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Donnerstag, 4. Juli 2024

Gesetzlich verbotenes Unkraut im Nutzgarten

Seit Jahren kämpfe ich mit einem speziellen Unkraut, sowohl im Hausgarten als auch im Aussengarten. Soweit nichts Besonderes, ausser bei einem Punkt: Der deutsche Staat hat dieses Unkraut verboten. Aber eigentlich ist es eine verwilderte wertvolle Nutzpflanze für den Nutzgarten und fürs Feld, eine der Ältesten, die die Menschheit hat, auch in Europa schon seit 6000 Jahren in Kultur. Vor allem in Süddeutschland werden jetzt Viele wissen, um welche Pflanze es geht. Um Schlafmohn, papaver somniferum.

Schlafmohn, offensichtlicher Zufallsaufgang vor Jahren in einem Garten (nicht meiner)


Schlafmohn im Nutzgarten

Den kennt jeder. Klatschmohn.
Im Pollensammelrausch

Schlafmohnpflanzen wachsen in vielen Gärten wild und auch oft auf Ruderalflächen. Ich habe sie schon überall gesehen. Sie sind absolut anspruchslos, ausserordentlich gesund und gedeihen auf jedem Boden. Unkraut. Eine Menge Leute kennen ihn nicht einmal, irgendein Mohn eben, es gibt ja endlos viel davon. Klatschmohn mit seinen leuchtend roten dünnen Blüten kennt man noch eher und im Garten auch bunte Ziermohnarten, manche im Westen der USA heimisch, manche in Eurasien. Der Schlafmohn fällt da gar nicht auf. Im Frühling geht er unscheinbar von selbst auf, strebt schnell bis auf durchschnittlich einen Meter in die Höhe, dabei erzeugt er mehrere Blütenstände. Im Frühsommer erscheinen die Blütenknospen, dann blüht er, meist blassviolett (es gibt weisse, gelbe, rote Varianten) mit dunklem Blütenblattfleck - jede Blüte ist nur ein paar Stunden offen, bevor sie verblüht. In dieser Zeit bietet Mohn den Insekten sehr viel wertvolle graue Pollen, aber keinen Nektar. Auf die Pollen fliegen Viele, vormittags summt und brummt es in den Blüten, Bienen, Hummeln, grosse und sehr kleine Wildbienenarten, ja sogar die fetten Holzbienen holen sich dankbar die Pollen, denn um diese Jahreszeit herrscht bereits wachsender Pollenmangel. Pollen enthält Proteine, die als wichtigste Nahrung für Wachstum und Vermehrung der Insekten dienen. Reine Nektarsucher wie zum Beispiel Schmetterlinge besuchen die Blüten dagegen nicht.

Knospen, Blüten, Kapseln

Die Herrlichkeit einer Blüte ist schnell vorbei, aber durch die vielen Blütenknospen blüht immer Mohn, fast den ganzen Sommer lang. Nach der Blüte verbleiben die bekannten grünen Kapseln mit den Samen drin, sie reifen ab Mitte Juli, können dann geerntet werden, wenn sie nicht schon durch Wind und Bewegung von selbst ausgestreut wurden, denn es sind nur Wildlinge. Alle kommerziell angebauten Sorten haben Kapseln, die die unerwünschte Selbstaussaat verhindern. Die Mohnkapseln sind sehr dekorativ und die Samen sind Grundlage für das hochwertige Mohnöl oder erstklassigen Backmohn. Die Körner sind viele Monate haltbar, vor der Verwendung müssen sie noch gequetscht oder gemahlen werden und dann sofort verwendet. Für die Backmohnverwendung sind auch Wildlinge absolut tauglich. Opiate enthalten die Samen nur in unwirksamen Spuren, sofern keine anderen Pflanzenteile mit dabei sind, sie also gut gerntet und gereinigt wurden. Für eine Backmohn-Eigenzubereitung können sie einfach ausgesiebt werden. Samenkapseln, andere Pflanzenteile, der milchige Pflanzensaft können dagegen auch Opiate enthalten. Das gilt generell für alle Grau- und Weissmohnsorten und Wildlinge, während das starke Zeug, die Opiumsorten in Südasien auch Alkaloide in den Samenkörnern haben kann. Die wachsen im hiesigen Klima aber gar nicht, bringen hier nichts.

Aufmachen, Polizei

Es gibt ihn auch wild in stärkeren Farben
Kapsel mit unreifen Samen. Rund 1000 pro Kapsel.

Aber, ach. Wie auch in anderen Dingen herrscht bei Mohn in Deutschland ein aufgeregter, herrschsüchtiger Verbots- und Kontrollzwang, der sich und vor allem seine Vertreter selbst lächerlich macht. Am Mohn ist alles verboten, nicht einmal trockene Kapseln dürfen gehandelt werden. Die Pickelhauben-Oberlehrer-Besserwisserei existiert hingegen in England, Österreich, der Schweiz und den meisten anderen europäischen Ländern nicht, dort ist ist der Anbau von Schlafmohn sehr wohl zulässig, manchmal beschränkt auf Mengen und Sorten. In Simbach verboten, hinter der Grenze in Braunau legal. Felix Austria. Auf wundersame Weise herrscht dort deswegen keineswegs mehr Missbrauch und Abhängigkeit durch bösen Mohn im Hausgarten. Verboten ist dort überall nicht der Anbau, sondern die Suchtstoffherstellung. In Deutschland benötigt dagegen sogar der Hobbygärtner für eine einzige Pflanze im Hausgarten eine behördliche Genehmigung. Genehmigt wird ausschliesslich eine Kultur bis zu 10 Quadratmetern, sie gilt für drei Jahre und kostet satte 95 EUR Gebühren (dafür kann man fast 20kg importierten Mohn kaufen), denn wie alle Bürokraten will diese unproduktive Kaste für ihren ungefragt verordneten Mist auch noch bezahlt werden. Genehmigt wird ausserdem aussschliesslich die Sorte "Mieszko"oder "Zeno Morphex". Hübsche Sorten, Ziersorten, wie sie in England sehr beliebt sind oder all die schönen gefüllten Sorten werden nicht genehmigt. Und sogar noch mehr: Findet jemand wild aufgegangenen Schlafmohn in seinem Garten, ist er verpflichtet, ihn mit Stumpf und Stiel auszurotten, wer jetzt ein knackig rollendes "r" im Befehlston hört, der hört korrekt. Grundlage ist das Betäubungsmittelgesetz § 29 und §29a, Höchststrafe für derlei Verbrechen 15 Jahre. Beschäftigt sind damit neben der Juristenkaste allerlei Bundesämter, die stetig irgendwelche Risikobewertungen und viel weiteres Gelaber hinauspumpen und sich damit selbst als wichtig erhöhen, während gleichzeitig ringsum in Europa kaum einer Probleme mit ein paar Pflanzen im Garten hat. Seltsamerweise wurde auch jahrelang ein riesiger Bohei um Hanf gemacht, dann mit Pauken und Trompeten sage und schreibe drei Pflanzen erlaubt, vom im Nutzgarten viel nützlicheren Mohn redete kein Mensch, obwohl dort die Rechtslage in Europa immer schon viel eindeutiger pro Pflanze ist und das wohlbegründet.

Narbenrest an der Kapsel

Dabei enthalten diese Mohn-Gartenwildlinge keineswegs nennenswerte Opiatmengen. Die kommerziellen Graumohn- und auch die Alkaloidsorten haben viel grössere Samenkapseln, die die Samen zudem nicht oder nur schwer selbst ausstreuen, denn das wäre ein Verlust für den Anbauer. Das "Argument", man könne schliesslich Opiatsorten unter die opiatfreien Sorten schmuggeln, ist eine dreiste Lüge, denn an diesem Kapselbau ist sofort zu erkennen, ob es ein Wildling ist. Der Opiummohn hat ausserdem weisse Blüten, die Kapseln sind dreimal so gross wie unsere ungezüchteten Wildlinge, die zudem wie in allen nördlichen Gebieten sowieso nur geringe Alkaloidgehalte erreichen. Auch bei importiertem Mohn (der heimische Anbau wird und wurde ja trotz langer Tradition mit aller Staatsgewalt weitgehend blockiert) ist die Streubreite gross, ständig wird teuer analysiert, dabei hatte mal Ware aus Australien den höchsten Alkaloidgehalt, die aus Österreich, Tschechien den Niedrigsten. Erwiesen wurde in der Arbeit von BAJPAI et al. (2000), dass grosse Kapseln, weisse Blüten, wenig Samen in Zusammenhang mit einem hohen Alkaloidgehalt stehen. Unsere Wildlinge haben keine dieser Eigenschaften. Interessant auch die Arbeit von Dittbrenner über die hohe intraspezifische Diversität von Schlafmohn. Mohn = Droge und zu hohe Risiken ist ganz einfach falsch.

Wie wird man zum Verbrecher?

Mitkommen, sie sind verhaftet

Wer zum Straftäter werden will und mal sehen wie das geht mit der Opiumherstellung, jätet kein Unkaut. Und noch mehr kann man leicht probieren, auch wenn dabei nichts Verwertbares und schon gar keine Mengen entstehen, die irgendeinen Wert haben. Die klassische Methode ist, unreife Kapseln schräg von oben nach unten anzuritzen und einen Tag später den ausgetretenen und angetrockneten Milchsaft mit dem Messer abzuschaben. Damit können ein paar Milligramm der schwarzbraunen Kruste gewonnen werden, die nachfolgenden Reinigungsschritte sind aber aufwendiger. Wie hoch der Alkaloidgehalt ist und wie er sich zusammensetzt, ist dabei zu keinem Zeitpunkt mit Hausmitteln festzustellen, man weiss nicht was man eigentlich bekommt. Neuzeitlicher werden einfach die ganzen Pflanzen gehäckselt und dann mit einem organischem Lösungsmittel (zum Beispiel Alkohol) ausgelaugt. Die entstehende Lösung wird dann konzentriert. In Wasser sind die Alkaloide schwer löslich. Generell haben aber synthetisch hergestellte Opiate das "Naturprodukt" schon sehr lange gründlich überflügelt. Drogenküche schlägt Acker. Und Garten sowieso.

Und wem zufällig Unkrautsamen in eine löchrige Tasche hüpfen, der sollte keine Spaziergänge machen, vor allem nicht an Verkehrsinseln, Polizeistationen, Gerichten, bei Wichtig-Wichtig Majestäten vorbei. Nicht, dass dann Samen dieser streng verbotenen Höllenpflanze auf die Erde rieseln, Deutschland würde im Opium-Drogenrausch versinken, eine Insel der Unglückseligen.

Der traurige Rest in der Landwirtschaft

Mohnblätter mit Nanobeschichtung

Der landwirtschaftliche Anbau in Deutschland ist wie gesagt trotz der alkaloidarmen Sorten mehr als bescheiden aufgrund der Bürokratenlast durchgekallter Behörden. Aber die Pflanzen sind als Feldfrucht vor allem zur Blütezeit Anfang Juni herrlich anzusehen und fallen aufgrund ihrer hiesigen Seltenheit auf. Mohnfelder bringen es sogar zu Zeitungsartikeln. Als dieses Jahr ein Landwirt unserer Region wieder ein genehmigtes Feld hatte (für das gesunde und wohlschmeckende Mohnöl und Backmohn), sprach sich das herum, ganze Scharen kamen angefahren, um sich dort im Mohn fotografieren zu lassen und zertrampelten dabei Pflanzen, so dass der Landwirt eigens eine Stelle für gute Fotos einrichtete, um die Menge zu lenken. Mohn ist als Feldfrucht nicht nur lecker, sondern auch hübsch und zusammen mit Raps eine der ganz wenigen heimischen Kulturen auf den Feldern, deren Blüten Insekten viel Nahrung bieten. Jedenfalls nach positiv beschiedener behördlicher kostenpflichtiger Genehmigung.


Insekten lieben Mohn

...auch bei Regen hochattraktiv