Donnerstag, 1. November 2018

Äpfel und Birnen lange lagern ohne kühlen Keller

Das zweithäufigste Argument gegen eigenen Kernobstanbau ist meistens des Satz "Ich kann es doch gar nicht lagern". Wohin mit dem leckeren Apfel- und Birnensegen guter Wintersorten, die man im Oktober vom Baum holt und die ohne kühlen Keller bald schrumpelig werden und abgebaut schmecken?

Das Grosslager und die Zeit vor dem Grosslager


Früher war es einfacher, kaum ein Haus war ohne tiefen Gewölbekeller, kühl aber frostfrei; hohe Luftfeuchtigkeit durch einen Lehmboden aber nicht nass. Äpfel von Ende Juli bis Mai; ab Oktober aus dem Lagerkeller. Selbst in keltischer Zeit waren schon Erdkeller in Hüttennähe zur Lagerung von Lebensmitteln massenhaft verbreitet, geformt wie eine Flasche, Einstieg mit einer einfachen Leiter von oben. Einfamilienhäuser aus den 1930er Jahren hatten noch ausnahmslos einen extra Kellerraum mit unverfugtem Stein- oder Lehmboden, der noch einen Meter tiefer lag wie der Rest des Kellers. Ab den 1960er Jahren war das komplett vorbei, seither hat praktisch kein neu gebautes Gebäude mehr einen kühlen Keller vorgesehen. Gekühlt wird seither mit Strom. Kernobst wird nur noch kommerziell mit hohem technischem und energetischem Aufwand in Grosslagern gelagert, das Obst per Lastwagen von weit her zu den Blechhallen in Industriegebieten an- und abgefahren, nach genauem Verfahren langsam ein- und ausgelagert, elektrisch gekühlt, technisch luftfeuchtekontrolliert, mit künstlicher Atmosphäre begast, mit Chemikalien wie 1-Methylcyclopropen (1-MCP, Handelsname "Smartfresh") behandelt, die Frische trotz Überlagerung vortäuschen und dergleichen mehr. MCP wird mittlerweile auf Alles angewendet, auch Kurzlagerung, von tropischen Früchten wie Papayas bis Steinobst wie Zwetschgen. Damit sieht die Ware im Supermarkt länger frisch aus. Wir sollen dies alles fleissig kaufen, essen und nicht zu viele Fragen stellen.

Heutige Lagermethoden für den kleinen Maßstab


Kiste mit Brettacher, frisch geerntet
Mit Lagerungsproblemen habe ich mich auch lange herumgeschlagen und allerlei auspobiert. Ideen kursieren da viele: Apfelkisten in Lichtschächte stellen mit Isolationsmaterial obendrauf oder in eingegrabenen grossen Regen- oder (unbenutzten, sauberen) Mülltonnen sind zwei Beispiele. Ein Bekannter hatte sogar einen Reihenhaus-Betonkellerraum rundum isoliert und mit Kälteaggregat dauergekühlt. Auch die Lagerung von Äpfeln in Folienbeuteln wird schon lange als Tipp gehandelt. 1-5 Kilo Äpfel werden in Folienbeuteltaschen gefüllt, verschlossen und die Beutel mit kleinen Löchern perforiert. Die Luftfeuchtigkeit steigt im Beutel, die Äpfel werden langsamer schrumpelig. Ihr Stoffwechsel geht weiter, sie veratmen Sauerstoff darin, produzieren Kohlendioxid, dessen Konzentration im Beutel ebenfalls steigt, so dass sich Atmung und Reifeprozess selbst bremsen. Die kleinen Löcher sorgen für weitere, aber verminderte Sauerstoffzufuhr. Ganz ohne Sauerstoff faulen die Äpfel, sie ersticken regelrecht. Damit kann man zu hohe Lagertemperaturen etwas kompensieren, die sonst zu erhöhter Stoffwechselrate führen. Je wärmer der Lagerraum, desto mehr Löcher, denn der Mindest-Grundumsatz der Äpfel ist bei höheren Temperaturen ebenfalls höher, sie brauchen dann mehr Sauerstoff um nicht zu ersticken. Mehr Stoffwechsel bedeutet aber auch schnellere Alterung. Erstickte Äpfel bekommen Kavernern, schmecken erst gärig, dann faulen sie. Diese Methode ist es, mit der ich einige Jahre lang experimentiert habe um ein paar ihrer Nachteile wie das Kondenswasserrisiko oder die Unhandlichkeit zu beseitigen. Heraus kam eine Folienhaubenlagerung. Die Ergebnisse sind überaus positiv.

Folienhaubenlagerung: So gehts in Kürze


Zwei Apfelkisten übereinander mit Folienhaube
Hier die Kurzfassung: Die Äpfel werden nach der Ernte trocken in Lagerkisten gelegt, direkt auf den Boden gestellt, die Kisten übereinander gestapelt. Nach etwa drei Wochen werden sie auf Fäulnis einzelner Früchte geprüft, die faul gewordenen Äpfel aussortiert. Dann wird eine Folienhaube über die gestapelten Kisten gezogen. Die Haube liegt locker am Boden an, absichtlich nicht dicht schliessend sondern nur locker aufgelegt. Zur Entnahme von Äpfeln zieht man die Folie nach oben ab, nimmt sich die benötigte Portion Äpfel heraus und streift die Folie wieder drüber.

Geeignete Räume


Alle Räume ausserhalb der thermischen Hülle eines Hauses mit Steinboden sind optimal: Garagen, Gartenhäuser, mausfrei sollten sie aber sein und dicht nach draussen, um Frost im Raum zu verzögern. Weniger gut aber möglich sind noch normale Kellerräume, kühler ist natürlich besser. Ich nutze unsere Garage mit Betonboden, die ist sowieso mit Imkereizubehör besetzt, das Auto steht wie bei den meisten Imkern nicht drin, sondern davor. Der nackte Betonboden sorgt für Temperaturausgleich.

Optimale Lagerkisten und Folienhauben


Auf vorhandene Griffmulden achten
Kleine Querlatte am Boden hilft viel
Die früher überall verbreiteten billigen Apfelkisten aus unbehandeltem Holz sind nirgends mehr im Nutzgebrauch, man bekommt sie kaum mehr. Apfelkisten für 10-20kg Äpfel sind aber optimal. Erst habe ich dünnwandige Apfelkisten aus Holz gekauft, die aber schnell zerbrochen sind, zu gross und nicht gut stapelbar waren. Dann massive Obstkisten mit den Massen 49 x 42 x 31cm, Wandstärke 10mm. Verkauft werden solche Kisten zur Dekoration, Aufbewahrung, als Möbelstück und sie kosteten rund 13 EUR pro Stück. Die Qualität wechselt, aber sie sind brauchbar. Vorsicht, es gibt verschiedene Anbieter mit auf den ersten Blick gleich aussehenden Kisten. Darauf achten, dass die Kiste eingesägte Mulden als Griffe und  vor allem eine Querlatte an der unteren Kante hat. Holz als Material ist gut, es enthält keine Fremdstoffe und wirkt feuchtigkeitsausgleichend. Von Plastik und Kartons ist abzuraten. Kartons aus dem Supermarkt sind sogar manchmal imprägniert - das will man nicht an Äpfeln. Plastik ist ungünstig, wenn es doch mal Schwitzwasser gibt, es nimmt keine Feuchtigkeit auf. Plastikkisten sind lieferbar, aber meiner Erfahrung nach schimmelt es da drin leichter bei Folienlagerung, deren Sinn es ist, eine höhere Luftfeuchtigkeit im Inneren zu halten.

Wem die Kisten zu gross sind und lieber gute Zugreifbarkeit statt grosser Mengen will, der kann auch flache und gut stapelbare Apfelstiegen nehmen, die manchmal in Behindertenwerkstätten gefertigt werden, billig sind die natürlich auch nicht, pro Kilo Äpfel die teuerste Methode. Beispiel: Die Apfelstiege der Tischlerei-Werkstatt der Lebenshilfe Lemgo.

Meine Folienhauben bzw. Folienhüllen waren der "Abfall" eines Matratzenkaufs. Matratzen sind damit eingepackt. Solche einfachen LD-Polyethylenhüllen mit 0,03mm oder 0,05mm Wandstärke werden auch für andere Möbelverpackungen verwendet. Man kann sie in verschiedenen Grössen kaufen, die unterschiedlichen Grössen sind oft nach dem Verwendungszweck bezeichnet: Bettenhüllen, Matratzenhüllen, Sesselhüllen, Couchhüllen. Mit diesen Stichworten findet man jede Menge Verkäufer.

Die Details und mehr Hintergründe

2x2 Kisten unter Folie Mitte März.
Knackfrische Äpfel!

Die Äpfel bleiben durch mehrere Faktoren deutlich länger frisch und knackig:
  • Unter der PE-Folie steigt die Luftfeuchtigkeit an. Davon profitieren welkgefährdete Sorten ganz enorm. Das betrifft zum Beispiel viele Renetten, die eine raue Schale haben, durch die viel Wasser verdunstet. Solche Sorten sind aromatisch und qualitativ erstklassig, welken aber schnell, werden schrumpelig. Unter der Folie verzögert sich das um Monate. Sollte unter der Folie Feuchtigkeit kondensieren (das ist am ehesten nach der Einlagerung der Fall, wenn die Äpfel noch sehr frisch sind, deshalb noch etwas länger ohne Folie stehen lassen), kann man die Folie zeitweise etwas anheben, damit den Luftaustausch beschleunigen und die Kondensation stoppen. Wer vorsichtig sein will, legt einen Feuchtigkeitsmesser auf die Äpfel, dann sieht man sofort ob man zuviel oder zu wenig Feuchtigkeit im Kistenstapel hat. Das habe ich probiert, die Luftfeuchte lag im Schnitt bei 90%. Ein idealer Wert für ein Lager, der auch im Grosslager eingehalten wird. Öffnet man die Folienhaube, dann steigt sie in nur zwei Stunden wieder auf 90%.
  • Die Folie behindert den Gasaustausch. So wie beim Folienbeutel steigt der CO2-Gehalt durch die Atmung der Äpfel an, je nach dem wie dicht die Folie zum Boden hin abschliesst. Ich habe das mit einem CO2-Messgerät mal gemessen. Aussenluft hat etwa 0,04% Kohlendioxidgehalt. Die Kohlendioxid-Konzentration unter der Folie stieg um 200ppm pro Stunde stetig an, Gesamtgehalt also nach einer Stunde 0,06%, nach einem Tag 0,5%. Das Maximum lag nach einigen Tagen bei 3%, was sicher von der Foliendichtigkeit nach aussen abhängt und je nach Situation stark schwankt. Die Atmosphäre in kommerziellen Lagern hat einen noch viel niedrigeren Sauerstoff- und 5-25% Kohlendioxidgehalt. Dieser Wert wird unter Folie nicht erreicht, ausser man schliesst sehr dicht. Dann bekommt man aber mehr Kondenswasserrisiko. Trotzdem nutzt der erhöhte Gehalt bereits etwas und verlängert die Lagerfähigkeit.
  • Brettacher, Mitte März.
    Unter Folie mit Bodenkontakt sind die Äpfel besser gegen tiefen Frost geschützt. Deshalb darf man die Kisten zum Beispiel nicht auf Tische stellen. Dort wären sie zwar unerreichbar für Mäuse, aber ohne Bodenkontakt kühlen sie in ungeheizten Aussenräumen stärker ab. Massiver Boden gleicht Temperaturen aus, wirkt sowohl gegen kalte Nächte wie warme Tage.
Auch unter Folienhauben faulen einzelne Äpfel, aber nicht mehr wie ohne Folienhaube. Zweimal in der Lagersaison sollte man umschichten und faulendes Obst aussortieren. Das ist kein Problem, die Hauben lassen sich leicht komplett abziehen. Sehr wichtig ist, dass der Ort mäusesicher ist. Sich einnistende Mäuse verderben sehr schnell ganze Kisten mit Fraßspuren und Mäusekot. Dieses Problem hat man auch bei anderen Lagerformen, dem erwähnten Lichtschacht, Erdkellern, der Gartenhütte.

Zwei bis drei Kisten kann man übereinanderstapeln. So ist der Platz und die Folie gut ausgenutzt, ohne dass die Apfelentnahme zu unhandlich wird.

Frostschutz?


Selbst tiefe Nachttemperaturen und Dauerfost im Freien führten in der Garage unter der Folienhaube auf Steinboden nur zu leichtem Frost. In einer Nacht mit -14°C Aussentemperatur hatte ich -5°C in der Garage und -3°C unter der Folie. Das vertragen Äpfel problemlos. Nur die Auslagerung gefrorener Äpfel sollte langsam geschehen, sonst bekommen sie glasige Stellen. Besser erst im Treppenhaus langsam wärmer werden lassen. In kühlen Gegenden bei arktischen Temperaturen oder schlechter geeigneten Aussenräumen kann man die Apfelkisten notfalls doch noch in den Keller schaffen, wenn die Wettervorhersage drastische Tiefsttemperaturen verkündet. Bei uns kam das in vielen Jahren nur einmal vor. Für ein paar Nächte kann man auch einen Frostwächter, eingestellt auf niedrigste Einschalttemperatur nutzen. Dessen Betrieb, elektrisch oder mit Gas kostet für ein paar Kältenächte nicht viel. Richtig heizen muss man nicht; es reicht bereits aus, die Temperatur um wenige Grad anzuheben. Man kappt nur die extremen Minustemperaturspitzen.

Welches Obst profitiert?


Birnen zeigten unterschiedliche Langlagerergebnisse. Leider habe ich zu wenig Lagersorten, um das wirklich breit auszuprobieren. "Gräfin von Paris" war anfällig gegen kondensierende Feuchtigkeit. Mehr als bei Äpfeln war es wichtig, dass die Früchte einwandfrei und schorffrei sind. Im Grosslager bekommen Birnen niedrigere Lagertemperaturen wie Äpfel, könnte sein dass die Temperaturen bei Birnen wichtiger sind wie andere Faktoren.

Neun Kisten fertig zur Einlagerung
Zu Äpfeln ein Vergleich mit "Brettacher", meiner langjährigen Hauptsorte: Im warmen Betonkeller war Januar, Anfang Februar Lagerende. Die Äpfel schrumpelten trotz der sortentypisch guten Wachsschicht auf der Schale schnell und bauten ab. In der Garage gelagert fand ab Februar eine zunehmende Verschrumpelung und Abbau statt, Lagerende Anfang April. Mit der Folienhaube in der Garage gelagert hatten die Brettacher bis März einwandfreie Qualität, erst im April gab es deutlicheren Abbau, letzte Äpfel Anfang Mai essbar.

Jonagold. Hier lohnt es sich weniger.
Noch stärker lagen die Unterschiede bei der hier häufigen Sorte "Zabergäu Renette", einem vollberosteten Apfel. Hier bleiben die Äpfel sogar mehr als zwei Monate länger gut. Weitere Versuche habe ich mit Wintertaffetapfel, Gloster, Jonagold, Idared, Glockenapfel, Boskoop, Gewürzluiken und anderen Sorten in geringerer Menge gemacht. Folienhauben verbessern die Lagerungdauer und Qualität bei Äpfeln generell erheblich. Weniger sinnvoll ist sie bei Herbst- und Weihnachtsäpfeln. Sorten, die sowieso nicht lange lagerfähig sind sollte man besser schnell essen, wenn sie noch höchste Qualität haben. Sorten wie Jonagold, Elstar und Goldparmänen sind Grenzfälle, im Naturlager bis Dezember oder Januar haltbar gewinnen sie zwar unter Folie, aber die feine sortentypische Blumigkeit wird trotzdem abgebaut.

Ausblick


Vieles kann noch ausprobiert werden. Interessant wäre es, die Kisten in die Folien zu stellen statt die Folien über die Kisten zu ziehen, dann oben teilweise zuziehen. Dazu wären Folien mit Reissverschluss gut. Wünschenwert wäre eine Atmosphäre mit höherem Kohlendioxidgehalt um das Obst herum. Dieses Gas ist schwerer wie Luft, bei Gasdichtigkeit nach unten könnten sich höhere Konzentrationen ansammeln ohne dass Wasserkondensation stattfindet. Denn man hat eher zu viel Feuchtigkeit und zu wenig CO2 unter der Folie.

Ein Versuch mit Quitten steht ebenfalls noch aus. Und schliesslich wäre es interessant, mittels einer CO2-Gasflasche, wie man sie für Aquaristik oder Zapfanlagen kaufen kann, von Anfang an ein künstlich CO2 angereichertes Folienklima zu erzeugen. Um das dosieren zu können wäre aber ein CO2 Messgerät nötig. Vorsicht, einige billige Geräte können keine höheren Konzentrationen messen, sie "drehen durch", die billigen Geräte chinesischer Provenienz schaffen in der Regel trotz anderslautender Behauptungen nur bis 3% Messbereich.

Die beste Erkenntnis: Ein Apfelbaum wächst leichter wie gedacht, gute Lagerung ist leichter wie gedacht.

3 Kommentare:

  1. Super Bericht! Dieses Jahr muss ich mir erstmals Gedanken um eine Lagerung machen, da meine Apfelbuschbäume in das Ertragsalter kommen. Bis jetzt stehen sie - einzeln in Zeitungspapier gewickelt - in Stiegen im ungeheizten, meist frostfreien Wintergarten.Folienabdeckung muss ich mal ausprobieren.

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  2. Kühler Wintergarten als Ort für Lagerkisten unter Folie ist schon mal sehr gut für den Winter. Auch wenn im Frühling die Sonne wieder rein scheint und ihn ab März aufheizt, so lohnt es sich immer noch. Der Qualitätsunterschied ist schon recht früh ab Spätherbst deutlich. Weniger Schrumpelei, frischerer Geschmack.

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  3. Ich habe dieses Jahr zum ersten Mal genügend Äpfel verschiedener Lagersorten, um die - bei gleichen Lagerbedingungen - gegeneinander zu testen. Im Moment - feuchtes Novembergrau bei 2-4 Grad plus am Tag - sind die Lagerbedingungen wirklich ideal und ob ich bis März noch welche habe... Grüße Vogelsberg

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