Dienstag, 28. Februar 2023

Schnapsige Quittenverwertung

Unser grösster Quittenbaum

Unsere Quitten tragen jedes Jahr besser, weil die Bäume mehrerer Sorten stetig wachsen. Sie gedeihen, und es ist wirklich die einzige Obstart hier, die trotz der brutalen Wetterveränderungen mit Hitze, durchgängiger Sommertrockenheit, Spätfrösten und ständigem Import neuer Krankheiten auf der Obstwiese überlebt, Zuwachs hat und verwertbare Ernten bringt. Quitten werden immer wichtiger. 

Auch 2022 war es die einzige Obstart, die eine gute Ernte brachte. Oft verschenken wir einen guten Teil davon, der Rest wird selber verwertet, als Saft, Gärmost, Quittenspeck, Desserts, Gelee, was man eben so macht und schon in früheren Beiträgen genannt und gezeigt wurde. Dieses Jahr wollte aber keiner Quitten. Das war die Chance, mal ein ganz anderes Ziel anzusteuern: ein eigener Quittenschnaps. Der gehört zwar zu den schwierig herzustellenden Schnäpsen und wir trinken Hochprozentiges ohnehin nur selten. Wenn, dann wenig und als Digestif nach einem ausgiebigen Sonntagsessen, aber mal einen Brand aus den eigenen Quitten machen bringt auch Spass und Erlebnis. Das Endprodukt ist haltbar, man kann es also erst einmal stehenlassen (wird dann sogar besser) und der Druck einer sofortigen Verwertung schwebt dadurch nicht über uns.

Wie fängt man sowas an, was benötigt man? 
  • Zunächst mal muss man die Mengen kalkulieren, prüfen, ob man überhaupt genug gute, reife Quitten zusammenbekommt. Gefordert sind 90 bis 140 Liter Maische, mindestens so viele einwandfreie Quitten sollte man also zusammenbekommen. Aus Gründen, die später noch detaillierter beschrieben werden, ist weniger Maische nicht zu empfehlen. Hat man mehr, sollten es Vielfache von 140 Liter sein - also 280 Liter oder 420 und so weiter.
  • HDPE-Fass 100 Liter für den Ansatz
    Benötigt werden dieselben Geräte wie für eine Saftherstellung, Obstmühle, Presse, zusätzlich ein Gär- und Transportgefäss, Reinzuchthefe. Beliebt dafür sind die bekannten blauen Chemikalienfässer ab 100 Liter Fassungsvermögen mit Deckel und Spannring. Oder eben passende Maischefässer aus dem Hausmosterei-Handel. Bekannte Firmen sind beispielsweise Speidel und Rink. Die Chemikalienfässer sind bereits sehr gut, sie sind sehr robust und bruchfest, bestehen aus HDPE (High-Density Polyethylen) und sind voll lebensmittelecht, transportfähig.
  • Das Fass benötigt einen Standplatz, wo die Maische in Ruhe gären kann. Dieser Standplatz sollte kühl aber nicht kalt sein, das schwere Fass muss man dorthin- und wieder wegbringen können, womit ein Keller über eine Treppe oft ein Problem sein wird. Eine robuste Sackkarre ist sehr von Vorteil. Gut geeignet sind Gartenhütten, leere Aussengaragen, Scheunen.
  • Man benötigt eine Abfindungsbrennerei in der Nähe und muss das schwere Fass hintransportieren können. In unserem Fall klappte das nur mit einem Anhänger, nicht im Kofferraum. Eine Brennerei ist kein Laden mit Öffnungszeiten, bevor man mit dem Fass ankommt, erst mit der Brennerei die Details vereinbaren.
  • Wirklich viel Geld benötigt man nicht. Zu zahlen ist der Brennlohn und die Alkoholsteuer.
  • Will man den Brand anschliessend noch lagern, ist dafür ein Glasballon gut geeignet. Für den Transport der Ergebnisse sind Kanister gut. Zum Abfüllen Glasflaschen nach Wunsch.

 

Maische aus Quitten herstellen

Mit der Obstmühle die Früchte zerkleinern

Am Wichtigsten für die Qualität des Brandes ist eine gute Maische. Die Quitten dafür pflückt man, wenn sie vollreif sind, wenn sie "quittengelb" beginnen, von selbst zu fallen. Danach werden sie möglichst sofort und komplett verarbeitet. Wer keine Presse und Obstmühle hat, kann sie auch in einer Lohnmosterei pressen lassen, bekommt dann aber nur Saft und keine Maische mit Fruchtfleisch. Nur den Saft vergären geht, aber mit dem Fruchtfleisch zu vergären, ergibt mehr und besseres Aroma.

Sorten mit hohem Zuckergehalt sind zu bevorzugen. Je mehr Zucker, desto mehr Ausbeute. Unsere Hauptsorte ist da leider nur mittelmässig und erreicht 50-60° OE (12,6 bis 14,7 Grad Brix). Ein billiges Refraktometer klärt den Zuckergehalt schnell. Die anderen Sorten erreichen teils deutlich mehr, 70° OE (17,1° Brix) sind keine Seltenheit, die Rekordwerte bei schwachem Behang und starkem Sommer liegen noch höher. In anderen Regionen mag das weniger oder mehr sein, aber generell lohnt es sich kaum, bei unter 50° OE einzumaischen und zu brennen. Ausbeute und Aromen sind dann zu gering.

Quitten waschen, Flaum abreiben!
Für die Maischeherstellung sollte man sie waschen und Flaum auf der Schalenoberfläche gut abreiben. Der enthält ein Öl, das dem Brand geschmacklich schadet. Bei dieser Gelegenheit sehr genau nach Faulstellen sehen, vor allem um den Nabel herum, zweifelhafte Früchte wegwerfen. Die Guten in die Obstmühle werfen, eimerweise das Fass mit der Maische füllen. Die Maische enthält auch Luftbläschen, für 90 Liter Maische muss der Füllstand also etwas höher liegen.

Quittenmaische verflüssigt sich während der Gärung nicht gut, zusätzlich sollte man bis etwa 20% Quittensaft zugeben, um den Saftanteil sachte zu erhöhen. Also nach der Obstmühle nicht alles ins Fass kippen, sondern auch eine gewisse Menge ganz normal abpressen. Früher hat man gerne etwas Wasser und Zucker zugegeben. Zuckerzugabe ist aber logischerweise wegen der Alkoholsteuer nicht erlaubt und das hätte ohnehin nur den Alkoholgehalt, nicht das Aroma erhöht, also sein lassen! Wir wollen beste Qualität, nicht beste Quantität.
Quittenmaische frisch gemust. Bazig, nicht fliessfähig

Die Maische in Gärung im Fass

Das Fass kommt an den Ort, an dem es ein paar Monate kühl stehen kann. Vorab vermehrte Reinzuchthefe (Sorte: Kaltgärhefe) rein, mit einer sauberen Stange rühren, Deckel darauf, Gärspund. Wir hatten ein blaues Chemikalienfass und einfach den Deckel mit Dichtung locker aufgesetzt, ohne den Spannring zu verriegeln. Dann eine Apfelkiste auf den Deckel gestellt, sodass durch die Gärung ein dauernder leichter CO₂-Überdruck im Fass herrschte und kein Sauerstoff eindringen kann. Anfangs muss man das Maischefass noch gelegentlich öffnen und mit einem Stock umrühren, sonst sammeln sich alle Feststoffe durch die Gärung oben und quellen eventuell aus dem Fass. Also auch genug Raum lassen, etwa ein 120 Liter Fall für 100 Liter Maische nehmen. Nach zwei bis höchstens drei Monaten ist die Maische normalerweise komplett vergoren, auch Fruchtstücke sind musig weich, lassen sich mit der Hand leicht zerdrücken. Mit einer Kelle holt man sich etwas aus dem Fass und prüft, ob das Ergebnis wirklich zuckerfrei und damit ganz durchgegoren ist. Bitte so wenig wie möglich öffnen, nicht "gucken", Luftzutritt ist schädlich.

In der Literatur wird gerne geraten, die Maische anzusäuern, um Fehlgärungen zu verhindern, dafür wird Schwefel-, Milch- oder Phosphorsäure genutzt. Darauf verzichten wir. Wichtiger ist es, gut vermehrte Reinzuchthefe für Gärung in kühlen Räumen zuzugeben. Vorher alles langsam auf gleiche Temperatur bringen, damit die Hefe keinen Kälteschock bekommt. Geht die Gärung schnell und kräftig los und taugt die Maische etwas, ist das ein guter Schutz gegen Fehler wie Essigstich.

Noch etwas Saft ohne Feststoffe dazu

 

Anmelden, Steuern bezahlen

Der Steuerbescheid

Man kann, aber sollte die Maische nicht lange lagern. Vor allem nicht in die warme Jahreszeit hinein. Die Hefe zersetzt sich und das gilbige Aroma eines Proteinabbaus kommt, Fruchtaromen werden schwächer. Also ab zum Brenner, der einem auch dabei hilft, den Brand anzumelden. Kein Schnaps ohne Gesetz, Bürokratie, Behörden, Steuern zahlen. So läuft das:

  1. Der Brenner meldet den Brand auf einem Formular beim Zoll an. 
  2. Dann dauert es mehre Tage bis Wochen. Irgendwann schickt der Zoll eine Rechnung an euch, die sogenannten "Stoffbesitzer". Ihr habt Steuern zu bezahlen - rund 10 EUR pro Liter unverdünntem Alkohol. Die entstehende Alkoholmenge wird vom Zoll nur geschätzt und richtet sich nach einer Tabelle, dem sogenannten Ausbeutesatz. Bei Quitten lag der 2022 bei 2,6. Dieser Wert entspricht der Alkoholmenge in Litern reinen Alkohols (lA), die bei mehligen Stoffen aus 100 kg und bei nichtmehligen Stoffen aus 1 hl der Stoffe gewonnen wird. Hier: Richtlinien und Tabelle. Wir zahlten für unsere 90 Liter Maische etwa 25 EUR Alkoholsteuer.
  3. Der Brenner erhält gleichzeitig vom Zoll die Genehmigung für den Brand und einen Brenntermin, an dem der die Maische brennen muss. Ohne amtliche Genehmigung geht nichts.

 

Der Brand

Die Brennerei. Sauber, aufgeräumt, funktional, gut.

Einige Brenner lassen einen zusehen, wie sie brennen. Der Vorgang erfordert viel Erfahrung und vor allem muss der Brenner seine Destille sehr gut kennen. Die typischen Kleinbrennerdestillen haben alle eine Brennblase mit einem Fassungsvermögen von 140 bis 150 Litern. So löst sich auch das Rätsel, wieso der Ansatz maximal diese Menge haben sollte. Man zahlt immer für den Brandvorgang, egal ob man 50 oder 140 Liter bringt. Im einen Fall ist die Brennblase dann halt voll, im anderen nur teilweise. Pro Liter ist der Brand also um so teurer, je mehr man unter den 140 Litern bleibt. Der Aufwand für den Brenner ist auch derselbe.

Beim Brand entsteht erst Vorlauf, dann Mittellauf, schliesslich Nachlauf und die leergebrannte Maische, auch Plempe genannt - sie wandert meist direkt ins Abwasser, wird also verplempert. Der Vorlauf enthält unter anderem Methanol, ist nicht geniessbar, ja sogar giftig. Er hat auch kein Aroma. Man kann ihn mitnehmen und als Desinfektionsmittel nutzen. Wir bekamen einen Liter Vorlauf. Der Mittellauf ist das gute Zeug. Wir haben ihn gleich vom Brenner mit etwas demineralisiertem Wasser auf Trinkstärke von 42% verdünnen lassen und ihn im mitgebrachten Kanister bekommen. Es waren sieben Liter. Der Nachlauf hat etwas Aroma, aber viele unangenehme Fuselöle. Den haben wir dem Brenner gelassen. Er sammelt den Nachlauf aller Brände der vergangenen Monate und brennt sie am Ende der Saison noch einmal, das gibt noch einige verwertbare Liter Obstler. Anschliessend wird der Brennlohn gezahlt - 45 EUR bei uns, etwas billiger wäre es gewesen, wenn wir das Holz zum Maische kochen in der holzbefeuerten Destille mitgebracht hätten. 

"Schwarz brennen", also selber, illegal ohne den Zoll, das kam für uns nie in Frage. Kleinere Brenngeräte aus dem Urlaub in Osteuropa kaufen und einschmuggeln geht zwar, aber wozu? Beste Qualität ist mit diesen einfachen Destillen nicht zu erreichen. Die Kenntnisse eines erfahrenen Brenners haben wir auch nicht. Teurer Krempel für etwas, das man einmal im Jahr nutzt für ein Produkt, das man wenig konsumiert plus Strafbarkeit, das wäre hirnrissig.

Natürlich bleibt auch so mit Steuern, Brennlohn, herumfahren, dem sonstigen Aufwand alles eine finanziell tief im Minus bleibende Liebhabersache. Man bekommt die Essenz der eigenen mühevoll angebauten Früchte, das ist es auf jeden Fall wert, aber wer glaubt, er kann die Kosten durch Weiterverkauf des Brands wieder hereinholen, wird das nicht schaffen. So ist das eben bei fast allen Hobbys, wer etwas verdienen will muss Händler für Zubehör werden oder Angestellter beim Zoll.

 

Abholen, mischen, lagern, trinken

Brennergebnis - unspektakulär

Schliesslich waren wir auf dem Heimweg, mit unserem leeren Fass und zwei Alkoholkanistern. Zu Hause kann man es natürlich nicht abwarten, das Ergebnis zu probieren. Wir schraubten den Kanister auf und wunderten uns sofort: Der Duft nach Quitten erfüllte das Zimmer. Das hatte ich nicht erwartet. Erwartet hatte ich etwas mehr Obstlerartiges, dass das leichtflüchtige Quittenaroma so stark sein würde, das überraschte. Dann im Glas und im Mund: Intensiv blumig quittig, aus dem Spektrum des Quittenfruchtaromas rollte eine überraschende Fruchtsüsse über die Zunge, die nicht durch Zucker, sondern Aromen entstand. Der Brand war einerseits weich, aber auch noch in der Mitte etwas unrund, was sich durch Lagerung einebnen wird. Dass aber das Kaleidoskop des Quittenspiels mit Lagerung auch so intensiv bleibt, kann ich mir nicht vorstellen. Sicher ist: Der Brenner verstand sein Handwerk meisterhaft und unsere Maische war hochwertig. Auf jeden Fall ein Erfolg für uns, dieser erste Versuch.

Abfüllung in 5l Ballon

Wir haben dann fünf Liter in einen Glasballon getrichtert, gut verschlossen und in den Keller gestellt. In ein paar Monaten füllen wir den Inhalt in Flaschen ab. Kommerzielle Hersteller lagern bis zu zwei Jahre im Edelstahltank vor der Abfüllung. Die restlichen zwei Liter kamen in schmale, schöne 100ml Fläschchen, Korken darauf, Schrumpffolie drüber, Etikett drauf. Dazu zwei Halbliter-Apothekerflaschen, ebenso verschlossen. Die kleinen Flaschen sind ideale Geschenke, grössere Flaschen sollten bei einem halben Liter bleiben. So schnell trinkt man den Sprit nicht und in halbleer getrunkenen Flaschen verliert der Brand an Aroma. Wer trinkt schon einen halben Liter Schnaps auf einmal? Wir jedenfalls nicht.

 

Quittenbrand - das Endergebnis

Getrunken wird bei Zimmertemperatur, nicht aus dem Keller. Beliebt ist Quittenbrand nach dem Essen, pur, laut Büchern besonders nach einem Wildgericht, das ich als Vegetarier eher nicht auf dem Tisch habe. Wenn er aber derartig aromakräftig bleibt, werden wir ihn aber auch als Zutat für Desserts verwenden. Wohl bekomms.