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Sonntag, 29. Juli 2018

Man kann auch im Honig ertrinken

Das Bienenjahr neigt sich dem Ende zu. Seit der Sommersonnwende werden Winterbienen fabriziert. Mitte Juli muss man auch als Imker beginnen, auf Winter umzustellen. Die Völker werden an ihren Überwinterungsplatz gebracht, die Behandlung mit organischen Säuren gegen die Varroamilbe vorbereitet, die Bienenwohnung verkleinert weil die Völker jetzt schrumpfen.

Doch in diesem Jahr lief vieles auf besondere Weise. Direkt nach der Frühtracht bin ich einem Imkerkollegen zusammen und einigen Völkern in den Randbereich des Odenwalds gegangen, "gewandert" wie man auf Imkerlatein sagt. Dazu braucht man ein Gesundheitszeugnis für die Bienen und einen Platz für die Aufstellung der Völker. Der Imkerkollege kommt viel herum, er fragte den Förster an unserem Wunschplatz im Wald, der die Aufstellung von Bienenvölkern genehmigte. Wie fast immer sind Förster und Waldbesitzer dafür aufgeschlossen. Wir verschmutzen und verändern ja auch nichts und halten uns für die Arbeiten an den Bienen an die Tageszeiten, die uns für die Fahrt empfohlen werden, schliesslich müssen immer wieder Arbeiten am Bienenstand erledigt werden. Nur der je einmalige Hin- und Abtransport der Völker muss früh Morgens oder spät Abends erfolgen, denn nur dann fliegen die Bienen nicht.

Der Frühlingsblütenhonig fliesst
Die Gegend dort liegt 300m höher wie unsere Wohnregion und die Natur ist in allem rund zehn Tage später dran. Als wir ankamen, verblühte gerade der letzte Raps. Und dann ging es wie verrückt los: Fast jede Woche, höchstens alle zwei Wochen waren die Honigräume voll und ich musste abschleudern. Kontinuierlich. Zusammen mit der Frühtracht zu Hause kam ich auf sagenhafte 120-140kg Honig pro Volk, einsamer Rekord für meine Bienen. Auch der Wassergehalt lag immer niedig, der Honig hatte hohe Qualität. Es wäre noch weiter gegangen und mehr geworden, aber wie gesagt - es wurde Zeit für die Winterbehandlung. Jeweils 16-26kg pro Volk und Schleuderung gab es von:
  1. Jungfichten mit Weideröschen, die eine gute Bienenweide sind
    Frühtracht: Ahorn, Kirsche, Raps. "Unser" typischer uns bester Honig, vor allem wegen des hohen Kirschblütenanteils, Kirschen wachsen als Nutzholz in einigen Waldstücken hier.
  2. Ab jetzt im Odenwald. Dunkle Waldtracht von Schnabelkerfen auf Fichten. Und noch einen Rest der abgehenden Rapsblüte.
  3. Noch einmal dunkle Waldtracht.
  4. Rubus dominiert: Himbeere, Brombeere, Kratzbeere, wie sie in Waldlichtungen wachsen.
  5. Noch etwas Rubus, aber Weideröschen kommt dazu, das zwischen Nadelholz-Jungpflanzungen wächst und intensiv beflogen wird.
  6. Der Honig wird sehr hell und gelb, vermutlich Phaceliatracht vom Waldrand, wo sie auf Stillegungenflächen ausgesät wird und besonders bei trockener Hitze honigt. Auch davon gab es zwei volle Honigräume pro Volk.

Uff. Schön, fantastische Sorten, aber wie soll ich das alles verkaufen? Die meisten Hobbyimker werden ihren Honig im der Ver- und Bekanntschaftskreis und am Arbeitsplatz los, das geht bis zu Ertragsmengen gut, die man mit vier Völkern hat. Hier in der Kleinstadt - keine Chance. Hilfe!

Hilfe! Bereits in der Wabe kristallisierter Melezitosehonig.
Die andere Honigschwemme erlebte ich bei allen Völkern, die an meinem Bienenstand hier geblieben sind und auf diese Schwemme hätte ich sehr gerne komplett verzichtet. 2013 hatten wir bereits eine derartige Katastrophe: Ab Ende Juni landete massenhaft Melezitosehonig im Kasten. Fast einen Monat lang. Dieser Honig stammt von Rindenläusen, deren Honigtau eine besondere Dreifachzuckerart enthält, die Melezitose. Dieses Sammelgut führt dazu, dass der Honig sofort in den Waben kistallisiert und steinhart wird, sogenannter Zementhonig. Dafür reicht bereits ein Melezitoseanteil von >10% aus. Er kann weder geschleudert werden noch können ihn die Bienen im Winter verwerten. Er enthält wie jeder andere Waldhonig auch zu viel Mineralstoffe und die harten Kristalle können die Bienen nicht wieder auflösen, dafür fehlt ihnen im Winter das Wasser. Wer das probiert, erleidet Völkerverluste. Der weitere Umgang mit den Waben ist ausgesprochen mühsam und langwierig. Manche Imker lassen sie wieder von den Bienen ausfressen und umlagern, das ist schweisstreibend, geht langsam und verursacht weitere Probleme. Andere geben auf und schmelzen alles ein, hängen dann wieder leere Waben ins Bienenvolk ein. Das kann wochenlang so ablaufen, von aussen wird immer wieder Melezitosehonigtau hereingetragen. Es bedeutet vor allem Stress pur mitten im heissen Juli, während gleichzeitig die Winterbehandlung drängt.

Ausschneiden
In den Topf damit
So schön die Imkerei ansonsten ist, solche Ereignisse bringen viel Frust, vor allem wenn noch andere Probleme dazukommen, bei mir die Gesundheit. 2013 habe ich Waben zunächst ausfressen lassen und dann die Schwemme eingelagert, um sie im Frühjahr ausfressen lassen. Diesmal habe ich mich dazu entschieden, die Waben mitsamt dem Honig auszuschmelzen. Das geht auch langsam und ist mühsam, aber es klappt überraschend gut. Jede Wabe wird von Hand ausgeschnitten, das Honig-Wachsgemisch kommt in einen grossen Topf mit 11 Litern Fassungsvermögen. Der wird sehr vorsichtig erhitzt, bis das Wachs gerade so schmilzt, das passiert bei maximal 65°C. Ist alles geschmolzen, schaltet man die Wärmezufuhr ab und lässt den Topf wieder erkalten. Oben setzt sich das Wachs und allerlei Schwebstoffe ab, diese Schicht wird wieder fest. Darunter schwimmt der verflüssigte Honig. Dieser Honig nennt sich Seimhonig, er hat zwar durch die Erwärmung einige wichtige Inhaltsstoffe verloren, schmeckt aber noch gut. Als "Bienenhonig" kann er natürlich nicht mehr verkauft werden, aber man kann ihn als "Backhonig" verwenden (und unter dieser Bezeichnung verkaufen, falls man Kunden findet), um beispielsweise Lebkuchen herzustellen. Die werden sowieso gebacken, es ist egal ob der Honig vorher schon erwärmt war. Oder man verwendet ihn für die Metherstellung. Die Mischung aus Wald- und Blütenhonig (auch Nektar von Phacelia ist enthalten) kann recht leckere Honigweinergebnisse ergeben.

Somit haben noch einige zusätzliche Eimer Seimhonig meinen Honigsee noch grösser gemacht. Genug, um damit die nächsten zehn Jahre Lebkuchen zu backen.

Wieder fest gewordenes Wachs, drunter ist der abgekühlte Melezitosehonig

Abgiessen des verflüssigten Melezitose-Seimhonigs in den Lagereimer

Waldhonig mit Melezitose, jetzt wieder flüssig

Erkalteter Wachsdeckel mit agglutinierter Schwebstoff-Schicht