etwa.
  • Hohe Stengel, die in unseren böigen Lage und den zunehmenden Unwettern im Verlauf des Herbsts fast immer umgerissen werden. Auch da gibt es schon kleiner bleibende Sorten, z.B. Topstar.
  • Normalerweise zerfällt das Fleisch schnell, beim kochen etwas länger fester bleibend wäre enorm hilfreich. "Gute Gelbe" geht in dieser Richtung.
Zubereitung in der Pflanne

Leider gibts keine Sorte, die das kombiniert. So weit ist der Weg dorthin aber nicht. Andere Probleme lassen sich wohl nicht lösen. So wirkt nach längerer Esspause eine gute Potion Topinambur recht drastisch abführend, der Körper gewöhnt sich zwar mit der Zeit an die verantwortlichen Oligosaccharide, aber nach der schlechten ersten Erfahrung haben viele Leute einfach keine Lust mehr auf dieses Gemüse.

Und für mich gilt das Fazit: Reingefallen mit Helianthus strumosus. Misstrauischer sein.

Schön sind sie ja, aber auch kaum zu reinigen

Als Sichtschutz tauglich

Die "blaue französische" Topinambur zeigte sind in keinem Punkt überlegen, die Sorte kann man kaum weiterempfehlen. Der Hauptstengel wurde fast 3m hoch und war recht kräftig. Und an einem Standort im Spätsommer durch Windböen prompt umgerissen, die Knollen waren da noch unterentwickelt. Am anderen Standort habe ich sie an einem Zaun angebunden und ganz ausreifen lassen, erst Ende November nach den Knollen gegraben. 

Die Gesamterntemenge einer Pflanze lag bei unter 3kg und viele Knollen waren kaum verwertbar, weil klein und sehr verwachsen. Für ein mühsam hergestelltes Gericht stand ich ganz schön lange in der Küche und war mit der Reinigung und Zurechtschneiden der Knollen beschäftigt. Das Aroma unterschied sich nicht von anderen Sorten, wenigstens zerfiel sie nicht so schnell und roh sieht sie wegen der Farbe attraktiver aus wie die gelblicheren Sorten. Die Pflanze setzt früh viele Blüten an, sie wäre enger gesetzt auch als Sichtschutzpflanze brauchbar. Ansonsten: Muss nicht sein.

Die Blüten sind attraktiv für Bienen und Wildbienen, viele Pollen, aber wenig Nektar
Stengel ist bei Topinambur stark behaart, bei H. Strumosus jedoch nicht.
"Blaue Französische" hat recht kleine Knollen
November. Laub abgestorben, Pflanze erntereif

Donnerstag, 31. Januar 2019

Radicchio Variegata Di Castelfranco, die Orchidee aus dem Keller

Variegata Di Castelfranco im Frühherbst
Radicchio (Cichorium intybus var. foliosum) war mal stärker in Mode, auch im eigenen Garten. Aber so richtig durchgesetzt hat er sich nördlich der Schweiz nicht und auch der richtige Anbau im eigenen Garten hat viele Fragezeichen behalten. Trotz gewisser Schwierigkeiten mit Aussaatterminen und Winterhärte kultiviere ich Radicchio seit Jahren, immer mehrere Sorten. Ich liebe das Aroma und den Stil dieser Salate sehr. Es sind die Aroma- und Winterkönige unter den Salaten.
Radicchio Sorte Granato geerntet im Dezember
  • Sie haben mehr Eigenaroma wie fast alle anderen Salatarten (ausgenommen vielleicht den nicht verwandten Ackersalat)
  • Die Sorten haben auch eine grosse Aromen- und Stilbandbreite
  • Die Art schmeckt in vielen Zubereitungformen - auch gekocht, angeröstet, im Risotto
  • Die Sorten sind auch nach der Ernte gut haltbar
  • die Frosthärte einiger Sorten ist gut
  • Sie sehen oft einzigartig dekorativ aus.
Warum der kommerzielle Anbau der für Deutschland geeigneten Sorten hier exotisch geblieben ist, bleibt ein Rätsel. Vielleicht ist es die aufwendigere Anbautechnik. Die meisten Radicchiosorten vertragen das Umpflanzen nicht gut. Die Jungpflanzvorzucht hat Grenzen.

Im Laden zu kaufen?


R. Castelfranco, halbiert. Lockere, aber geschlossene Köpfe
Mässig bekannt in Deutschland wurde und blieb die einfachste Sorte, der Palla Rossa. Er hat geschlossene, dichtgepackte Köpfe, ist rund, durchgehend rot mit weissen Blattrippen, hält leichte Fröste aus. Den pflanzt man bis Ende Juli und erntet ihn im Herbst. Wahrscheinlich hat er wegen seiner Farbe einen kleinen Erfolg beibehalten und auch wegen der relativ guten Kultivierbarkeit. Trotzdem schaffte auch er es bis heute nicht in die Discounter, er bleibt in Läden mit breitem Sortiment oder im Bioladen und auf dem Markt. Andere Radicchiosorten sind extrem selten oder gar nicht zu haben. Viel häufiger ist jedoch der ziemlich geschmacksfreie und grobe verwandte Endivien zu finden und in der Bioladenszene gibts dann noch einen weiteren Verwandten, den Zuckerhut, den sieht man auch öfter in Privatgärten. Er ist schon sehr lange in Deutschland bekannt. Alle drei, Endivien, Zuckerhut, Radicchio gehören zur Familie der Wegwarten und befinden sich in einer anderen botanischen Familie wie die Lattichsalate. In der Lattichfamilie liegen Kopfsalat, Eissalat, Römersalat, und Schnittsalat.

Sorten


Reste im Janaur abgeerntet, kurz vor Starkfrost
Aussaat in Anzuchtplatten - unbedingt sehr jung verpflanzen
wegen schneller Pfahlwurzelbildung
Radicchiosorten gibt es sehr viele und einige sind für den eigenen Garten in Deutschland nicht gut geeignet. Sie benötigen lange Kultivierungszeiten, vertragen keinen Frost, sind zu schossempfindlich oder benötigen Anbautechniken, die es in Deutschland nicht gibt - zum Beispiel die Sorte Radicchio Rosso di Treviso Tardivo. Bei anderen Sorten gelingt das besser bis perfekt. Diese Saison war bei mir wieder "Rossa di Verona" dran sowie der einfache "Palla Rosso" wie jedes Jahr als sichere Miete. Ferner "Granato" mehr zur Dekoration, und vor allem der "Variegata Di Castelfranco". Angebaut habe ich schon einige Sorten mehr. Der Castelfranco war ein Glücksfall, dieses Jahr, ich hatte frische Samen, die gut keimten und das Wetter in Spätherbst und Winter hatte keine starken Minustemperaturen. Alles stimmte. Ältere Radicchiosamen keimen meiner Erfahrung nach sehr schlecht, Lattichsalatsamen halten da viel länger durch. "Variegata Di Castelfranco" ist relativ wenig frostfest, unter -4°C beginnen sich die Blattränder zu zersetzen. Das war die letzten Jahre bis Anfang Januar nie das Problem, Klimawandel sei Dank. Sollten trotzdem Kaltnächte angesagt sein, kann man ihn gut mit Vlies schützen. Oder man erntet ihn ab und lagert ihn kühl und feucht. Er hält sich ausgesprochen gut, in einem ungeheizten Gartenhaus mit feuchtem Papier bedeckt schafft er ohne grosse Einbussen einen Monat Lagerdauer. Vollends abgeerntet habe ich ihn Mitte Januar, auch dieses Jahr wird er aus dem Lager noch im Februar gegessen werden.

Seine Optik im Garten ist recht variabel, was aber typisch für viele Radicciosorten ist. Hier eine Fotoserie, was dabei herauskommen kann - alles dieselbe Sorte, Variegata Di Castelfranco:
Hier hat sich der Kopf stark und schwer entwickelt
Weniger panaschierte Version
Auch lockere Blätter sind sehr gut, wenn sich kein richtiger Kopf gebildet hat
 

 


Variegarta di Castelfranco, geerntet
Diese Sorte hat noch mehr Vorteile für den Anbau in Mitteleuropa. Es ist eine hinreichend schnellwüchsige Sorte, in unserem Klima reicht die Aussaat bis Ende Juli, um ihn im Spätherbst grosskopfig zu ernten. Seltsamerweise ist der diesbezügliche Rat einiger Samenhänder in Deutschland falsch, sie raten zur Frühjahrspflanzung. Damit wird man scheitern, denn dann schiesst er früh wegen Vernalisationeffekten und man kann gar nichts ernten ausser vielleicht Samen für eine Neupflanzung. Bildete er schliesslich Köpfe und erntet man ihn, hat er eine zarte Konsistenz, herrliche Farbspritzer, ein sehr nussiges Aroma, etwas süss, ein Hauch bitter (genau richtig). Manchmal wird dazu geraten, ihn zu bleichen, unter einen Topf zu stellen. Die Farbe wird dann noch etwas kontrastreicher. Ich würde davon abraten. Das Aroma ändert sich nicht, aber der Nitratgehalt in den Blättern steigt an, weil die Pflanze ohne Licht das Nitrat nicht verstoffwechseln kann. Im Körper bildet sich daraus das krebserregende Nitrit. Nur für ein paar hellere Blätter? Muss nicht sein.

Anbau im Keller


Wurzeln ausgegrabener Radicchio
Man kann das aber auch auf andere Weise geplant nutzen und damit sogar eine zweite Ernte einfahren. Radicchio bildet dicke, tiefe Pfahlwurzeln. Gräbt man die ganze Pflanze aus statt nur den Kopf zu ernten, kann man die Wurzeln wieder in einen Kübel mit feuchtem Sand setzen und im Keller erneut austreiben lassen. Dann bilden sich neue Blätter, die man wieder als Salat essen kann. Ich nehme dazu einen normalen Eimer mit 10-15 Liter Grösse, mit billigem Sand gefüllt und setze dort 2-5
Kelleranbau Radicchio

grob gereinigte Radicchowurzeln hinein, deren Köpfe ich abgeschmitten und bereits gegessen habe. Im Keller wächst dann die zweite Ernte heran, bei 12° und in Dunkelheit. Köpfe gibt es nicht mehr, aber Pflücksalat. Man schneidet die neuen Blätter ab und verarbeitet sie wie gewohnt.

Schon vor 150 Jahren hat man das professionalisiert - nicht nur in Italien, wo eine ganze zweite (und sehr teure) Ernte entsteht, sondern schon früher beim Endivien in Belgien. Herausgekommen ist in Belgien der Chicorée, ein zarter Spross aus Endivienwurzeln, die dunkel und warm gelagert wurden. Das können wir auch im eigenen Keller - nicht unbedingt als geschlossene Knolle, aber als optisch und geschmacklich anregende Blätter. Besonders gut geeignet: der "Variegata Di Castelfranco".

Zu guter Letzt: Die Aussprache


Leider ein Dauerthema, deshalb zum Schluss auch ein paar Worte dazu. Ja, Radicchio wird in Italien "Radikkio" ausgesprochen. Und ja, es ist trotzdem piepegal, wie man es ausspricht. Wem danach ist, der darf jederzeit Raditschio sagen oder sonst etwas, zum Beispiel Zichoriensalat. So wie man "Tomate" sagen darf, obwohl es eine Tomatl ist, dort wo sie eigentlich herkommt - nämlich den Azteken, nicht den Italienern. Es gibt kein richtig oder falsch, nur Gewohnheiten. Wie es ein italienischer Koch einmal treffend formulierte: Nur dumme, arrogante Oberlehrer korrigieren. Er sei froh, das andere Menschen der Welt italienische Küche, aus Italien stammende Lebensmittel kennelernen, nutzen, da spiele es überhaupt keine Rolle, wie das woanders jemand ausspricht. Zumal auch innerhalb Italiens oft keinerlei einheitliche und "richtige" Aussprache existiert. Im Norden Spagetti, im Süden Schpagetti. 

Endeckt, geniesst, aber nervt nicht mit angeblicher Aussprache oder Betonung.

Mittwoch, 21. Februar 2018

Perfekte Kürbisse durch den Winter

Kürbissammlung, fertig zum Einlagern
Gar nicht so wenige Kürbissorten lassen sich enorm lange lagern, genauer gesagt: Monatelang, manchmal schmecken sie noch nach einem vollen Jahr gut. Das ist einer der Gründe, wieso ich jedes Jahr kräftig Kürbisse anbaue. Der Erntesegen lässt sich den ganzen Winter und Frühling über geniessen wenn sonst nicht viel wächst. Zudem sind Kürbisse so vielseitig verwendbar, dass sie einem nicht so schnell zum Hals heraushängen. Verschenken, tauschen, ja sogar verkaufen geht ebenfalls einfach: Kürbisse kennt und schätzt mittlerweile jeder, seit es einige Sorten sogar ins Gemüseangebot der Discounter geschafft haben. Man wird sie leicht los, wenn man mal zu viele davon hat. Eine Kohlrübe zu verschenken ist definitiv schwieriger.

Man muss allerdings wissen, wie man sie lagert. Das ist nicht mehr so einfach und auch bei mir brauchte es viele Jahre und viele Fehlversuche, um das zu optimieren. In den Büchern steht so allerhand aber wenig Praxisbrauchbares, wie so oft. Zusammengefasst gibt es für eine gelingende Kürbislagerung folgende Kernpunkte:
  • Die
    Kürbislager, vier Monate Lagerdauer
    Art und die Sorte spielen natürlich eine grosse Rolle, das ist naheliegend und bekannt. Unter den Arten Cucurbita maxima (Riesenkürbis, Hokkaidokürbis, Hubbard, Buttercup, Kabocha...) und Cucurbita moschata (Butternut, Muskatkürbisse) gibt es viele langlagerfähigen Sorten, unter Cucurbita pepo (Sommerzucchini, Acorns, Patisson, Spaghettikürbis) weniger. Zu Erfahrungen mit einigen konkreten Sorten kommen ich noch. Generell sind Butternutkürbisse und auch meisten C. maxima-Arten vier Monate gut lagerfähig.
  • Beginnender Verderb am Stielansatz
    Nur ausschliesslich voll ausgereifte Kürbisse lassen sich lagern. Es macht auch nichts, wenn sie lange an den Pflanzen hängen, Überreife gibt es bei Kürbissen nicht, nur Unreife. Unreife Kürbisse werden weich und holzig, faulen früh. Verletzungen und Verfärbungen an der Schale reifer Kürbisse  führen nicht gleich zum Verderb, schränken aber die Lagerfähigkeit ein. Diese Früchte (botanisch sind es eigentlich Beeren, eine typische Besserwisserkorrektur) sollte man zuerst verbrauchen. Schalenschäden passieren meistens, wenn die Früchte im Garten bei feuchter Witterung der Reife hin auf dem Boden liegen. Holzbrettchen unterlagen!
  • Verholzte Schale an einem gelagerten Blue Hubbard
  • Ein kühler Keller ist nicht gut. Die Temperaturen sollten mindestens 10° bis Zimmertemperatur betragen. Bei diesen Temperaturen verholzt die äussere Schale leichter. Sie ist dann zwar härter und muss vor Verzehr abgeschnitten werden, aber das Kürbisfleisch darunter ist gut geschützt. Lagert man sie im Keller, sollte man sie erst einige Wochen bei Zimmertemperatur belassen, damit sich die Schale härtet. Bei Kürbissen ist es mal ausnahmsweise ein Vorteil, wenn man einen warmen trockenen Keller hat. Wer keinen hat, stellt sie auf einen Schrank im Flur.
  • Ein kalter Boden, der keine Feuchtigkeit aufnehmen kann ist tödlich. Niemals Kürbisse direkt auf dem Boden lagern! Sie werden schimmeln. Immer auf Holz ablegen. Ich nehme ein Brett, das auf Klötzchen steht oder Obstkisten mit dicken Wänden.
  • Keine Kürbisse übereinanderlegen oder sich berühren lassen. Alle schön getrennt voneinander aufreihen. Die Kontaktpunkte sind anfälliger, Schimmel greift leichter über.
"Sweet Nutty" nach einem Jahr Lagerung: Absolut einwandfrei.
Gute Samenhändler machen auch Angaben zur Lagerfähigkeit. Meine eigenen Erfahrungen sind aber davon oft sehr nach oben oder unten abgewichen. Das lag vermutlich auch am Reifezustand der Früchte. Es gibt diverse Sorten, die eigentlich in wärmeren Gegenden üblich sind und auch hier meistens ganz gute Früchte bringen, die aber in Wirklichkeit doch nicht ganz ausgereift sind. Sie schaffen die Vollreife nicht ganz und damit auch keine lange Lagerung. Dies sind Sorten wie z.B. der Butternut "Violina", eine typische Sorte für Italien. Ansonsten halten sich ausgereifte Butternuts egal welche Sorte sehr gut. Sehr gute Erfahrungen habe ich auch mit den Maxima-Moschata Hybriden "Tetsukabuto" und "Armor" gemacht. Reine Maxima-Kürbisse waren gut haltbar, wenn sie eine harte Schale entwickelten. Dazu gehört z.B. der "Blue Hubbard" und andere "Hubbards".

Verschimmelt, vorbei.
Bei Hokkaido-Kürbissen ("red kuri", C. maxima) bleibt die Schale weich, deshalb lassen sich sich meistens ungeschält zu Suppe verkochen, was den Zubereitungsaufwand vorteilhaft verkleinert. Sie sind dafür etwas weniger gut haltbar. Die alte und unsägliche Standardsorte "gelber Zentner", ein C. maxima, ist dagegen überhaupt nicht haltbar. Sofort verbrauchen. Sie taugt sowieso nichts, wurde in Frankreich als Schweinefutter verwendet.

Kaum haltbar sind Cucurbita pepo. Darunter sind neben vielen Zier- und Schnitzkürbissorten zwar sehr wohlschmeckende und edle Sorten mit einzigartigem Aroma und sie halten sich auch optisch lange gut. Das Aroma veratmet sich aber und das Fruchtfleisch wird fade, hart. Hier hat man vielleicht lange schöne Früchte, aber will sie nicht mehr verwenden.

Apropos Verwendung: Die Kerne nicht gleich wegwerfen. Geröstet mit Salz schmecken sie ja nach Samenschalendicke manchmal sehr gut. Ansonsten werfen wir sie kurz in den Mixer und geben sie den Hühnern. Sie sind mit ihrem hohen Fettgehalt ein energiereiches Futter.