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Sonntag, 3. April 2022

Die Minikirschen vom Ministrauch: Prunus tomentosa

Filzkirsche, prunus tomentosa - Früchte, halbiert, Stein

Weniger bekanntes Beeren- und Wildobst ist eine echte Entdeckungsreise für Nutzgärtner, einiges davon sehr lohnend. Da gibt es Schätze zu heben wie Maibeeren, Ölweiden, spezielle ribes-Arten wie Goldjohannisbeere oder höherwachsende stachelbeerartige Ribes-Hybriden, Apfelbeeren, Fruchtsorten von Rosen wegen der Hagebutten und viel mehr - alles willkommen!

 

Die Filzkirsche

Blühbeginn der Filzkirsche

Eine ebenfalls wenig bekannte Sorte ist Prunus Tomentosa geblieben. Diese optische Minikirsche hat viele Namen: Nanking-Kirsche, Koreakirsche, Filzkirsche, japanische Mandelkische und noch ein paar mehr. Mini ist die rote Frucht und Mini ist die Pflanze - im Vergleich zu europäischen Kirschenbäumen, prunus avium. Sie stammt aus Ostasien, wächst dort eher in trockenen und windigen Gegenden, das Holz ist sehr frostfest, sie kommt mit vielen Bodenarten klar und wurde dort schon sehr lange in kleinem Massstab als Obst und Zierpflanze geschätzt. Genetisch liegt sie näher an Pflaumen wie an Kirschen. Noch ähnlicher ist sie möglicherweise den amerikanischen Sandkirschen Prunus pumila, die in vier Varietäten in ganz Nordamerika vorkommen. Beide Arten besetzen ähnliche Habitate, bleiben kleinwüchsig, die Früchte wirken ähnlich und sie lassen sich miteinander kreuzen. Angeblich sind die in Europa verbreiteten Fruchtsorten der Filzkirsche in Wirklichkeit Hybriden: Filzkirschen mit Anteilen eingekreuzter Sandkirschen. Nachprüfen kann das der Nutzgärtner nicht. Am meisten Züchtungsaktivität, Kreuzungsversuche und Sorten gibt es in Russland und der Ukraine, fast alle Fruchtsorten kommen von dort. Daneben existieren noch wenige kanadische Kreuzungen und Spezialitäten direkt aus der Mongolei und China, zum Beispiel eine weissfrüchtige Sorte, in Europa unter einem neuen Fantasienamen auf den Markt gekommen. Sehr schade ist, dass generell kaum Sorten nach Deutschland gelangen. Die grösserfrüchtigen, wohlschmeckenden russischen und ukrainischen Züchtungen sind nicht oder kaum zu bekommen. Angeblich sind die Sträucher kurzlebig: 10 bis 15 Jahre Höchstalter sollen normal sein.

Sand- und Filzkirschen wurden auch für die Kreuzung schwachwachsender Prunus-Unterlagen verwendet. Die Sandkirsche ist zudem Elternteil für eine Aprikosen-Sandkirschenhybride mit Namen Aprikyra. Eine interessante Pflanze, die ich auch habe und ebenfalls eine Beschreibung verdient. Einige weitere interessante Kreuzungen mit Beteiligung der kleinen Sand- und Filzkirschen sind noch zu erwarten.

Gesammelte Früchte und Blatt Filzkirsche

 

Aussehen und Früchte

Holz der Filzkirsche
Kerne der Filzkirsche

Filzkirsche heisst sie, weil der junge Austrieb filzig aussieht. Finde ich zwar nicht so eindeutig, aber nun ist der Name vergeben. Die Pflanzen sehen aus wie wenig verzweigte Sträucher, die oft unter 1m Höhe bleiben, bei guten Bedingungen maximal jedoch 2,5m erreichen, nicht ausladend oder dicht werden. Sie bleiben immer licht, sind also nicht als optisch begrenzende Heckenpflanze geeignet. Die Blätter sind klein, mit Rippen, kleinen Hainbuchenblättern leicht ähnlich. Austrieb und Blütezeit sind eher früh, bis zu zwei Wochen vor den grossen Kirschbäumen. Dann erscheint ein sehr reicher Blütenschmuck, so dicht und schön dass sie in Europa erst als Zierpflanze statt als Beerenobst gesehen wurde. Die Blüten sind weiss, einige Sorten reichen ins Rosa. Aus ihnen entwickeln sich kleine grüne Früchtchen, die je nach Sorte ab Ende Juni bis in den August hinein reif werden. Sie werden dann glänzend rot (bis auf eine weisse Sorte), bleiben immer unter 2cm Durchmesser, enthalten einen Stein, sein Anteil ist hoch, noch höher wie der prozentuale Steinanteil einer Sauerkirsche. Das Fruchtfleisch ist saftig, gallertartig, es liegt mehr auf der weichen Seite. Der Zuckergehalt erreicht maximal 12%, sie bleiben damit weniger gehaltvoll wie viele Kirschsorten. Der Geschmackstyp ist der einer süsseren Sauerkirsche, angenehm, die Aromabildung ist jedoch nicht stark, es gibt auch keine eindeutigen, identifizierenden Komponenten. Bleibt die Frucht lange am Strauch hängen, hat sie noch weniger Aroma. Sie fault nicht, wird nur stetig weicher und dunkler, bevor sie schliesslich abfällt oder mumifiziert. Das Erntefenster ist recht lange, bis zu mehreren Wochen, ein Vorteil. Gegen Ende sind sie schüttelfähig.

Blühende, Jungfrüchte, Fruchtmumien des letzten Jahres


Die Anbauerfahrungen

Fruchtbehang

Vor einigen Jahren bekam ich meine ersten Pflanzen, Fruchtsorten und Sämlinge. Wie bei vielen weniger bekannten Beerenobstsorten, die noch nahe an den Wildformen liegen konnte ich keinen echten Unterschied zwischen Fruchtsorte und Sämling erkennen. Vielleicht hat auch nur der Verkäufer betrogen oder war selber ahnungslos, was bei solchen wenig bekannten Obstarten eher die Regel wie die Ausnahme ist. Immerhin unterschied sich die Fruchtfarbe leicht und die Blütezeit. Unter Sortennamen gehandelt werden "Efimka", "Red Ninja", Leucocarpa (weiss, identisch mit "Snövit", eigentlich eine mandschurische Sorte), "Orient", "Amur". Die Pflanzen wuchsen gut an, gingen dann sehr langsam, an einem Standort schneller in die Höhe. Fruchtsorten holte ich mir vor allem deshalb, um genetisch unterschiedliche Pflanzen zu haben, denn Filzkirschen benötigen einen Befruchter, sie sind nicht selbstfruchtbar. Europäische Kirschen sind nicht oder schlecht als Befruchter brauchbar. Befruchtertauglich sind auch verschiedene amerikanische Prunus-Arten wie die Feuerkirsche, die in Deutschland aber kaum vorhanden sind. Also besser auf unterschiedliche Filzkirschen setzen und mindestens zwei verschiedene Filzkirschen nebeneinander pflanzen.

Blüten Prunus Tomentosa

Blüten erscheinen im zweiten Jahr zerstreut, ab dem dritten Jahr stärker. Damit kommen auch die einzeln an 1cm kurzen Stielen hängenden Früchte. Die höchsten Erträge hatten frei und luftig wachsende Sämlinge ohne Schatten und ohne Nebenpflanzen. Der Gesamtertrag erreichte pro Pflanze vielleicht zwei Kilo, die Ästchen waren dmit bereits sehr gut behangen. Mehr wird nur bei besseren Fruchtgrössen zu erreichen sein. Die obengenannten russischen Sorten sollen zum Beispiel einiges mehr schaffen. Pflücken ist mühsam. Die Früchte muss man für die Verarbeitung durch eine flotte Lotte (Passiermühle) drehen, um die Steine loszuwerden, von Hand entsteinen ist aufwendig. Verwendet habe ich sie hauptsächlich frisch, direkt vom Strauch. Man pflückt sich eine Handvoll der kleinen Beerenfrüchte, zerdrückt sie im Mund, spuckt die Steine dabei aus. Für Marmelade oder Saft ist der Pflückaufwand etwas hoch, das Ergebnis nicht unbedingt besser als Sauerkirschprodukte und aromatischer schon gar nicht. Die Vorteile sind: Naschobst in Kniehöhe mit wenig Platzbedarf und herrliche Blütenpracht.

Der Hauptnachteil: Zweigmonilia

Zweigmonilia an der Filzkirsche

Der beschriebene Hauptnachteil des Moniliabefalls hat sich auch bei mir gezeigt. Die Art ist leider stark anfällig auf Zweigmonilia. Das bekam sie jedes Jahr, egal ob teilverschattet, windoffen, Trockenheit zur Blütezeit, vollsonnig. War irgendwie unvermeidlich. Besonders junge Äste sterben dann einfach ab, die Blätter vertrocknen. Andererseits war das nie so fatal, dass die ganze Pflanze starb oder so tiefgreifend wie bei einigen Sauerkirschsorten, die ohne Behandlung nicht mehr anbaufähig sind. Gummifluss war auch nicht zu sehen. Ich habe zunächst die befallenen Äste herausgenommen. An grösseren Pflanzen habe ich die Pilzkrankheit schliesslich ignoriert. Versuche mit Fungiziden nicht gemacht, wahrscheinlich muss man da so wie in Sauerkirschplantagen vorgehen und recht früh behandeln. Verjüngungsschnitte bleiben wegen des Moniliabefalls ebenfalls überflüssig. Wenn Äste sowieso absterben, ist schon genug "zurückgeschnitten".

Fazit

Früchte am Zweig

Die Filzkirsche, Prunus Tomentosa ist ein anbauwürdiges Wildobst, aber noch nicht besonders nutzbar. Am besten steht sie frei und luftig mit mehreren anderen befruchtungsfähigen Filzkirschen. Plazieren würde ich sie eher im Vorgarten wie neben den Johannisbeeren im Nutzgarten. In Fruchtqualität und Verwendungsmöglichkeiten liegt sie auf Wildobstniveau, was sich aber mit der Weiterzüchtung von Fruchtsorten ändern könnte. Die zwei Haupt-Knackpunkte sind ihre Moniliaanfälligkeit und die bescheidene Fruchtgrösse, eine Aromabombe ist sie auch nicht - aber angenehm im Mund und schön am Strauch.

Dienstag, 1. März 2022

Scharlachdorn, das leckere Wildobst

Angebissenes Früchtchen

Jetzt ist Pflanzzeit für ein nahezu unbekanntes, aber wertvolles Wildobst. Er sieht auch jetzt im Winter eindrucksvoll aus und meine erste Begegnung mit ihm vor ein paar Jahren löste eine intensive Suche nach der genauen Art aus. Begegnet bin ich ihm in der Hecken- und Gehölzzone am städtischen Hallenbad, wo viele interessante Pflanzen gewachsen sind. In den 1970er Jahren gab es hier in Möckmühl einen Gartenbauer in städtischem Auftrag oder jemand des städtischen Bauhofs, der richtig was drauf hatte. Bepflanzungen aus dieser Zeit stechen richtiggehend heraus. Es wurden viele insektenfreundliche Blühgehölzarten gepflanzt, sehr standortangepasst, robuste Arten, fast immer auch fruchttragend, Wildobst für Vögel, pflegeleicht. Oft einfallsreich und mit Liebe zur Vielfalt, nicht nur die gerade modischen Standartarten der damaligen Zeit. Irgendwann in den 1990er Jahren gab es dann offenbar einen Verantwortlichenwechsel und was ab dann gepflanzt wurde, wurde sichtlich wertlos, lieblos, langweilig. Seit einigen Jahren fand dann ein totaler Zusammenbruch statt. Den alten Blühpflanzenbeständen begegnet das heutige Personal regelrecht hasserfüllt, es wird seither rücksichtslos ausgeholzt, abgesägt und durch absolute Katastrophen ersetzt, wenn man gezwungen ist etwas Neues zu pflanzen. Wildbirnen - Kettensäge, stattdessen Zwergkastanien. Blühhecken - abgesägt, stattdessen Hainbuche. Weissdorne - Kettensäge, stattdessen schmale Sumpfeichen. Kornelkirsche - abgegraben, stattdessen gar nichts. Es ist kaum mehr etwas übrig aus der befähigten Gartenbauergeneration.

Früchte in Vollreife, teilweise schon abgefallen 29.8.

Bis vor einigen Jahren war auch um das städtische Hallenbad herum noch viel dieser tollen ursprünglichen Bepflanzung vorhanden. Darunter auch mehrere auffallende weissdornartige Gewächse, etwa 3-3,5m hoch und mit eindrucksvollen langen Dornen. Da habe ich sie kennengelernt. Im Spätsommer hatten sie rote Früchte, die ich probiert habe und davon sehr überrascht war. In Deutschland wachsende Weissdornarten sind normalerweise nur für Vögel interessant, die Früchte sind zwar geniessbar, aber als Wildobst für den Menschen wenig attraktiv. Sie sind mehlig und haben kaum Aroma. Aber der hier war richtig gut, hat sich deutlich und positiv von anderen Weissdornen abgehoben.

Früchte gesammelt 29.8.
  • Fast schon saftige Früchte jedenfalls viel weniger trocken wie die anderer Weissdorne
  • Für einen Weissdorn Früchte mit guter Grösse, etwa 1,5cm Durchmesser im Schnitt. Weich, innen Kerne, die man mitessen konnte oder ausspucken, leichter trennbar als bei anderen Weissdornen.
  • Das Beste war der Geschmack, das Aroma: Im Gegensatz zu den bekannten Weissdornen war dieser kräftig, mit deutlichen Aromakomponenten (in der Reihenfolge) nach Hagebutte, Orange, Apfel, süss mit angenehmer Säure und keinen unrunden Gerbstoffnoten. Farbe des Fruchtfleischs: Gelborange, oft kräftig gefärbt.

Aber was war es? Von weitem wirkte die Pflanze wie ein Zierapfel. Weissdornarten der Gattung Crataegus gibt es wie Sand am Meer, dazu noch Hybriden, Kreuzungen, ich war mir nicht mal sicher ob es überhaupt ein Baum dieser Familie ist. Schliesslich der Treffer: Es handelte sich um "Scharlachdorn" (Crataegus pedicellata oder Crataegus coccinea oder Crataegus intricata), eine Weissdornart aus Nordostamerika.

Scharlachdorn - der Baum

Habitus des Baums im Winter

Die Art wächst manchmal etwas sparrig und wird nur ein paar Meter hoch. Er ist schnittverträglich, man kann ihn auch als Hecke mit 1-2m Höhe ziehen. Optisch wirkt er wegen der Dornen gefährlich, ist aber nicht so eng und undurchdringlich wie dieser Eindruck nahelegt. Wie die meisten amerikanischen Laubholzarten bekommt er eine schöne Herbst-Blattfärbung. Er blüht sehr reichlich und schön mit typischen Rosacea-Blüten (für Bienen sehr attraktiv, Nektar und Pollen) ab Mitte April, die Früchte sind ab Ende August, September reif.

Fruchtsorten und Auslesen auf Fruchtqualität scheint es nicht zu geben, gefunden ich ich keine. Leider, denn er wäre es wert. Als Wildobst ist er nicht bekannter wie andere Weissdornarten. Optisch ähnliche Früchte haben auch der Arnold-Weißdorn (Crataegus arnoldian), der Punktierte Weissdorn (Crataegus punctata) und der Pennsylvanische Weissdorn (Crataegus pennsylvanica. Von diesen ebenfalls amerikanischen Arten gibt es auch Auslesen, Zbigniew, Ljudmyl, Shamil, benannt in der Ukraine.

Blüten Scharlachdorn, eben aufgegangen am 15. April


Eigener Anbau

Eindrucksvolle Dornen

Lange lebten sie nicht mehr, die Scharlachdorne. Bis auf eine letzte, traurig verkümmerte Pflanze hat die Stadt sie wie üblich alle einfach abgesägt oder die Blühheckenreste mit ihnen abgebaggert, teils zugebaut oder zubetoniert - die übliche Ignoranz, Ablehnung, Inkompetenz, Bebauungsdruck, an dessen Ende immer dauerhaft tote Flächen stehen.

Für mich war Scharlachdorn so interessant, dass ich die Art in die Hecke am Rand der Obstwiese gepflanzt habe. Dort zeigte sich zunächst recht langsames Wachstum, das sich dann plötzlich beschleunigte. Ohne die "Pflege" der Gemeinde wuchs er schön, mit einem leicht geschwungenen Haupttrieb, durchaus ein ansehnliches kleines Bäumchen. Hitze, Winterfrost und Trockenheit überstand er von Anfang an. Er fing bald an zu fruchten, wobei die Früchte zunächst etwas kleiner bleiben, bei älteren Pflanzen werden sie grösser. Da zwar baldiger Fruchtbehang, aber kein anderer Scharlachdorn in der Nähe war, ist er offensichtlich selbstfruchtbar oder heimischer Weissdorn befruchtet ihn, letzteres unwahrscheinlich aber möglich. Und Vorsicht, trotz der Dornen werden weiche Jungtriebe vom Wild gefressen, Jungpflanzen müssen also geschützt werden. Die Früchte sind wie alle kleinen roten Früchte für Vögel attraktiv. Krankheiten gleich welcher Art waren nicht sichtbar. Weissdorne sind meistens gesunde, unempfindliche Pflanzen, aber feuerbrandanfällig, was ich am Scharlachdorn aber nicht beobachtet habe. Kalkboden ist von Vorteil.

Knospe am 21.12. mit schönem, lackartigem Schutzharz überzogen
Reife Früchte, schwach doldenartig

Die Früchte sind wie gesagt überraschend lecker, am Besten frisch gegessen und die Kerne bei Bedarf ausgespuckt. Die Reife findet folgernd statt, vollreife Früchte fallen von selbst vom Baum  und können dann noch gut verwertet werden. Man kann auch schütteln oder direkt pflücken. Die Verarbeitung ist einfach, da die Früchte weich sind. Für das Fruchtmus dreht man sie zerquetscht durch eine Passiermühle und für Saft (zur Geleebereitung) lässt man die Maische mit etwas Pektinase stehen, wie in früheren Beiträgen https://gartenzone.blogspot.com/2021/12/der-saftladen.html beschrieben. Optisch sehen ältere Bäume Dank der leuchtenden Früchte reich behangen aus, aber die "Erntetonnage" ist nicht so riesig. Besser also gleich zwei Bäume setzen, wenn man es auf die Verwertung der Früchte abgesehen hat.

Seine begrenzte Grösse und anderen Vorteile machen ihn auch für Haus- und Vorgarten geeignet. Scharlachdorn - einer der wertvollsten Weissdorne.

Austrieb, aufbrechende Knospen am 19.2.

Jungbaum nach ein paar Jahren im Winter

Blätter und unreife Früchte Scharlachdorn 30.5.

Dienstag, 28. Dezember 2021

Hagebutten: Hägenmark mit Qualität herstellen

Zeichnung frischer Hagebutten am Strauch
Hagebutten kennt jeder, das sind die roten Früchtchen aller Rosen. Wer sie will, muss sie nicht einmal im Garten haben, in jeder Feldhecke wachsen auch Hundsrosen und Ackerrosen (Rosa arvensis). Besonders viele Hagebutten haben Apfelrosen, Filzrosen, Kriechrosen und Weinrosen sowie mit später Reife die bereits genannte Hundsrose. Ergiebig sind auch nicht einheimische Rosen wie die Kartoffelrose, die sich hier an sandigen Orten von selbst verbreiten und die besonders dicke Hagebutten hat.

Entsprechend gerne wurde zu allen Zeiten immer auch versucht, die verhältnismässig leicht zu beschaffenden Hagebutten zu verwerten. Tee daraus ist bis heute äusserst beliebt und auch das eingekochte rote Hägenmark, Hagebuttenmark. Nur: Wie stellt man das eigentlich selber her? Hagebutten enthalten harte Kerne mit vielen unangenehm kratzenden Härchen, die sich kaum vom roten Mark trennen lassen. Hinweise und Verfahren, wie das zu bewerkstelligen ist gibt es viele, leider ist kaum etwas davon praktikabel weil es im Haushalt zu mühsam ist oder zu schlechte Qualität dabei herauskommt.

Hagebutten im Frühherbst in einer Feldhecke

So wie viele Wildobstfreunde habe ich damit ebenfalls herumexperimentiert. Und bin auf ein Verfahren verfallen, das sich wirklich gut im Haushalt durchführen lässt. Sicherlich haben das auch andere Leute schon früher herausbekommen und variiert, aber durchgesetzt hat sich das leider nie. Stattdessen werden weiter alte und stark nachteilige Methoden abgeschrieben und empfohlen. Darunter gibt es zwei beliebte Techniken: 

  1. Die Hagebutten werden einzeln aufgeschnitten und entkernt. Das ist eine extrem mühsame und unergiebige Arbeit, für die man einen Stall williger Kinder und Knechte braucht, wenn etwas zusammenkommen soll. Die roten Schalen mit dem Fruchtfleisch können dann gekocht und zu Marmelade verbreitet werden, Trotzdem bleiben oft unangenehme Härchen drin, Haut, Stücke vom Blütenboden. Von der Aroma- und Vitaminausbeute her aber ist das wenigstens eine gute Methode, denn es wird nur einmal erhitzt.
  2. Die Hagebutten werden gekocht und die weichen Früchte dann durch ein Sieb gestrichen. Je nach Siebgrösse bleiben ebenfalls Härchen drin oder es ist bei feinen Sieben sehr mühsam, die Masse hindurchzubekommen, ausserdem ist die Ausbeute schlecht. Mit dem Ergebnis wird dann Marmelade gekocht.


Mit wenig Aufwand geht es nicht. Aber einfacher als mit den klassischen Methoden und und qualitativ gut geht es. Der Kern des Tricks ist ganz einfach: Die Herstellung passiert zweistufig und zwar mit unterschiedlichen Küchengeräten. Erst wird aus den Hagebutten ein grobes Mark mit einer normalen Haushalts-Passiermühle hergestellt, das noch die Härchen, manchmal kleinere Kerne und dunkle Teile des vertrockneten Blütenbodens enthält. Das wird leicht mit Wasser oder Orangensaft verdünnt, um es flüssiger zu machen und dann durch einen Nylonhandpressbeutel gedrückt. Der ist sehr fein, feiner wie jedes Sieb, hält die Härchen perfekt zurück und es entsteht ein qualitativ hochwertiges, auf der Zunge weiches und hocharomatisches Hagebuttenmark.

Den Vorgang noch einmal mit allen nötigen Details geschildert:

 

Sammeln oder anbauen

Vor der Butte kommt die Blüte, eine Wildrose

Am Anfang stehen die Hagebutten, sammeln und ernten wir sie. Glücklich ist, wer in einer Gegend mit Feldhecken wohnt. Dort sind immer auch Hundsrosen vorhanden, ein Sammelbegriff, es gibt mehrere Arten und Formen, dazu noch viele Hybriden. Aber auch alle Hagebutten anderer Rosenarten sind brauchbar, vorausgesetzt man kann sie im richtigen Reifezustand sammeln. Verwertbar sind sie, wenn sie vollrot geworden sind, aber gerade noch nicht weich. Bei wilden Rosen kann das ab Mitte September bis in den November hinein der Fall sein. Weich gewordene Hagebutten lassen sich zwar sogar leicht roh "auszuzeln", befinden sich aber bereits im Abbau der Aromen und Vitaminen.

Typisches Feldheckenhabitat

Die wilden Hundsrosen ergeben ein sehr gut schmeckendes Hägenmark. Wer selbst Wildrosen im Garten hat, pflanzen will und gut brauchbare Hagebutten ernten, sollte heimische Arten wie Rosa dumalis (Vogesenrose) nehmen, die gute Erträge haben, leicht zu pflücken sind, dunkelrote Hagebutten für eine schöne Farbe. Weniger geeignet sind Heckenrosen (rosa corymbifera), sie bleiben mehr orange, Weinrosen (rosa rubiginosa) haben oft zusätzlich Borsten an den Hagebutten. Apfelrosen (rosa villose) sind auch gut, sie haben schon im Sommer Hagebutten guter Grösse. Die rotblättrige Rose (rosa glauca) hat nicht grosse, aber dafür extrem viele Hagebutten, die zudem leicht zu ernten sind weil sie in Büscheln stehen. Zimtosen (rosa majalis) haben den höchsten Vitamin - C Gehalt. Schliesslich Essigrosen (rosa gallica), sie bleiben niedriger und von ihnen gibt es auch Sorten mit schönen Blüten für den Garten. Die Strauchrose "Pillnitzer Vitaminrose Pi-Ro 3" habe ich auch, sie hat kaum Dornen, aber weder Ertrag noch Qualität begeistern mich. Sie wächst in einer Wildhecke und wurde oft abgefressen, eben gerade weil sie keine Dornen hat. Gut für die Ernte, aber nicht gut fürs Wachstum.

Am ergiebigsten ist jedoch die Kartoffelrose (rosa rugosa), sie wird auch von den Hägenmark-Herstellern verwendet, im Aroma bleibt sie jedoch leicht schwächer wie die Hundsrosen. Ihre Hagebutten sind sehr dick, die Pflückleistung ist ausgesprochen hoch. Diese Art kommt aus Ostasien, wird als Zierpflanze verwendet und ist leider in vielen Gegenden zu einem invasiven Neophyten geworden. Sie steht auch auf Verkehrsinseln, in Hecken, vielen Privatgärten, kommt mit armen Sandböden zurecht. Von ihr existieren Auslesen, die findige Händler als "Riesenhagebutte" verkaufen. Wichtiger als die Grösse der Hagebutten sind aber die Flächenerträge. 

Hagebutten frisch gepflückt
Gesammelt, gewaschen


Lagern und Vorbereiten

Hagebutten tiefgefroren

Aus 2kg Hagebutten kann man rund 1kg verwertbares Mus herstellen. Die genaue Zahl kann je nach Rosenart, konsequenter Verarbeitung und Wasserzugabe stark variieren. Diese Menge reicht auch in der Regel für einen Jahresbedarf einer kleineren Familie, wenn man noch andere Aufstriche und Marmeladen herstellt. Sammelt man in mehreren Tranchen, zum Beispiel weil ein Sammelort nicht viel gebracht hat, dann sollte man die bereits gesammelten Hagebutten eingetütet in den Tiefkühlschrank werfen, damit man später mit einer weiteren Sammlung an anderem Platz auf vernünftige Mengen kommt. Oder wenn man unterschiedliche Arten sammelt und die Reifezeiten differieren.

Die weitere Verbereitung besteht nur aus reinigen, gründlich waschen und ggf. etwas abreiben. Verunreinigungen bemerkt man aber auch schon beim Sammeln, Früchte mit Vogelkot wird man zum Beispiel gar nicht erst mitnehmen.

 

Kochen, erstes Sieb

Passiermühle im Einsatz. Feste kurbeln.

Es folgt der erste Kochvorgang. Die Hagebutten werden knapp mit Wasser bedeckt. Dann Wasser in einen anderen Topf abschütten, aufkochen, Hagebutten in sprudelnde Wasser hineingeben und mittels grosser Hitzezufuhr im Kochtopf schnell wieder aufkochen. Nicht lange kochen lassen, sonst verlieren sie Aroma und Vitamine. Wir kochen sie auch nicht durch, sondern wollen nur das aussenliegende Fruchtfleisch weich machen. Schliesslich sind sie weich, aber nicht matschig. Noch heiss kommen sie portionsweise in eine Passiermühle, auch "Flotte Lotte" genannt. Die Lochscheibe sollte eher klein sein, so dass die Kerne nicht mehr durchpassen. Durchpassieren, übrig bleibt Trester, Kerne und andere unbauchbare grössere Teilchen. Heisse Früchte passieren sich leichter durch wie abgekühlte. Alternativ kann man auch einen Passiervorsatz vor einer Küchenmaschine oder einem Fleischwolf verwenden. Allerdings klappt das selten so richtig gut, die Ausbeute ist schwächer und die anschliessende Reinigung des Geräts ist eine Qual. Oft quetscht es die Kerne erst gar nicht, dann zu leicht aus der Mühle. Vielleicht gibt es auch geniale Geräte, die das gut schaffen, kennengelernt habe ich noch keines. 

Tester der ersten Passage - hauptsächlich die Kerne

Kerne können auf den Kompost, da sie erhitzt wurden besteht keine Gefahr mehr, mit dem Kompost im Garten überall aufgehende Wildrosen zu erzeugen.

In der Schüssel liegt jetzt Hägenmark mit vielen sehr feinen aber unerwünschten Resten, hauptsächlich Härchen und Teile vom Blütenboden.

Versuch mit Passiervorsatz
Einmal durchpassiert, noch mit Härchen und Grobteilen


Zweite Filterung

Restlicher Trester der zweiten Filterung

Nun stellen wir aus dem Grobmus ein Feinmus her. Dazu wird zunächst der Wassergehalt eingestellt. Das Mus soll gerade so fest bleiben, dass es nicht zerläuft. Aber es soll sich auch durch das Feinsieb (dem Nylon-Pressbeutel) pressen lassen. Dazu mischen wir vorsichtig Wasser oder Orangen- oder Apfelsaft unter und rühren es ins Mus ein. Dann kommt der Nylon-Filterbeutel zum Einsatz, der schon in vielen Artikeln auftauchte, zum Beispiel zur Saftbereitung. Mus rein und quetschen, walken - mit der Hand. Ergebnis: Nochmal Trester innen mit Härchen und kleineren unerwünschten Resten und das geschätzte Feinmus aussen, abtropfend. Das ist der reine Stoff!


Zubereiten, Abfüllen

Hägenmark aufkochen, abfüllen, fertig

Der Rest ein Kinderspiel.  Gelierzucker (Vorschlag: 2:1) zugeben, kurz aufkochen, abfüllen, etikettieren. Das Mus klebt allerdings gut, man sollte während des Kochvorgangs permanent rühren. Es spritzt aber nicht sehr, Pflaumenmus oder gar Polenta ist da viel schlimmer. Heiss direkt aus dem Topf in Gläschen mit Drehdeckel randvoll abfüllen, sofort zuschrauben, abkühlen lassen - fertig. Dunkel und kühl gelagert hält sich das ein Jahr sehr gut und drei Jahre gut.

Wer im Herbst schon genug zu tun hat, kann auch die ganze Ernte eingefroren lassen und später erst einkochen, so habe ich das dieses Jahr auch gemacht, deshalb jetzt zum Jahreswechsel ein Hägenmark-Beitrag. Das funktioniert sehr gut, aber das Aroma lässt auch bei eingefrorenen Früchten mit der Zeit nach. Also nicht zu lange in der Gefriertruhe lassen.

Und wer sich nun wundert, warum so ein Produkt auch billig im Laden zu kaufen ist: 99% des verkauften Hägenmarks stammt aus dem Ausland, Hauptanbauländer beim kommerziellen Anbau sind Bulgarien, Rumänien, Türkei. Importiert wird der Rohstoff mit mässiger Qualität, abgefüllt wird in Deutschland. Die wenigen übrigen Flächen mit kommerziell angebauten Hagebutten befinden sich mehrheitlich auf der schwäbischen Alb. Die Produkte daraus haben dann aber auch ihren Preis, werden vor allem direkt vermarktet. 10-15 EUR pro Kilo fertiger Hagebuttenmarmelade sind üblich, Zuckergehalt satte 40%. Das können wir fruchtiger und besser.

Hägenmark, fertig abgefüllt


Pollen, Stempel, Blüte einer Wildrose


Noch einmal Wildrosenblüten

Montag, 15. Juni 2020

Vielblütige Ölweide, Elaeagnus multiflora

Reife Früchte der vielblütigen Ölweide, Elaeagnus Multiflora
Ölweiden sind pflegeleichte Wildobstgehölz, zwei Beiträge zur Schirm-Ölweide kamen bereits hier (Teil 1, Pflanze im Garten) und hier (Teil 2, Früchte und Verarbeitung).

Nicht nur die Schirm-Ölweide ist interessant für den Garten, die Vielblütige Ölweide hat weitere und eigene Qualitäten. Elaeagnus multiflora ist ihr botanischer Name. Sie heisst auch Essbare Ölweide, Edel-Ölweide, Reichblütige Ölweide; englisch Cherry Elaeagnus, Gumi; französisch Goumi.

Auch sie habe ich in mehren Sorten seit ein paar Jahren im Garten und auf einem mit Wildobst bepflanzen Hang am Rande der Obstwiese. Die Ölweide schlägt sich da ausnehmend gut. Das Hang ist ein Extremstandort auf Kalkschutt, trockenheiss, mager, überwuchert von allerlei wildwachsenden Gehölzen.

Aussehen, Wuchs


Bedornung der Vielblütigen Ölweide
Die vielblütige Ölweide wächst als ein niedriges, strauchartiges Gehölz. Auf meinen schwierigen Standorten wird sie keine 2m hoch. Sie wächst gerader als die Schirm-Ölweide und wirkt weniger dicht. Sämlinge haben vor allem im Jungstadium Dornen, Sorten aber nur wenig. Die Dornen haben aber keine Haken, der Strauch bekommt damit keine Sperrwirkung wie beispielsweise eine Berberitze, es ist mehr ein Fraßschuss gegen Tiere.

Iher Blätter sind klein, fest, denen der Schirm-Ölweide recht ähnlich. Sie blüht im April bis Mai mit unscheinbaren weisslichen Blüten. Die Blüte ist wesentlich weniger reichhaltig wie bei der Schirm-Ölweide, dass sie trotzdem den Namen "Vielblütige" bekommen hat haben wir dem Schweden Thunberg zu verdanken, der sich auch mit einigen anderen Einbenennungen kräftig blamiert hat, zum Beispiel bei der Loquat: https://gartenzone.blogspot.com/2019/11/mispeln-mespilus-germanicus-letzte.html. Die Blüten sind für Insekten interessant und nektarhaltig, je nach Tageszeit duften sie auch schwach. Sie werden gerne von Hummeln und Bienen besucht.

Blüten der Vielblütigen Ölweide
Aus den Blüten entwickeln sich Früchte, die sehr schnell und dann etwas folgernd reifen. Die Früchte sind leuchtend rot, etwa 15mm lang. In gut ausgereiftem Zustand schmecken sie angenehm süßsauer. Innen liegt ein weicher Kern, der nicht sehr stört. Ihr Aroma ähnelt der Schirm-Ölweide, ist etwas schwächer, dafür sind die Früchte grösser und schneller süss. Dieses Jahr gab es bereits in der ersten Juniwoche reife Früchte, die Reifezeit kann aber in anderen Jahren und weniger warmem Klima auch im Juli liegen.

 

Vorteile der Vielblütigen Ölweide


Etwas folgernde Reife der Früchte
Alle Vorteile der Schirm-Ölweide gelten auch für die Vielblütige Ölweide. Die Pflanzen sind unglaublich zäh, kommen mit Trockenheit, Kalkboden, wenig Humus, Nährstoffarmut, Hitze, Fröste (auch zur Blütezeit!), Winterhärte (bis -29°C) Schnitt, Konkurrenzpflanzen erstaunlich gut zurecht. So gut, dass man fast fürchtet, diese beiden nordostasiatischen Arten könnten invasiv werden. In Nordamerika ist e. umbellata tatsächlich ausgebüxt und vermehrt sich, allerdings ist sie nur auf Ruderalflächen konkurrenzfähig.

Darüber hinaus könnte man als Vorteil im Gegensatz zur Schirm-Ölweide werten:
  • Die deutlich grösseren Früchte lassen sich viel leichter pflücken, die Pflückleistung ist dadurch viel höher. Die meisten Leute würden wohl optisch die Früchte der Vielblütigen Ölweide denen der Schirm-Ölweide vorziehen.
  • Mit ihrem geraderen und niedrigeren Wuchs ist sie die bessere Gartenpflanze, während sich die Schirm-Ölweide auch für eine Wildobsthecke gut eignet.
  • Die Frücht sind viel früher reif, bereits im Spätfrühling. Sie liegt damit gleichauf wie Kirschen und späte Erdbeeren.
  • Sorten sind selbstfruchtbar.

 

Sorten


Blätter
Mittlerweile sind auch einige Sorten zu haben. Schon länger bekannt sind Sweet Scarlet, Red Cherry und Red Gem. Alle haben etwas grössere Früchte wie die Sämlinge, Sweet Scarlet hat auch dunklere Früchte. Bekannt ist auch Dr. Szczepan. Zwei davon habe ich auch. Der Unterscheid zu meinen Sämlingen ist sichtbar, aber nicht riesig. Ausserdem soll es in Korea noch einige Sorten geben mit deutlich grösseren Früchten. In Asien ist das Interesse an den Früchten der Ölweide höher als in Europa oder den USA.
Im Wuchs haben die Sorten wie schon erwähnt weniger Dornen und sind teilweise selbstfruchtbar. Eine gute Befruchtung erreicht man aber nur mit unterschiedlichen Pflanzen. Am Besten, man pflanzt immer einen Sämling mit.

Probleme


Wie die anderen Ölweiden ist die Vielblütige Ölweide ein zäher, anspruchsloser Geselle. Sie kennt keine Krankheiten und wenig Probleme. Wenn sie etwas braucht, dann viel Licht, als Unterpflanzung oder für Halbschatten ist sie nicht geeignet. Magerer und trockener Boden stört sie nicht, sie kann sich mit Hilfe von Bakterien, mit denen sie in Symbiose lebt Luftstickstoff erschliessen. Natürlich sind die roten Beeren auch für Vögel attraktiv, Vogelfrass kommt vor, aber da die Pflanze niedrig ist, kann sie leichter mit einem Netz geschützt werden.

Ein früheres Problem wird langsam besser, je mehr ihr Bekanntheitsgrad steigt. Früher wurden die Ölweidenarten von den Baumschulen und allerlei zwielichtigen Importeuren und Verkäufern wild durcheinandergewirbelt, dem Kunden hat man immer den Namen geliefert, den er gerade haben wollte, aber die Art stimmte selten. So wurden lange Schirm-Ölweiden als Vielblütige Ölweiden verkauft. Das ist besser geworden und mittlerweile gibt es die ersten Baumschulen, die auch Sorten innerhalb der Arten anbieten - hoffen wir, dass sie stimmen und einen Fortschritt bringen.

Sonntag, 11. November 2018

Schlehen, Schätze aus der Wildnis

Nutzgärtner ernten nicht nur aus dem eigenen Garten. Wer sich für Obst und Gemüse aus dem Garten interessiert, wird auch an Wildobst Interesse haben. Damit sieht es in Deutschland zwar nicht so reichlich aus, Mitteleuropa ist Dank der letzten Eiszeiten relativ artenarm und seit der Neuzeit ist das Land sehr stark vernutzt. Es ist ausgeräumt und verbaut. Mittlerweile wachsen die meisten Arten in Strassenrandhecken. Einige Wildobstarten leiden zudem schwer unter importierten Katastrophenschädlingen wie der Kirschessigfliege, Brombeeren, Holunder und Wildkirschen zum Beispiel. Aber es gibt ein paar Schätze, die mit Hilfe von zeitgemässen Verarbeitungsmethoden durchaus gute Leckereien ergeben können.

Die Schlehe


Reife Schlehen am Strauch
Einen dieser Schätze habe ich vor kurzem wieder einmal geerntet, was wie bei jeder Wildobstart Zeit benötigt. Im Eimer sehen sie aus wie kleine blaue Weinbeeren: Die Schlehe, Prunus spinosa, Schwarzdorn. Jeder kennt sie, sie ist häufig und eine wirklich einheimische Art. Schon im Frühling erkennt man sie von Weitem, ihr Blütenbesatz ist so reich dass die Sträucher reinweiss erscheinen. Insekten lieben die nektarliefernden Blüten ebenfalls. Dieses Jahr haben viele Sträucher Massenbehang. Die Beeren sind wegen der Trockenheit aber klein, die Pflückleistung liegt bei dichtem Beerenbesatz bei bis zu 2kg pro Stunde. Beisst man hinein, fragt man sich, wie man so eine gerbstoffhaltige, herbe Beere mit grossem Kern überhaupt nutzen kann. Zerquetscht man sie, erhält man eine schmierige Maische, die sich nicht abpressen lässt. Was soll man daraus schon machen?

Verarbeitung der Schlehen früher


Blütenpracht von Schlehensträuchern
Überkommene Hausrezepte raten zu übergiessen der Früchte mit heissem Wasser, dann ziehen lassen, abgiessen, das Ganze mehrfach wiederholen. Oder entsaften mit dem Dampfentsafter. Das wird auch vieltausendfach im Internet so verbreitet. Beides ergibt aber unbefriedigende Ergebnisse ohne gute Qualität. Das Ergebnis ist toterhitzt, wasserverdünnt, geschmacklich mässig, ausser man mischt noch Zucker hinein und verdünnt noch weiter.

Herrlicher Schlehensaft 


Reiche Ernte in Sicht
Wir gehen völlig anders vor, um einen exklusiven reinen Presssaft ohne Zusätze zu bekommen. In guten Jahren erreicht dieser Saft ohne weitere Zuckerung locker über 100° OE, dieses Jahr wieder 105° OE (21,6 Brix), 110° sind mein Rekord. Vergoren würde das um die 15% Alkohol ergeben. Schlehen sind für ein Wildobst nämlich aussergewöhnlich zuckerreich und kennt man die Tricks, um den Gerbstoffgehalt etwas zu senken, erreicht der Saft ohne Übertreibung die Qualitäten guter Rotweine. Wie Wein zeichnet er sich dadurch aus, dass er kein alleinbestimmendes Geschmackselement enthält, sondern aus einem Strauss verschiedener Aromen zusammengesetzt ist, die gut miteinander harmonieren und die Zunge auf Entdeckungsreise schickt. Die stärkste dieser Komponenten ist nicht wie erwartet ein Zwetschgenaroma, sondern Kirsche und Mandel. Daneben stehen Brombeere, Zwetschge, Lakritze, Kakao, Zimt.

Nur: Mit den Methoden der Vergangenheit bekommt man das nicht. Mit einer Presse kann man die pektinreichen Früchte auch nicht entsaften. Und wenn, ist der Saft sehr gerbstoffhaltig. Es heisst oft, nach dem ersten Frost würden die Gerbstoffe verschwinden. Das stimmt nur zum Teil. Der Frost baut keine Gerbstoffe ab, Tannine sind froststabil. Aber beim Auftauen platzen Zellen, die Früchte saften unter der Fruchthaut. Dadurch können sich Anthocyane aus der Fruchthaut und Tannine aus dem Fruchtfleisch verbinden und polymerisieren sich zu langkettigen Molekülen, die nicht mehr adstringierend schmecken. Der Vorgang findet erst nach dem Auftauen statt. Der Gerbstoffgehalt wird dann in der Tat schwächer, ist aber meist immer noch unangenehm stark. Direktsaft aus Schlehen nach Frost kommt immer noch auf bis zu 5g / Liter Gerbstoffgehalt, kräftige gerbstoffhaltige Rotweine haben maximal 2,5g / Liter. Der Bereich zwischen 1g und 1,5g wäre optimal.

Der Gerbstoffabbau findet auch bei Überreife statt, aber die wird in Mitteleuropa selten erreicht. In warmen Jahren ohne frühe Fröste kann es aber im Herbst durchaus sein, dann man angetrocknete Früchte vom Strauch essen kann, die kaum mehr Gerbstoffe haben. Darauf ist aber kein Verlass. Wir sind da in einer Zwickmühle: Späte Ernte sorgt für weniger Gerbstoffe aber auch weniger Saft, weil die Früchte mit der Zeit antrocknen. Oder wir bekommen gar keine mehr, weil Vögel abgeräumt haben.

Wie wirds denn nun gemacht?


Schlehen frisch aus der Tiefkühltruhe
Hier das System, das ich mit der Zeit entwickelt habe: Schlehen frühestens Ende Oktober pflücken, gegebenenfalls waschen und trocknen, dann in Plastiktüten füllen. Die kommen für zwei Tagen in die Tiefkühltruhe. Wieder rausholen, im geschlossenen Eimer auf Zimmertemperatur auftauen und warm werden lassen. Geschlossener Eimer deshalb, damit uns nicht das Kondenswasser alles verwässert, das sich sofort an den eisigen Früchten niederschlägt. Danach sind sie weich und leicht mit der Hand zerdrückbar geworden. Um diese Konsistenz zu bekommen werden sie eingefroren und nicht bloss wegen einer erhofften weiteren Gerbstoffreduktion. Schliesslich wird eine Prise Pektinase drübergestäubt und sofort eingemaischt. Das mache ich mit der Hand, aber es gibt sicher noch effizientere Methoden. Die Beeren werden einfach mit beiden Händen komplett zerquetscht, die Kerne bleiben in der Maische. Ein paar Stunden stehen lassen, abpressen, fertig ist der noch ziemlich gerbstoffhaltige Saft. Wie in der Weinbereitung ebenfalls üblich werden nun die Gerbstoffe reduziert, Mittel der Wahl ist Flüssiggelatine. Absetzen lassen, abziehen, probieren.
Maischeherstellung von Hand

Pektinase


Sieht wild aus, wird aber lecker. Schlehenmaische, verflüssigt.
Was ist Pektinase? Um pektinhaltige Maischen wie die aus Zwetschgen, Johannisbeeren oder hier Schlehen zu verflüssigen, verwendet man seit geraumer Zeit das Enzym Pektinase. Es ist in der Lage, Pektine zu spalten. Besonders in der Obstwasserherstellung werden Maischen damit versetzt. Ein bekannter Handelsname einer Pektinase ist "Antigel", das im Zubehörhandel für Hobbywinzer zu haben ist. Andere Pektinasevariationen laufen unter dem Handelsnamen Shiazym oder Pectinex. Pektine fungieren auch als die Kittsubstanz der Zellen, die dem pflanzlichen Gewebe die Festigkeit geben. Sie bestehen aus Vielfachzucker, überwiegend aus verknüpften Polygalakturonsäuren. Je nach Veresterungsgrad unterscheidet man zwischen hoch- und niederverestertem Pektin. Geliermittelprodukte für Marmelade enthalten normalerweise hochveresterte Pektine.

Durch die enzymatische Spaltung der Pektine durch die Enzyme in der Maische entsteht daraus Methanol in kleinen Mengen, das später beim offen sterilisieren (aufkochen) schon ab 65°C verdampft. Würde man Schlehenschnaps destillieren, müsste man allerdings fachkundig und konsequent arbeiten, damit Methanol vollständig abgetrennt wird. Für Brennversuche mit einer illegalen Amateurdestille im Hobbykeller eignen sich pektinasebehandelte Schlehen nicht.

Pudrig-pulvrige Pektinase
Bei Zimmertemperatur (je wärmer, desto schneller) dauert es nach intensivem Mischen der Pektinase mit der Maische nur wenige Stunden und die klebrige Maische gibt den Saft schnell frei. Das kann man auch sehen, er bildet kleine violettrote Seen an der Oberfläche. Auch die Aroma-, Säure- und Zuckerfreisetzung aus den Zellen ist besser.

Wer "Antigel" nimmt, sollte ruhig mehr dosieren wie auf der Packung vorgeschlagen. Die Gerbstoffe der Schlehen (Polyphenole) hemmen die Wirkung der Pektinase, das muss man ausgleichen. Überdosierung schadet nicht.

Abpressen


Abpressen mit dem Nylon-Handpressbeutel
Pektinasebehandelte Maische lässt sich viel leichter und besser auspressen. Bei Schlehen läuft das immer noch etwas zäh. Ich nehme dafür einen Handpressbeutel aus Nylon, ebenfalls ein Produkt aus dem Hobbywinzerhandel. War man eifrig und hat grössere Mengen gesammelt, gehen auch andere Pressmethoden wie Hydropresse oder Spindelpressen.

Die trocken gewordene Maische kann man ebenfalls noch einmal verwerten. Damit kann man noch einen Aufguss in der Art herstellen, wie es von all den Schlehensaftrezepten vorgeschlagen wird: Mit heissem Wasser übergiessen, stehen lassen, abgiessen. Hochwertigen Saft gibt das nicht mehr, aber gut zu trinken ist er noch nach der unten beschriebenen Gerbstoffreduktion.

Ausgepresste Maische

Gerbstoff reduzieren, Rohsaft erhalten


Bodensatz mit Gelatine/Gerbstoffe
In besonderen Jahren und bei später Ernte ist der rohe Presssaft bereits hinreichend harmonisch, weil er nicht mehr zu viele Gerbstoffe enthält. Man kann ihn direkt trinken, sterilisieren oder zu Gelee verarbeiten. Roh fängt er sofort zu gären an, also sofort verwenden. Meistens ist der Gerbstoffgehalt aber noch viel zu hoch. Um ihn zu reduzieren kennt man aus der Weinbereitung viele Möglichkeiten. Altbekannt und klassisch ist die Gelatineschönung. Mit Flüssiggelatine funktioniert das am Besten, auch sie kann man im Hobbywinzerhande leicht besorgen.

Bei Zimmertemperatur wird etwas Flüssigelatine eingerührt. Die Dosierung muss vom Gerbstoffgehalt abhängen. Hobbywinzerrezepte helfen hier nicht, Schlehensaft benötigt viel höhere Dosierungen. Diesmal musste ich bei mittlerem Gerbstoffgehalt pro Liter Saft etwa 2 Centiliter (ein Schnapsglas voll) zugeben. Sofort flocken Gelatine und Gerbstoffe aus. Hat man zu viel zugegeben, wird der Saft milchig, ganz ohne Gerbstoffe schmeckt er auch weniger gut. Also vorsichtig vorgehen, zugeben, rühren, einen Löffel probieren, eventuell noch einmal etwas zugeben. Was ausflockt, setzt sich in ein paar Stunden unten ab. Man zieht den Saft oben ab (z.B. über einen Schlauch), lässt den Bodensatz zurück. War der Gerbstoffgehalt hoch, gibt es viel Bodensatz, die Ausbeute ist dann leider gering. Fertig.

Flüssige Gelatine und Pektinase
Zwischen Gelatine und Gerbstoffen findet keine chemische Reaktion statt. Nur die Moleküle beider Stoffe ziehen sich gegenseitig an, lagern sich aneinander an, werden dadurch schwerer und sinken zu Boden ab. Andere professionelle Mittel zur Gerbstoffreduktion sind Eiweiss, Kasein, Silikat, Protein aus Erbsen, Chitosan - beim Wein gut erprobt, bei Schlehen bleibt noch viel auszuprobieren. Möglicherweise sind einige dieser Stoffe günstiger, um Bodensatz von Saft zu trennen, haltbarer, haben andere Vorteile.

Wir haben immer noch Rohsaft vor uns - nie erhitzt, direkt aus der Frucht. Jetzt kann man ihn heisssteril abfüllen (aufkochen) oder Gelee daraus machen. Eventuell ist noch eine leichte Zitronensäurezugabe nötig, damit es gut geliert. Man kann auch Fruchtleder daraus machen, Fruchtwein, ihn wegen seiner Farbe und Aroma irgendwo zumischen, Punsch...

Abgefüllt. Sehr kräftige schwarzrote Farbe, nichts scheint durch.

Käufliche Produkte


Zu kaufen gibt es ebenfalls eine Menge aus Schlehen, um populärer zu werden sind sie aber viel zu teuer. Es gibt Gin mit Schlehen, Trockenbeeren, Liköre, Schlehenwasser das zur Spitze der Obstwässer gehören kann, Marmelade zu Kilopreisen um die 30 EUR, Schlehenwein, Schlehenessig und Balsamessig, Pulver, einen Schlehenelixier mit viel Zucker und 35% Fruchtanteil zum Literpreis von über 40 EUR sowie Saft - in kleiner Flasche zum Preis eines sehr hochwertigen Weins.

Wer die Tricks heutiger Verarbeitungsmethoden kennt, kann das Wildobst selbst nutzen und damit eigene exlusive und qualitativ hochwertige Ergebnisse bekommen. 



Ernte

Die Farbe...