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Mittwoch, 25. September 2024

Der neue Dauererfolg: Ölweiden

Wie jeden Sommer war es auch diesmal ruhig im Blog. Massenhafte Ideen, Erfahrungen, Ereignisse jagen sich, aber noch mehr Arbeit steht an, kein Nutzgartensüchtiger schafft es da, noch viel zu schreiben. Aber jetzt gehts weiter und gleich mal mit erfreulichen Erfahrungen:

Reiche Ernte bei der beschirmten Ölweide
Blüten, die duften und Bienen lieben

Zu den Dingen, die dieses Jahr viel Spass gemacht haben, gehören die Ölweiden der Gattung Elaeagnus, die schon länger im Blog ein grösseres Thema sind. Ölweiden sind meiner Ansicht nach unterschätztes Wildobst an der Grenze zum Gartenobst und vor allem sind es Pflanzen, die so hart und anpassungsfähig sind wie keine andere Obstart. Es ist eine der ganz wenigen Obstarten, die mit der stattfindenden Wetterveränderungen klar kommen, während sich ringsum Ausfälle und gigantische Probleme häufen, bis hin zum Wegfall ganzer Obstarten, die nicht mehr ungeschützt anbaufähig sind. Ölweiden tragen dagegen beständig gut, bleiben gesund und sind herrlich zuverlässig. Sie kommen mit jedem Boden zurecht, holen sich Stickstoff über Symbiontenbakterien selbst aus der Luft, breiten sich nicht unkontrolliert aus, sind schnittverträglich, die Früchte lassen sich gut verarbeiten, wenn man weiss wie. Es sind Bienen- und Insektenpflanzen, sie duften, sind streusalzverträglich, hitzeverträglich, trockentolerant und wie dieses Jahr zeigt auch völlig nässetolerant. Das einzige heimische Ölweidengewächs, der Sanddorn, hat diese Vorteile leider nicht, zudem hat er die letzten Jahre durch Absterbeerscheinungen wegen einer noch nicht ganz geklärten Pilzkrankheit von sich reden gemacht. Die endemisch amerikanische Ölweidenart sind die Büffelbeeren, damit habe ich keine Erfahrungen. Sie sind aber stachelig und bilden Ausläufer, Horste, das klingt erst einmal nicht sehr angenehm.

Die Sträucher der vielblütigen Ölweide Elaeagnus Multiflora mit ihren verhältnismässig grossen und frühreifenden Beeren im Frühsommer tragen mittlerweile gut, allerdings zeigt sich auch, dass sie in unserer Gegend zwingend vor Vögeln geschützt werden müssen, die sonst schnell alles wegfressen. Der Hit dieses Jahr war aber wieder die Schirm-Ölweide Elaeagnus Umbellata, sie hat keine Vogelprobleme, aber ihre Früchte sind kleiner und spät, sie werden erst im Herbst richtig reif, rot sind sie schon vorher.

Vielblütige Ölweide mit normalem Fruchtbehang


Ernte von Schirm-Ölweiden

Ältere Sträucher haben grössere Beeren

Mittlerweile sind hängende Äste der älteren Sträucher so gut mit Früchten besetzt, dass man mit einer schnellen Erntetechnik sehr erfolgreich ist. Wartet man bis zur Vollreife (dieses Jahr 22.9.) und wird nicht nervös, weil scheinbar schon viele Beeren herabfallen (das beginnt schon Wochen vorher), kann man mit Eimer und simplem abstreifen eine enorme Pflückleistung erreichen. Ich brauchte damit für fünf Kilo keine halbe Stunde mehr. Das schafft man bei keiner Johannisbeere und auch die viel grösseren vielblütigen Ölweiden kann man nur langsamer pflücken. Eimer ans Handgelenk hängen, eine Hand hält den Ast fest, die andere streift die Früchte ab und in den Eimer. Oder alles abstreifen und mit einem Vlies auf dem Boden nachher alles zusammenschütten. Die Zeit, anschliessend Ästchen und Blätter auszusortieren, kommt aber noch hinzu, mit einem groben Stieb geht es schneller sofern man hat. Ein grösserer Einzelstrauch hatte gut und gerne zehn Kilo Fruchtbehang netto, dabei hatte ich ihn immer wieder zurückgeschnitten, frei wachsende Sträucher können noch weit mehr tragen. Mit Einzelbeeren pflücken habe ich mich dann nicht mehr abgegeben, es hängen sicher noch ein paar Kilo oben.


Verarbeitung von Ölweiden

Ein Teil der Rohware

Nach dem Durchprobieren mehrerer Ideen läuft das nun ebenfalls mittels verschiedener Methoden sehr effizient. Die kleinen Beeren sind kein Nachteil mehr, sondern haben sogar Vorteile. Dieses Jahr konzentrierte ich mich auf Saft und Gelee daraus. Dafür gibts es einen tollen Trick. Ich habe die Früchte einfach in einem grösseren Mixbecher eines Pürierstabes zur Maische verarbeitet. Der Pürierstab hat nämlich eine Geschwindigkeitseinstellung und die steht auf niedrig, sodass sofort eine herrliche rote Maische entsteht, aber die Kerne nicht mit zermust werden. Bei hoher Geschwindigkeit würden sie vom Messer zerschlagen. Alles bleibt flüssig genug, um bei leichter Schräghaltung in Bewegung zu bleiben und homogen zu werden, ohne Zellschlamm zu produzieren. Diese Maische hat die ideale Konsistenz zur Sofortpressung, ohne weitere Zwischenschritte. Mit dem Handpressbeutel bekommt man eine Ausbeute von 60-70% hin, die Maische lässt sich leicht und schnell abpressen. Grössere Mengen gehen problemlos auch in anderen Pressen, etwa einer Hydropresse. Der Saft wird rosa, bleibt er stehen, trennt er sich in eine rote und in eine beige Phase. Das ist bei Ölweiden immer so. Der natürliche Zuckergehalt liegt bei >70°OE, maximal 80°, wenn sie reif waren schmeckt der Saft im Mund kräftig, hat noch Gerbstoffe unter Rotweinniveau, angenehme Säure, das Aroma geht frisch Richtung roter Johannisbeere, wirkt aber voller, satt machender. Gelee daraus entwickelt sich geschmacklich mit Lagerung immer mehr Richtung Sanddorn, so kräftig wird es natürlich nie, aber die Aromarichtung stimmt. Eis aus Ölweiden aus der Eismaschine ist auch angenehm, gefriert aber spät.

Den Saft habe ich heisssteril in Flaschen gefüllt. Zweifellos lassen sich daraus noch weitere interessante Produkte herstellen, diesmal ging es mir jedoch um eine Effizienzsteigerung und Vereinfachung in der Herstellung. Aufgrund der grossen Erntemenge war das sehr geboten.

Der Mixbecher mit Messer des Pürierstabmotors
Beeren im Mixbecher
Nach zwei Minuten püriert, Kerne ganz geblieben
Das rohe Püree mit Kernen
Saft pressen mit dem Pressbeutel
Saft zur Abfüllung abkochen

Ausgepresster Trester. Kerne unbeschädigt.

Ölweidengelee im Durchlicht - hat was von Blutplasma. Geliert gut ohne weitere Säurezugabe.

Fast unvermeidliche Phasentrennung des Safts

Alternativwege habe ich auch beschritten, zum Beispiel die Beeren eingefroren, um so wie bei Schlehen vielleicht damit Gerbstoffe zu senken, um damit leichter eine Maische herstellen zu können weil sie nach dem Auftauen dann weich werden und schliesslich, um nach der Ernte nicht gezwungen zu sein, alles sofort zu verarbeiten. Tatsächlich werden die wieder aufgetauten Früchte sehr weich, man kann sie mit der Hand mühelos zerquetschen. Der Gerbstoffgehalt liess sich nicht weiter senken, störte auch nicht. Schlimmer war aber die Konsistenz der Maische; sie bekam eine schlammigere Struktur, die sich nicht mehr gut pressen liess. Erst nachdem ich sie einen Tag mit dem pektinabbauenden Enzym Pektinase stehen liess, klappt es problemlos. Was Schwachsinn ist, wenn ich mit dem Mixbecher eine erstklassig pressbare Maische herstellen kann, ohne vorher einzufrieren. Nicht Schwachsinn ist, die Maische statt sie zu pressen durch ein Sieb oder eine flotte Lotte (=Passiermühle) zu streichen, um die Kerne zu entfernen. Hier zeigt die Gefrierversion ein stabiles rotes Mus, das sich nicht so leicht trennen lässt, das optisch mehr hermacht wie das Mixer-Mus. 

Fassen wir zusammen: Für Saft sofort mit Mixer zermusen und pressen, für Mus/Pürree einfrieren, mixen und durch passieren. Das Mus hat auch ein etwas anderes Aroma. Mir persönlich schmeckt das Gelee besser als die Marmelade aus Mus, das noch Nebenaromen hat. In Gebäck, für Müsli und Dessert ist Fruchtmus brauchbarer.

Simpler Fruchtquark mit Ölweidenmus und Zwetschgenstücken

Ölweiden-Joghurt

Ölweideneis

 

Aussaat

Sämling, Zufallsaufgang

Direkte Aussaatexperimente habe ich noch nicht gemacht. Es tauchen aber gelegentlich einzelne Ölweidensämlinge im Garten abseits der Sträucher auf. Eher selten. Interessanterweise gibt es aber keinerlei Sämlinge um die Sträucher herum. Direkt herabgefallene und auch mit Erde bedeckte Samen keimten nie. Das beweist, dass es von grossem Vorteil ist, wenn Ölweidensamen erst durch einen Vogel hindurch gehen, um dann zu keimen. Man könnte das mit Vergären und Auswaschen teilweise simulieren, wie es auch bei anderen Pflanzen manchmal hilft. Ausserdem beweist es, dass der hiesige Winter gegenwärtig nicht zur Zerstörung der Keimfähigkeit führt, Frost also ein Stück weit ausgehalten wird, vielleicht ebenfalls nötig ist - Stratifikation.

 

Weitere Arten

Möglicherweise rückt auch die schmalblättrige Ölweide Elaeagnus Angustifolia in den Anbaubereich. Sie wächst zwar immer schon gut in Deutschland, ist eine grössere Art wie die anderen Ölweiden, aber trägt bisher selten Früchte. Allerdings ist das schon ein kleiner Baum. Weiter im Süden ist es dagegen auch eine Obstpflanze, deren Früchte gerne getrocknet werden und geschätzt sind. Noch mehr Arten warten auf ihre Entdeckung: Die grossblättrige Ölweide Elaeagnus Macrophylla und Elaeagnus glabra könnten auch in unserem Klima wachsen. Beide blühen im Herbst mit duftenden Blüten und haben im Frühjahr rote Früchte bis 2 cm Länge. Die schon lange hier vermehrte "Wintergrüne Ölweide" ist dagegen eine Hybride mit Macrophylla-Beteiligung; wenn sie Früchte hat, sind sie nicht sehr attraktiv.

So oder so: Bereits die schon länger etablierten Ölweiden-Arten sind absolut anbauwürdig. Interessante Fruchtsorten der Vielblütigen Ölweide aus Südkorea sind noch nicht einmal in Europa verfügbar. Und wenn man mit den Früchten nichts am Hut hat, so sie sind immer noch als schöne, gesunde Hecken- und Zierpflanzen voll tauglich.

Ölweidensaft. Wer will, kann vorher dekantieren.


Ölweidensaft aus gefrorenen Früchten, mit Pektinase behandelt. Sieht aus wie Apfelsaft.



Sonntag, 3. April 2022

Die Minikirschen vom Ministrauch: Prunus tomentosa

Filzkirsche, prunus tomentosa - Früchte, halbiert, Stein

Weniger bekanntes Beeren- und Wildobst ist eine echte Entdeckungsreise für Nutzgärtner, einiges davon sehr lohnend. Da gibt es Schätze zu heben wie Maibeeren, Ölweiden, spezielle ribes-Arten wie Goldjohannisbeere oder höherwachsende stachelbeerartige Ribes-Hybriden, Apfelbeeren, Fruchtsorten von Rosen wegen der Hagebutten und viel mehr - alles willkommen!

 

Die Filzkirsche

Blühbeginn der Filzkirsche

Eine ebenfalls wenig bekannte Sorte ist Prunus Tomentosa geblieben. Diese optische Minikirsche hat viele Namen: Nanking-Kirsche, Koreakirsche, Filzkirsche, japanische Mandelkische und noch ein paar mehr. Mini ist die rote Frucht und Mini ist die Pflanze - im Vergleich zu europäischen Kirschenbäumen, prunus avium. Sie stammt aus Ostasien, wächst dort eher in trockenen und windigen Gegenden, das Holz ist sehr frostfest, sie kommt mit vielen Bodenarten klar und wurde dort schon sehr lange in kleinem Massstab als Obst und Zierpflanze geschätzt. Genetisch liegt sie näher an Pflaumen wie an Kirschen. Noch ähnlicher ist sie möglicherweise den amerikanischen Sandkirschen Prunus pumila, die in vier Varietäten in ganz Nordamerika vorkommen. Beide Arten besetzen ähnliche Habitate, bleiben kleinwüchsig, die Früchte wirken ähnlich und sie lassen sich miteinander kreuzen. Angeblich sind die in Europa verbreiteten Fruchtsorten der Filzkirsche in Wirklichkeit Hybriden: Filzkirschen mit Anteilen eingekreuzter Sandkirschen. Nachprüfen kann das der Nutzgärtner nicht. Am meisten Züchtungsaktivität, Kreuzungsversuche und Sorten gibt es in Russland und der Ukraine, fast alle Fruchtsorten kommen von dort. Daneben existieren noch wenige kanadische Kreuzungen und Spezialitäten direkt aus der Mongolei und China, zum Beispiel eine weissfrüchtige Sorte, in Europa unter einem neuen Fantasienamen auf den Markt gekommen. Sehr schade ist, dass generell kaum Sorten nach Deutschland gelangen. Die grösserfrüchtigen, wohlschmeckenden russischen und ukrainischen Züchtungen sind nicht oder kaum zu bekommen. Angeblich sind die Sträucher kurzlebig: 10 bis 15 Jahre Höchstalter sollen normal sein.

Sand- und Filzkirschen wurden auch für die Kreuzung schwachwachsender Prunus-Unterlagen verwendet. Die Sandkirsche ist zudem Elternteil für eine Aprikosen-Sandkirschenhybride mit Namen Aprikyra. Eine interessante Pflanze, die ich auch habe und ebenfalls eine Beschreibung verdient. Einige weitere interessante Kreuzungen mit Beteiligung der kleinen Sand- und Filzkirschen sind noch zu erwarten.

Gesammelte Früchte und Blatt Filzkirsche

 

Aussehen und Früchte

Holz der Filzkirsche
Kerne der Filzkirsche

Filzkirsche heisst sie, weil der junge Austrieb filzig aussieht. Finde ich zwar nicht so eindeutig, aber nun ist der Name vergeben. Die Pflanzen sehen aus wie wenig verzweigte Sträucher, die oft unter 1m Höhe bleiben, bei guten Bedingungen maximal jedoch 2,5m erreichen, nicht ausladend oder dicht werden. Sie bleiben immer licht, sind also nicht als optisch begrenzende Heckenpflanze geeignet. Die Blätter sind klein, mit Rippen, kleinen Hainbuchenblättern leicht ähnlich. Austrieb und Blütezeit sind eher früh, bis zu zwei Wochen vor den grossen Kirschbäumen. Dann erscheint ein sehr reicher Blütenschmuck, so dicht und schön dass sie in Europa erst als Zierpflanze statt als Beerenobst gesehen wurde. Die Blüten sind weiss, einige Sorten reichen ins Rosa. Aus ihnen entwickeln sich kleine grüne Früchtchen, die je nach Sorte ab Ende Juni bis in den August hinein reif werden. Sie werden dann glänzend rot (bis auf eine weisse Sorte), bleiben immer unter 2cm Durchmesser, enthalten einen Stein, sein Anteil ist hoch, noch höher wie der prozentuale Steinanteil einer Sauerkirsche. Das Fruchtfleisch ist saftig, gallertartig, es liegt mehr auf der weichen Seite. Der Zuckergehalt erreicht maximal 12%, sie bleiben damit weniger gehaltvoll wie viele Kirschsorten. Der Geschmackstyp ist der einer süsseren Sauerkirsche, angenehm, die Aromabildung ist jedoch nicht stark, es gibt auch keine eindeutigen, identifizierenden Komponenten. Bleibt die Frucht lange am Strauch hängen, hat sie noch weniger Aroma. Sie fault nicht, wird nur stetig weicher und dunkler, bevor sie schliesslich abfällt oder mumifiziert. Das Erntefenster ist recht lange, bis zu mehreren Wochen, ein Vorteil. Gegen Ende sind sie schüttelfähig.

Blühende, Jungfrüchte, Fruchtmumien des letzten Jahres


Die Anbauerfahrungen

Fruchtbehang

Vor einigen Jahren bekam ich meine ersten Pflanzen, Fruchtsorten und Sämlinge. Wie bei vielen weniger bekannten Beerenobstsorten, die noch nahe an den Wildformen liegen konnte ich keinen echten Unterschied zwischen Fruchtsorte und Sämling erkennen. Vielleicht hat auch nur der Verkäufer betrogen oder war selber ahnungslos, was bei solchen wenig bekannten Obstarten eher die Regel wie die Ausnahme ist. Immerhin unterschied sich die Fruchtfarbe leicht und die Blütezeit. Unter Sortennamen gehandelt werden "Efimka", "Red Ninja", Leucocarpa (weiss, identisch mit "Snövit", eigentlich eine mandschurische Sorte), "Orient", "Amur". Die Pflanzen wuchsen gut an, gingen dann sehr langsam, an einem Standort schneller in die Höhe. Fruchtsorten holte ich mir vor allem deshalb, um genetisch unterschiedliche Pflanzen zu haben, denn Filzkirschen benötigen einen Befruchter, sie sind nicht selbstfruchtbar. Europäische Kirschen sind nicht oder schlecht als Befruchter brauchbar. Befruchtertauglich sind auch verschiedene amerikanische Prunus-Arten wie die Feuerkirsche, die in Deutschland aber kaum vorhanden sind. Also besser auf unterschiedliche Filzkirschen setzen und mindestens zwei verschiedene Filzkirschen nebeneinander pflanzen.

Blüten Prunus Tomentosa

Blüten erscheinen im zweiten Jahr zerstreut, ab dem dritten Jahr stärker. Damit kommen auch die einzeln an 1cm kurzen Stielen hängenden Früchte. Die höchsten Erträge hatten frei und luftig wachsende Sämlinge ohne Schatten und ohne Nebenpflanzen. Der Gesamtertrag erreichte pro Pflanze vielleicht zwei Kilo, die Ästchen waren dmit bereits sehr gut behangen. Mehr wird nur bei besseren Fruchtgrössen zu erreichen sein. Die obengenannten russischen Sorten sollen zum Beispiel einiges mehr schaffen. Pflücken ist mühsam. Die Früchte muss man für die Verarbeitung durch eine flotte Lotte (Passiermühle) drehen, um die Steine loszuwerden, von Hand entsteinen ist aufwendig. Verwendet habe ich sie hauptsächlich frisch, direkt vom Strauch. Man pflückt sich eine Handvoll der kleinen Beerenfrüchte, zerdrückt sie im Mund, spuckt die Steine dabei aus. Für Marmelade oder Saft ist der Pflückaufwand etwas hoch, das Ergebnis nicht unbedingt besser als Sauerkirschprodukte und aromatischer schon gar nicht. Die Vorteile sind: Naschobst in Kniehöhe mit wenig Platzbedarf und herrliche Blütenpracht.

Der Hauptnachteil: Zweigmonilia

Zweigmonilia an der Filzkirsche

Der beschriebene Hauptnachteil des Moniliabefalls hat sich auch bei mir gezeigt. Die Art ist leider stark anfällig auf Zweigmonilia. Das bekam sie jedes Jahr, egal ob teilverschattet, windoffen, Trockenheit zur Blütezeit, vollsonnig. War irgendwie unvermeidlich. Besonders junge Äste sterben dann einfach ab, die Blätter vertrocknen. Andererseits war das nie so fatal, dass die ganze Pflanze starb oder so tiefgreifend wie bei einigen Sauerkirschsorten, die ohne Behandlung nicht mehr anbaufähig sind. Gummifluss war auch nicht zu sehen. Ich habe zunächst die befallenen Äste herausgenommen. An grösseren Pflanzen habe ich die Pilzkrankheit schliesslich ignoriert. Versuche mit Fungiziden nicht gemacht, wahrscheinlich muss man da so wie in Sauerkirschplantagen vorgehen und recht früh behandeln. Verjüngungsschnitte bleiben wegen des Moniliabefalls ebenfalls überflüssig. Wenn Äste sowieso absterben, ist schon genug "zurückgeschnitten".

Fazit

Früchte am Zweig

Die Filzkirsche, Prunus Tomentosa ist ein anbauwürdiges Wildobst, aber noch nicht besonders nutzbar. Am besten steht sie frei und luftig mit mehreren anderen befruchtungsfähigen Filzkirschen. Plazieren würde ich sie eher im Vorgarten wie neben den Johannisbeeren im Nutzgarten. In Fruchtqualität und Verwendungsmöglichkeiten liegt sie auf Wildobstniveau, was sich aber mit der Weiterzüchtung von Fruchtsorten ändern könnte. Die zwei Haupt-Knackpunkte sind ihre Moniliaanfälligkeit und die bescheidene Fruchtgrösse, eine Aromabombe ist sie auch nicht - aber angenehm im Mund und schön am Strauch.

Dienstag, 1. März 2022

Scharlachdorn, das leckere Wildobst

Angebissenes Früchtchen

Jetzt ist Pflanzzeit für ein nahezu unbekanntes, aber wertvolles Wildobst. Er sieht auch jetzt im Winter eindrucksvoll aus und meine erste Begegnung mit ihm vor ein paar Jahren löste eine intensive Suche nach der genauen Art aus. Begegnet bin ich ihm in der Hecken- und Gehölzzone am städtischen Hallenbad, wo viele interessante Pflanzen gewachsen sind. In den 1970er Jahren gab es hier in Möckmühl einen Gartenbauer in städtischem Auftrag oder jemand des städtischen Bauhofs, der richtig was drauf hatte. Bepflanzungen aus dieser Zeit stechen richtiggehend heraus. Es wurden viele insektenfreundliche Blühgehölzarten gepflanzt, sehr standortangepasst, robuste Arten, fast immer auch fruchttragend, Wildobst für Vögel, pflegeleicht. Oft einfallsreich und mit Liebe zur Vielfalt, nicht nur die gerade modischen Standartarten der damaligen Zeit. Irgendwann in den 1990er Jahren gab es dann offenbar einen Verantwortlichenwechsel und was ab dann gepflanzt wurde, wurde sichtlich wertlos, lieblos, langweilig. Seit einigen Jahren fand dann ein totaler Zusammenbruch statt. Den alten Blühpflanzenbeständen begegnet das heutige Personal regelrecht hasserfüllt, es wird seither rücksichtslos ausgeholzt, abgesägt und durch absolute Katastrophen ersetzt, wenn man gezwungen ist etwas Neues zu pflanzen. Wildbirnen - Kettensäge, stattdessen Zwergkastanien. Blühhecken - abgesägt, stattdessen Hainbuche. Weissdorne - Kettensäge, stattdessen schmale Sumpfeichen. Kornelkirsche - abgegraben, stattdessen gar nichts. Es ist kaum mehr etwas übrig aus der befähigten Gartenbauergeneration.

Früchte in Vollreife, teilweise schon abgefallen 29.8.

Bis vor einigen Jahren war auch um das städtische Hallenbad herum noch viel dieser tollen ursprünglichen Bepflanzung vorhanden. Darunter auch mehrere auffallende weissdornartige Gewächse, etwa 3-3,5m hoch und mit eindrucksvollen langen Dornen. Da habe ich sie kennengelernt. Im Spätsommer hatten sie rote Früchte, die ich probiert habe und davon sehr überrascht war. In Deutschland wachsende Weissdornarten sind normalerweise nur für Vögel interessant, die Früchte sind zwar geniessbar, aber als Wildobst für den Menschen wenig attraktiv. Sie sind mehlig und haben kaum Aroma. Aber der hier war richtig gut, hat sich deutlich und positiv von anderen Weissdornen abgehoben.

Früchte gesammelt 29.8.
  • Fast schon saftige Früchte jedenfalls viel weniger trocken wie die anderer Weissdorne
  • Für einen Weissdorn Früchte mit guter Grösse, etwa 1,5cm Durchmesser im Schnitt. Weich, innen Kerne, die man mitessen konnte oder ausspucken, leichter trennbar als bei anderen Weissdornen.
  • Das Beste war der Geschmack, das Aroma: Im Gegensatz zu den bekannten Weissdornen war dieser kräftig, mit deutlichen Aromakomponenten (in der Reihenfolge) nach Hagebutte, Orange, Apfel, süss mit angenehmer Säure und keinen unrunden Gerbstoffnoten. Farbe des Fruchtfleischs: Gelborange, oft kräftig gefärbt.

Aber was war es? Von weitem wirkte die Pflanze wie ein Zierapfel. Weissdornarten der Gattung Crataegus gibt es wie Sand am Meer, dazu noch Hybriden, Kreuzungen, ich war mir nicht mal sicher ob es überhaupt ein Baum dieser Familie ist. Schliesslich der Treffer: Es handelte sich um "Scharlachdorn" (Crataegus pedicellata oder Crataegus coccinea oder Crataegus intricata), eine Weissdornart aus Nordostamerika.

Scharlachdorn - der Baum

Habitus des Baums im Winter

Die Art wächst manchmal etwas sparrig und wird nur ein paar Meter hoch. Er ist schnittverträglich, man kann ihn auch als Hecke mit 1-2m Höhe ziehen. Optisch wirkt er wegen der Dornen gefährlich, ist aber nicht so eng und undurchdringlich wie dieser Eindruck nahelegt. Wie die meisten amerikanischen Laubholzarten bekommt er eine schöne Herbst-Blattfärbung. Er blüht sehr reichlich und schön mit typischen Rosacea-Blüten (für Bienen sehr attraktiv, Nektar und Pollen) ab Mitte April, die Früchte sind ab Ende August, September reif.

Fruchtsorten und Auslesen auf Fruchtqualität scheint es nicht zu geben, gefunden ich ich keine. Leider, denn er wäre es wert. Als Wildobst ist er nicht bekannter wie andere Weissdornarten. Optisch ähnliche Früchte haben auch der Arnold-Weißdorn (Crataegus arnoldian), der Punktierte Weissdorn (Crataegus punctata) und der Pennsylvanische Weissdorn (Crataegus pennsylvanica. Von diesen ebenfalls amerikanischen Arten gibt es auch Auslesen, Zbigniew, Ljudmyl, Shamil, benannt in der Ukraine.

Blüten Scharlachdorn, eben aufgegangen am 15. April


Eigener Anbau

Eindrucksvolle Dornen

Lange lebten sie nicht mehr, die Scharlachdorne. Bis auf eine letzte, traurig verkümmerte Pflanze hat die Stadt sie wie üblich alle einfach abgesägt oder die Blühheckenreste mit ihnen abgebaggert, teils zugebaut oder zubetoniert - die übliche Ignoranz, Ablehnung, Inkompetenz, Bebauungsdruck, an dessen Ende immer dauerhaft tote Flächen stehen.

Für mich war Scharlachdorn so interessant, dass ich die Art in die Hecke am Rand der Obstwiese gepflanzt habe. Dort zeigte sich zunächst recht langsames Wachstum, das sich dann plötzlich beschleunigte. Ohne die "Pflege" der Gemeinde wuchs er schön, mit einem leicht geschwungenen Haupttrieb, durchaus ein ansehnliches kleines Bäumchen. Hitze, Winterfrost und Trockenheit überstand er von Anfang an. Er fing bald an zu fruchten, wobei die Früchte zunächst etwas kleiner bleiben, bei älteren Pflanzen werden sie grösser. Da zwar baldiger Fruchtbehang, aber kein anderer Scharlachdorn in der Nähe war, ist er offensichtlich selbstfruchtbar oder heimischer Weissdorn befruchtet ihn, letzteres unwahrscheinlich aber möglich. Und Vorsicht, trotz der Dornen werden weiche Jungtriebe vom Wild gefressen, Jungpflanzen müssen also geschützt werden. Die Früchte sind wie alle kleinen roten Früchte für Vögel attraktiv. Krankheiten gleich welcher Art waren nicht sichtbar. Weissdorne sind meistens gesunde, unempfindliche Pflanzen, aber feuerbrandanfällig, was ich am Scharlachdorn aber nicht beobachtet habe. Kalkboden ist von Vorteil.

Knospe am 21.12. mit schönem, lackartigem Schutzharz überzogen
Reife Früchte, schwach doldenartig

Die Früchte sind wie gesagt überraschend lecker, am Besten frisch gegessen und die Kerne bei Bedarf ausgespuckt. Die Reife findet folgernd statt, vollreife Früchte fallen von selbst vom Baum  und können dann noch gut verwertet werden. Man kann auch schütteln oder direkt pflücken. Die Verarbeitung ist einfach, da die Früchte weich sind. Für das Fruchtmus dreht man sie zerquetscht durch eine Passiermühle und für Saft (zur Geleebereitung) lässt man die Maische mit etwas Pektinase stehen, wie in früheren Beiträgen https://gartenzone.blogspot.com/2021/12/der-saftladen.html beschrieben. Optisch sehen ältere Bäume Dank der leuchtenden Früchte reich behangen aus, aber die "Erntetonnage" ist nicht so riesig. Besser also gleich zwei Bäume setzen, wenn man es auf die Verwertung der Früchte abgesehen hat.

Seine begrenzte Grösse und anderen Vorteile machen ihn auch für Haus- und Vorgarten geeignet. Scharlachdorn - einer der wertvollsten Weissdorne.

Austrieb, aufbrechende Knospen am 19.2.

Jungbaum nach ein paar Jahren im Winter

Blätter und unreife Früchte Scharlachdorn 30.5.

Dienstag, 28. Dezember 2021

Hagebutten: Hägenmark mit Qualität herstellen

Zeichnung frischer Hagebutten am Strauch
Hagebutten kennt jeder, das sind die roten Früchtchen aller Rosen. Wer sie will, muss sie nicht einmal im Garten haben, in jeder Feldhecke wachsen auch Hundsrosen und Ackerrosen (Rosa arvensis). Besonders viele Hagebutten haben Apfelrosen, Filzrosen, Kriechrosen und Weinrosen sowie mit später Reife die bereits genannte Hundsrose. Ergiebig sind auch nicht einheimische Rosen wie die Kartoffelrose, die sich hier an sandigen Orten von selbst verbreiten und die besonders dicke Hagebutten hat.

Entsprechend gerne wurde zu allen Zeiten immer auch versucht, die verhältnismässig leicht zu beschaffenden Hagebutten zu verwerten. Tee daraus ist bis heute äusserst beliebt und auch das eingekochte rote Hägenmark, Hagebuttenmark. Nur: Wie stellt man das eigentlich selber her? Hagebutten enthalten harte Kerne mit vielen unangenehm kratzenden Härchen, die sich kaum vom roten Mark trennen lassen. Hinweise und Verfahren, wie das zu bewerkstelligen ist gibt es viele, leider ist kaum etwas davon praktikabel weil es im Haushalt zu mühsam ist oder zu schlechte Qualität dabei herauskommt.

Hagebutten im Frühherbst in einer Feldhecke

So wie viele Wildobstfreunde habe ich damit ebenfalls herumexperimentiert. Und bin auf ein Verfahren verfallen, das sich wirklich gut im Haushalt durchführen lässt. Sicherlich haben das auch andere Leute schon früher herausbekommen und variiert, aber durchgesetzt hat sich das leider nie. Stattdessen werden weiter alte und stark nachteilige Methoden abgeschrieben und empfohlen. Darunter gibt es zwei beliebte Techniken: 

  1. Die Hagebutten werden einzeln aufgeschnitten und entkernt. Das ist eine extrem mühsame und unergiebige Arbeit, für die man einen Stall williger Kinder und Knechte braucht, wenn etwas zusammenkommen soll. Die roten Schalen mit dem Fruchtfleisch können dann gekocht und zu Marmelade verbreitet werden, Trotzdem bleiben oft unangenehme Härchen drin, Haut, Stücke vom Blütenboden. Von der Aroma- und Vitaminausbeute her aber ist das wenigstens eine gute Methode, denn es wird nur einmal erhitzt.
  2. Die Hagebutten werden gekocht und die weichen Früchte dann durch ein Sieb gestrichen. Je nach Siebgrösse bleiben ebenfalls Härchen drin oder es ist bei feinen Sieben sehr mühsam, die Masse hindurchzubekommen, ausserdem ist die Ausbeute schlecht. Mit dem Ergebnis wird dann Marmelade gekocht.


Mit wenig Aufwand geht es nicht. Aber einfacher als mit den klassischen Methoden und und qualitativ gut geht es. Der Kern des Tricks ist ganz einfach: Die Herstellung passiert zweistufig und zwar mit unterschiedlichen Küchengeräten. Erst wird aus den Hagebutten ein grobes Mark mit einer normalen Haushalts-Passiermühle hergestellt, das noch die Härchen, manchmal kleinere Kerne und dunkle Teile des vertrockneten Blütenbodens enthält. Das wird leicht mit Wasser oder Orangensaft verdünnt, um es flüssiger zu machen und dann durch einen Nylonhandpressbeutel gedrückt. Der ist sehr fein, feiner wie jedes Sieb, hält die Härchen perfekt zurück und es entsteht ein qualitativ hochwertiges, auf der Zunge weiches und hocharomatisches Hagebuttenmark.

Den Vorgang noch einmal mit allen nötigen Details geschildert:

 

Sammeln oder anbauen

Vor der Butte kommt die Blüte, eine Wildrose

Am Anfang stehen die Hagebutten, sammeln und ernten wir sie. Glücklich ist, wer in einer Gegend mit Feldhecken wohnt. Dort sind immer auch Hundsrosen vorhanden, ein Sammelbegriff, es gibt mehrere Arten und Formen, dazu noch viele Hybriden. Aber auch alle Hagebutten anderer Rosenarten sind brauchbar, vorausgesetzt man kann sie im richtigen Reifezustand sammeln. Verwertbar sind sie, wenn sie vollrot geworden sind, aber gerade noch nicht weich. Bei wilden Rosen kann das ab Mitte September bis in den November hinein der Fall sein. Weich gewordene Hagebutten lassen sich zwar sogar leicht roh "auszuzeln", befinden sich aber bereits im Abbau der Aromen und Vitaminen.

Typisches Feldheckenhabitat

Die wilden Hundsrosen ergeben ein sehr gut schmeckendes Hägenmark. Wer selbst Wildrosen im Garten hat, pflanzen will und gut brauchbare Hagebutten ernten, sollte heimische Arten wie Rosa dumalis (Vogesenrose) nehmen, die gute Erträge haben, leicht zu pflücken sind, dunkelrote Hagebutten für eine schöne Farbe. Weniger geeignet sind Heckenrosen (rosa corymbifera), sie bleiben mehr orange, Weinrosen (rosa rubiginosa) haben oft zusätzlich Borsten an den Hagebutten. Apfelrosen (rosa villose) sind auch gut, sie haben schon im Sommer Hagebutten guter Grösse. Die rotblättrige Rose (rosa glauca) hat nicht grosse, aber dafür extrem viele Hagebutten, die zudem leicht zu ernten sind weil sie in Büscheln stehen. Zimtosen (rosa majalis) haben den höchsten Vitamin - C Gehalt. Schliesslich Essigrosen (rosa gallica), sie bleiben niedriger und von ihnen gibt es auch Sorten mit schönen Blüten für den Garten. Die Strauchrose "Pillnitzer Vitaminrose Pi-Ro 3" habe ich auch, sie hat kaum Dornen, aber weder Ertrag noch Qualität begeistern mich. Sie wächst in einer Wildhecke und wurde oft abgefressen, eben gerade weil sie keine Dornen hat. Gut für die Ernte, aber nicht gut fürs Wachstum.

Am ergiebigsten ist jedoch die Kartoffelrose (rosa rugosa), sie wird auch von den Hägenmark-Herstellern verwendet, im Aroma bleibt sie jedoch leicht schwächer wie die Hundsrosen. Ihre Hagebutten sind sehr dick, die Pflückleistung ist ausgesprochen hoch. Diese Art kommt aus Ostasien, wird als Zierpflanze verwendet und ist leider in vielen Gegenden zu einem invasiven Neophyten geworden. Sie steht auch auf Verkehrsinseln, in Hecken, vielen Privatgärten, kommt mit armen Sandböden zurecht. Von ihr existieren Auslesen, die findige Händler als "Riesenhagebutte" verkaufen. Wichtiger als die Grösse der Hagebutten sind aber die Flächenerträge. 

Hagebutten frisch gepflückt
Gesammelt, gewaschen


Lagern und Vorbereiten

Hagebutten tiefgefroren

Aus 2kg Hagebutten kann man rund 1kg verwertbares Mus herstellen. Die genaue Zahl kann je nach Rosenart, konsequenter Verarbeitung und Wasserzugabe stark variieren. Diese Menge reicht auch in der Regel für einen Jahresbedarf einer kleineren Familie, wenn man noch andere Aufstriche und Marmeladen herstellt. Sammelt man in mehreren Tranchen, zum Beispiel weil ein Sammelort nicht viel gebracht hat, dann sollte man die bereits gesammelten Hagebutten eingetütet in den Tiefkühlschrank werfen, damit man später mit einer weiteren Sammlung an anderem Platz auf vernünftige Mengen kommt. Oder wenn man unterschiedliche Arten sammelt und die Reifezeiten differieren.

Die weitere Verbereitung besteht nur aus reinigen, gründlich waschen und ggf. etwas abreiben. Verunreinigungen bemerkt man aber auch schon beim Sammeln, Früchte mit Vogelkot wird man zum Beispiel gar nicht erst mitnehmen.

 

Kochen, erstes Sieb

Passiermühle im Einsatz. Feste kurbeln.

Es folgt der erste Kochvorgang. Die Hagebutten werden knapp mit Wasser bedeckt. Dann Wasser in einen anderen Topf abschütten, aufkochen, Hagebutten in sprudelnde Wasser hineingeben und mittels grosser Hitzezufuhr im Kochtopf schnell wieder aufkochen. Nicht lange kochen lassen, sonst verlieren sie Aroma und Vitamine. Wir kochen sie auch nicht durch, sondern wollen nur das aussenliegende Fruchtfleisch weich machen. Schliesslich sind sie weich, aber nicht matschig. Noch heiss kommen sie portionsweise in eine Passiermühle, auch "Flotte Lotte" genannt. Die Lochscheibe sollte eher klein sein, so dass die Kerne nicht mehr durchpassen. Durchpassieren, übrig bleibt Trester, Kerne und andere unbauchbare grössere Teilchen. Heisse Früchte passieren sich leichter durch wie abgekühlte. Alternativ kann man auch einen Passiervorsatz vor einer Küchenmaschine oder einem Fleischwolf verwenden. Allerdings klappt das selten so richtig gut, die Ausbeute ist schwächer und die anschliessende Reinigung des Geräts ist eine Qual. Oft quetscht es die Kerne erst gar nicht, dann zu leicht aus der Mühle. Vielleicht gibt es auch geniale Geräte, die das gut schaffen, kennengelernt habe ich noch keines. 

Tester der ersten Passage - hauptsächlich die Kerne

Kerne können auf den Kompost, da sie erhitzt wurden besteht keine Gefahr mehr, mit dem Kompost im Garten überall aufgehende Wildrosen zu erzeugen.

In der Schüssel liegt jetzt Hägenmark mit vielen sehr feinen aber unerwünschten Resten, hauptsächlich Härchen und Teile vom Blütenboden.

Versuch mit Passiervorsatz
Einmal durchpassiert, noch mit Härchen und Grobteilen


Zweite Filterung

Restlicher Trester der zweiten Filterung

Nun stellen wir aus dem Grobmus ein Feinmus her. Dazu wird zunächst der Wassergehalt eingestellt. Das Mus soll gerade so fest bleiben, dass es nicht zerläuft. Aber es soll sich auch durch das Feinsieb (dem Nylon-Pressbeutel) pressen lassen. Dazu mischen wir vorsichtig Wasser oder Orangen- oder Apfelsaft unter und rühren es ins Mus ein. Dann kommt der Nylon-Filterbeutel zum Einsatz, der schon in vielen Artikeln auftauchte, zum Beispiel zur Saftbereitung. Mus rein und quetschen, walken - mit der Hand. Ergebnis: Nochmal Trester innen mit Härchen und kleineren unerwünschten Resten und das geschätzte Feinmus aussen, abtropfend. Das ist der reine Stoff!


Zubereiten, Abfüllen

Hägenmark aufkochen, abfüllen, fertig

Der Rest ein Kinderspiel.  Gelierzucker (Vorschlag: 2:1) zugeben, kurz aufkochen, abfüllen, etikettieren. Das Mus klebt allerdings gut, man sollte während des Kochvorgangs permanent rühren. Es spritzt aber nicht sehr, Pflaumenmus oder gar Polenta ist da viel schlimmer. Heiss direkt aus dem Topf in Gläschen mit Drehdeckel randvoll abfüllen, sofort zuschrauben, abkühlen lassen - fertig. Dunkel und kühl gelagert hält sich das ein Jahr sehr gut und drei Jahre gut.

Wer im Herbst schon genug zu tun hat, kann auch die ganze Ernte eingefroren lassen und später erst einkochen, so habe ich das dieses Jahr auch gemacht, deshalb jetzt zum Jahreswechsel ein Hägenmark-Beitrag. Das funktioniert sehr gut, aber das Aroma lässt auch bei eingefrorenen Früchten mit der Zeit nach. Also nicht zu lange in der Gefriertruhe lassen.

Und wer sich nun wundert, warum so ein Produkt auch billig im Laden zu kaufen ist: 99% des verkauften Hägenmarks stammt aus dem Ausland, Hauptanbauländer beim kommerziellen Anbau sind Bulgarien, Rumänien, Türkei. Importiert wird der Rohstoff mit mässiger Qualität, abgefüllt wird in Deutschland. Die wenigen übrigen Flächen mit kommerziell angebauten Hagebutten befinden sich mehrheitlich auf der schwäbischen Alb. Die Produkte daraus haben dann aber auch ihren Preis, werden vor allem direkt vermarktet. 10-15 EUR pro Kilo fertiger Hagebuttenmarmelade sind üblich, Zuckergehalt satte 40%. Das können wir fruchtiger und besser.

Hägenmark, fertig abgefüllt


Pollen, Stempel, Blüte einer Wildrose


Noch einmal Wildrosenblüten