Sonntag, 29. August 2021

Und wieder neue Auberginensorten

Einige der diesjährigen Auberginensorten

Melonen, Paprika, spezielle Kürbisse und Auberginen sind meine Lieblingskulturen im Garten. Bei ihnen besteht eine ganz besonders grosse Differenz zu gekaufter Ware in Sachen Qualität, Aromen und Vielfalt. Auberginen traut man das zunächst gar nicht zu, aber von Jahr zu Jahr erlebt man spannendere und immer noch mehr leckere Sorten, wenn man viel ausprobiert.

So auch dieses Jahr. Ein gutes Auberginenjahr im Freiland ist es aber nicht so recht, das Frühjahr war viel zu kalt, dann viel Regen und mässige Temperaturen. Aber im Gewächshaus sind sie dafür so stark wie nie, während in den anderen Jahren die Hitze dort so gross ist dass sie bereits leiden. Und natürlich habe ich neben bekannt guten Sorten auch wieder nach neuen Sorten gefischt, immer eine Pflanze je Sorte im Gewächshaus und die übrigen im Freiland, um zu sehen wo was gelingt.



White Knight

Aubergine White Knight Früchte

Der weisse Ritter mit dem kleinen Schwert, das ist White Knight. Sie ist ein Massenträger, so wie "White Egg" und ähnelt ihr auch in den Wuchseigenschaften. Sie kann kontinuierlich fruchten, man erntet praktisch dauernd. Dabei kommt trotz der kleinen, langgezogen und manchmal keulenförmigen Früchte durchaus was zusammen. Das schafft sie auch im Freiland, wo aber die Früchte und Pflanze kleiner bleiben. Die Pflanzen sind sehr gesund. Grössere Pflanzen schaffen auch grössere Früchte bis etwa Bananengrösse. Generell ist die Fruchtgrösse ziemlich unterschiedlich. Aber alle bleiben weiss, im Freiland mehr beige, zeigen ein dekoratives Aussehen. Wahrscheinlich auch gut für Topfkultur geeignet. Gebraten sind sie sehr gut, mit etwas Aroma, aber aufgrund der Form für einige andere Gerichte wie Aufläufe nicht so gut verwendbar und innen etwas weich, obwohl sie nicht zerfallen. Man erntet sie unabsichtlich oft zu spät, der Reifezustand ist nicht gut zu erkennen. Dann haben sie unangenehme Kerne. Ideale Anfängersorte.
Fruchtqualität Note 3+, Optik Frucht Note 2+, Pflanze 1-2

Pyatachok

Aubergine Pyatachok überreif

Ein lustiger Name für ein lustiges Pflänzchen mit exzellenter Fruchtqualität und guten, frühen Erträgen. "Pyatachok" ist russisch und bedeutet "Schweinchen" oder "Ferkel". Irgendwie erinnern die Früchte auch daran. Es sind Viele. Grössere Pflanzen ernähren problemlos 10 und mehr Auberginenfrüchte. Die Fruchtgrösse und -Form ist ein Mittelding zwischen einigen asiatischen und europäischen Sorten: Oval bis rund, eher klein, aber alle einander recht ähnlich gross, wenig Differenzen.

Sie wächst im Freiland wie im Gewächshaus gut und setzt zuverlässig Früchte an. Der Wuchs ist mittel bist stark, im Gewächshaus können die Pflanzen auch hoch werden. Ein Nachteil ist ihre Grauschimmelanfälligkeit im Gewächshaus, auch im Freiland ist die Blattgesundheit nicht allzu hoch. Gegen Grauschimmel hilft Luftfeuchte senken. Trotzdem können beispielsweise herabgefallene Blütenreste auf Blätter Grauschimmel-Löcher "hineinbrennen".

Die Früchte bekommen im Gewächshaus einen vornehmen hellvioletten Schimmer auf weissem Grund, im Freiland werden sie kräftig violett. Das Fruchtfleisch ist ausgesprochen fest, kompakt und bleibt beim braten stabil. Aromatisch ist ist auch, aber nicht bitter. Hängen die Früchte zu lange, bildet sich eine sternförmige Kaverne innen. Für Aufläufe ist sie erste Wahl, auch wenn die Fruchtscheiben klein sind und mehr Arbeit beim braten machen. Eine schöne Sorten, sehr anbauwürdig.
Fruchtqualität Note 1, Optik Frucht Note 1-, Pflanze 3

Pyatachok ohne Überreife brät sich sehr gut, bleibt fester

 

Kamo

Aubergine Kamo, Scheiben

"Kamo" ist ein Spezialfall von Aubergine. Die Sorte ist sehr alt, kommt aus Kamikamo und Nishikamo bei Kyoto / Japan und hat dort einen sehr guten Ruf. Es gibt einige Spezialitätenrezepte, die nur mit diesem Typ Aubergine gelingen, der in Europa unbekannt ist.

Ihr Wuchs ist bei mir zögerlich, auch der Fruchtansatz, aber sie scheint gesund zu sein. Ihre erste Besonderheit fällt sofort auf und ist fühlbar: Sie hat üble Stacheln, auch an Stellen an denen andere Kultursorten niemals welche haben. So sind sogar die Blätter bestachelt. Greift man an den Fruchtstiel, so greift man in böse Stacheln hinein. Vorsicht also beim anfassen, mit Kamo ist nicht zu spassen. Im Gewächshaus gedieh sie besser wie im Freiland, sie braucht aber viel Licht und erreicht nicht viel Höhe, man sollte sie nicht hinter höhere Pflanzen setzen. Kann sein, dass das in anderen Jahren anders läuft, mehrjährige Erfahrungen habe ich mit dieser Sorte noch nicht, werde sie aber bekommen, denn sie bleibt im Anbauprogramm.

Kamo unten, Pyatachok oben

Ihre Früchte sind mittelgross, einige bleiben auch kleiner. Die Form ist rund bis breit tropfenförmig, wie eine volle Tüte. Nur im Freiland wird sie flächig violett, im Gewächshaus bleibt die Grundfarbe grün mit einer mehr oder weniger starken violetten Auflage. Das sieht immer unreif aus. Rauhe Stellen hatte sie bei mir auch, offenbar hat sich die Frucht an den eigenen Stacheln anderer Pflanzenteile verletzt. Schön regelmässig sind die Früchte selten. Nimmt man sie aber (vor den Stacheln geschützt) in die Hand, spürt man sofort ihre zweite Besonderheit: Sie sind schwer! Ihre Konsistenz ähnelt eher einem Apfel wie einer der weichen europäischen Sorten. Sie ist richtig fest, hat sehr dichtes aber saftiges Fruchtfleisch, bricht auch leichter. Ihr Aroma hat eine süsse Komponente, wirkt fruchtig, kräftig, es ist die reine Auberginenessenz und stärker als bei jeder anderen Sorte. Brät man die Stücke, so bleiben sie auch formstabil, noch besser wie Pyatachok. Im Mund ist sie markig bis sämig, man kann sie mit der Zunge zerreiben. Die Kerne sind vorhanden, aber klein und lange weichbleibend. Richtig störende Kerne habe ich nie festgestellt, was bei andern Sorten ab einem gewisse Reifezustand die Regel ist. In Japan wird sie gerne mit Miso zubereitet, auch süsslich. Sehr gut für Topfkultur geeignet, ausgepflanzt im Freiland oft geringer Ertrag.
Fruchtqualität Note 1+, Optik Frucht Note 3, Pflanze 3-4

Vorsicht, brutale Aubergine. Kamo hat Stacheln.


Snake of Mugla

Aubergine Snake of Mugla

Ein lustiges Pflänzchen, idiotischerweise amerikanisch benannt nach einer türkischen Stadt, aber dieser Typ Aubergine ist weiter im Osten schon lange verbreitet. Aus irgendeinem Grund keimten die Samen aus zwei verschiedenen Quellen schlecht, ich hatte dann weniger Pflanzen wie ich wollte.

Blätter zwischen steil und lappig

Auffallend ist ihr seltsamer Wuchs, immer wieder ragen ihre Blätter steil nach oben und knicken dann lappig hängend wieder nach unten. Aber sie wächst stark, eine hoch wachsende Sorte, fast zu stark fürs Gewächshaus, wo sie bei 1,80m an der Dachschräge angestossen ist. Im Gewächshaus war sie leider auch die Sorte, die alle Krankheiten am stärksten angezogen hat, Spinnmilben, Kräuselmilben, dann kamen Läuse. Bis zum Fruchtansatz dauert es lange. Sie hatte auch Probleme beim Ausreifen, denn ab und zu faulten die Früchte vom Fruchtkelch her, von oben. Das passierte durchgängig während der gesamten Vegetationszeit, unabhängig davon ob es feucht oder trocken, kühl oder heiss war. Letztlich waren es relativ zur grossen Pflanze nur wenige Früchte, die erntefähig waren. 

Wenn man sie anbaut, dann wegen der Fruchtform, tiefviolett, schlangenartig und sehr lang und schmal, bis zu einem halben Meter bei mir. Spektakulär. Aber nicht alle Früchte werden so, manche "verhocken" krumm und kurz. Ihr Geschmack und die Kocheigenschaften sind aber nur einfach, so wie viele in der Türkei populäre Sorten. Brauchbar ist sie schon, sozusagen Auberginen-Standardware. Späte Früchte können auch dicker und kürzer bleiben.
Fruchtqualität Note 2-3, Optik Frucht Note 1-, Pflanze 2-3

Links: Frucht und Faulstellen. Rechts: Lappige Steilblätter

 

Noch eine Krankheit

Kräuselmilben an Aubergine

Nicht nur Sorten sind überraschend, sondern auch Krankheiten. Dieses Jahr haben sich die Auberginen im Gewächshaus erstmalig eine Art Kräuselmilbe eingefangen, die Blätter in pockennarbige Kraterlandschaften verwandelt hat. Aber ich konnte auch mit der Lupe keine Tiere finden. Es gab zwei Befallswellen, die Erste bereits Anfang Juli. Glücklicherweise wurden die Schädlinge aber von der Behandlung gegen Spinnmilben mit Neemöl mit erfasst und der Blattbefall stoppte.

Die Spinnmilbenbehandlung ist sowieso obligatorisch. Kühle Jahre wie dieses Jahr sind da von Vorteil, erstens vermehren sie sich nicht so schnell und zweitens gelingt die Behandlung mit Neemöl besser. Neemöl verliert die Wirkung oberhalb 25°C und in Sonne. In den letzten Hitzejahren musste man sich Nachts ins Gewächshaus schleichen, um Neemöl anzuwenden, in diesem Jahr ist kein Mangel an trüben, kühlen Tagen.

Sorten und Erfahrungen der letzten Auberginenjahre:
https://gartenzone.blogspot.com/2019/08/noch-mehr-auberginensorten.html
https://gartenzone.blogspot.com/2017/09/auberginen-ohne-ende-kohl-am-ende.html

Alle Beiträge: https://gartenzone.blogspot.com/search/label/Auberginen

Auberginenblüte

Sonntag, 22. August 2021

Das Tafeltrauben-Pilzjahr: Echter und falscher Mehltau

Falscher Mehltau, Spätstadium an Blättern -
Alles zu spät im August

Das Jahr hat wieder einmal mehrere Wetterrekorde gebrochen. Ein anhaltend saukalter Frühling bis Anfang Juni, dann kurz brüllende Hitze, schliesslich Niederschlagsrekorde mit anschliessendem Rekord-Hochwasser in manchen Gegenden, das Wetter bringt offenbar immer mehr Extreme. Für Tafeltraubenfreunde hat es sich als ein Jahr entpuppt, das extremen Befallsdruck von echtem Mehltau (Uncinula necator) mit sich bringt und sehr hohen Befallsdruck von falschem Mehltau (Peronospora, Plasmopara viticola). 

 

Woher kommt der Mehltau?

Man kann es sich heute kaum mehr vorstellen, aber Weinbau war einst jahrtausendelang eine ausgesprochen gesunde Kultur, die nur Frost und ein bisschen den Traubenwickler und Motten zu fürchten hatte. Das änderte sich grundlegend, nachdem der Mensch in seiner schier unbegenzten Dummheit drei absolute Katastrophen vom amerikanischen Kontinent ins Herz des Weinbaus nach Europa importiert hat: Die Reblaus, den echten Mehltau an Weinreben und den falschen Mehltau. Echter Mehltau machte den Anfang, er wurde 1845 nach Europa geholt. Um 1865 folgte die Reblaus, wieder mit importierten Rebstöcken. Sie brachte den europäischen Weinbau nach den schweren Mehltauschäden vollends an den Rand des Zusammenbruchs. Und weil Fehler so gerne wiederholt werden, importierte man anschliessend noch den falschen Mehltau mit Unterlagsreben im Jahre 1878. Seither gleicht der Weinbau einer Dauerschlacht, in der mit massenhaft Chemikalien, ständigen Züchtungsversuchen und biotechnischen Methoden den Pflanzen gegen Krankheitsangriffe ein Ertrag abgepresst wird, zumal der Import von noch mehr Krankheiten folgte und den Weinbau noch weiter "bereicherte". Alles diese Krankheiten bleiben. Es gibt kein einziges Problem, das man wirklich wieder losgeworden ist. Im allerbesten Fall sind die Probleme "beherrschbar" geworden, was aber ebenso Zeit, Geld und Mühen kostet.


Echter Mehltau an Wein, Oidium, Uncinula necator

Oidium, echter Mehltau an
Weinbeeren, Juli

In unseren Breiten ist echter Mehltau (auch Oidium genannt, der auslösende Pilz heisst an Uncinula necator) Tafeltrauben der häufigste Spielverderber. Es gibt nur sehr wenige Tafeltraubensorten, die wirklich mehltaufrei bleiben. Seit langer Zeit versucht man mit der Einkreuzung anderer Rebenarten, gute Resistenz mit der den guten Geschmacksqualitäten europäischer Reben zu verbinden. Das gelingt meistens nur teilweise. In Traubenforen, bei Händlern, Züchtern, Vermehrern sind die Resistenzeigenschaften der verschiedenen Sorten ein Endlosthema. Dieses Jahr war der Infektionsdruck so stark, dass nur in absoluten Gunstlagen mehr als ein paar Sorten ohne Mehltau blieben. Hier waren das Venus, Lakemont, Muskat Blau, Sirius. In meinen Tafeltraubentests habe ich ausführlichere Beschreibungen zu den Sortenanfälligkeiten.

Das Krankheitsbild ist einfach und entspricht dem Wort. Die Beeren und manchmal auch Blätter bekommen oft schon ab Juli einen weissen Belag, wie mit Mehl bestäubt. Blätter können aber auch Aufhellungen zwischen den Leitungsbahnen bekommen. Das kann sogar schon in oder gleich nach der Blüte beginnen oder eben später, wenn das Wetter entsprechend ist. Die geschädigten Blätter assimilieren weniger, sterben früh ab und an den Beeren verhärtet sich die Schale, früher oder später platzen sie deshalb auf. Echter Mehltau kann jeder schnell diagnostieren. 

Dem Mehltaupilz gefallen Lagen, die nicht windoffen sind. Beispielsweise an einer windstoppenden Eckmauer, vor dichten Hecken die auch noch Feuchtigkeit verbreiten. Er liebt ferner Gewitterlagen, trockenwarm bei gleichzeitig hoher Luftfeuchtigkeit, Schwüle, nachts Tau. Das hatten wir dieses Jahr seit Anfang Juni dauernd, praktisch jeden Tag.

Echter (Aufhellungen Blattmitte) und falscher Mehltau
(Nekrosen vom Rand her) an Weinblättern, August


Falscher Mehltau an Wein, Peronospora, Plasmopara viticola

Peronospora, Beginn Traubenbefall

Eine andere Pilzart nennt sich Plasmopara viticola, die Krankheit die er auslöst falscher Mehltau oder Peronospora. Der Pilz gehört zur selben Klasse wie Braunfäule an Tomaten und Kartoffeln und die fatalste Blattkrankheiten an Melonen und Gurken. Er liebt Nässe. Feuchter Boden, anhaltend feuchte Blätter durch Tau oder Regen, schon fliegen die Sporen und keimen auf der Pflanze aus. Trockene und schnell abtrocknende Lagen sind wenig gefährdet. 

Auch hier ist die Diagnose einfach. An der Oberseite der Blätter zeigen sich Aufhellungen, sogenannte "Ölflecken". Der Sporenrasen ist mehlig und ausschliesslich an der Unterseite der Blätter zu sehen. Junge Beeren bekommen weisse Beläge, was mit dem echten Mehltau verwechselt werden kann, ältere Beeren werden zu Lederbeeren, vertrocknen. 


Die Verteidigung

Erste Verteidigungslinie für den Nutzgärter ist Sorten- und Pflanzortwahl. Sortenwahl ist am einfachsten, ich habe lange Jahre nur Sorten gepflanzt, die wenig anfällig waren und auch in Kauf genommen, ab und zu Ernteausfall zu haben. Bei sehr robusten Sorten wie Muskat Blau passiert das fast nie. Die Sorten habe ich bis heute, aber am liebsten in einem Aussengarten, weil man dort sowieso nicht ständig hinkommt, um gegenzusteuern. Dort muss die Rebe mit wenig Aufsicht wachsen und fruchten können. Mit der Zeit wollte ich jedoch auch Sorten mit einer grösseren Aroma- und Reifebandbreite und damit kamen dann auch empfindlichere Reben, die nur jedes zweites Jahr ohne Ernteausfall waren. In den Tafeltrauben-Tests stehen auch Erfahrungen mit Krankheitsanfälligkeiten. Wer reine Europäerreben pflanzen will, wozu Spitzensorten wie der Muskattrollinger oder manche Muskatellervarietäten gehören, hat praktisch jedes Jahr Krankheitsärger, denn reine Vitis Vinifera - Reben sind noch empfindlicher.

Für den Pflanzort gilt: So tauarm wie möglich, so windoffen von allen Seiten wie möglich, so viel Sonne (vor allem Morgensonne) wie möglich. Eine Hauswand oder Mauer im Rücken (keine Hecke, deren Nadeln oder Blätter liefern zu lange Feuchtigkeit nach Regen oder Tau) sind trotzdem gut, jedoch verringern Dachüberstände auch Wind und sorgen für "stehende Luft" darunter, das ist wieder schlecht. Reben nicht zu bodennah führen oder an niedrigen Zäunen entlang.

Zweite Verteidigungslinie sind Laubarbeiten, luftig halten, Rückschnitte, Bodenabdeckung, Kräuterbrühen. Darüber gibt es tonnenweise schlaue Ratschläge, die wie üblich endlos abgeschrieben sind und selten auf Praxistauglichkeit sowie Wirksamkeit geprüft werden. Ich habe damit fast durchgäng magere Erfahrungen gemacht: Viel Aufwand, wenig Effekt, oft so wenig dass das der Nachweis von Wirkung im statistischen Rauschen verschwinden dürfte. Am sinnvollsten war noch die luftige Erziehung und Schnitt. Dafür werden Geiztriebe früh gekappt, dicht stehende Triebe ausgelichtet. Prinzip: Prinzip: Alles soll leicht besonnt und durchlüftet werden. Diese zweite Linie ist trotzdem schwach und benötigt viel Arbeit.

Die dritte Verteidigungslinie ist das, was meist abfällig als "spritzen" bezeichnet wird. Die Abfälligkeit kommt meist von Leuten, die eigentlich keine Ahnung von Pflanzen, Krankheiten oder gar Mitteln haben, sich aber selber mit jeder getrunkenen Flasche konventionell angebautem Wein und jeder Schale importierter Tafeltrauben ein Produkt einwerfen, das bis zu 15mal mit verschiedenen Pflanzenschutzmitteln bombardiert wurde. 

Reine Kalischmierseife

Wer richtig behandeln kann, hat Ergebnisse. Hier wird es interessant und sichtbar wirksam. In den vielen Schachtelhalmbrühe-Ratgebern steht nichts über solche Mittel und die Pflanzensude haben leider einen kaum nachweisbaren Effekt.

Gegen echten Mehltau werden ein paar fungizid wirkende Pflanzenschutzmittel auch an Privatleute verkauft. Die sind oft teuer und meistens überflüssig. Echter Mehltau ist mit einfachen Mitteln bekämpfbar, allerdings muss man oft und gründlich behandeln. Dazu bedienen wir uns der Mittel, die auch im Bioanbau Verwendung finden, im Wesentlichen sind das 1. Kaliumbikarbonat (auch Kaliumhydrogencarbonat genannt, Vorprodukt von Pottasche, ein kommerzielles Mittel ist "Armicarb" oder "Vitisan") und 2. Lezitine, wie sie in Milch vorhanden sind sowie 3. Schwefel. Für Schwefel sollte man wirklich zu einem kommerziellen Produkt greifen, "Netzschwefel", aber sehr genau die Anwendungshinweise lesen, damit kann man den Pflanzen auch schaden. Bekannte Mittel heissen "Netz-Schwefelit" oder "Mehltau-frei Thiovit".

Nur von links unten gespritzt:
Beginnender Oidiumbefall rechts oben

Bei meinen wenig anfälligen Sorten komme ich in der Regel sogar nur mit Kaliumbikarbonat aus. Das ist der Lebensmittelzusatzstoff E501, ähnlich wie Backpulver (Natriumbikarbonat), oft Bestandteil von Triebmitteln für schwere Teige wie Lebkuchen. Auch Backpulver (Natriumbikarbonat) geht, ist aber etwas weniger wirksam. Im Chemikalienhandel bei Versendern ist Kaliumbikarbonat für kleines Geld in Kilopackungen zu bekommen. Und so wird es angewendet:

  • Erste Behandlung kurz nach der Blüte. Dafür mischt man 5g KHCO3 pro Liter Wasser und gibt auf 5 Liter einen getrichenen Esslöffel aufgelöste reine Kalischmierseife zu. Rein heisst rein: Keine Duftstoffe, kein Glyzerin. Mit dem Stichwort "Kalischmierseife" findet man passende Produkte. Es gibt sie gebrauchsfertig, in Wasser bereits flüssig gemacht (braucht dann nicht mehr aufgelöst zu werden) oder höher konzentriert mit der Konsistenz von zähem Fett.
    Mischen, bei bedecktem Himmel und mässigen Temperaturen mit einem guten Drucksprühgerät auf Blätter und vor allem die jungen Trauben spritzen. Gründlich, von allen Seiten, lückenlos.
  • Angetrocknete Reste von Kaliumhydrogencarbonat
    Zweite Behandlung 10 Tage später.
  • Weitere Behandlungen, wenn Infektionslagen herrschen: Anhaltende Gewitterschwüle, allererste Anzeichen von Infektionen. Kaliumhydrogencarbonat wird dann gerade noch heilend.
  • Die Wirkung basiert auf Austrocknung der Pilze und einiger Sporen. Treffen sie auf einen Spritzbelag, trocknen und platzen sie. Wird der Belag durch Regen abgewaschen, ist die Wirkung auch vorbei. Solange es nicht regnet und keinen Tau hat, hält die Wirkung an.
Typische Vernarbungen, Spätfolgen eines
überstandenen Oidiumbefalls der Beeren

Lecithin hat dieselben Anwendungszeitpunkte. Am einfachsten verwendet man dafür Magermilch, ein Liter Milch in fünf Liter Wasser kippen. Lecithin kann man auch rein kaufen, es ist der Lebensmittelzusatzstoff E322. Die Herkunft spielt keine Rolle, es gibt Sojalecithin oder Lecithin anderer Herkünfte. Lecithin klumpt beim Auflösen in Wasser und muss zweistufig zubereitet werden. Flüssige Zubereitungen sind z.B. "Pilz Stopp Universal", benötigt werden 7,5ml pro 10 Liter für Wein. Pulverlecithin 10-20 Gramm. Die Wirkung ist meiner Erfahrung nach etwas schwächer als mit Kaliumbikarbonat und nie kurativ, ratsam ist eine Behandung pro Woche.


Verteidigung gegen Peronosphora

 
Peronospora, sporulierender Befall Beeren
Gegen falschen Mehltau wurden hundert Jahre lang Kupfermittel eingesetzt. Das waren die ersten wirksamen chemischen Pflanzenschutzmittel überhaupt. Kupfer hat eine stark fungizide Wirkung, beseitigt auch die Sporen und kann sogar ein Stück weit kurativ (heilend) wirken. Ohne Kupfer würde es keinen Weinbau mehr geben, der starke Niedergang im 19. Jahrhundert wäre ungebremst weitergegangen. Nun sind die Zulassungen für Kupfermittel an Privatanwender ausgelaufen, in anderen Ländern wie der Schweiz sind sie weiter erhältlich. Gegen falschen Mehltau ist mittlerweile auch kein anderes Mittel für Privatanwender zugelassen. Konventionelle Traubenanbauer schöpfen dagegen aus dem Vollen. Der letzte Schrei sind Pyrimidylamine, am häufigsten werden ausserdem  ß-Phthalimide ausgebracht und dann das alte Dithianon, eine chemische Verbindung aus der Gruppe der Chinone, Nitrile und schwefelhaltigen Heterocyclen von 1962. Daneben gibts es noch einige weitere Mittel. Das alles haben wir nicht und das wollen wir nicht im Nutzgarten.
Peronospora, falscher Mehltau, stark befallene Beeren - Lederbeeren
 
Falscher Mehltau, Blattbefall Beginn
Was bleibt uns? Im Ökoweinbau wurden eine Zeitlang als Geheimtip Phosphonate eingesetzt, die aber in einer Grauzone lagen. Sie hätten Kupfer ersetzen können, wurden aber als Pflanzenschutzmittel ohne echte Begründung EU-weit für Ökowinzer verboten, seither nehmen die wieder Kupfer - erlaubte Mengen sind 3 bis 4 Kilo pro Hektar. Im Moment kann man noch einen Blattdünger kaufen, der auch Phosphonat enthält: Phosfik. Früher gab es noch weitere Marken. Es kann aber gut sein, dass das bald nicht mehr möglich ist oder Phosphonat darin nicht mehr enthalten ist. Dieser Dünger hat jedenfalls eine Nebenwirkung auf falschen Mehltau - in einer Dosierung von 5-8ml pro Liter Wasser. Das nutzt nur etwas, solange das Pflanzengewebe jung ist und wächst, zwischen Blüte und Anfang August an Tafeltrauben. Alte Blätter werden sowieso nicht mehr von falschem Mehltau befallen. Heilend wirkt der Dünger auch nicht, sondern nur vorbeugend. Phosphonate zerstören den Pilz nicht, aber bringen die Pflanze in die Lage, ihn selbst bekämpfen, verursachen also eine induzierte Resistenz. 
Falscher Mehltau, typisches Bild Blattunterseite


Damit die Nebenwirkung gegen falschen Mehltau eintritt, muss ab Blüte im Abstand von 10 Tagen ein paarmal mit dem genannten Blattdünger gedüngt werden mit Extragaben bei Infektionslagen. In stabilen Gutwetterlagen kann das unterbleiben.
Falscher Mehltau, beginnende Nekrosen links



Fazit

 
Es gibt Jahre, da geht gar nichts mehr, so wie dieses Jahr. Wochenlang blieb das Laub nass, eine Behandlung war gar nicht in den nötigen Intervallen möglich weil alles sofort wieder abgewaschen worden wäre. Glücklich blieb nur, wer eine der wenigen sehr robusten Traubensorten hatte. Die Biowinzer in unserer Region haben teilweise einen Totalschaden erlitten, über den auch in der Presse berichtet wurde. Ihre Hybridrebsorten und viele unserer ebenfalls hybriden Tafeltraubensorten halten normale Jahre ohne oder mit wenig Behandlung aus, dieses Jahr 2021 ist wieder einmal alles komplett zusammengebrochen. Das letzte derart schlimme Jahr war 2016.

Der Nutzgärtner setzt am Besten auf Risikostreuung. Man pflanzt sehr robuste Tafeltrauben (Muskat Blau, Lakemont, Venus) plus ein paar gute weniger Robuste, die dann nach obigen Vorschlägen behandelt werden. Einen Ertragsausfall wie dieses Jahr nimmt man leichter hin, wenn man wenigstens noch gesunde Trauben von Muskat Blau in der Hinterhand hat. Das dürfte die pilzfesteste Tafeltraubensorte ohne Fuchsgeschmack überhaupt sein.

Behandelt und gesund geblieben - reife Tafeltraube