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Donnerstag, 15. August 2019

Sommerbirnenfreuden: Stuttgarter Geisshirtle

Lustiges Sommerbirnchen: Stuttgarter Geisshirtle
Mit viel Hoffnung wird sie jährlich erwartet, nun ist es endlich so weit: Die Sommerbirnensorte "Stuttgarter Geisshirtle" ist pflückreif. Den Baum habe ich seit ein paar Jahren und er trägt nun immer besser, ist bei einigen Kilo Birnen angelangt. Damit hat sich ein alter Traum erfüllt, eine der besten Frühbirnen ernten zu können. Selten ist die Birne zwar nicht, früher war sie sehr verbreitet und auch ich kannte sie schon in der Kindheit, als ich im Dorf alle Bäume der Umgebung durchprobiert habe. Heute muss man schon selber einen Baum pflanzen, um sie essen zu können.

Im Nebel der Vergangenheit


Den Namen kann man schreiben, wie man will. Gaisshirtle, Geisshirtle. Andere Namen waren Zuckerbirne, Hutzelbirne, wer so verbreitet und beliebt ist darf auch einen generischen Namen haben. Ihre angebliche Geschichte ist sehr populär und in allen Obstbüchern zu lesen. Ein Geissenhirt soll sie im 18. Jahrhundert gefunden haben. Das klingt gut und kann auch wirklich so gewesen sein. Vielleicht hat er auch nur eine weit ältere Sorte neu gefunden, vielleicht war es wirklich ein Zufallssämling aus einem Gebüsch. Die damals viel häufigeren Gehölzstreifen zwischen den Feldern waren voller Wildlinge, die zum Beispiel aus Tresterkernen aufgingen oder der Trester wurde vom Vieh gefressen und auf natürlichem Wege wieder irgendwo "ausgesät". Tatsache ist, dass so ähnliche kleine Sommerbirnen uralt sind und aufgrund ihrer grossen Beliebtheit als Hutzelbirne immer gesucht und gepflanzt waren. Jede Region hat mehrere eigene Sorten, zum Beispiel das Abrahämchen oder die kleine Muskatellerbirne, die schon Ende Juni reif sein kann. Auch die etwas spätere Sommermuskatellerbirne, früher eine Marktsorte, die Nagowitzer Birne, die Augustbirne und viele, viele mehr. Einige schafften die überregionale Verbreitung, so zum Beispiel das Geisshirtle.

Sommerbirnen?


Frisch gepflückte Geisshirtle.
Eine hing zu lange am Baum, die Gelbliche.
Sommerbirnen haben heute nur noch Kuriositätenstatus. Die Früchte erreichen zwar erstaunliche Qualität und können enorm lecker sein, sind aber klein und nicht lange haltbar. Nur auf manchen Wochenmärkten gibt es sie, an Feinschmeckerrestaurants werden einige geliefert. Der Wochenmarkt ist aber kein Beweis für Fachkunde, auch auf dem Markt bekommt man sehr oft zum falschen Zeitpunkt geerntete oder zu lange liegende Früchte. Im Lebensmittelhandel sind sie überhaupt nicht zu haben. Auch sonst keine Sommerbirnen. Da gibt es um diese Jahreszeit noch totgelagerte Restbestände von Conference des letzten Jahres im Abverkauf und die ausgesprochen aromaschwache "Limonera" (die eigentlich Dr. Jules Guyot heisst) aus Südeuropa per LKW hergekarrt. Kurz danach beginnt eigentlich die Williams Christ Saison, aber diese Sorte verschwindet ebenfalls rapide vom Markt, als aromastarke Birne passt sie nicht in den deutschen Einzelhandel, der am liebsten geschmacksfreie Einheitsprodukte mit möglichst langen Transportwegen vertreibt. Es wäre schön, könnte ich diesen Satz als Ironie kennzeichnen, leider habe ich den Eindruck, das wäre die Realität.

Fruchtbeschreibung und bester Erntezeitpunkt


Pflücken spätestens beim ersten Aufhellen der ersten Birnen
Genug der Bitterkeit heutiger Einzelhandelsrealitäten. Das Geisshirtle ist klein, aber hübsch und süss, hat keine herben Gerbstoffe. Wie bei fast allen Birnen ist der richtige Pflückzeitpunkt wichtig. Zunächst die Reifezeit: Früher sprach man von Mitte August bis Anfang September in kühleren Gegenden. Mitte August ist bei mir schon lange normal und immer wieder ist sie sogar schon ein, zwei Wochen vorher pflückreif. Ab Anfang August muss man sie gut beobachten, die Schattenseite ist grün und wird dann grüngelb. Die beste Pflückreife liegt schon kurz vor der Aufhellung. Wird sie am Baum gelb, ist sie überreif und man hat den besten Zeitpunkt verpasst, das Aroma ist bereits wieder schwächer, sie wird auch nicht mehr richtig schmelzend und vollsaftig. Die Pflückreife erkennt man, indem man sich die Birnen genau ansieht. Einzelne Früchte sind schneller, es sind Vorläuferfrüchte. Bekommen die ersten Birnen Gelbtöne, werden auch die Anderen bald so weit sein, dann sollte man den Baum abernten. Dabei hängen die Früchte gewöhnlich noch relativ fest, davon darf man sich nicht täuschen lassen.

Vollsüss, knappreif, schon aromatisch.
Erwischt man sie zum richtigen Zeitpunkt, ist sie bereits saftig und süss, aber auch noch körnig und fest im Fruchtfleisch. So schmeckt sie bereits, aber sie wird noch besser. Nach ein paar Tagen, wenn die nicht gerötete Schalenseite heller wird, wird sie weicher, schmelzend, noch saftiger, das Aroma erreicht einen Höhepunkt mit einer schönen zuckrigen Süsse, einem Oberton der manchmal als "zimtartig" beschrieben wird und feinem Säuregegengewicht. Dann ist sie äusserst delikat. Die Konsistenz wird vor lauter Saft etwas glasig, Saft sammelt sich in Bissmulden. Ihr Zuckergehalt ist hoch, dieses Jahr hat sie
70°OE / 14,4 Brix.

Angebissenes vollreifes Geisshirtle, eine hochsaftige Sache.
Ich schmecke bei ihr im knappreifen Zustand noch Erdnuss und später Pfirsich heraus. Man sitzt im August in einer schattigen Ecke, kaut und lutscht sich Birnchen um Birnchen hinein, sie wiegt ja nur um die 70g und hat damit das Grössenformat einer mässigen Feige. Der süddeutsche Liebhaber gibt sich gar nicht erst mit dem Birnenbutzen ab und isst mit spitzem Munde darum herum, sondern er greift sich das Birnle am Stiel und isst sie bis auf den Stiel ganz. Plötzlich ist die Schüssel schwuppdiwupp leergegessen. Eine Woche ist sie gut, dann bräunt sie vom Kernhaus her, teigt und matscht dann, das Vergnügen ist schon vorbei.

Verwendung?


Blattform, oft mit deutlicher Spitze
Aber das Vergnügen ist nicht ganz rum, denn wie alle alten Sorten ist sie auch eine erstklassige Verarbeitungsfrucht. Hauptverwendung war früher das Dörren, man hat Hutzelbirnen hergestellt, eines der wichtigsten landwirtschaftlichen Produkte überhaupt. Auch Einkochen geht sehr gut bei ihr, sie zerfällt nicht gleich, die Lake bräunt nicht und trübt kaum. Nur der Vorbereitungsaufwand mit den kleinen Früchten ist erhöht. In der Küche ist sie eine Dessertfrucht, man kann sie zum Beispiel mit Stiel in Schokolade tauchen und dann kühl stellen. Schokolierte Sommerbirnen. Vorher kurz dünsten oder nicht ist Geschmackssache. Saft lohnt sich nur, wenn man wirkliche Übermengen eines grossen Baums hat. Man sollte sie aber früh pressen, schon vor der optimalen Genussreife und auch nicht lagern. So ist die Maische noch leichter pressbar.

Eigenschaften des Baums


Blütenknospenansatz am Geisshirtle
Der Baum zeigt sich bei mir ausgesprochen robust und problemlos. Die Sorte gelingt auf schwächeren wie auf stärkeren Unterlagen. Auch in meiner immer zu trockenen warmen Lage mit dem schlechten, für Birnen sehr schwierigen weil zu flachgründigem Boden fruchtet sie gut und reichlich. 2018, als es von Juni bis November nicht regnete und heiss war, erlitt sie wie alle anderen Bäume Blattschäden und die Früchte reiften nicht mehr aus. Aber der Baum trieb im nächsten Jahr wieder normal aus, blühte wie immer reichlich und setzte an - kein Totholz fiel an, im Gegensatz zu anderen Birnen. Sie alterniert auch nicht, ist nicht
Trockenschaden August 2018
empfindlich auf Blütenfrost und schlechtes Wetter. Der Baum wächst anfangs kräftig. Schorf hat sie nicht, in Luftfeuchten Lagen soll aber Zweigschorf ein Problem sein. Das grösste Problem stellen nicht nur bei mir die Zerstörungen durch Vögel dar. Schon vor der Reife werden die Birnen durch verschiedene Vogelarten angehackt. Solange mein Baum klein genug dazu ist, werfe ich ein Netz über die Krone, irgendwann wird das nicht mehr gehen. Auch der Schnittaufwand ist mässig, wenn die Krone stimmt kümmert man sich vor allem noch darum, dass er nicht zu hoch wird und verjüngt später die Seitenäste. Sie hat keine Wuchsanomalien. Sie muss nicht auf einer Obstwiese stehen, als Spindel erzogen auf einer Quittenunterlage ist sie für einen Hausgarten passend und nützlich.

Reicher Fruchtansatz am Stuttgarter Geisshirtle
Nochmal ohne Sonne, um ein besseres Gefühl für Farbe und Schale zu bekommen

Noch ein Wort zu anderen kleinen Sommerbirnen: Neben dem Geisshirtle habe ich auch eine Sommermuskatellerbirne und die Petersbirne, auch mit der kleinen Muskatellerbirne habe ich eigene Erfahrungen. Dazu später mehr Details. Als Sommerbirnen sind sie alle ein Genuss. Die Petersbirne ist sogar noch einige Wochen früher reif, schon Mitte Juli. Da liegt noch nicht einmal die "Limonera" aus Portugal im Laden.

Sonntag, 26. August 2018

Williams Christ und die Kunst des richtigen Erntezeitpunkts bei Birnen

Pflückreife Williams am Baum
Eben hat ein Höhepunkt im Birnenjahr stattgefunden, die Williams-Christ Tafelbirnen sind pflückreif geworden. Trotz der frühen Blüte und Wärme war es zum typischen Termin Mitte bis Ende August so weit. Nur früher zog es sich manchmal in den September hinein, aber im letzten Jahrzehnt kam das kaum mehr vor. Auch die extreme Trockenheit und Sonneneinstrahlung hat sie gut vertragen - auf arteigener Unterlage wurzeln sie tief. Sie benötigen dann aber auch tiefgründigen Boden dafür. Flachgründiger Boden gefällt ihr wie allen Birnen nicht.

Ernte erstklassiger, grosser Früchte.
Ohne Pflanzenschutz gewachsen!

Williams Christ - eine der Besten


Diese alte Sorte aus England, gefunden vor 1770 in Aldermaston, 60km westlich von London ist bis zum heutigen Tag ein Hit. Sie liefert das Birnenaroma schlechthin, ihre würzige, müskierte Aromatik steht für das absolute Epizentrum des Birnengeschmacks. Klar, dass ich davon auch Bäume habe. Einige Bekannte haben sie auch, an windoffenen Lagen mit nicht ganz schlechtem Boden gedeihen sie pächtig. Am besten ausserhalb von Ortschaften, denn die idiotischen chinesischen Stinkwacholder-Zierpflanzen aus den Vorgärten sind Wirt des Birnengitterrost-Pilzes und blasen ihre Sporen jedes Frühjahr hinaus um Birnenblätter zu infizieren, leider ist Williams besonders anfällig für den Pilz. Williams Christ muss man aber einfach haben. Sie liegt bei fast allen Verwertungsarten in der Qualitätsspitzengruppe: Einmachen, trocknen, brennen. Und nicht zuletzt ist sie frisch ein schmelzender, vollsaftiger Intensivgenuss.

Die Liebeslieder über diese Sorte haben natürlich auch weniger erfreuliche Stellen. Es ist eine Sommerbirne und damit nur sehr kurz haltbar, längere Lagerung bei Niedrigtemperaturen geht zwar, aber tut ihrer Fruchtfleischstruktur nicht gut. Sie hat diverse Anfälligkeiten für Krankheiten (Schorf, Birnengitterrost, Wespen- und Vogelfrass, bei mir besonders schlimm), ist unverträglich mit den meisten Quittenunterlagen, bekommt leicht Überbehang und hat dann kleine Fruchtgrössen mit weniger Aroma.

Zu spät, zu gelb, zu reif. Früher pflücken.

Vom richtigen Pflückzeitpunkt


Wer sie im Garten hat, ist zuerst oft enttäuscht. Bei vielen Leuten liegt das am falschen Pflückzeitpunkt. Das Wissen, wann welche Tafelbirnensorte gepflückt werden sollte, ist verloren gegangen. In alten Büchern ist die Beschreibung des Pflückzeitpunkts der verschiedenen Sorten ein wichtiger Punkt und man sagte damals, dass es nur einen einzigen Tag gebe, an dem manche Birnensorten die optimale Pflückreife hätten. Nicht bei allen Sorten ist das so streng, bei Williams ist das Fenster meiner Erfahrung nach einige Tage lang. Aber es ist wichtig.

Die meisten Leute pflücken viel zu spät. Vollreif soll sie sein, die Birne, kurz bevor sie von selbst vom Baum fällt. Schliesslich ist das gekaufte Zeug immer unreif und deshalb schlechter. Ein fataler Irrtum. Solche am Baum gelblich gewordenen Williams-Birnen sind bereits mehlig und bröckelig geworden, das Aroma abgebaut. Man ist enttäuscht. So schön reif und doch schlechter wie das unreife, gekaufte Obst? Wie kann das sein? Es kann sein und ist bei Birnen sogar die Regel.

Aufhellung und Pflückreifeanzeiger beginnt am "Bauch" der Birnen
Also früher pflücken. Man holt sie im nächsten Jahr grüner vom Baum und stellt fest: Wieder nichts. Sie werden nicht mehr richtig süss, welken, bleiben aromaschwach. Nicht einfach! Was ist denn nun der optimale Zeitpunkt? Meiner Erfahrung nach liegt der bei Williams an dem Punkt, an dem die Frucht gerade noch hellgrün ist, die Schale aber bereits von der Mitte her aufhellt. Ist sie bereits gelb, ist es zu spät. Das ist auch der Zeitpunkt, zu dem sie bereits beginnt sich leichter (aber noch nicht leicht!) vom Zweig abzulösen Dann runter damit. In den Keller stellen und nach ein paar Tagen werden die ersten Birnen gelb. Dann sind sie optimal genussreif, sehr saftig, schmelzend, aromatisch. Birnen fürs Einmachen kann man schon früher verarbeiten, Birnen für die Trocknung können dagegen auch reifer sein.

Nach der Lagerung, ess- und verarbeitungsreif.
Von einem schorfanfälligeren Standort.

Trockenbirnen

Etwas zur Verarbeitung


Von der Riesenernte dieses Jahr haben wir 50% zu Trockenbirnen verarbeitet, ein paar Gläser eingemacht, sehr viel frisch gegessen und einiges verschenkt. Über Trocknungstechniken gibts hier einen eigenen Beitrag, das ergibt bei Williams ein sehr gutes Ergebnis. Kauft man solche Birnen, musst man ganz schön was hinlegen. Kilopreise um die 30-50 EUR sind normal. Hauptursprungsland ist Chile. Für uns die optimale Verwertung, denn so kann man gute Ernten lange haltbar machen.

Halbierte reife Birne - sehr saftig und süss
Angepickt von Meisen, anschliessend kommen die Wespen