Samstag, 9. Oktober 2021

Sugar, Sugar

"Sugar, Sugar" ist eine Hymne der Bubblegum-Musik betitelt. Gesungen in "The Archie Comedy Hour" von CBS-TV, https://www.youtube.com/watch?v=h9nE2spOw_o - der erfolgreichste Hit des Jahres 1969:

 

Das ist Lied ist so künstlich wie raffinierter Kristallzucker, die Band gab es gar nicht, es war eine Studioproduktion aus der Retorte mit einzeln engagierten Musikern. 

Um Zucker geht es sehr oft. Am Zucker hängts, am Zucker drängts. Auch beim Obst dreht sich immer sehr viel, zuweilen auch alles um den Zucker - jedes Jahr von Neuem. Die Süsse des Obsts ist entscheidend, saure Äpfel und Birnen sind kein Hit. Von einigen Obstsorten messe ich regelmässig den Zuckergehalt, das sagt viel aus über den Reifezustand, wie das Sommerwetter gelaufen ist und er hilft manchmal, unklare Sortenzuweisungen zu klären. Warme Jahre mit langem Herbst und genug Feuchtigkeit, aber keine Pilzkrankheiten sind das Optimum beim Kernobst, sie bringen viel Zucker in die Früchte. Sugar, sugar. Auch dieses Jahr habe ich einige Sorten gemessen.

Wie messen?

Refraktometer für Zuckerbestimmung von Früchten

Anfangs nutzte ich ein Aerometer, das ist eine Spindel aus Glas, die man bei 20°C im Saft schwimmen lässt. Je nach dem wie tief sie eintaucht, kann man damit das Mostgewicht des Safts messen und daraus den Zuckergehalt ableiten. Je mehr Zucker gelöst ist, desto schwerer der Saft. Diese alte und aufwendige Methode nutzt keiner mehr, seit Refraktometer sehr billig geworden sind.

Ein Refraktometer ist ein optisches Gerät, das Zuckergehalte aufgrund der Lichtbrechung messen kann. Ein Tropfen Saft reicht, der kommt aufs Objektiv und dann hält man das Gerät ins Licht. 

Skalen Brix, Öchsle, KMW/Babo
im Refraktometer

Zucker im Saft verändert die Lichtbrechung, was sich auf einer Skala abtragen lässt. Dort ist dann der Zuckergehalt abzulesen, die gebräuchlichsten Einheiten sind Öchsle, Brix, KMW (Klosterneuburger Mostwaage), Beaume. Grad Öchsle sind in Deutschland für Most sehr verbreitet und immer mehr auch Grad Brix. Da in englischsprachigen Ländern Brix verwendet wird, setzt sich diese Einheit durch, wie alles von dort, ob sinnvoll oder nicht. Öchsle sagt aus, wieviel Gramm der Liter Most wegen des Zuckergehalts mehr wiegt wie der Liter Wasser. Brix macht Aussagen über die Flüssigkeitsdichte von Saccharose in Wasser. Zehn Grad Bix beschreiben eine Dichte wie sie zehn Gramm Saccharose in 100g Saccharose-Wasser-Lösung machen, also einer zehnprozentigen Saccharose-Lösung. Der Zuckergehalt ist mit diesen Einheiten nur ungefähr bestimmbar, weil auch andere Inhaltsstoffe die Messung beeinflussen, auch die Temperatur, die genauen Arten des Zuckers - Oligosaccharide, Disaccharide, Monosaccharide? Egal wie die Skala aussieht, relative Aussagen lassen sich damit recht gut machen.

Ergebnisse

Die Ergebnisse der Messung am 9.10.2021 in Grad Öchsle, Umrechnung in Brix siehe hier.

Brettacher, Schnitz entnommen zur
Zuckerbestimmung

Äpfel

  • 64° OE Roter von Simonffi. Essreif, Rosenaroma, herrlicher Herbstapfel.
  • 58° OE Rebella. Schon etwas abgebaut, mehrfachresistenter Herbstapfel.
  • 65-70° OE. Zabergäu Renette. Reift etwas folgernd. Lagerfähige Renette, pflückreif aber muss noch liegen.
  • 49° OE Glockenapfel. Ausgesprochen sauer. Wirkt unreif trotz gelber Fruchtschale. Brr.
  • 56° OE Bionda Patricia. Sehr saftig, essreif.
  • 72° OE Gala. Vollsüss, vollsaftig. Heftig. Viel Aroma, essreif.
  • 66° OE Schöner von Boskoop. Fast essbar. Eine rotschalige Mutante. Sortentypisch. Starker Behang.
  • 71° OE Parkers Pepping. Hat noch viel Säure, muss lagern. Fruchtfleisch sämig.
  • 96° OE Pilot. Verstehe ich nicht. Mehrfache Messungen, der Wert stimmt. Direkt am Kernhaus hatte das Fruchtfleisch auch 92° OE. Sorte stimmt, alles typisch. Wieso hat der so viel Zucker?
  • 55° OE Idared. Der Schneewittchenapfel, aussen rot, innen schneeweiss. Essreif, jetzt gut, kann aber noch hängen.
  • 65° OE Jonagold. Immer noch Hauptmarktsorte, süss, essreif, Golden Delicious-Würze. Verursacht bei mir Allergie, wunden Mund - wie der Golden, eine Elternsorte.
  • 66° OE Pomgold. Säulenbaum, schwacher Behang dieses Jahr, reif. Bei starkem Behang viel weniger Zucker.
  • 66° OE Orleans Renette. Fruchtfleisch vom Boskoop-Typ, aber mehr Aroma, schon essbar.
  • 90° OE Red Obelisk Zierapfel. Bröseliges Fruchtfleisch, wenig Saft, bitter.
  • 76° OE Goldparmäne. Reif, edel, letzter Baum, die Sorte stirbt an Rindenbrand.
  • 54° OE Kiku, ein Fuji-Klon. Geklaut von der benachbarten Plantage. Süsslich-leer, Kernhaus glasig. Verursacht Allergische Reaktion im Mund.
  • 61° OE Brettacher. Muss noch lagern, die spritzige Langlagersorte, meine Hauptsorte.

Birnen

  • 57° OE Boscs Flaschenbirne. Essreif, gross, etwas langweilig. Zimtfarbene Berostung.
  • 75° OE Madame Verte. Noch viele unreife Aromen. Lagerbirne.
  • 43° OE Conference. Früher Blattverlust, nicht gesund.
  • 56° OE Josefine von Mechelen. Lagersorte, aber durchaus schon essbar, Optik aber sehr unreif.
  • 80° OE Gräfin von Paris. Sehr süss, aber noch fest.

Quitten

  • 60° OE Unbekannte Apfelquitte. Vielleicht ein Sämlingsbaum. Quitten reissen leicht auf.
  • 56° OE Riesenquitte von Lescovac. Hat noch deutlich Gerbstoffe, Überbehang.
  • 68° OE Zitronenquitte. Lecker, roh essbar.
  • 69° OE Cydopom. Nicht ganz reif, noch viel Säure aber nicht mehr viel Gerbstoffe.
  • 59° OE Cydora. Sollte noch hängen, nicht ganz reif.

Alle vorhandenen Sorten sind es nicht. Einige Äpfel von Jungbäumen mit wenig Ernte wie z.B. der rote Bellefleur, Zuccalmaglio fehlen, sehr späte Birnen auch, Sommersorten wie der Gravensteiner, Piros, Schöner von Bath, Klarapfel, Georg Caves sowieso und auch einige Quitten.

Fazit

Äpfel Sorte Pilot

Die Überraschungen sind die ungewöhnlich hohen Zuckergehalte des Apfels "Pilot", eine DDR-Züchtung aus Pillnitz von 1962. Die Sorte hat sehr zähes und hartes Fruchtfleisch, lässt sich aber sehr lange lagern und schmeckt ab etwa März, da wird er weicher und gefälliger. Überraschend auch die Zitronenquitte (Limon Ayvasi), die sogar roh ganz gut kommt und auch viel Zucker hat. Die Früchte waren allerdings alle etwas deformiert, vielleicht eine Frostfolge, so wie Frostzungen bei Äpfeln. Auch Cydopom schaffte gute Werte, der schwache Behang begünstigte das.

Andere Sorten lagen fast alle etwas besser wie im langjährigen Mittel Dank ausnahmsweise genug Niederschlägen und warmen aber nicht heissen Temperaturen. Die Lubera-Züchtung Bionda Patricia enttäuschte etwas, für einen Lagerapfel etwas leichte Früchte mit nicht viel Zucker. Sorten mit wenig Behang hatten noch zusätzlich Zucker, wenn der Baum wenig Früchte versorgen muss werden sie süsser.

Zuckergehalte sagen nichts über Reife, Lagerfähigkeit, Aroma aus. Der Süsseindruck wird nicht nur von Zucker, sondern vor allem vom Säuregehalt bestimmt. Da Säuren aber mit der Lagerdauer abgebaut werden, werden zuckerreiche Äpfel schliesslich süss bis sehr süss. Und haben viel Energie eingelagert, von der sie zehren können. Die Äpfel leben ja nach der Ernte weiter und veratmen den Zucker. Oder wir veratmen ihn, wenn wir ihn essen.

Auch nächstes Jahr wird es wieder heissen "sugar, sugar" - aber für den Nutzgärtner nicht für die Suche nach Bonbons aus Rübenzucker, sondern zur Skala des Refraktometers. Und küssen darf man die prallen, rotbackigen Äpfel auch. 

Nachtrag

Von einigen noch am Baum hängenden Früchten habe ich zehn Tage später nochmal den Zuckergehalt gemessen: Parkers Pepping lag jetzt bei 84° OE und entwickelte mehr Aroma; Zabergäu Renette 77° OE, Cydora liegt jetzt deutlich über 62°. Im ruhigen Herbstwetter wurde weiter kräftig Zucker eingelagert.

Sonntag, 3. Oktober 2021

Tafeltraubentest: Sorte Suffolk Red

Suffolk Red

Die Tafeltraube "Suffolk Red" ist eine alte amerikanische Sorte, gezüchtet von John Einset an der Cornell Universität New York. Dieser Züchter erschuf eine Vielzahl interessanter Sorten, darunter auch "Lakemont", die bis heute sehr populär ist und kernlos, so wie Suffolk Red. Entstanden ist Suffolk Red bereits 1935 aus einer Kreuzung von Fredonia mit Russian Seedless 136 (Black Monukka), die ersten Früchte konnten 1941 verkostet werden. Einen Namen bekam sie erst 1972. In den USA scheiterte sie, weil sie für das kontinentale Klima jenseits der Küste zu wenig frostfest war.

Seit vielen Jahren wächst sie auch in unserem Garten. Es ist eine unserer leckersten Trauben, leider auch mit gewaltigen Nachteilen ausgestattet. Die Kurzübersicht der Testwertung:


Wuchs und Krankheiten

Laub von Suffolk Red

Suffolk Red wächst sehr stark. Nach deutlichem Rückschnitt schafft sie problemlos mehrere Meter Neutrieb. Die Äste sind kräftig, für eine grosse Pergola wäre sie das richtige grüne Dach. Auch ihre Blätter werden recht gross. Hat man nur wenig Platz, ist sie nicht zu empfehlen. Der nötige Dauerschnitt ist mühsam und die Erträge sind gering.

Früher Oidium-Befall

Krankheiten und Probleme hat sie leider auch einige. Ihre Anfälligkeit auf echten Mehltau ist deutlich, vor allem wenn sie nicht windoffen steht. Stehende Luft, Wärme, das begünstigt Mehltauinfektionen sehr und Suffolk Red leidet darunter. Falschen Mehltau hat sie seltener. Ihr zweites grosses Problem ist Stiellähme und ein schwaches Traubengerüst. Die Trauben brechen sehr leicht auseinander, schon ein kräftiger Wind kann sie abreissen, vor allem die grossen, schönen und deshalb schweren Trauben. Auch junge grüne Triebe reissen leicht bei Wind ab - anbinden! Teile des Traubengerüsts sterben häufig ab, die Beeren werden dann schlaff, klein und bleiben sauer. Dagegen kan man nichts machen. Ihre Frostfestigkeit könnte auch besser sein, absterbende Triebe sind aber bei einer so stark treibenden Sorte nicht schlimm, sie schiebt sofort neue lange Ranken.

Obwohl es eine rote Sorte ist, habe ich wenig Kirschessigfliegenbefall beobachtet. Auch die Platzfestigkeit und Wespenfrass sind nicht sonderlich problematisch, da liegt sie auf der günstigen Seite. Wie alle Sorten mit kleinen, handlichen Beeren sind Vögel sehr scharf auf sie. Also doch wieder Organzabeutel, sondern sorgt der Vogelfrass für schnellen Totalverlust. 

Geschüzt sind sie gut haltbar

Ertrag und Pflege

Behang eher locker

Insgesamt hat sie wegen der Probleme keine hohe Ertragssicherheit. Der Fruchtansatz ist mittelmässig, Ausdünnungsarbeiten selten nötig. Optisch sieht es erst anders aus, viele Gescheine, viel Fruchtansatz. Aber Gescheine, die ungünstig stehen verrieseln oft ganz oder teilweise. Dann hängen nur ein paar Beeren an den Trauben. Ausserdem sind die Beeren klein und hängen locker. Ihre Kiloerträge sind ebenso mässig. 

Schnittpflege ist sowieso immer nötig weil sie sonst davonwächst, Behandlung gegen echten Mehltau ist angeraten.

Suffolk Red, verhältnismässig grosse Traube

Trauben und Beeren

Kernlose Beeren

Wenn die kleinen Beeren rosa werden, wird sie sofort essreif, was je nach Klima von Ende August bis Mitte oder sogar Ende September eintreten kann. Süss sind sie sogar schon vor dem umfärben. Die Beerenhaut ist weich, gut. Innen sind sie fleischig, aber ebenfalls weich, angenehm in der Struktur. Und natürlich kernlos. Theoretisch können die Trauben sehr lange hängen, praktisch bricht das Traubengerüst irgendwann.

Inhaltsstoffe, Aroma und Verwendung

Hängen sie eine Weile, erreicht sie sehr hohe Zuckerwerte, ich habe schon über 110° OE gemessen. Zucker, Säure, Aroma sind allesamt kräftig vorhanden, was sie zu einem wirklich guten Geschmackserlebnis macht. Da sie so gehaltvoll ist, kann man auch nicht viel davon essen, hätte sie grössere Beeren würde sie sehr schnell satt machen.

Getrocknet werden sie zu Rosinen

Ihr Aroma hat einen leichten, sehr angenehmen Labrusca-Ton, wie Fruchteis oder etwas Erdbeere. Das sticht aber nicht hervor, zusammen mit leckerer Säure und viel Zucker schmeckt sie Jedem. Besonders Kindern, die häufig auf kernlose Trauben in fruchtigsüssem Stil stehen und die rosa Farbe toll finden.

Frisch gegessen macht sie viel Spass. Saft lohnt sich nicht, dafür hat sie zu wenig Masse. Getrocknet sind die Beeren ein Hit, das ergibt erstklassige Rosinen. Nebenbei kann man damit alle Übermengen sehr gut haltbar machen. Von Suffolk Red verdirbt nie etwas. Essen oder Trocknen.

Hintergrundinformationen zum Standort

Wächst an einem Schuppen auf flachgründigem, schweren Boden. Milde Winter, aber manchmal harte Temperaturstürze. Früher Austrieb, deshalb immer Spätfrostgefahr. Keine oder wenig Düngung. Gegen echten Mehltau behandle ich mehrmals zur Blütezeit.