Das Grosslager und die Zeit vor dem Grosslager
Früher war es einfacher, kaum ein Haus war ohne tiefen Gewölbekeller, kühl aber frostfrei; hohe Luftfeuchtigkeit durch einen Lehmboden aber nicht nass. Äpfel von Ende Juli bis Mai; ab Oktober aus dem Lagerkeller. Selbst in keltischer Zeit waren schon Erdkeller in Hüttennähe zur Lagerung von Lebensmitteln massenhaft verbreitet, geformt wie eine Flasche, Einstieg mit einer einfachen Leiter von oben. Einfamilienhäuser aus den 1930er Jahren hatten noch ausnahmslos einen extra Kellerraum mit unverfugtem Stein- oder Lehmboden, der noch einen Meter tiefer lag wie der Rest des Kellers. Ab den 1960er Jahren war das komplett vorbei, seither hat praktisch kein neu gebautes Gebäude mehr einen kühlen Keller vorgesehen. Gekühlt wird seither mit Strom. Kernobst wird nur noch kommerziell mit hohem technischem und energetischem Aufwand in Grosslagern gelagert, das Obst per Lastwagen von weit her zu den Blechhallen in Industriegebieten an- und abgefahren, nach genauem Verfahren langsam ein- und ausgelagert, elektrisch gekühlt, technisch luftfeuchtekontrolliert, mit künstlicher Atmosphäre begast, mit Chemikalien wie 1-Methylcyclopropen (1-MCP, Handelsname "Smartfresh") behandelt, die Frische trotz Überlagerung vortäuschen und dergleichen mehr. MCP wird mittlerweile auf Alles angewendet, auch Kurzlagerung, von tropischen Früchten wie Papayas bis Steinobst wie Zwetschgen. Damit sieht die Ware im Supermarkt länger frisch aus. Wir sollen dies alles fleissig kaufen, essen und nicht zu viele Fragen stellen.
Heutige Lagermethoden für den kleinen Maßstab
Kiste mit Brettacher, frisch geerntet |
Folienhaubenlagerung: So gehts in Kürze
Zwei Apfelkisten übereinander mit Folienhaube |
Geeignete Räume
Alle Räume ausserhalb der thermischen Hülle eines Hauses mit Steinboden sind optimal: Garagen, Gartenhäuser, mausfrei sollten sie aber sein und dicht nach draussen, um Frost im Raum zu verzögern. Weniger gut aber möglich sind noch normale Kellerräume, kühler ist natürlich besser. Ich nutze unsere Garage mit Betonboden, die ist sowieso mit Imkereizubehör besetzt, das Auto steht wie bei den meisten Imkern nicht drin, sondern davor. Der nackte Betonboden sorgt für Temperaturausgleich.
Optimale Lagerkisten und Folienhauben
Auf vorhandene Griffmulden achten |
Kleine Querlatte am Boden hilft viel |
Wem die Kisten zu gross sind und lieber gute Zugreifbarkeit statt grosser Mengen will, der kann auch flache und gut stapelbare Apfelstiegen nehmen, die manchmal in Behindertenwerkstätten gefertigt werden, billig sind die natürlich auch nicht, pro Kilo Äpfel die teuerste Methode. Beispiel: Die Apfelstiege der Tischlerei-Werkstatt der Lebenshilfe Lemgo.
Meine Folienhauben bzw. Folienhüllen waren der "Abfall" eines Matratzenkaufs. Matratzen sind damit eingepackt. Solche einfachen LD-Polyethylenhüllen mit 0,03mm oder 0,05mm Wandstärke werden auch für andere Möbelverpackungen verwendet. Man kann sie in verschiedenen Grössen kaufen, die unterschiedlichen Grössen sind oft nach dem Verwendungszweck bezeichnet: Bettenhüllen, Matratzenhüllen, Sesselhüllen, Couchhüllen. Mit diesen Stichworten findet man jede Menge Verkäufer.
Die Details und mehr Hintergründe
2x2 Kisten unter Folie Mitte März. Knackfrische Äpfel! |
Die Äpfel bleiben durch mehrere Faktoren deutlich länger frisch und knackig:
- Unter der PE-Folie steigt die Luftfeuchtigkeit an. Davon profitieren welkgefährdete Sorten ganz enorm. Das betrifft zum Beispiel viele Renetten, die eine raue Schale haben, durch die viel Wasser verdunstet. Solche Sorten sind aromatisch und qualitativ erstklassig, welken aber schnell, werden schrumpelig. Unter der Folie verzögert sich das um Monate. Sollte unter der Folie Feuchtigkeit kondensieren (das ist am ehesten nach der Einlagerung der Fall, wenn die Äpfel noch sehr frisch sind, deshalb noch etwas länger ohne Folie stehen lassen), kann man die Folie zeitweise etwas anheben, damit den Luftaustausch beschleunigen und die Kondensation stoppen. Wer vorsichtig sein will, legt einen Feuchtigkeitsmesser auf die Äpfel, dann sieht man sofort ob man zuviel oder zu wenig Feuchtigkeit im Kistenstapel hat. Das habe ich probiert, die Luftfeuchte lag im Schnitt bei 90%. Ein idealer Wert für ein Lager, der auch im Grosslager eingehalten wird. Öffnet man die Folienhaube, dann steigt sie in nur zwei Stunden wieder auf 90%.
- Die Folie behindert den Gasaustausch. So wie beim Folienbeutel steigt der CO2-Gehalt durch die Atmung der Äpfel an, je nach dem wie dicht die Folie zum Boden hin abschliesst. Ich habe das mit einem CO2-Messgerät mal gemessen. Aussenluft hat etwa 0,04% Kohlendioxidgehalt. Die Kohlendioxid-Konzentration unter der Folie stieg um 200ppm pro Stunde stetig an, Gesamtgehalt also nach einer Stunde 0,06%, nach einem Tag 0,5%. Das Maximum lag nach einigen Tagen bei 3%, was sicher von der Foliendichtigkeit nach aussen abhängt und je nach Situation stark schwankt. Die Atmosphäre in kommerziellen Lagern hat einen noch viel niedrigeren Sauerstoff- und 5-25% Kohlendioxidgehalt. Dieser Wert wird unter Folie nicht erreicht, ausser man schliesst sehr dicht. Dann bekommt man aber mehr Kondenswasserrisiko. Trotzdem nutzt der erhöhte Gehalt bereits etwas und verlängert die Lagerfähigkeit.
Brettacher, Mitte März.
Zwei bis drei Kisten kann man übereinanderstapeln. So ist der Platz und die Folie gut ausgenutzt, ohne dass die Apfelentnahme zu unhandlich wird.
Frostschutz?
Selbst tiefe Nachttemperaturen und Dauerfost im Freien führten in der Garage unter der Folienhaube auf Steinboden nur zu leichtem Frost. In einer Nacht mit -14°C Aussentemperatur hatte ich -5°C in der Garage und -3°C unter der Folie. Das vertragen Äpfel problemlos. Nur die Auslagerung gefrorener Äpfel sollte langsam geschehen, sonst bekommen sie glasige Stellen. Besser erst im Treppenhaus langsam wärmer werden lassen. In kühlen Gegenden bei arktischen Temperaturen oder schlechter geeigneten Aussenräumen kann man die Apfelkisten notfalls doch noch in den Keller schaffen, wenn die Wettervorhersage drastische Tiefsttemperaturen verkündet. Bei uns kam das in vielen Jahren nur einmal vor. Für ein paar Nächte kann man auch einen Frostwächter, eingestellt auf niedrigste Einschalttemperatur nutzen. Dessen Betrieb, elektrisch oder mit Gas kostet für ein paar Kältenächte nicht viel. Richtig heizen muss man nicht; es reicht bereits aus, die Temperatur um wenige Grad anzuheben. Man kappt nur die extremen Minustemperaturspitzen.
Welches Obst profitiert?
Birnen zeigten unterschiedliche Langlagerergebnisse. Leider habe ich zu wenig Lagersorten, um das wirklich breit auszuprobieren. "Gräfin von Paris" war anfällig gegen kondensierende Feuchtigkeit. Mehr als bei Äpfeln war es wichtig, dass die Früchte einwandfrei und schorffrei sind. Im Grosslager bekommen Birnen niedrigere Lagertemperaturen wie Äpfel, könnte sein dass die Temperaturen bei Birnen wichtiger sind wie andere Faktoren.
Neun Kisten fertig zur Einlagerung |
Jonagold. Hier lohnt es sich weniger. |
Ausblick
Vieles kann noch ausprobiert werden. Interessant wäre es, die Kisten in die Folien zu stellen statt die Folien über die Kisten zu ziehen, dann oben teilweise zuziehen. Dazu wären Folien mit Reissverschluss gut. Wünschenwert wäre eine Atmosphäre mit höherem Kohlendioxidgehalt um das Obst herum. Dieses Gas ist schwerer wie Luft, bei Gasdichtigkeit nach unten könnten sich höhere Konzentrationen ansammeln ohne dass Wasserkondensation stattfindet. Denn man hat eher zu viel Feuchtigkeit und zu wenig CO2 unter der Folie.
Ein Versuch mit Quitten steht ebenfalls noch aus. Und schliesslich wäre es interessant, mittels einer CO2-Gasflasche, wie man sie für Aquaristik oder Zapfanlagen kaufen kann, von Anfang an ein künstlich CO2 angereichertes Folienklima zu erzeugen. Um das dosieren zu können wäre aber ein CO2 Messgerät nötig. Vorsicht, einige billige Geräte können keine höheren Konzentrationen messen, sie "drehen durch", die billigen Geräte chinesischer Provenienz schaffen in der Regel trotz anderslautender Behauptungen nur bis 3% Messbereich.
Die beste Erkenntnis: Ein Apfelbaum wächst leichter wie gedacht, gute Lagerung ist leichter wie gedacht.
Super Bericht! Dieses Jahr muss ich mir erstmals Gedanken um eine Lagerung machen, da meine Apfelbuschbäume in das Ertragsalter kommen. Bis jetzt stehen sie - einzeln in Zeitungspapier gewickelt - in Stiegen im ungeheizten, meist frostfreien Wintergarten.Folienabdeckung muss ich mal ausprobieren.
AntwortenLöschenKühler Wintergarten als Ort für Lagerkisten unter Folie ist schon mal sehr gut für den Winter. Auch wenn im Frühling die Sonne wieder rein scheint und ihn ab März aufheizt, so lohnt es sich immer noch. Der Qualitätsunterschied ist schon recht früh ab Spätherbst deutlich. Weniger Schrumpelei, frischerer Geschmack.
AntwortenLöschenIch habe dieses Jahr zum ersten Mal genügend Äpfel verschiedener Lagersorten, um die - bei gleichen Lagerbedingungen - gegeneinander zu testen. Im Moment - feuchtes Novembergrau bei 2-4 Grad plus am Tag - sind die Lagerbedingungen wirklich ideal und ob ich bis März noch welche habe... Grüße Vogelsberg
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