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Donnerstag, 31. Januar 2019

Radicchio Variegata Di Castelfranco, die Orchidee aus dem Keller

Variegata Di Castelfranco im Frühherbst
Radicchio (Cichorium intybus var. foliosum) war mal stärker in Mode, auch im eigenen Garten. Aber so richtig durchgesetzt hat er sich nördlich der Schweiz nicht und auch der richtige Anbau im eigenen Garten hat viele Fragezeichen behalten. Trotz gewisser Schwierigkeiten mit Aussaatterminen und Winterhärte kultiviere ich Radicchio seit Jahren, immer mehrere Sorten. Ich liebe das Aroma und den Stil dieser Salate sehr. Es sind die Aroma- und Winterkönige unter den Salaten.
Radicchio Sorte Granato geerntet im Dezember
  • Sie haben mehr Eigenaroma wie fast alle anderen Salatarten (ausgenommen vielleicht den nicht verwandten Ackersalat)
  • Die Sorten haben auch eine grosse Aromen- und Stilbandbreite
  • Die Art schmeckt in vielen Zubereitungformen - auch gekocht, angeröstet, im Risotto
  • Die Sorten sind auch nach der Ernte gut haltbar
  • die Frosthärte einiger Sorten ist gut
  • Sie sehen oft einzigartig dekorativ aus.
Warum der kommerzielle Anbau der für Deutschland geeigneten Sorten hier exotisch geblieben ist, bleibt ein Rätsel. Vielleicht ist es die aufwendigere Anbautechnik. Die meisten Radicchiosorten vertragen das Umpflanzen nicht gut. Die Jungpflanzvorzucht hat Grenzen.

Im Laden zu kaufen?


R. Castelfranco, halbiert. Lockere, aber geschlossene Köpfe
Mässig bekannt in Deutschland wurde und blieb die einfachste Sorte, der Palla Rossa. Er hat geschlossene, dichtgepackte Köpfe, ist rund, durchgehend rot mit weissen Blattrippen, hält leichte Fröste aus. Den pflanzt man bis Ende Juli und erntet ihn im Herbst. Wahrscheinlich hat er wegen seiner Farbe einen kleinen Erfolg beibehalten und auch wegen der relativ guten Kultivierbarkeit. Trotzdem schaffte auch er es bis heute nicht in die Discounter, er bleibt in Läden mit breitem Sortiment oder im Bioladen und auf dem Markt. Andere Radicchiosorten sind extrem selten oder gar nicht zu haben. Viel häufiger ist jedoch der ziemlich geschmacksfreie und grobe verwandte Endivien zu finden und in der Bioladenszene gibts dann noch einen weiteren Verwandten, den Zuckerhut, den sieht man auch öfter in Privatgärten. Er ist schon sehr lange in Deutschland bekannt. Alle drei, Endivien, Zuckerhut, Radicchio gehören zur Familie der Wegwarten und befinden sich in einer anderen botanischen Familie wie die Lattichsalate. In der Lattichfamilie liegen Kopfsalat, Eissalat, Römersalat, und Schnittsalat.

Sorten


Reste im Janaur abgeerntet, kurz vor Starkfrost
Aussaat in Anzuchtplatten - unbedingt sehr jung verpflanzen
wegen schneller Pfahlwurzelbildung
Radicchiosorten gibt es sehr viele und einige sind für den eigenen Garten in Deutschland nicht gut geeignet. Sie benötigen lange Kultivierungszeiten, vertragen keinen Frost, sind zu schossempfindlich oder benötigen Anbautechniken, die es in Deutschland nicht gibt - zum Beispiel die Sorte Radicchio Rosso di Treviso Tardivo. Bei anderen Sorten gelingt das besser bis perfekt. Diese Saison war bei mir wieder "Rossa di Verona" dran sowie der einfache "Palla Rosso" wie jedes Jahr als sichere Miete. Ferner "Granato" mehr zur Dekoration, und vor allem der "Variegata Di Castelfranco". Angebaut habe ich schon einige Sorten mehr. Der Castelfranco war ein Glücksfall, dieses Jahr, ich hatte frische Samen, die gut keimten und das Wetter in Spätherbst und Winter hatte keine starken Minustemperaturen. Alles stimmte. Ältere Radicchiosamen keimen meiner Erfahrung nach sehr schlecht, Lattichsalatsamen halten da viel länger durch. "Variegata Di Castelfranco" ist relativ wenig frostfest, unter -4°C beginnen sich die Blattränder zu zersetzen. Das war die letzten Jahre bis Anfang Januar nie das Problem, Klimawandel sei Dank. Sollten trotzdem Kaltnächte angesagt sein, kann man ihn gut mit Vlies schützen. Oder man erntet ihn ab und lagert ihn kühl und feucht. Er hält sich ausgesprochen gut, in einem ungeheizten Gartenhaus mit feuchtem Papier bedeckt schafft er ohne grosse Einbussen einen Monat Lagerdauer. Vollends abgeerntet habe ich ihn Mitte Januar, auch dieses Jahr wird er aus dem Lager noch im Februar gegessen werden.

Seine Optik im Garten ist recht variabel, was aber typisch für viele Radicciosorten ist. Hier eine Fotoserie, was dabei herauskommen kann - alles dieselbe Sorte, Variegata Di Castelfranco:
Hier hat sich der Kopf stark und schwer entwickelt
Weniger panaschierte Version
Auch lockere Blätter sind sehr gut, wenn sich kein richtiger Kopf gebildet hat
 

 


Variegarta di Castelfranco, geerntet
Diese Sorte hat noch mehr Vorteile für den Anbau in Mitteleuropa. Es ist eine hinreichend schnellwüchsige Sorte, in unserem Klima reicht die Aussaat bis Ende Juli, um ihn im Spätherbst grosskopfig zu ernten. Seltsamerweise ist der diesbezügliche Rat einiger Samenhänder in Deutschland falsch, sie raten zur Frühjahrspflanzung. Damit wird man scheitern, denn dann schiesst er früh wegen Vernalisationeffekten und man kann gar nichts ernten ausser vielleicht Samen für eine Neupflanzung. Bildete er schliesslich Köpfe und erntet man ihn, hat er eine zarte Konsistenz, herrliche Farbspritzer, ein sehr nussiges Aroma, etwas süss, ein Hauch bitter (genau richtig). Manchmal wird dazu geraten, ihn zu bleichen, unter einen Topf zu stellen. Die Farbe wird dann noch etwas kontrastreicher. Ich würde davon abraten. Das Aroma ändert sich nicht, aber der Nitratgehalt in den Blättern steigt an, weil die Pflanze ohne Licht das Nitrat nicht verstoffwechseln kann. Im Körper bildet sich daraus das krebserregende Nitrit. Nur für ein paar hellere Blätter? Muss nicht sein.

Anbau im Keller


Wurzeln ausgegrabener Radicchio
Man kann das aber auch auf andere Weise geplant nutzen und damit sogar eine zweite Ernte einfahren. Radicchio bildet dicke, tiefe Pfahlwurzeln. Gräbt man die ganze Pflanze aus statt nur den Kopf zu ernten, kann man die Wurzeln wieder in einen Kübel mit feuchtem Sand setzen und im Keller erneut austreiben lassen. Dann bilden sich neue Blätter, die man wieder als Salat essen kann. Ich nehme dazu einen normalen Eimer mit 10-15 Liter Grösse, mit billigem Sand gefüllt und setze dort 2-5
Kelleranbau Radicchio

grob gereinigte Radicchowurzeln hinein, deren Köpfe ich abgeschmitten und bereits gegessen habe. Im Keller wächst dann die zweite Ernte heran, bei 12° und in Dunkelheit. Köpfe gibt es nicht mehr, aber Pflücksalat. Man schneidet die neuen Blätter ab und verarbeitet sie wie gewohnt.

Schon vor 150 Jahren hat man das professionalisiert - nicht nur in Italien, wo eine ganze zweite (und sehr teure) Ernte entsteht, sondern schon früher beim Endivien in Belgien. Herausgekommen ist in Belgien der Chicorée, ein zarter Spross aus Endivienwurzeln, die dunkel und warm gelagert wurden. Das können wir auch im eigenen Keller - nicht unbedingt als geschlossene Knolle, aber als optisch und geschmacklich anregende Blätter. Besonders gut geeignet: der "Variegata Di Castelfranco".

Zu guter Letzt: Die Aussprache


Leider ein Dauerthema, deshalb zum Schluss auch ein paar Worte dazu. Ja, Radicchio wird in Italien "Radikkio" ausgesprochen. Und ja, es ist trotzdem piepegal, wie man es ausspricht. Wem danach ist, der darf jederzeit Raditschio sagen oder sonst etwas, zum Beispiel Zichoriensalat. So wie man "Tomate" sagen darf, obwohl es eine Tomatl ist, dort wo sie eigentlich herkommt - nämlich den Azteken, nicht den Italienern. Es gibt kein richtig oder falsch, nur Gewohnheiten. Wie es ein italienischer Koch einmal treffend formulierte: Nur dumme, arrogante Oberlehrer korrigieren. Er sei froh, das andere Menschen der Welt italienische Küche, aus Italien stammende Lebensmittel kennelernen, nutzen, da spiele es überhaupt keine Rolle, wie das woanders jemand ausspricht. Zumal auch innerhalb Italiens oft keinerlei einheitliche und "richtige" Aussprache existiert. Im Norden Spagetti, im Süden Schpagetti. 

Endeckt, geniesst, aber nervt nicht mit angeblicher Aussprache oder Betonung.