Montag, 27. November 2017

Pfirsiche ohne Kräuselkrankheit

Reifer Pfirsich am Baum - Neckarperle
Letzte Woche habe ich Pfirsichbäume behandelt. Ja, richtig gelesen: Im November. Nein, ich bin nicht des Wahnsinns fette Beute.

Doch der Reihe nach. Zu den Lieblingsobstarten auf unserer Obstwiese zählen Pfirsiche. Sie bieten für uns mehrere Vorteile:
  • Sie kommen auf halbwegs tauglichen Unterlagen (arteigen, z.B. "Rubira" oder noch besser die leider schwer zu bekommenden Bromptonpflaume) gut mit dem armen, trockenen Boden hier klar.
  • Es ist der einzige Obstbaum, dessen Blätter nicht von Frostspannern und Eulenraupen zerfressen werden.
  • Sie sind hitze- und windfester als die meisten anderen Obstgehölze.
  • Sie sind hier relativ ertragssicher, besser wie Aprikosen oder Reineclauden.
  • Die verschiedenen Sorten haben eine grosse Reifespreizung, so kann man von Anfang/Mitte Juli bis Ende September Pfirsiche essen.
  • Pfirsichblüten eines Wildlings
    der Schnitt ist einfach und schnell, zielt auf die Verjüngung des Baums ab. Zu viel schneiden kann man nicht, sie sind sehr schnittverträglich, treiben willig und stark wieder aus.
  • die rosa Blüten sind sehr hübsch. Pfirsichbäume sind auch als Zierpflanze wertvoll.
  • Jeder mag sie. Reife Pfirsiche vom Baum sind ein herrliches Obst. Ausgereift schlagen sie die niemals reif verkaufte spanische Supermarktware geschmacklich um Längen.
Nachteile gibts freilich auch:
  • der grösste Spielverderber ist die Kräuselkrankheit, wegen der Pfirsiche in Privatgärten verschwunden sind. Die Blätter kräuseln sich nach dem Austrieb, fallen dann ab. Der Baum leidet, zehrt aus und kümmert.
  • Gesundes Pfirsichblatt
    Die Früchte sind nicht ganz so universell verwendbar wie anderes Steinobst. Trocknung, Saft, Marmelade ist möglich aber nicht so gut wie bei anderen Steinobstarten, z.B. Aprikosen. Pfirsiche sind auch nicht haltbar und faulen sehr schnell. Pfirsichhälften selber einkochen ist nicht der Hit, geeignete Sorten und Verfahren haben wir nicht. Die in Dosen verkauften Pfirsichhälften sind von chinesischen "festkochenden" Sorten, hart geerntet, mit Hilfe von Natronlauge geschält und kräftig nachgezuckert.

 

Sorten und Probleme


Sorten habe ich bisher (in der Reihenfolge der Reifezeit) den frühen roten Ingelheimer, Fruteria, Neckarperle, Red Haven, Rome Star und mehrere Kernechte vom Vorgebirge. Früher hatte ich noch Benedicte und Revita. Sorten wie Red Haven schmecken wirklich gut, sind aber leider ziemlich anfällig gegen die Kräuselkrankheit. Der Anbau ist ohne Pflanzenschutz unmöglich. Weniger anfällige Sorten leiden je nach Lage auch, aber schwächer, leider sind es meist nicht gerade die Geschmackskönige. Immer wieder werden Sorten vorgestellt, die angeblich kaum anfällig sind. Bislang entpuppten die sich immer als trügerische Versprechungen und die übliche Baumschulprosa (um nicht zu sagen Verkaufslügen), aber vielleicht gelingt es einmal wirklich, resistente Sorten zu finden. Eine ausführliche Sortendiskussion kann man erst nach mehreren Jahren Erfahrung führen.

Kupfermittel - die alte Methode


Gegen Kräuselkrankheit vorzugehen ist im privaten Bereich fast unmöglich. Die Krankheit wird von einem Pilz verursacht, der sich Taphrina deformans nennt. Empfohlen wird jährlich wiederkehrende Behandlung mit einem Kupferpräparat, dafür muss der genaue Zeitpunkt des ersten Knospenschwellens im Spätwinter exakt abgepasst und dann der Baum behandelt werden. Kupferbrühe auf der Obstwiese zu verspritzen will ich jedoch vermeiden und ich kann ohnehin nicht ständig kontrollieren, wie weit die Knospen sind. Der Zeitpunkt kann je nach Wetterlage stark differieren. Kupfermittel sind mittlerweile für private Nutzgärtner verboten - im kommerziellen Bioanbau weiter erlaubt.

 

Die Biologie von Taphrina deformans


Junge Früchte an gesundem Baum
Doch es gibt eine wenig bekannte, einfachere und gesündere Methode, zudem ist sie viel preiswerter wie die bis zu ihrem Ende zu Wahnsinnspreisen verkauften ehemaligen Kupfermittel. Dazu muss man die Biologie des Pilzes genau kennen und ausnutzen. Von den befallenen Blättern her stösst Taphrina deformans bereits im Juni Sporen aus, die auf der Rinde des Baums und den Knospenschuppen landen, dort keimen und ein Sprossmyzel bilden. Das Myzel zerfällt im Spätwinter in viele Sprosszellen, die mit Wasser in die Knospen geschwemmt werden, dort die noch nicht entfalteten jungen Blätter durchwuchern. Das Blatt kräuselt vom Pilzbefall, neue Sporen entstehen, der Kreis schliesst sich.

Essig und Wasserstoffperoxid - die neue Methode


Sporen in der Knospe oder den bereits ausgekeimten Pilz anzugreifen ist schwer möglich. Angreifbar ist aber das offen wachsende Sprossmyzel. Die Blätter müssen dafür schon abgefallen sein (die sollte man nicht schädigen, solange sie noch assimilieren), was oft Ende Oktober stattfindet, in den letzten Jahren leider auch erst Anfang Dezember. Ab dann bis zur Infektion der Knospen kann man das Sprossmyzel des Pilzes erwischen. Aber mit was? Schon vor 20 Jahren wurde dafür mit diversen Fungiziden experimentiert. Ein Stoff wirkt besonders gut, lässt sich leicht beschaffen und einfach anwenden: Peroxyessigsäure oder kürzer Peressigsäure. Das ist ein Standard-Desinfektionmittel, das gut fungizid wirkt und auch in lebensmittelverarbeitenden Betrieben
Im Vollertrag - kein Blatt krank
verwendet wird. Für eine gute Wirkung genügt am Pfirsich bereits eine Konzentration von gut einem Promille, 0,1% bis 0,2% C2H4O3. Und sie lässt sich sehr einfach selbst herstellen. Dazu kippt man bei Zimmertemperatur einfach Essig (auf mindestens 3% oder mehr Säure verdünnt) und Wasserstoffperoxid (mit ebenfalls mindestens 3% Konzentration, das wird als Gurgellösung gegen entzündeten Hals verkauft oder im Drogeriemarkt für diverse Zwecke) zusammen. Die Konzentrationen müssen nicht exakt gleich sein, der Überschuss eines Stoffs schadet nicht. Ob der Essig ein billiger Branntweinessig oder verdünnte Essigessenz ist, spielt keine Rolle. Die Mischung lässt man ein paar Stunden bei Zimmertemperatur stehen und sprüht das Gemisch ohne weitere Lagerung sogleich an einem warmen (>10°C wenn möglich) und windstillen November- oder Dezemberwintertag rundum auf die kahlen Äste der Pfirsichbäume, an Verzweigungen und rauhen Rindenstellen besonders gründlich, auch die Knospen nicht vergessen. Mit nur einem Liter des Mittels kann man rund drei grosse bis fünf mittelgrosse Bäume behandeln. Fertig. Haltbar ist die Mischung nicht, also alles sofort verbrauchen. Die verwendete Spritze sollte säurefest sein. Anschliessend das Spritzgerät sauber auswaschen und mit etwas Wasser durchspülen.

Behandlung Pfirsich Ende November
Was passiert? Essigsäure und Wasserstoffperoxid reagieren miteinander, aber nur langsam und sehr unvollständig. Als Reaktionsprodukt bildet sich eine kleine Menge Peressigsäure. Aber bereits Essig und Wasserstoffperoxyd für sich allein wirken etwas fungizid, die Wirkung verstärkt sich durch die gebildete geringe Konzentration an Peressigsäure. Alle drei Stoffe zusammenkombiniert schaffen das Sprossmycel in der Regel. Einatmen sollte man den Sprühnebel natürlich nicht, Essig ist auch in niedriger Konzentration ätzend. Die "Rückstände" dieser Mischung sind aber vollkommen harmlos und überall natürlich vorhanden, alles zerfällt schnell in Wasser, Essig, Sauerstoff. Auch jede faulende Frucht auf der Wiese vergärt, woraus Alkohol und daraus Essig entsteht. Solche Stoffe sollten auch Leute mit ausgeprägter Panik vor der bösen "Chemie" überleben.

Kräuselkrankheit an unbehandelter Kontrollgruppe
Und auch die Pfirsiche überleben so, ich schaffe es damit zuverlässig, jedes Jahr gesunde Pfirsichbäume wachsen zu sehen und Pfirsiche zu ernten. Höchstens einzelne Blätter sind befallen - das schadet nicht. Aber ist es vielleicht doch Zufall, gute Lage, robuste Sorten? Nein, das wollte ich genauer wissen und selber ausprobieren. Habe also in einem Versuch Bäume behandelt und Andere (natürlich sortengleiche und in ähnlicher Lage wachsend) Bäume nicht, denn von einer Sorte habe ich mehrere Bäume. Siehe da: Die unbehandelten Bäume kräuselten tatsächlich deutlich, die behandelten fast nicht.

Bereits in der Zeitschrift 'Obstbau' 8/2004: "Taphrina deformans - Neue Wege zur Bekämpfung" wurde die Methode mit Peressigsäure genau beschrieben. Im beschriebenen Versuch wurde das kommerzielle Desinfektionsprodukt "Wofasteril" auf 1% verdünnt verwendet. Peressigsäure ist wirksamer Bestandteil dieses und diverser anderer Desinfektionsmittel und vielfach erhältlich, häufig verwendet in der Tierhaltung, in der Lebensmittelproduktion, in Schwimmbädern und andere Bereichen. In solchen Produkten ist sie aber stabilisiert und meist sind weitere Hilfsstoffe enthalten. Das kann man ausprobieren, aber auch wenn es damit ebenfalls "funktioniert" ist deshalb eher Vorsicht angebracht, solche Mittel zu kaufen und verdünnt im Garten auszubringen.

Ach ja: Da in Deutschland alles verboten ist, was nicht von einem teuer bezahlten Juristen ausdrücklich erlaubt ist, ist die Anwendung solcher Mittel natürlich verboten. Es gibt auch keine Peressigsäurepräparate, die als Pflanzenschutzmittel zugelassen sind. Etwas legaler klingt es, alles "die Anwendung eines Hausmittels zur Pflanzenstärkung" zu nennen. Aber auch keine Pflanzenstärkungsmittel mit Peressigsäure sind in der offiziellen Liste des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit aufgeführt. Bekannt ist alles jedoch schon lange: Jemand hat die Anwendung von Peressigsäure an Pflanzen 2002 als Patent angemeldet, das aber schon 2009 erloschen ist, weil die Gebühren dafür nicht mehr bezahlt wurden. Es brachte wohl keine Einnahmen.

Bleibt die Frage, wie das eigentlich in den Haupt-Anbauländern für Pfirsiche läuft? Welche Mittel werden dort verwendet, was passiert dort? Die Früchte der intensiven Kulturen, die bei uns im Supermarkt und auf dem Teller landen sind ohnehin mit einer Vielzahl von Mitteln, darunter auch massivem Einsatz von Fungiziden (u.a. gegen Monilia) behandelt, dort ist der Pilz meist von vornherein schachmatt. Ausserhalb davon in privaten Gärten werden jedoch am Mittelmeer Pfirsiche ebenso von Taphrina befallen. Der Pilz selbst verträgt Hitze aber nicht gut und das Sprossmyzel ist nicht zu sofortiger Reinfektion in der Lage. Somit treibt der unbehandelte Baum nach dem ersten Befall sofort wieder gesund aus. Die Vegetationszeit in Mittelmeerklima ist so lange, dass ein erster teilweiser Blattverlust nicht zu einer wesentlichen Schwächung des Baums führt. Die Krankheit tritt also ebenso auf, ist aber in der Praxis kein Spielverderber-Problem. Und für uns jetzt hoffentlich auch nicht mehr.

Dienstag, 21. November 2017

Zierquitten wollen nicht

Frische Zierquittenfrüchte
Chaenomeles japonica, Chaenomeles speciosa und die Hybriden daraus sind Zierquitten, beliebte, schön blühende Sträucher in Hecke und Ziergarten. Man sieht sie bis heute oft auf Grundstücken mit Häusern aus den 1960er und 1970er Jahren, da war sie etwas in Mode. Sie blüht schön und reichlich und trägt im Herbst leuchtend gelbe Früchte. Es gibt sogar Fruchtsorten, die bekannteste ist "Cido". Gezüchtet wurde sie von Albert Tics aus Lettland. Ihre Früchte unterscheiden sich wenig von anderen Zierquittenkultivaren, aber sie ist fast stachellos und lässt sich leichter ernten. Sie wird verwendet wie eine Zitrone für sauren Saft oder Gelee, Marmelade, als Duftfrucht.

Ich habe auch einige Sorten am Grundstücksrand und verwende die Früchte, um sie als Säure- und Aromaträger dem Saft europäischer Quitten für die Geleeherstellung beizumischen, gewöhnlich 10-20% Anteil. Dieses Jahr gab es Dank Katastrophenfrost im Frühling keine Quitte, nur Zierquitten. Also wollte ich ein reinsortiges Zierquittengelee probieren, habe die Früchte elektrisch zermust, mit dem bewährten Handpressbeutel abgepresst und den Saft mit viel Zucker wegen der Säure mit Geliermittel aufgekocht.

Und das war ein totaler Fehlschlag. Es wurde nicht fest. Nicht annähernd. Die Mengen stimmten genau laut Geliermittelpackung. Säure war definitiv genügend vorhanden. Also noch einmal aufgekocht mit einem anderen Geliermittel, doppelte Menge. Wieder nichts. Was ist bloss los mit Zierquittensaft? Ich bin ratlos.

Sonntag, 12. November 2017

Rote Rüben, Rettung für den faulen Gärtner

Sie ist schon immer in Europa gewesen, schon die Kelten hatten sie, ich und viele andere Nutzgärtner haben sie auch: Beta vulgaris. Die Pflanze hat heute mehreren Formen: Als das Blattgemüse "Mangold" oder in Form der jüngeren roten Rübe, Beta vulgaris subsp. vulgaris. Ferner als Zuckerrübe, die aber weniger im privaten Nutzgarten, die wächst hier seit Erfindung des Rübenzuckers auf den Äckern und sorgt für viel Erosion, Glyphosat- und Düngemittelverwendung. Zuckerrübe und Rote Rübe wurden im 18. und 19. Jahrhundert aus der Runkelrübe (heute nur noch als Tierfutter verwendet) gezüchtet. Ab da trennten sich die Wege in Futterrübe (hoher Protein- und Mineralstoffgehalt), Zuckerrübe (hoher Saccharosegehalt) und die farbigen roten Rüben (guter Geschmack, weich kochbare Wurzel).

Ein Schlager

Roten Rüben oder Rote Bete sind ein Dauerschlager im Nutzgarten. Die rote Rübe kämpft auf jeden Fall um die Goldmedaille des problemlosesten Gemüses im Anbau bei gleichzeitig hohem Ertrag. Sie gehört in jeden Nutzgarten, wächst auf jedem Boden, verträgt viele Wetterextreme, lässt sich gut lagern. Etwas, dessen Anbau auch jeder Gartenneuling erfolgreich probieren kann. Verwendbar sind
neben der Rübe auch die Blätter, wie Mangoldblätter werden sie gerne von Hühnern gefressen und
Spenderorgan im Angebot
jung schmecken sie auch Menschen, sie sind etwas herber als Mangold. Leider werden die Eier der Hühner von den farbstoffreichen Blättern nicht rot, das wäre ein witziger Nebenffekt.
Die Vielfalt von roten Rüben ist viel grösser wie auf den ersten Blick sichtbar. Baut man sie nicht selbst an, kennt man sie aus dem Supermarkt, da sind sie rund und besteht aus ähnlich grossen, möglichst süssen Sorten. Dort liegt sie als fast-fertig-Produkt im Regal zwischen frischem Gemüse, eingeschweisst in Plastikfolie und bereits sehr weich gekocht. Ihr Anblick in der roten Sosse unter Plastik ist traurig und gleicht einem Spenderorgan, das vergeblich auf eine Transplantation wartete und nun verrottet.

Crapaudine, die Gute

Crapaudine, Knollen mit 1,5kg und mehr sind nicht selten
Es gibt rote Rüben aber auch als lange Walzen, keilförmig, es gibt sie in leuchtendem Gelb, in Weiss, mit Farbringen. Nach "Burpees Golden", "Ägyptische Plattrunde", "Opolski", "Forono" habe ich dieses Jahr habe die bisher leckerste Sorte angebaut: Crapaudine, eine sehr alte Sorte, sogar eine der ersten roten Rübensorten überhaupt. Angepriesen wird sie als hohe Erträge liefernd und wohlschmeckend. Wohlschmeckend stimmt: Sie hat ein ganz ausgezeichnetes, intensives, erdiges Aroma, die zugehörige Süsse wirkt perfekt eingepasst. Für Salat ist sie fast zu schade, am besten kommt sie in grobe Stücke geschnitten zur Geltung, die mit Balsamico- oder Rotweinessig, Salz und einem guten Walnussöl angerichtet sind. Ein hochfeines Gemüse, fein gehobelt auch roh sehr gut.

Frisch angeschnitten ein Gemetzel
Bei den Erträgen sieht es nicht so gut aus. Richtig ist, dass sie sehr grosse Wurzeln entwickeln kann, aber das können viele Sorten bei guten Bedingungen. Leider hat Crapaudine auch eine grosse Streubreite, es gibt in jedem halbwegs gut versorgten Beet einige Riesen und dann wieder viele ziemlich klein gebliebene Pflanzen mit 50g-Wurzelrüblein. Hat aber seine Vorteile. Kleine Rüben kochen schneller, man kann sich die optimale Grösse schon auf dem Beet aussuchen. Die Riesen mit >1kg Gewicht müssen bis zu 45 Minuten kochen, bis sie durch sind.

Schälen lässt sie sich manchmal nicht ganz so gut, weil sie unregelmässigere Formen annimmt und ein Wurzelbart an den Rüben hängt. Dafür ist ihre Lagerfähigkeit so gut wie bei modernen Sorten.

Der Anbau

Rote Bete im Beet, Herbst
Rote Bete gelingt immer. Sie wächst auf jedem Boden, auch auf unserem schweren flachgründigen Minutenboden, wo es Wurzelgemüse sonst schwer hat. Mit der Aussaat kann man sich von Mai bis Ende Juni Zeit lassen. Man kann sie auch später säen für kleiner bleibende Knollen. Im Glas eingemacht sehen sie hübsch aus. Die Aussaat ist einfach, da die Samen gross sind, sie keimen gut und leicht. Zu eng stehende Pflanzen sollte man beseitigen, verpflanzen der Sämlinge gelingt nicht, da sie bereits sehr jung tief wurzeln. Dann wachsen sie und wachsen und wachsen. Kühles Wetter und Halbschatten wird besser vertragen wie Sonnenglut, sie müssen nicht an den sonnigsten Stellen im Garten stehen. Ältere Pflanzen kommen auch mit weniger Wasser gut klar.

Ernte, Lagerung

Laufend ernten, sobald die Grösse gefällt. Ansonsten auf dem Beet stehen lassen bis zu den ersten Frösten, leichter Nachtfrost wird gut vertragen. Ab -4°C müssen sie vom Beet und in die frostfreie Sandkiste. Dort halten sie sich bis ins Frühjahr, schliesslich werden sie holzig.

Gelbe und weisse Sorten habe ich auch, darüber später mehr. Nicht nur die Farbe unterscheidet sich, auch die Inhaltsstoffe und das Aroma. Gut sind sie auf ihre Weise alle!

Montag, 6. November 2017

Chinakohl nur noch im Herbst

Chinakohl ist eines der vielen Beispiele für Gemüse, für deren Anbau man besser seine alten Gartenbücher verbrennt und diverse Anbauberater in die Wüste schickt. Oder als Indikator für obsolete Ansichten und Ahnungslosigkeit nimmt. In den Büchern steht vielfach noch drin, er wäre leichter wie anderer Kohl anzubauen, schnellwüchsig und einfach. Das gilt nur noch in kühlmilden, feuchten Gegenden, aber auch dann nicht mehr ohne viel Pflanzenschutz. Ansonsten hat es sich ins radikale Gegenteil verkehrt. Anbauversuche in Österreich in trockenem Klima endeten trotz kräftigem Insektizideinsatz mit Totalschaden, für Anbau ausserhalb der Steiermark wird er dort gar nicht mehr empfohlen. Die Anbauflächen in Niederösterreich gehen aufgrund der Folgen steigender Tageshöchsttemperaturen laufend zurück, auch in Deutschland sind sie zurückgegangen.

Kohlerdflohschaden an Chinakohl

Nichts geht mehr in Frühling und Sommer

So sind auch meine Erfahrungen im Kocher-Jagst Zweistromland über Jahre hinweg mit Frühlings- und Sommeranbau von Chinakohl. Er keimt leicht, Jungpflanzen überleben aber nur Tage. Kohlerdflöhe, die früher nur eine Ausnahmeerscheinung waren fressen ihn sofort bis auf das Blattskelett ab. Selbst ältere Pflanzen werden befallen. Eine Behandlung mit Pflanzenschutzmitteln ist sinnlos weil viel zu kurzwirkend, Hausmittel helfen nicht. Kommt er durch, folgen Kohlfliege, Rapsminierfliege, Blatt- und Wurzelläuse. Auch Schnecken und allerlei Raupen lieben ihn. Die Litanei geht mit anderen Problemen weiter. Für sich genommen wäre mit dem einen
Kohlerdflöhe. Insgesamt waren 20 Stück auf der Pflanze.
oder anderen Schädling zurechtzukommen, aber der konzentrierte Ansturm mehrerer Probleme gleichzeitig macht alle Rettungsversuche zunichte. Gemüsenetze helfen nicht, die Kohlerdflöhe sind schon vorher da und Verunkrautung mag er nicht. Zudem benötigt man Haltekonstruktionen, damit die engmaschigen Netze nicht die jungen Pflanzen plattdrücken. Die meisten Schädlinge lachen sich über kreuzbrave Formeln wie "Fruchtwechsel" und "feucht halten" einen Ast.

Kohleulenraupe. Gut getarnt.
Auch die stark gesteigenen Wetterextreme setzen ihm übel zu. Starke Temperaturstürze wie im Frühjahr 2017 vernichten die gesamte Ernte, denn die Pflanzen beginnen nach dem späten und plötzlichen Kältereiz zu blühen statt Köpfe zu bilden, dieser Effekt nennt sich Vernalisation. Man sieht es nicht sofort und es ist unumkehrbar. Gemerkt habe ich das erst Wochen später, als sich Blütenköpfe hervorschoben und so war auch noch das Beet in der besten Jahreszeit mit einer Nullernte blockiert bzw. blieb ein Zuchtbeet für die vielen Schädlinge am
Ackerschnecke löchert Chinakohl
Chinakohl, die sich dort fröhlich vermehrt haben um dann bei anderen Kohlsorten weiterzumachen. Fäule- und Pilzkrankheiten  sind ebenfalls schlimmer geworden, da nächtliche Taubildung bei gleichzeitiger Bodentrockenheit zugenommen haben.

An eine Verbesserung durch neue Züchtungen glaube ich nicht. Zu vielfältig und zu grundlegend sind die Probleme. Trotzdem gibt es gute Gründe, Chinakohl als Gemüse auch im eigenen Garten anzubauen, er ist unter anderem die Basis für selbstgemachtes Kimchi, einer mittlerweile weltweit verbreiteten koreanischen Spezialität. Er wird dafür gewürzt und milchsauer eingelegt. Und wenn er wächst, bringt er viele Kilo pro Quadratmeter.

Verschiedene Wachstumsstadien
Oben: Mitte September

Herbstanbau die Rettung?

Also bin ich auf möglichst späten Herbstanbau ausgewichen. Der muss freilich auf Kante genäht sein, um das Gleichgewicht auf dem extrem schmalen Grat zwischen zu kurzer Vegetationszeit und Schädlingskatastrophen schon bei den Jungpflanzen zu halten. In den erwähnten Gartenbüchern wird zur Aussaat bis Ende Juli, maximal Anfang August geraten. Das klappt aber nicht. Jungpflanzen im August werden immer noch schnell und effizient von den Schädlingen vernichtet. Auch das Risiko extremer Hitze ist heutzutage zu dieser Zeit zu hoch geworden.

Mein Weg ist, erst Mitte August auszusäen und zwar in gut geschützten Aussaatschalen im lichten Halbschatten, möglichst auf einer versiegelten Bodenfläche stehend oder in mindestens Hüfthöhe, so kommen die Kohlerdflöhe nicht ran. Nach der Keimung bald etwas düngen, um für zügige Entwicklung zu sorgen. Die Jungpflanzen bleiben dann relativ lange in ihren Aussaat-Reihenhäuschen, zwei Wochen. Chinakohl verträgt das gut, er wurzelt nicht tief. Auspflanzung bis kurz nach dem Monatswechsel zum September. Danach benötigt Chinakohl acht Wochen, um verwertbare Köpfe zu bilden, Erntereife also ab Monatswechsel zum November. Da der Oktober längst ein Wachstumsmonat geworden ist mit viel höheren Tages- und vor allem Nachttemperaturen wie früher, schafft das Chinakohl auch meistens. Klappt es einmal nicht, kann man sich trösten: Im Sommer hätte es erst recht nicht geklappt.

Vorteil Herbst

Beginnende Phoma an Chinakohlblatt
Das Risiko vieler Schädlinge ist deutlich gemindert. Am Anfang versucht es der Kohlerdfloh noch zäh. Dagegen kann man einmalig ein Natur-Pyrethrum-Präparat anwenden und damit ein paar Tage ungestörte Blattbildung zusätzlich herausschinden. Andere Risiken steigen: Schneckenbefall ist gerade im Herbst stärker, Phoma (Phoma lingam ist ein Pilz) ebenfalls und Kohleulenfalter mit den grünen Raupen kommt auch im Herbst am stärksten. Das sind aber selten totale Spielverderber, zumal sich gegen Schnecken auch etwas tun lässt. Kohleulen sind ärgerlich, lassen sich in Chinakohlköpfen kaum absammeln, das kann die Ernte am ehesten verderben wenn sie massenhaft auftreten.

Knackfrischer Chinakohl aus Spätanbau. 600g netto.
Hilfreich sind Sorten mit mässig grossen Köpfen, die sind oft etwas schneller mit der Kopfbildung fertig wie die "Grosskopfeten". Und auch die Lage des Beets ist mit Sorgfalt zu wählen, die tiefstehende Sonne im Oktober kommt in unseren engen Gärten zwischen der allgegenwärtigen Bebauung nicht mehr überall hin. Westseiten sind gut, Nachmittagssonne wichtiger wie Morgensonne, denn morgens bleibt es ohnehin immer länger hochnebeltrübe. Späte Fröste sind nicht mehr schlimm, hat er einmal einen Kopf gebildet kann man ihn bis zu erstaunlichen -6°C auf dem Beet stehen lassen.

Meine Lieblingssorte ist "One Kilo", mit der klappt der Spätanbau hinreichend gut. Auch dieses Jahr hat es mit der oben beschriebenen Methode funktioniert, Erntebeginn jetzt in der ersten Novemberwoche. Pflanzen mit Entwicklungsnachteilen (teilverschattet, zu langsame Jungpflanzenentwicklung, frühe Kohlerdflohschäden) sind da noch nicht so weit, andere haben schon brauchbare Köpfe mit 600-1000g gebildet. Noch nicht kompakt gewordene Köpfe sind für alles brauchbar, besonders ideal aber für knackige Salate. Er verträgt würzige Sossen aus Creme Fraiche, Knoblauch, Weinessig, Chili. So lieben ihn auch die Kinder. Andere Sorten sollen angeblich noch besser pilztolerant sein. Speziell für den sehr späten Anbau werde ich davon noch einige ausprobieren. Leider sind Sorten mit wirklich grossen Köpfen wie in Korea populär nicht zu bekommen, sie würden sich für Zubereitung von Kimchi am Besten eignen. Erfahrungen willkommen.