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Donnerstag, 7. März 2024

Der schleichende Abschied von Bienen und Hummeln


Ehemaliges Biotop gem. §33 BNatSchG

Wenn man imkert oder anders die Welt der Insekten entdeckt, sieht die Welt plötzlich anders aus. Die Perspektive verändert sich. Was man vorher im vorbeigehen unbeachtet liess, sieht man plötzlich aus Sicht von Bienen und anderen Insekten. Man erkennt Pflanzenarten und Habitate, Naturnähe, anthropogene Veränderungen statt achtlos am langweiligen "Gehölz", der "Böschung"vorbeizurauschen. Stattdessen gibts mehr Hinsehen, was wo wohnt, fliegt, krabbelt wächst - oder leidet. Das beschränkt sich auch nicht nur auf imkerliches Blüten gucken, weil sie einem vielleicht Tracht bescheren und damit den Honigeimer füllen könnten, sondern generell auf die Bedürfnisse von Insekten, ihrer reichen und vielfältigen Lebenswelt. Man kann gar nicht anders. Der Planet hat sich für den Beobachter erweitert, der Horizont ist grösser geworden. Die Pespektiverweiterung passiert fast jedem Imker, der damit selber in die faszinierende Welt der Bienen eingetaucht ist. Das bezieht sich nie nur auf Honigbienen oder einen direkten Nutzen, weil sich in einem Ökosystem sowieso niemals trennen und separieren lässt.

So gehen auch Gemeinden mit wertvollen
Insektenhabitaten in Biotopen um

Leider ging es stark abwärts mit Insektenhabitaten. Die letzten Jahrzehnte waren gekennzeichnet von einem rapiden Arten- und Populationsschwund bei fast allen Hautflüglern. Wir sind gradlinig dabei, etwa die Hälfte der Arten auszurotten, was eine Zerstörung von historischem Ausmass bedeutet. Der Abschied passiert schleichend, aber kontinuierlich. Honigbienen sind nur ein kleiner Teil der Insektenwelt und nicht abzutrennen, auch wenn sie mehr Aufmerksamkeit erhalten, weil sie vom Menschen gepflegte Insekten sind, dringend erwünschte Nutzfunktionen für den Menschen übernehmen. Aber auch bei ihnen sieht es oft trübe aus. Ihre Wohnung stellt der Mensch, natürliche Wohnungen wie Baumhöhlen hat dieser Mensch in "seinen" Wirtschaftswäldern längst beseitigt. Die Waldwirtschaft will Holz ernten. Er hat stattdessen Wald durch Wirtschaftsforst ersetzt und eine ganze Reihe neuer und absolut katastrophaler Parasiten und Fressfeinde aus anderen Kontinenten eingeführt, die Honigbienen unter Druck setzen, etwa die Varroamilbe, die asiatische Hornisse, den Beutenkäfer, vermutlich auch bald die Tropilaelaps-Milbe. Er hat sie durch Zucht genetisch verändert, Bienenrassen eingeführt die hier nie heimisch waren. Die anthropogene radikale Vernutzung tut ihr übriges: In landwirtschaftlich "normal" genutzten Gegenden können Bienen sowieso nicht überleben, die ausgeräumten Landschaften bieten weder genug Pollen noch Nektar übers Jahr. Nach der (ebenfalls landwirtschaftlich verursachten) Raps-Massentracht ist meistens schon Schluss.

Wohnung und Nahrung

Ein Jahr vorher: Wildhecken. Dann abgefräst und
als illegale Durchfahrt missbraucht. Grosse legale
Einfahrt über einen Weg nur 30m weiter.

Doch für Hummeln und Wildbienen ist direkter Nahrungsmangel noch nicht einmal das Schlimmste. Schlimmer für sie ist, keine Wohnung zu finden, keine Nistplätze. Die meisten Arten benötigen Pflanzenteile, hohle Stängel, Altholz, einige nisten im Boden, am besten ungestört und offen. Nahrung benötigen sie natürlich auch, Pollen, Nektar. Die Verfügbarkeit dieser Ressourcen für Insekten war in der Vergangenheit in innerörtlichen Gebieten manchmal besser wie auf freiem Feld. Aber nur relativ. Genauergesagt hat sich der innerörtliche Bereich schlecht entwickelt und der landwirtschaftliche Bereich sehr schlecht. Die Landwirtschaft hat wenig Wahl: Heutige Landwirtschaft muss effizient sein, wer die Felder nicht wirtschaftlich orientiert bewirtschaftet geht pleite und verschwindet selber.

Der riesige und stetig auf Kosten von noch unbebauten Flächen wachsende örtliche Bereich lässt ebenfalls stark nach. Die Gründe liegen dort natürlich nicht beim Zwang zur Effizienz industriell-maschineller Bearbeitung oder maximaler Nahrungsmittelproduktion, sie liegen in stetiger drastischer antropogener Umgestaltung. Was dort wie passiert, möchte ich am Beispiel meines Wohnorts hier in Möckmühl zeigen und damit auch dazu aufrufen, selbst hinzusehen und sich dem aktiv entgegenzustellen, so klein die Möglichkeiten auch sind. Zwei Räume sind zu unterschieden:

Privatgrundstücke

Privatgarten heute - lästig

Was Privatleute mit ihren Flächen machen, wird oft thematisiert. Dort sind die Sünden auch allgemein bekannt: Schottergarten, massive Flächenversiegelung mit Bauwerken. Der alte Garten wird abgetrennt und ein extra Bürgerpalast hineingeklotzt, damit vernichtet, fette Doppelgaragen zusätzlich hingespuckt statt Gehölz. Ein stetiger Anstieg versiegelter und damit totgemachte Flächen findet statt, rund ums Haus, überall - zupflastern, beenden. Wenn Pflanzen, dann werden einseitige Pflanzenstrukturen bevorzug, oft mit weniger insektenfreundlichen Neopythen statt heimischen Pflanzen, wichtiges Kriterium ist der vermutete Pflegeaufwand. Darüber will ich hier nicht zusätzlich lamentieren. Die Bilder kennt jeder, jeder hat sie vor der Haustüre. Besser wurde nichts, man hat immer weniger Zeit, will zwar Fläche besitzen weil das Prestige im Steinzeitgehirn bedeutet (Drang nach Reviergrösse), die aber gleichzeitig so lästig ist, dass man sie zuplaniert oder zuschottert. Das kann man, also tut man es auch. Früher mit Schaufel und Eigenarbeit wäre das richtig Arbeit gewesen und man hätte sich genau überlegt, was man macht und was nicht. Heute reicht ein Anruf, die Maschinen und LKWs kommen, eine Woche später ist der lästige Garten ein toter Steinbruch mit Belag aus chinesischem Ziermarmor oder der Hang ist einfach abgebaggert zugunsten einer Betonmauer, damit ein weiterer Parkplatz mit maximaler Maschinengewalt dorthingezwängt werden kann. 

Die Stadt selbst, die Gemeinde

Mit riesigem Abstand der grösste Flächengestalter sind aber nicht Privatbesitzer, sondern die Gemeinden. Sie kontrollieren alle Strassen und Wege samt breiter Strassenränder, Gewässerränder, Erholungsflächen, viele Gebäuse- und Freiflächen und nicht wenige Betriebsflächen. Die Planung, Pflege, Pflanzung, Bewirtschaftung passiert durch die Gemeinde oder im direkten Auftrag der Gemeinde.

So ist das selbstverständlich auch hier in Möckmühl. Und auch hier findet die volle Bandbreite zerstörerischer Massnahmen statt, die Stück für Stück wichtige Insektenhabitate unwiderbringlich vernichten. Ich habe einige Beispiele zusammengetragen, die alle im kleinen Umkreis von nur 200m stattfanden. In der gesamten Gemeinde kann man das gut und gerne um zwei oder drei Kommastellen hochrechnen.

Für sich genommen sieht jede Veränderung klein und unwichtig aus. Über Jahre, Jahrzehnte hinweg summiert es sich ungeheuerlich auf, wie man mit Hilfe alter Karten und Bilder leicht sehen könnte. Einfach den tatsächlichen Zeit- und Summenfaktor wegzulügen ist der unausgesprochene Haupt-Psychotrick. Oder Fragen danach zu diffamieren: "Hab nicht so, du Ökospinner, ist doch nicht viel, spiel nicht den Verhinderer wegen wegen ein paar komischen Käfern". Insekten sind geschützt, aber ihre Lebensräume de facto nicht. Hier nur also:

Ex-Biotop. 70m weiter existiert bereits eine
breite Strasse den Hang runter. Kosten? Egal.

1. Zerstörererischer Wegebau mitten durch ein Biotop. Unterhalb der Schule bis zum Talgrund existiert ein baum- und buschbestandener Nordhang, zu steil für grassierende Bebauung (trotzdem wurde in seinem Verlauf noch kräftig gegraben und fremder Erdaushub aufgeschüttet, um den letzten Quadratmeter für Bauprojekte herauszuholen). Dort ist der Boden ungestört, es gibt eine Trockenmauer und es wächst ein dichts Feldgehölz mit Vogelkirschen, rotem Hartriegel, Feldahorn, Pfaffenhütchen, Schlehe, Wald-Zwenke, Weissdorn, Waldrebe, Wald-Heideröschen, Goldnesseln, Rainkohl, Liguster, Leinkraut, Zwetschge, Heckenrosen, Katzbeeren, Salweiden, Arzneibaldrian... Der ganze Bereich ist gesetzlich geschütztes Biotop nach §33 BNatSchG, genau definiert in Anlage 2. Es gibt eine öffentliche Karte des Landesamts für Umwelt Baden-Württemberg, wo dies auch dort eingezeichnet ist. 
Plötzlich fahren Bagger und LKWs vor. Die Stadt hat beschlossen, unter Missachtung des Schutzstatus mit einer gigantischen Erdaufschüttung einen breiten, massiven Weg dort hoch zu bauen. Für viel Geld. Meiner Vermutung nach ging es darum, viele Kubikmeter Erde irgendwo hinkippen zu können und ein bisschen Holzernte zu treiben. Vielleicht auch um Dinge, die aus persönlichen Verbindungen von Beteiligten entspringen. Hoffentlich nicht.

Also habe ich nachgefragt. So rotzfrech bin ich noch nie angelogen und für dumm verkauft worden. Der Weg soll offiziell eine Verbindung zum Sportplatz im Tal sein. Ein Witz, denn eine richtige Strasse mit Fussgängerbereich existiert bereits und der Weg darüber ist kürzer wie über das neue Bauwerk. Behauptet wurde seitens der Gemeinde auch, der Weg liefe auf einem historischen Weg. Eine freche Lüge, detailliertes Kartenmaterial reicht 200 Jahre weit zurück, dort ist nirgends ein Weg gewesen, auch kein Pfad. So eine Querung wäre auch unmöglich gewesen, dort waren langgezogene Obstwiesengrundstücke, von oben und unten erschlossen.

Ein Jahr vorher war das die artenreichste
Wildobstfläche des Stadtteils

2. Flächenversiegelung und Hallenbau auf der grössten Wildobstfläche des Wohngebiets. Hinter dem Hallenbad liegt die artenreichste Wildobstzone des Stadtteils, die Pflanzung wurde noch von einem städtischen Mitarbeiter geplant, der damals an vielen Stellen ausnehmend hübsche, insektenfreundliche, gebietstypische, ökologisch hochwertige Arten setzte, seine "Handschrift" ist noch zu erkennen. Genau diese Wildobstdickichtareale sind reiner Zucker, Lebensraum und Wohnung, eminent wichtig auch für die flächige Vernetzung - Wildbienen fliegen nur 50m weit, auf einer "Insel" können sie nicht überleben, Inzuchteffekte lassen sie verschwinden. Wichtig auch, weil deshalb nicht mit dem LKW reingefahren werden kann, der Boden ist ungestört, die Wohnung von Wildbienen, Hummeln, Tieren,

Vormals ungestörter wärmebegünstiger ungestörter Boden
und Gehölz mit enormem Wildbienenbesatz

Das ist radikal zerstört worden. Planiert, betoniert, ein Hallenbau darauf gesetzt. Um dem ganzen noch die Krone aufzusetzen, dahinter ein Betonsteinpflaster auf die letzten intakten Quadratmeter gedonnert, damit zweimal im Jahr dort jemand sitzen kann. Grund: Die Stadt hat anderswo ein grosses Gelände zerstört und will dort ein Grossprojekt hochziehen lassen. Aber anstatt wieder im Grossprojekt am gewohnten Ort einen Geräteraum einzurichten, baute man woanders eine neue Halle. Nämlich mitten im Wildobst. Gratulation. Nirgendwo werden bereits zerstörte, nicht mehr gebrauchte Flächen genutzt, sondern es wird mit geradezu zwanghafter Sucht eine noch nicht zerstörte Fläche ganz zerstört, vermutlich weil man damit die Kosten spart, seine eigenen Ruinen erst abräumen zu müssen.

Die Halle ist für den DLRG und um der typischen fehlgehenden Ausrede gleich entgegenzuwirken: Es geht mir und Anderen nicht um DLRG oder Ressourcen. Das ist ein engagierter, segensreicher, wichtiger und toller Verein, der jede Unterstützung verdient. Einer aus der Familie ist Mitglied. Keiner will dem DLRG Räume verweigern, die er hatte. Es geht um planmässige Zerstörung natürlicher Grundlagen und um bodenlose, automatisch stattfindende Ignoranz gegenüber diesen Grundlagen, die fast immer gewählte "Zerstörungalternative".

"Vorbild" Gemeinde - hier standen
30 Jahre überall kleine Felsenbirnen

3. Vernichtung von Blüh- und Fruchtgehölzen an vielen Stellen, Ersatz durch gebietsfremde "Plastikgehölze" die weder Blüte und Frucht haben und minderwertig für heimische Insekten und Symbioten sind. An mehreren Stellen finden Fällaktionen statt, manchmal bei Umgestaltungen, manchmal einfach so, weil einem etwas gerade nicht passt. Die nahe Schule verlor so per Kettensäge eine Birnbaumreihe entlang der Schule, Strassenränder verloren ihre kleinen Felsenbirnen, kleine Streifen zwischen Parkplätzen verloren Kornelkirschen und Scharlachdorn, überall wurden Weissdornbäumchen abgesägt. Wenn überhaupt nachgepflanzt wird, dann aus dem Katalog des Grauens: Endlos niedrige Hainbuchenhecken, trotzdem pflegeintensiv und damit teuer weil schnittbedüftig, Sumpfeichen, Zierkastanien. Letztere haben wenigstens Blüten, der Rest keine für Insekten, die Hälfte gebietsfremd, keine Früchte, ökologischer Wert unterklassig.

Was tun?

Soweit eine kurze Umschau in allernächster Umgebung. Was man nicht tun sollte: Schlechtgelaunt durch die immer kaputtere Gegend schleichen und sich von den Zerstörungen frustrieren lassen. Besser: Sich selber dort anders verhalten, wo man es kann, wo man die Kontrolle hat. Positive Ansätze initiieren verstärken. Auch in den Gemeinden gibt es eine Menge engagierte und bewusst handelnde Menschen. Die verbale Faust braucht man nicht immer in der Tasche lassen: Bei all diesen Zerstörungen wird gerne privat und sogar aus einem Amt heraus gegen Leute polemisiert, die das nicht gut finden. "Jaja, die Käferfreunde haben wieder was gegen ein nötiges Bauwerk". Oder die einfach rotzfrech volle Kanne anlügen, wie es die Stadt Möckmühl es bei mir getan hat. Enttäuschend. Trotzdem: Höflich nachfragen, nachfragen, nachfragen, zum Grund vordringen, fordern. Deutlich werden, wenn man merkt, dass man ohnehin für dumm verkauft wird. Damit zeigt man immerhin, dass es Leute gibt, die Katastrophen nicht hinnehmen. Die Gemeinde sind auch die Einwohner, fragen viele Leute, wird es auch für die Zerstörer ungemütlicher und zäher.

Vorher: Blühende Weissdornbäumchen
Jetzt: Amerikanische Säulen-Sumpfeichen
Nektarlose, traurige Plastikmöblierung

Donnerstag, 4. Januar 2024

Der Biber erntet Obst, Schutz dagegen

Mahlzeit, Herr oder Frau Biber

Biber haben wir in der Gegend nach einer Pause schon seit Jahrzehnten wieder, obwohl es gar nicht so viel Raum für sie gibt. An den Flüssen hat er sich sehr schnell wieder ausgebreitet. Bäche und andere Oberflächengewässer gibt es in der Gegend jedoch nicht so viele und wenn, dann liegen die lange oder sogar den grössten Teil des Jahres trocken. Hier im Muschelkalkgebiet versickert sehr viel und sehr tief in den Untergrund. Das ist keine Biberfreude, denn bei trockenfallendem Gewässer sind vor allem seine Jungtiere ungeschützt und können Beute von Mardern, Füchsen, Greifvögeln werden. Auch die Gehölzzonen an den Trockenbächen bleiben eher klein, es gibt wenig vernässte Zonen, keinen Sumpf, keinen Bruch, damit hat er weniger Nahrungspflanzen.

Dieses fette Nagetier frisst Rinde lebender Gehölze, bedient sich aber auch opportunistisch an landwirtschaftlichen Kulturen wie Mais. Man kann lange Listen mit positiven und eben auch negative Folgen herableiern, Vorteile wie Konflikte. Optisch sofort jedem Menschen auffallend ist: Wo es auftaucht, sterben Bäume. Ganz besonders Apfelbäume. Diese Eigenart des Apfelvorzugs konnte ich schon länger an wassernahen Grundstücken beobachten und nun habe ich sie auf der eigenen Wiese erlebt: Ein Biber hat mir eine mittelalte Renette weitgehend abgefressen. Er verwertet diesen Obstbaum auf seine Weise.


 "Mein" Biber mit der Wildkamera. Frisst Geäst wie Spaghetti.

 

Der Biber räumt auf bzw. ab

Mein Apfel - geerntet vom Biber.
Art und Höhe deuten auf ein Jungtier hin.

Ärgerlich. Aber was das Ereignis so unerwartet macht, ist der Ort, die Wiese liegt nämlich nur an einem Graben, der den grössten Teil des Jahres knochentrocken ist. Trotz langjährigen Biberrevieren am Fluss gab an diesem Graben niemals Biber. Deshalb hatte ich mich auch auf solche Schäden nur zu 90% und nicht zu zu 100% vorbereitet. Von den 20 Bäumen dort sind 15 recht gut mit Drahthosen oder Manschetten geschützt, vor allem weil auch schwere Fegeschäden durch Wild stattfinden. Grössere Stämme weiter weg vom Bach sind nicht mehr geschützt. Wild fegt nur an dünneren Stämmen. Nachdem schon Draht eingewachsen ist und die Befürchtung aufkam, damit auch der Waschbärenpest eine Kletterhilfe zum Obst hoch zu bieten, fehlen sie an den dickeren Stämmen abseits vom immer schon biberfreien Graben.

Nun fanden aber zum ersten Mal seit 21 Jahren wieder über drei Monate anhaltende Regenfälle von Herbst bis jetzt statt. Der Graben führte schon im Frühherbst plötzlich Wasser und das seither ständig, weil es ausnahmsweise fast täglich regnete. Das fliessende Wasser verführte Jungbiber, sofort einzuwandern und auch sogleich Obstbäume zu "ernten". Bei meinem Apfel zeigte sich auch eine weitere Spezialität: Der stand gar nicht am Bach, sondern ein Stück den Hang rauf. Ungeschützt im Bach standen eine Birne und zwei Steinobstbäume. Und hunderte grosse und kleine Gehölze aller Art. Da musste er direkt vorbei, aber die hat er nicht angerührt. Der Apfel musste es sein. Nur den hat er abgenagt. Dafür nimmt er auch unbequeme Wege in Kauf. Ein Verhalten, das ich auch auf den Wiesen andernorts sehen konnte, wo der Biber sowieso schon in angrenzenden Gewässern lebt: Apfel wird ganz klar bevorzugt. Er frisst Rinden und alle Hölzer, aber eben am liebsten Apfel. Und dafür watschelt er auch einen Hang hinauf, an Weide, Birne, Erle, Zwetschge vorbei.

Des Jungbibers Fussabdrücke, Hinterpfoten gross, Vorderpfoten klein
 

Was tun gegen Biber am Obstbaum?

Vorbeugen. Im Internet gibt es viele Beispiele für einen Stammschutz. Hier in der Gegend werden Estrichmatten als Stammschutz empfohlen, eine Art Armierungsgitter. An dem 2mm dicken verzinkten Stahl verliert selbst ein Biber die Nagelust. Die Matten werden rund gebogen und um die Stämme befestigt, am Boden verankert damit der Biber sie nicht einfach hochschiebt. Zusammenbinden kann man die gebogenen Matten mit Kabelbindern oder Draht.

Das ist nicht teuer. Die Naturschutzbehörde und der hiesige Wasserbauhof halten sogar solche Matten vor, sodass sie schnell bei Biberproblemen zur Verfügung stehen und so erhaltenswerte Bäume geschützt werden können. Das ist eine optimale Lösung, und ein gutes Beispiel für unbürokratische Problemlösung die wirklich etwas bringt, vorausgesetzt man weiss das und gerät gleich an die richtigen Ansprechpartner. Was nun jeder Leser dieses Beitrages auch versuchen kann, wenn er Obst an Wasserläufen hat, an denen Bibereinwanderung droht oder schon erste Schäden an Obstbäumen da sind und es deshalb eilig ist.

Estrichmatten. Leicht und biegsam, trotzdem sehr robust. Wenn man sie parat hat.

Zwei geschützte Bäume, jung und mittelalt. Unten der Graben, der Bütten"bach".


Was bleibt? 

Eindeutige Biberfraßspuren an Schnittgut. Er ist da.

Der Biber vermutlich nicht. Im wieder trockenen Graben wird er sicher die Lust verlieren, weil er monatelang auf dem Trockenen sitzen wird. Vorher soll er gefälligst noch was arbeiten. Ich habe Schnittgut vom Obstbaumschnitt in den Graben geworfen, vielleicht kriegt er dann Lust dazu. Angenagt hat er die Äste bereits, er ist also weiterhin präsent und betrachtet das als sein Revier. Ein Damm wäre perfekt. Der Graben hat nämlich das Problem, dass er wie eine Regenrinne bei Gewittern kurz und heftig Wasser führt, weil an seinem Oberlauf Quadratkilometerweise Flächen mit gigantischen Grosslagern und noch gigantischeren LKW-Aufmarschplätzen mit mies bezahlten Billigarbeitsplätzen zubetoniert wurden. Aus dieser konsequent vernichteten Landschaft fliesst Regenwasser sofort und heftig ab und überflutet auch extra angelegte Stauräume (auch wieder auf bestem Boden) schnell. Auf Asphalt, Beton und Blech versickert nun mal nichts, die Flächen unter all den Betongrabsteinen fallen als natürliche Speicher für Wasser aus, die sie vorher waren. Angesichts der ungünstigen Wetterveränderungen obendrauf ist das doppelt folgenreich.


Eine der vielen Folgen: Der Graben frisst sich deshalb metertief ein, Erosion nimmt die gute Erde mit, dann wieder monatelang staubtrocken und tot. Das stört dann keinen Bürgermeister und keinen Gemeinderat mehr, die vorher bestes Land planmässig und billig vernichten liessen. Ein Bekannter sagte dazu "das Schmiergeld ist schon kassiert, wie es weitergeht ist dann egal". So hätte ich das nicht gesagt, aber die Blindheit gegenüber unseren natürlichen Grundlagen zugunsten künstlich herbeigeredeter Sachzwänge und sehr kurzfristigem Denken ist eine Tatsache. Es herrscht rein quantitatives Wachstum bei qualitativem Zusammenbruch. Vielleicht lässt sich der Biber wenigstens an diesem Graben als Helfer einspannen und er baut noch einen Damm dort, bevor er wegen Trockenheit die Lust verliert - Dämme wären genau richtig gegen solche Wasserstürze, wenigstens auf ein paar Abschnitten. Ich helfe ihm jedenfalls dabei mit Schnittholz. Noch lieber wären mir Beton-Biber, die die nahen Betongrossprojekte zu Fall bringen.

"Biberrutsche". Sein Aufgang vom Bach zur Wiese.
Abdrücke seiner hinteren Watschelpfoten mit Schwimmhaut und Krallen sind zu sehen.

Hinterpfote, auch Schwimmhaut ist zu erkennen.

Apfel mit restlicher Drahthose, die zu klein wurde.
Der Biber frisst jede erreichbare Rinde. Andere Baumarten in der Nähe blieben alle unberührt.

 

Freitag, 16. Dezember 2022

Der Streusalzwahn

Streufahrzeug im Einsatz der Gemeinde
Selten genug kommt es hier vor, heute noch seltener als früher: Es schneit im Winter und ein bisschen Schnee bleibt auch wenige Tage liegen. Passiert es nachts, merkt man es hier in Möckmühl schon morgens vor dem Aufstehen. Es rumpelt, Traktoren fahren umher, auch im Wohngebiet, das hört man. Auch jetzt wieder, dieses Jahr.

Im Auftrag der Gemeinde wird gestreut. Leider in der Regel kein Splitt oder eines der modernen organischen Streumittel, sondern Salz, Streusalz, jährlich 1,5 bis 4 Millionen Tonnen davon im Land. Also bis zu 50 Kilo pro Einwohner! Bezahlt werden dafür schwindelerregende 400 Millionen Euro, die Tonne kostet 100 Euro plus Kosten für die Ausbringung. Es enthält Natriumchlorid (Kochsalz) und andere Chloride, Calcium- und Magnesiumchlorid und weitere Salze. An Steigungsstrecken ist Streuen sicher sinnvoll (aber nicht zwingend mit Salz), im flachen Tempo-30 Wohngebiet und bei seit Jahren vorgeschriebener Winterbereifung ist das einfach nur hirnrissig. Es kostet die Gemeinde, also den Steuerzahler viel Geld und die Streufahrzeugfahrer viel Arbeit. Und vor allem kostet es mich Pflanzen am Strassenrand.

Strasse und mein Vorgarten, in dem das Strassensalz
auch landet.

Unsere Wohnstrasse ist relativ schmal, hat keinen Gehsteig, kein Randstein. Kommt das Streufahrzeug, fliegt das Streusalz auch auf den Rand unseres Vorgartens und versalzt mir den ohnehin nicht guten Boden. Dort am Rand zur Strasse wächst blütenreiches Wildobst und das zeigt erschreckend viele Ausfälle. Das Salz reichert sich über die Jahre im Boden an. Die Folgen: Feinwurzeltod, verstärkte Verschlämmung, Schädigung von Bodenlebewesen. Schäden erscheinen zeitverzögert, ein vermeintlicher Trockentod im Sommer fand vielleicht nur deshalb statt, weil die Pflanze wegen Versalzung vorgeschädigt war. Das Lamento der weiteren Schäden an Bauwerken, an Fahrzeugen, an Tierpfoten, dem Abwassersystem, Fracht des feingegefahrenen Salzstaubs per Wind in weitere Entfernungen will ich gar nicht erst anstimmen, das ist bekannt und denkende Menschen wissen das schon lange.

Immer drauf. Reines Streusalz.


Völlig irre wird es, wenn einige Mitbürger streuen, leider in unserer Gemeinde mehr Regel wie Ausnahme. Motto: Mit beiden Händen voll raus oder mit irgendwelchen Streuhandwagen, die wallartige Salzhaufen hinterlassen. Dann landet oft mehr Salz als Schnee auf Wegen, ausgerechnet auch noch dort, wo sich Vegetation direkt anschliesst und Schmelzwasser in den Boden läuft.

Viel = Viel gut? Auf ebener Anliegerstrasse...
Gefällestrecke, da ist Streugut eher nötig
In Schweden, Finnland, der Slowakei und anderen Ländern wird kein Streusalz verwendet. Städte wie München (wo es wesentlich öfter Schnee und Frost hat wie hier), viele Andere und auch eine unserer Nachbargemeinden haben das längst abgestellt und damit viel Geld und Umweltschäden eingespart. Ein Hinweisschild an der Stadtgrenze weist darauf hin. Streusalzverwendung ist dort auch Privatleuten generell verboten. Die Gemeinde streut nur auf einigen Hauptstrassen, Gefällestrecken und an besonderen Stellen wie einigen Fussgängerüberwegen. Privatleute können Streusalz unabhängig von Gemeindeverboten säckeweise in jedem Baumarkt kaufen.
Gemeinde streut auch, wenn es trocken und eben ist

Wer am Grundstücksrand Probleme mit seinen Pflanzen hat, sollte mal prüfen, ob ihm im Winter vielleicht Salzfracht beschert wurde. Durch Streufahrzeuge oder streuende Nachbarn direkt, durch spritzenden Schneematsch, in dem Streusalz enthalten ist, durch von der Strasse hereinlaufendes Tauwasser mit Streusalz. Die Gemeinden mit ihrem eigenen Verhalten und ihren Regelungen sind das Problem, so wie auch in unserer auch auf anderen Feldern sehr umweltzerstörenden Gemeinde: Sprecht Gemeinderatsmitglieder an, den Bürgermeister. Kommt nicht mit radikalen Forderungen, sondern mit Geld sparen durch besonnene Verwendung und vor allem mit Beispielen von umliegenden Gemeinden, in denen das bereits praktiziert wird. Kein Gemeinderat interessiert sich für eure toten Gartenpflanzen und sehr wenig für Umweltschäden, aber wenn etwas Geld kostet und sich das leicht sparen lässt, gehen die Ohren schon viel eher auf.

Der Privatmann greift zum Salz - Garten daneben


Dienstag, 1. März 2022

Scharlachdorn, das leckere Wildobst

Angebissenes Früchtchen

Jetzt ist Pflanzzeit für ein nahezu unbekanntes, aber wertvolles Wildobst. Er sieht auch jetzt im Winter eindrucksvoll aus und meine erste Begegnung mit ihm vor ein paar Jahren löste eine intensive Suche nach der genauen Art aus. Begegnet bin ich ihm in der Hecken- und Gehölzzone am städtischen Hallenbad, wo viele interessante Pflanzen gewachsen sind. In den 1970er Jahren gab es hier in Möckmühl einen Gartenbauer in städtischem Auftrag oder jemand des städtischen Bauhofs, der richtig was drauf hatte. Bepflanzungen aus dieser Zeit stechen richtiggehend heraus. Es wurden viele insektenfreundliche Blühgehölzarten gepflanzt, sehr standortangepasst, robuste Arten, fast immer auch fruchttragend, Wildobst für Vögel, pflegeleicht. Oft einfallsreich und mit Liebe zur Vielfalt, nicht nur die gerade modischen Standartarten der damaligen Zeit. Irgendwann in den 1990er Jahren gab es dann offenbar einen Verantwortlichenwechsel und was ab dann gepflanzt wurde, wurde sichtlich wertlos, lieblos, langweilig. Seit einigen Jahren fand dann ein totaler Zusammenbruch statt. Den alten Blühpflanzenbeständen begegnet das heutige Personal regelrecht hasserfüllt, es wird seither rücksichtslos ausgeholzt, abgesägt und durch absolute Katastrophen ersetzt, wenn man gezwungen ist etwas Neues zu pflanzen. Wildbirnen - Kettensäge, stattdessen Zwergkastanien. Blühhecken - abgesägt, stattdessen Hainbuche. Weissdorne - Kettensäge, stattdessen schmale Sumpfeichen. Kornelkirsche - abgegraben, stattdessen gar nichts. Es ist kaum mehr etwas übrig aus der befähigten Gartenbauergeneration.

Früchte in Vollreife, teilweise schon abgefallen 29.8.

Bis vor einigen Jahren war auch um das städtische Hallenbad herum noch viel dieser tollen ursprünglichen Bepflanzung vorhanden. Darunter auch mehrere auffallende weissdornartige Gewächse, etwa 3-3,5m hoch und mit eindrucksvollen langen Dornen. Da habe ich sie kennengelernt. Im Spätsommer hatten sie rote Früchte, die ich probiert habe und davon sehr überrascht war. In Deutschland wachsende Weissdornarten sind normalerweise nur für Vögel interessant, die Früchte sind zwar geniessbar, aber als Wildobst für den Menschen wenig attraktiv. Sie sind mehlig und haben kaum Aroma. Aber der hier war richtig gut, hat sich deutlich und positiv von anderen Weissdornen abgehoben.

Früchte gesammelt 29.8.
  • Fast schon saftige Früchte jedenfalls viel weniger trocken wie die anderer Weissdorne
  • Für einen Weissdorn Früchte mit guter Grösse, etwa 1,5cm Durchmesser im Schnitt. Weich, innen Kerne, die man mitessen konnte oder ausspucken, leichter trennbar als bei anderen Weissdornen.
  • Das Beste war der Geschmack, das Aroma: Im Gegensatz zu den bekannten Weissdornen war dieser kräftig, mit deutlichen Aromakomponenten (in der Reihenfolge) nach Hagebutte, Orange, Apfel, süss mit angenehmer Säure und keinen unrunden Gerbstoffnoten. Farbe des Fruchtfleischs: Gelborange, oft kräftig gefärbt.

Aber was war es? Von weitem wirkte die Pflanze wie ein Zierapfel. Weissdornarten der Gattung Crataegus gibt es wie Sand am Meer, dazu noch Hybriden, Kreuzungen, ich war mir nicht mal sicher ob es überhaupt ein Baum dieser Familie ist. Schliesslich der Treffer: Es handelte sich um "Scharlachdorn" (Crataegus pedicellata oder Crataegus coccinea oder Crataegus intricata), eine Weissdornart aus Nordostamerika.

Scharlachdorn - der Baum

Habitus des Baums im Winter

Die Art wächst manchmal etwas sparrig und wird nur ein paar Meter hoch. Er ist schnittverträglich, man kann ihn auch als Hecke mit 1-2m Höhe ziehen. Optisch wirkt er wegen der Dornen gefährlich, ist aber nicht so eng und undurchdringlich wie dieser Eindruck nahelegt. Wie die meisten amerikanischen Laubholzarten bekommt er eine schöne Herbst-Blattfärbung. Er blüht sehr reichlich und schön mit typischen Rosacea-Blüten (für Bienen sehr attraktiv, Nektar und Pollen) ab Mitte April, die Früchte sind ab Ende August, September reif.

Fruchtsorten und Auslesen auf Fruchtqualität scheint es nicht zu geben, gefunden ich ich keine. Leider, denn er wäre es wert. Als Wildobst ist er nicht bekannter wie andere Weissdornarten. Optisch ähnliche Früchte haben auch der Arnold-Weißdorn (Crataegus arnoldian), der Punktierte Weissdorn (Crataegus punctata) und der Pennsylvanische Weissdorn (Crataegus pennsylvanica. Von diesen ebenfalls amerikanischen Arten gibt es auch Auslesen, Zbigniew, Ljudmyl, Shamil, benannt in der Ukraine.

Blüten Scharlachdorn, eben aufgegangen am 15. April


Eigener Anbau

Eindrucksvolle Dornen

Lange lebten sie nicht mehr, die Scharlachdorne. Bis auf eine letzte, traurig verkümmerte Pflanze hat die Stadt sie wie üblich alle einfach abgesägt oder die Blühheckenreste mit ihnen abgebaggert, teils zugebaut oder zubetoniert - die übliche Ignoranz, Ablehnung, Inkompetenz, Bebauungsdruck, an dessen Ende immer dauerhaft tote Flächen stehen.

Für mich war Scharlachdorn so interessant, dass ich die Art in die Hecke am Rand der Obstwiese gepflanzt habe. Dort zeigte sich zunächst recht langsames Wachstum, das sich dann plötzlich beschleunigte. Ohne die "Pflege" der Gemeinde wuchs er schön, mit einem leicht geschwungenen Haupttrieb, durchaus ein ansehnliches kleines Bäumchen. Hitze, Winterfrost und Trockenheit überstand er von Anfang an. Er fing bald an zu fruchten, wobei die Früchte zunächst etwas kleiner bleiben, bei älteren Pflanzen werden sie grösser. Da zwar baldiger Fruchtbehang, aber kein anderer Scharlachdorn in der Nähe war, ist er offensichtlich selbstfruchtbar oder heimischer Weissdorn befruchtet ihn, letzteres unwahrscheinlich aber möglich. Und Vorsicht, trotz der Dornen werden weiche Jungtriebe vom Wild gefressen, Jungpflanzen müssen also geschützt werden. Die Früchte sind wie alle kleinen roten Früchte für Vögel attraktiv. Krankheiten gleich welcher Art waren nicht sichtbar. Weissdorne sind meistens gesunde, unempfindliche Pflanzen, aber feuerbrandanfällig, was ich am Scharlachdorn aber nicht beobachtet habe. Kalkboden ist von Vorteil.

Knospe am 21.12. mit schönem, lackartigem Schutzharz überzogen
Reife Früchte, schwach doldenartig

Die Früchte sind wie gesagt überraschend lecker, am Besten frisch gegessen und die Kerne bei Bedarf ausgespuckt. Die Reife findet folgernd statt, vollreife Früchte fallen von selbst vom Baum  und können dann noch gut verwertet werden. Man kann auch schütteln oder direkt pflücken. Die Verarbeitung ist einfach, da die Früchte weich sind. Für das Fruchtmus dreht man sie zerquetscht durch eine Passiermühle und für Saft (zur Geleebereitung) lässt man die Maische mit etwas Pektinase stehen, wie in früheren Beiträgen https://gartenzone.blogspot.com/2021/12/der-saftladen.html beschrieben. Optisch sehen ältere Bäume Dank der leuchtenden Früchte reich behangen aus, aber die "Erntetonnage" ist nicht so riesig. Besser also gleich zwei Bäume setzen, wenn man es auf die Verwertung der Früchte abgesehen hat.

Seine begrenzte Grösse und anderen Vorteile machen ihn auch für Haus- und Vorgarten geeignet. Scharlachdorn - einer der wertvollsten Weissdorne.

Austrieb, aufbrechende Knospen am 19.2.

Jungbaum nach ein paar Jahren im Winter

Blätter und unreife Früchte Scharlachdorn 30.5.

Sonntag, 22. Dezember 2019

LKW-Gärten

Vorsicht, es folgt wieder einer der seltenen Rants, der aber durchaus etwas mit Gärten zu tun hat.
Die Geschwindigkeit, mit der Landschaft, Gärten, wertvolles Ackerland verschwindet ist beängstigend. Der Nutzgärtner findet nicht einmal Kleinflächen, während gigantische Industrie- und Wohngebiete auf Grossflächen in nie gekanntem Ausmass gebaut werden. Warum setzt man auf quantitatives Wachstum, das zerstört und Substanz frisst?

Ist-Zustand Maisenhälden. Krasser Brutalismus
zerstörte Landschaft, gigantische Überformungen
Unsere Gemeinde Möckmühl ist dafür leider keine Ausnahme, sondern ein besonders krasses Beispiel, über das schon hier spezielles und grundsätzliches zu lesen war. Vor zwei Wochen hat nun der Bürgermeister im Gemeindeblatt an prominenter Stelle mit Foto den neuesten Schlag bekannt gegeben: Es wäre ihm gelungen, sage und schreibe neue 134000 Quadratmeter an einen "Logistikdienstleister" zu verhökern, diesmal die Firma "ECE Industrie und Logistics GmbH & Co KG". Dieser Wahnsinn in einer weithin sichtbaren Höhenlage soll schon in wenigen Monaten durchgepeitscht und betoniert werden. Was dort passiert und wie er über den Tisch gezogen wurde, weiss der Kleinstadtbürgermeister nicht. Die Firma ist ihrerseits eine Art Zwischenhändler, selber ein in sechs Ländern tätiger Immobiliengigant mit englischer Startseite, sie vermietet an andere Logistiker. Der Konzern ist gross und undurchsichtig, existiert als maximal risikominimierende Rechtskonstruktion. Die Gemeinde hat also nicht einmal mehr etwas zu melden, wer dort dann mit was Business macht, was an Gewerbesteuer zu erwarten ist, das bestimmt dieser Privatkonzern.

Landstrassenränder = LKW Parkplätze
In diesem wahnwitzig grossen Industriegebiet wird damit Dank Bürgermeister Stammer und offenbar auch der Gemeinderatsmehrheit die bereits riesige Horde der LKW-Aufmarschplätze potenziert. Die Bauleitplanung hat die Gemeinde. Theoretisch ist sie ebenfalls an das Grundgesetz gebunden, das in Artikel 20a eine Verpflichtung zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen vorschreibt. Es gibt dort in "Maisenhälden" ausschliesslich solche Firmen, Riesige Lager, LKW-Vermieter, LKW-Firmen. Die Arbeitsplätze dort werden zu einem hohen Prozentsatz von Billigkräften aus dem ferneren Osteuropa besetzt, was nicht nur das Industriegebiet, sondern auch die ganze Gemeinde immer stärker prägt. Qualifizierte und besser bezahlte Stellen sind im Verhältnis dazu sehr wenig darunter. Die Arbeiter sind selber eine unter Druck gehaltene Verfügungsmasse und auch über Leiharbeitsfirmen beschäftigt. Diese Betriebe bekommen aus guten Gründen in den meisten Gemeinden auch für viel mehr Geld keinen Quadratmeter mehr verkauft. Vor kurzem wurde beispielsweise sogar Amazon mit einem geplanten Verteilzentrum in Schwäbisch Gmünd hinausgeworfen und dafür genau die Gründe angeführt, die auch hier gelten: Sie sind extrem flächenfressend, der irrwitzige LKW-Verkehr verursacht allerlei Kollateralschäden, die Arbeitsplätze gehören zu den miesesten überhaupt, die laufenden Gewerbesteuereinnahmen der Lager und "Logistikdienstleiter" sind lächerlich niedrig - Möckmühl ist deshalb auch "steuerschwache Gemeinde". Die Gemeinde kann das nicht einmal kalkulieren, weil sie die Hoheit, wer dort überhaupt einzieht abgegeben hat. Nicht einmal die Angestellten bringen Kaufkraft in die Gemeinde, im Gegenteil, sie fliesst ab. Die sowieso schon geringen Löhne wandern sofort ins Ausland, aber Infrastruktur benötigen diese Menschen trotzdem hier. Man muss schon komplett lernresistent sein, um all diese schlechten Tatsachen wieder und wieder in seiner Gemeinde auszuweiten. Welche Interessen sind da eigentlich am Werk?

Gut geeigentes neues Stadtwappen für Möckmühl
Der Irrwitz der schweren LKW-Aufmarschplätze und Giganto-Lager ist exakt die Art des wirtschaftens, die sich die Welt eigentlich schon lange nicht mehr leisten kann und darf. Sie sorgt für grosses rein quantitatives, ressourcenfressendes Wachstum und den stärksten qualitativen Absturz. Während die Möckmühler Schulkinder jede Woche eine halbes Jahr lang Klimaschutzdemonstrationen veranstaltet haben, hat der Bürgermeister den nächsten riesigen LKW-Aufmarschplatz an Land gezogen und die Eltern dieser Kinder, wenn sie im Gemeinderat sind, haben das mehrheitlich gebilligt. Vormittags demonstriert der Nachwuchs, Abends stimmen die Übertölpelten für die Fortsetzung einer der grössten Zerstörungsaktionen in der Gemeinde. Sie hinterlassen ihren Kindern zerstörte Böden, zerstörte Landschaften, LKW-Ruinen und Asphalt einer Vollgas-Entwicklung in die Sackgasse.

Lageskizze und Grössenvergleiche
Die Flächen sind so riesig geworden, dass allein in diesem einen Industriegebiet jede Familie der Stadt Möckmühl dort ein 500 Quadratmeter grosses Grundstück haben könnte, um einmal die Verhältnisse und Ausmasse zu verdeutlichen. Die Lager- und Verkehrsfläche pro Kopf möchte ich gar nicht ausrechnen, aber von dem, was auf dem gründlich zerstörten, aber ehemals erstklassigen Boden mit erstklassiger Ackerzahl (=Bodenqualität) wächst, könnte eine halbe Grossstadt mit Brotgetreide versorgt werden. Wie konnten wir nur all die Jahre ohne diese ins unermessliche wachsenden Logistiker überleben? Ohne die donnernden schweren Diesel - LKWs mit ihren immer müde aussehenden Fahrern aus Litauen oder Rumänien, die uns beispielsweise mit immer mehr Schrott aus China, Fleisch aus mit südamerikanischen Sojabohnenfutter gepäppelten Tieren, Gemüse aus Plantagen in Marokko versorgen? Was für ein Riesenwohlstand uns doch vorher entgangen ist und wie sich unsere Lebenqualität durch diese "Wirtschaft" erhöht hat.

Auf dieser Fläche sind die nächsten LKW-Hallen geplant
Der Bürgermeister argumentiert, dass die Stadt die Einnahmen aus dem Grundstücksverkauf für andere Projekte, vor allem für die Erschliessung neuer Baugebiete benötige. Das ist direkte Folge des grandiosen Fehlers, nur gewerbesteuerschwache LKW-Schuppen anzusiedeln und diesen Fehler wiederholen die Verantwortlichen Personen wie Brummfliegen, die wieder und wieder gegen ein geschlossenes Fenster prallen. Wieso plant eine Stadt eigentlich überhaupt Baugebiete mit negativem Saldo, als Zuschuss-Verlustgeschäfte? Wieso wird mit der Zerstörung einer Fläche die Zerstörung anderer Flächen finanziert? Was ist das für eine Art zu wirtschaften, wenn man nur mit solchen bedingungslosen Kapitulationen im Industriegebiet zu Geld kommt? Was, wenn keine Flächen mehr da sind, die man gegen Geld verheizen kann? Das ist Leben von der Substanz, die damit unwiderbringlich zerstört wird. Das neue Projekt findet auf einem kräftig abfallenden Gelände in weithin sichtbarer Aussichtslage statt, das zu planieren wird schon für sich gigantisch, das Gesicht der Gegend wird damit ebenso weithin sichtbar komplett verändert, LKW-Industriell umgeprägt. Vermutlich werden die bis zu 35 Meter Höhendifferenz auch noch als Erddeponie missbraucht, wie es bei einem danebenstehenden Grundstück bereits passiert ist.

Symptomatisch für die grenzenlose Kurzsichtigkeit, mit der Menschen, Natur und Verstand abwickelt werden stehen auch kleinere Projekte in der Gemeinde. Eine der letzten innerörtlichen Obstwiesen wurde mit einem Ärztezentrum bebaut - in einer wichtigen Frischluftschneise, ausgerechnet direkt neben einem grossen leerstehenden Krankenhaus, das weiterhin ungenutzt gammelt. Wo blieb da die Immobilienhandelsfachkunde der Verantwortlichen? Zerstörung "rechnet sich", neben dem Leerstand die letzte Wiese des Stadtteils zu vernichten ist billiger anstatt Bestehendes für das an sich löbliche Projekt eines Ärztezentrums zu renovieren, also wird es gemacht. Schon der Gedanke ist Widersinn, gesunde Menschen mit einer immer kränkeren Umwelt schaffen zu wollen. Die Frischluftschneise ist ebenfalls kein Spass, Stadtklimatologisch hat Möckmühl sowieso schon lange sich verschärfende Probleme, die Temperaturen am Kesselgrund lagen in den Hitzejahren noch einmal 2° höher wie an den Rändern. Nicht nur im Sommer gibt es zunehmend Probleme, im Winter wirken sich die vielen Kaminholzheizungen dort fatal auf die Luftqualität aus. Die starke Luftschichtung merkt sogar jeder, der mit seinem SUV aus der Stadt braust und dabei gelegentlich auf die Temperaturanzeige neben dem Tacho blickt.

Mitten im zerstörten Wald, die geschotterten Flächen vor den
Windkraftanlagen werden als LKW-Parkplätze missbraucht,
weil die LKW-Flut permanent überschwappt
Bei mir setzt sich immer mehr die Einsicht durch, am falschen Ort zu wohnen, in der falschen Zeit zu leben. Als Niemand habe ich so wie andere Bürger auch Null Einfluss auf die fortschreitende Zerstörung, nach öffentlicher Meinungsäusserung und Nennung von Ross und Reiter werden mich wohl Einige nicht mehr grüssen (ungeachtet der Tatsache, dass ich nur die Sachebene beschreibe und nicht die Person des Bürgermeisters), obwohl die Zerstörer ja jedesmal immer die Sieger bleiben und alles durchsetzen können. Beton und LKWs sind die all-time Dauergewinner. Leute mit anderer Ansicht haben keine Rückzugsmöglichkeit mehr. Nutzgartengeeignete Bereiche sind im teuren und immer vollgequetschteren Süddeutschland sehr schwer zu finden und den Kindern will ich die gewachsenen sozialen Beziehungen auch nicht nehmen. Ich sollte vermutlich besser eine LKW-Firma gründen und versprechen, eine Blumenwiese zuzubetonieren, dann würde ich sofort von manchen Bürgermeistern hofiert und mit Grundstücken auf allerbestem Boden in schöner Aussichtslage beglückt.

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Sonntag, 19. Mai 2019

Gartenzone stirbt?

Vorsicht, es folgt teilweise eine Tirade. Wer nur die frohe bunte Gartenwelt im Frühling sucht, sollte den Beitrag nicht lesen. Aber immerhin: Es geht vorwiegend um Gärten.

Die Entwicklung der Gartenzonen


"Entwicklung" neuer Beton- und Schotterfelder auf vormals
bestem Boden - Platz ohne Ende?
Nüchtern betrachtet sterben Gartenzonen. Leute, die keine Zucchini kaufen, die vom LKW über 2000km Autobahn und über Lagerhallen aus Spanien hergekarrten wurden sondern selber neben der Haustür eine Zucchini pflanzen sind eine stark geschrumpfte Kleinstgruppe. Auch ihre Gärten sind stark schrumpfend, die Kleinflächen werden zu Kleinstflächen, die Kleingärten zu Baugebiet mit gar nichts mehr.

Leben in immer stärkerem Widerspruch


Öffentliches Vorbild: Das Freibad wurde "umgestaltet"
Auch der Bürger gestaltet um
Gestaltung von Natur und Seele
Nutzgärten sind von gestern oder sogar von vorgestern. Out. Man hat heute Schottergärten, gar keine Gärten, Sitzplatzgärten, Grillgärten, Gärten voller Bauwerke und Gartenhütten, erregt sich zwar über Pflanzenschutzmittel und Autoverkehr, kauft aber weit hergekarrtes Gemüse aus Intensivkultur und brettert dafür mit Hilfe von 1,5 Tonnen Blech mit -zig Pferdestärken in einen Supermarkt. Man mäht seinen Kleinrasen zehnmal im Jahr mit viel Energie und unter Motorengebrüll, aber die Obstwiese einmal im Jahr mähen ist "zu viel Arbeit" und der Apfelbaum am Haus macht ebenfalls zu viel Arbeit. Oder man zahlt für die "Gartenpflege" an der Mietswohnung, die im Rasen mähen und Müll aus dem Cotoneaster klauben besteht. Ganz unmöglich, dort einen Obstbaum zu pflanzen. "Hilfe, wer soll denn all die Früchte essen? Und dann kommen bloss die Wespen?" Man eröffnet mit viel Publikum und 20 Sponsoren wieder einen Schulgarten, der kaum 20 Quadratmeter an Beeten hat, ein halbes Jahr später ist er von einer "dekonstruktiv tätigen" Schülergruppe zerstört und den Sommer übersteht er auch nicht, weil sich niemand findet der in den Sommerferien gelegentlich danach sieht. Mallorca für den Verwaltungsangestellten / Toskana oder Neuseeland für den Studienrat und der neue Supergrill gehen vor. Das Obst kommt von weit her, auf dem Grill liegt Fleisch, für das die EU 80% der proteinreichen Futtermittel importiert - gentechnisch verändertes Soja von Flächen in Südamerika, die einmal Urwald waren. Praktischerweise werden auch gleich die Leiharbeiter des Fleischwerks importiert, die LKW-Fahrer, alles wofür möglichst wenig Lohn gezahlt wird. Sogar die Sozialleistungsempfängerkaste wird importiert. Welch ein Fortschritt, Hauptsache die Leute werden fetter und "der Ranzen spannt", also alles gut?

Garten?
Wer auf Nutzgarten und Selbstversorgung steht statt nur den Umweltschützer und Blumenfreund vorzuzeigen, ist noch viel mehr von gestern. Out. Der begriffsverwandte "Kleingärtner" ist ein Schimpfwort und vermittelt miefige Spiessigkeit. Ein Gartenzwerg. Jemand, der "nicht über den Gartenzaun sieht". Tagsüber Gift im Garten spritzen, die Nachbarn beobachten, abends mit dem blanken Bierbauch am Grill sitzen, das ist das Bild des Kleingärtners. Ich bin auch schon länger Imker. Imker sind dagegen momentan schwer modern, sie sind Umweltschützer, Tierfreunde, Helfer der Natur, sie schwimmen in den Medien und der Gesellschaft wie Fettaugen oben auf der Suppe. Wankelmütig ist die Gunst des Volkes und ganz besonders die der Medien.

Vor der eigenen Haustür keinen Deut besser


Ausgleichsflächen heute, die wegen anderen Beeinträchtigung
der Natur geschaffen werden müssen: Zusammengefahren
und verlottert in der Agrarwüste
Hier in der Kleinstadt Möckmühl ist das wie überall im Land dasselbe, manche Effekte sind sogar schlimmer und sichtbarer. Man hat an vielen Ecken den Eindruck, die Mehrheit der Leute lehnt Freiheit, Naturnähe, nicht zugemauerte Gegend, die eigene Lebensumgebung, Selbstbewusstsein und selbst Geschaffenes letztlich immer ab. Freiflächen scheinen überall geldscheingepflastert zu sein, auch in Möckmühl. Der Gebäudebauer, der Investor wartet schon und vergoldet das Grundstück, damit er darauf seinen Beton abkippen darf. Und der eigene Garten? Der ist auch hier Reservefläche für eine vergrösserte Garage, Kulissenrandstreifen für gepflasterte Grill- und Sitzplatzlandschaften, Aufmarschplatz für "Sichtschutz-Koniferen".
Erst Feld, dann Aussiedlerhof für die Landwirtschaft,
jetzt versiegelt, Beton, Paläste im Vorstadtstil hinter
Koniferenplantagen
Seit 50 Jahren mahnen in Deutschland tausende Organisationen einschliesslich einiger Parteien wegen anhaltend hoher Flächenversiegelung, Vernichtung und Entwertung von Lebensräumen. Fakt ist und bleibt jedoch: Die Bautätigkeit um gravierende Veränderung auf vorher un- oder wenig bebauten Flächen nimmt sogar noch zu. Auf allen Ebenen. Privat, öffentlich, kommerziell. Unbremsbar. Unabhängig davon, welche Parteien gerade das Sagen haben. In ehemals ländlichen Gemeinden wie Möckmühl so wie in Berlin. In Kleinstädten wie Möckmühl sogar weit schlimmer, weil man dort irrigerweise glaubt, man hätte ja den Platz, um sich auszutoben. Ein grandioser Irrtum. Nichts hat man. Fläche ist überall eine unveränderliche Konstante. Jede Wachstumskurve mit konstanter Wachstumsrate verläuft exponentiell, jede Kurve die gegen eine Konstante läuft, wird daran zerschellen. Der Zeitpunkt, wann der Aufprall auf diese Mauer in der Sackgasse stattfindet wird durch die Kurvensteigung bestimmt, aber nicht dass er stattfindet. Das tut er aber zwingend früher oder später.

Extreme Beispiele finden sich vor jeder Haustür. Wir haben hier unter anderem ein viele Hektar grosses gigantisches "Logistikzentrum" der Firma Kaufland, in dem auch Zucchini aus Spanien umgeladen werden. Ausgerechnet Zucchini sind vorher auch auf dieser Fläche gewachsen, ein grosser Hersteller von Fertigsalaten aus der Region hat sie verarbeitet. Zucchini waren das Beispiel oben und sie sind leider kein Witz, denn dort sind vorher tatsächlich öfter Zucchinifelder gewesen. Ich habe noch Fotos davon, in Diskussionen wird das nämlich gerne weggelogen. Der Boden ist tiefgründig und erstklassig, der Beste der ganzen Gemeinde mit einer Ackerzahl deutlich über 70. Gewesen. Kaufland statt lebendes Land, ein volltreffendes Wortspiel. Auf den (noch!) übrigen schrumpfenden Flächen wachsen häufig Salate, viele Radicchiosorten und Kürbisse aufgrund der hohen Bodengüte und Bewässerbarkeit.
Auch die grünen Gemeinderäte wollen dort weiterbauen und -zerstören. Ich würde sehr viel geben, so einen Boden im Garten zu haben. Der ist Geschichte, er wurde tief abgebaggert und landete teilweise in Oberkessach auf einer mir bekannten Privatwiese und hat dort noch einen Halbtrockenrasenlebensraum zerstört. Andere Flächen wurden aufgefüllt mit Baugrubenerde eines weiteren riesigen Projekts des selben Konzerns südlich von Heilbronn. Als ich mangels Fläche nach einem grösseren Garten gesucht habe und auch bei der Stadt anfragte, wurde ich (natürlich) ignoriert.
Aufmarschgebiete des "Fortschritts"
Das haben dann mehrere suchende Bürger ebenfalls getan, es gab einen halbherzigen Versuch Gartenland zu finden, der schnell versandet ist. Wir sind die lästigen Spinner. Wer Milliardär ist (Kaufland gehört zu Lidl & Schwarz, der Gründer wurde damit einer der reichsten Milliardäre des Kontinents), Bagger auffährt, einen der schönsten Plätze auf historisch bedeutsamen Grund auf weithin sichtbarer Aussichtslage mit hohen Blechhallen bebaut, wahnsinnigen LKW-Verkehr mit sich bringt, grösstenteils "sehr günstige" einfache Arbeiter aus Ländern Richtung Osten indirekt und direkt beschäftigt, deren üble Arbeitsbedingungen sogar die ansonsten handzahme Lokalzeitung mehrfach kritisiert hat, minimal Gewerbesteuer zahlt (Möckmühl ist nach wie vor steuerschwache Gemeinde trotz der wahnsinnigen Ressourcen, die man den LKW-Firmen beschert hat!), ist dagegen geachtet und normal. Die von der Gemeinde Möckmühl angesiedelten weiteren Betriebe sind fast ausnahmslos "Logistikdienstleister" mit riesigen asphaltierten LKW-Aufmarschplätzen. Diese plattmachende Gigantomanie hat in unserer Kleinstadtgemeinde Flächen grösser wie das Reichparteigelände in Nürnberg von Albert Speer zerstört - absolut irre. Die LKW-Fahrer beschafft man sich auch hier aus den Ländern, die gerade am allerbilligsten sind, es sind Sklaven der globalisierten Welt. Übernachtet wird in Containern, die Slums der heutigen Zeit, Bebauungsplan und Erlaubnis hin oder her, das interessiert nicht. Immer Sachzwänge. Was irgend möglich ist, wird auch einfach so durchgezogen, es bringt Geld und diese Rechtfertigung schlägt einfach absolut alles.

Vorher Garten auf Schwemmland, jetzt Schotterfläche
Im Kleinen läuft es genauso. Die letzten beiden traurigen und kleinen Reste der ortsnahen Krautgärten, die es früher in ausnahmslos jeder Gemeinde gab, sind nun auch unter Druck und weiter zerstört worden. Die Gier auf diese paar Quadratmeter ist so gross wie die Gier auf alles andere, das noch nicht zerstört ist und zu Geld gemacht werden kann. Nicht nur das Gebiet "Im Haag" weckt seit Jahren Begehrlichkeiten für "Umgestaltung" und weitere Bebauung, man hoffte erst auf einen fünften fetten Supermarkt. Die Restgärten auf Schwemmland "Im Waagerner Tal" sind ebenso unter Druck und kürzlich wurde wieder ein grosses Stück zugeschottert. Selbst solche kleine Reste führen zu unstillbarem Drang, mit ihrer endgültigen Zerstörung Umsätze zu machen. Daneben waren früher nur grosse Gärten, dann Totalüberbauung mit einem Autohaus, wahrscheinlich auch mit Bodenlastung, nun Ruine. Jeder kennt das, die Ortsnamen sind austauschbar, Möckmühl ist die bittere Regel und keine Ausnahme. Das Gebiet "Im Haag" hat nur eine Chance, wenn der dort nötige Hochwasserschutz teurer bleibt wie die mit der Fläche erzielbaren Gewinne. Oder sich irgendwelche Grundbesitzer mit der Gemeinde zerstreiten, sich mit zu wenig Geld abgespeist sehen.

Bald ist hier Kommunalwahl. Die Liste der Gemeinderatskandidaten ist ein einziges Trauerspiel. Antreten dürfen nur Listen und Parteien, keine unabhängigen Kandidaten. In den Listen stehen in die grosser Mehrheit die Zerstörungsgewinner, egal unter welcher Flagge sie segeln. Dazu gehören alle Parteien, auch die ebenso bigotten Grünen, die schon auf Landesebene vor der Wahl beispielsweise ausdrücklich weniger Flächenverbrauch versprochen haben, als sie gewählt waren verdoppelte sich Flächenverbrauch prompt von 2016 auf 2018 (Zahl: Statistisches Landesamt). Ihr Ministerpräsident besuchte die Region einmal, als die für den Hardhäuser Wald katastrophalen Windkraftanlagen eröffnet wurden, dabei führt er an den riesigen Lager- und LKW-Bechhallen vorbei. Für Strom aus 15x2000 Tonnen Beton quer durch grundwasserführende Schichten, Stahlmasten, Aufschotterung grosser Flächen, Abholzung, Insekten-, Vogel- und Fledermaustod erklären sich die Grünen für zuständig, für den Strom von den ohnehin schon bestehenden Blechhallendächern für unzuständig. Alle Parteien möchten die Gemeinde "voran" bringen und was das heisst, kann jeder an den vielfältigen Hinterlassenschaften der letzten Voranbringer live besichtigen: Schrott in immer grösserer Quantität unter stetigem Abbau der Qualität. Ich hatte Riesenmühe, die 20 Stimmen überhaupt unterzubringen (schon abgestimmt, da Briefwahl), weil mir viele Leute persönlich bekannt sind und ich aus der Nähe weiss, wie sie denken, handeln und abstimmen - und genau das stösst mich bei Vielen ab. Denn: Gut gemeint ist auch daneben, wenn dumm gemacht dabei herauskam, was bei Politikern die Regel ist.

Was kann man überhaupt tun?


Vorher schönste Obstwiese der Gemeinde, jetzt
Beerdigungsinstitut, Parkplatz, Cotoneaster. Man dankt.
Wer die Entwicklung hinterfragt, dem wird rückwärtsgerichtetes Jammern unterstellt, wir seien gestrige Gartenzwerge, denen paar Krautsköpfe wichtiger seien wie Menschen und "Entwicklung" (wohin eigentlich?). Aussagen diesen Stils zu widerlegen ist sinnlos, das fehlende grundlegende Verständnis über unsere Umwelt, der Grundlage unseres Lebens kann man nicht mit Argumenten erzeugen. Was also tun? Die Gartenzone rät:
  • Positiv und konstruktiv Beispiel geben, auch wenn es klein und irrelevant wirkt. Ich führe Leute durch den Garten, helfe bei Kursen mit, verschenke Pflanzen und Geerntetes, helfe wenn jemand etwas pflanzen will, versuche die Gemeinde (auch dort gibt es Leute mit breiterem Horizont, für die Blechhallen nicht alles sind!) zu unterstützen wenn es z.B. um Dinge wie Bepflanzungen geht. Sieht der Nachbar, wie mir leckere Weintrauben in den Mund wachsen, setzt er sich vielleicht selbst eine statt sich nur welche in Plastikschale zu kaufen, hergeschafft aus Chile und die Fläche für die nächste Garagenerweiterung zu nutzen.
  • Entwicklung bedeutet für Viele, grössere Parkhäuser zu bauen,
    damit das SUV endlich reinpasst.
    Politisch haben wir keine Heimat, schon gar nicht bei Parteien wie den Grünen, wie nicht nur kommunal, sondern auch die grüne Landesregierung in Baden-Württemberg eindrucksvoll in negativer Weise unter Beweis gestellt hat. Wer politisch agieren will, sollte vielmehr Parteien und ihre Lobbysteuerung entmachten und für mehr direkte Demokratie kämpfen. Viel, viel mehr. Es passiert zwar nicht oft wegen der hohen Hürden in Deutschland, aber Abstimmungen, insbesondere Bürgerentscheide auf Gemeindeebene sind der einzige  Machtfaktor, der Idiotenprojekte beenden kann. Nehmt den Parteien die Macht aus der Hand anstatt euch anlügen zu lassen, Parteien wären der Weg zu politischer Partizipation. Tatsächlich sind sie die Blockade für Partizipation, das Problem und nicht die Lösung. Oft bewirkt schon die Ankündigung eines Bürgerentscheids etwas, Planungen werden geändert weil die Planer das Projekt zustimmungsfähig machen wollen und erklären müssen. In Baden-Württemberg gibt es eng begrenzte Bürgerbegehren (§21 Gemeindeordnung), die die Wirkung eines Gemeinderatsbeschlusses haben. Natürlich darf weder über Bauprojekte noch Geld entschieden werden. Der Bürger soll sich gefälligst von wichtigen Dingen fern halten und sich darauf beschränken, sich mit der Farbe des Werbe-Ortsschildes zu beschäftigen. Was mit seinem Geld passiert, hat ihn nichts anzugehen.
  • Organisiert euch. Ja, auch im popeligen Gartenbauverein. Die sind nicht immer so verstaubt wie ihr glaubt. Sie sind das, was ihr darin selbst macht. Publiziert, schreibt, redet, geht auf die Leute zu, die Gemeinderäte mit mehr Weitsicht. Verschwendet keine Energie auf die Kommunikation mit Idioten, die in ihrer Dummheit über euch grinsen, stärkt lieber die, die mit mehr Grips ausgestattet wurden.
Das ist nicht viel, aber besser als nichts. Genug der Tirade. Ab und zu sollte man eben auch eine Gartenzone grundsätzlicher betrachten