Dienstag, 7. Mai 2019

Indianerbanane Pawpaw Teil 4: Befruchtungsfragen

Pawpawblüten in drei Stadien
In den letzten drei Beiträgen zur Asiminia Triloba, der "Indianerbanane" Pawpaw ging es um viele Aspekte hinsichtlich ihres Anbaus im eigenen Nutzgarten. Einen bisher noch nicht ausführlich angesprochenen Punkt daraus möchte ich nun vertiefen: Die Befruchtung der Blüten, damit überhaupt Früchte entstehen können. Dazu werden oft Fragen gestellt, weil man weder Bienen noch Hummeln an den Blüten sieht und trotz grosser Blütenzahl die Pflanzen fast alle abgeblühten Blüten sang- und klanglos abwerfen, anstatt Früchte zu bilden. Stimmte etwas mit der Befruchtung nicht?

Aufbau der Blüte


Junge Blüte, Pollenstände noch geschlossen (gelb)
Narbe (grün) bereits klebrig, wartet auf Pollen
Alle Pawpawblüten haben einen männlichen Teil, der die Pollen liefert und einen weiblichen Teil, auf dem Pollen keimen können und aus dem sich dann der Fruchtcluster entwickelt. Der weibliche Teil kann bereits Pollen aufnehmen, während der männliche Teil noch keine Pollen liefert. So wird verhindert, dass die Pollen innerhalb der Blüte von den Pollenständen auf die Narbe stauben. Selbstbefruchtung ist bei der grossen Mehrheit aller Pflanzenarten unerwünscht, nur der Pflanzensex zwischen verschiedenen Sorten einer Art kann neue Genkombinationen bringen. Die Entwicklung einer sexuellen Fortpflanzung mit zwei Geschlechtern hat die Evolution bei Pflanze und Tier stark beschleunigt und die Anpassungsfähigkeit an veränderte Umweltbedingungen enorm erhöht. Um Selbstbefruchtung zu verhindern, können deshalb häufig auch keine Pollen der eigenen Pflanze auf der Narbe keimen. Sie kann sich nicht selbst befruchten, es müssen genetische Unterschiede vorhanden sein. Auch die Pawpaw gilt als selbstunfruchtbar.

Befruchtung hat geklappt
Das ist aber nur teilweise richtig. Total selbstunfruchtbar sind sie nicht. Aber die Befruchtung zwischen den Blüten einer Pflanze gelingt schlecht, so dass nur wenige Früchte entstehen. Bei zwei Sorten klappt das aber deutlich besser, sie gelten deshalb als selbstfruchtbar: Die Sorten "Prima 1216" und "Sunflower". Es existiert also kein Schalter, der von selbstunfruchtbar auf selbstfruchtbar schaltet, sondern die Sorten sind mal weniger, mal mehr für Selbstbefruchtung geeignet. Auch Prima 1216 trägt besser, wenn eine blühende zweite Sorte vorhanden ist.

Optimalerweise muss man deshalb die Monokultur aus vielen Pflanzen einer Sorte vermeiden, sondern mehrere Pawpawsorten nebeneinander setzen, Sorten in der Pflanzung mischen.

Befruchtung misslungen
Fruchtknoten klein und weitgehend braun
Gelingt die Befruchtung, verdickt sich der Fruchtknoten und fängt zu wachsen an. Bei jungen Bäumen fallen sie dann in der Regel trotzdem bald ab. Erst ab einem Baumalter von einigen Jahren (sieben Jahre und mehr sind keine Seltenheit) sind die Bäume in der Lage, die Früchte zu ernähren und zur Reife zu bringen. Aber auch bei abfallenden Fruchtknoten kann man erkennen, ob die Befruchtung nicht geklappt hat oder ob der Baum noch zu jung war.

 

Wer befruchtet die Blüten? 



Blütenknospe am aufbrechen
Jetzt gerade Anfang Mai haben alle meine Bäume die Vollblüte beendet, in der sie zwei Wochen lang standen. Das ist relativ früh, eine Blüte ganz im Mai wäre auch normal gewesen. Eben hat sich entscheiden, ob es dieses Jahr mit der Befruchtung der Blüten geklappt hat. Den Pollentransport von Blüte zu Blüte übernehmen Insekten. Oft wird gesagt, die aus Nordamerika stammenden Pawpaws würden dort von Befruchterinsekten beflogen, die es in Europa gar nicht gibt und deshalb müssen man für eine anständige Ernte bei der Befruchtung mit dem Pinsel nachhelfen. Das ist falsch. Es gibt zwar unterschiedliche Insektenarten in Europa und Amerika, aber gerade unter den Pawapawbefruchtern existiert eine Vielzahl ähnlicher Arten mit ähnlichen Verhaltensweisen in
Blüten mit offenen Pollenständen (schwarz)
Blütenblätter fallen bereits ab, Fruchtknoten vergrössert
derselben ökologischen Nische, die auch in Europa als Befruchter taugen. Kurz gesagt, die Schmeissfliegen Europas sind gar nicht viel anders wie ihre amerikanischen Kumpels. Einige Arten sind sowieso weltweit verbreitet, zum Beispiel die Goldfliege (Lucilia sericata). Die Blüten der Pawpaws liefern keinen Nektar, aber die Blütenblätter sind dunkelrot wie gammelndes Fleisch und duften leicht nach Aas. Deshalb kommen keine nektarsuchenden Hummeln und Bienen, aber die Pawpaw lockt mit dem Duft Schmeissfliegen an, Fruchtfliegenarten, Käfer, Pollenräuber. Diese Locktaktik nutzen auch andere Pflanzen, während Bienenpflanzen auf Nektarproduktion setzen, um nektarsuchende Bestäuber für ihre sexuellen Dienstleistungen einzuspannen.

Problem: In einem aufgeräumten Garten wimmelt es nicht gerade von Aasfliegen. Das ist die Stunde des Pinselbefruchters. Mit einem Wasserfarbenpinsel geht man zu den Blüten mit offenen Pollenständen, holt sich Blütenstaub von Blüten eines Baum und streicht ihn auf die Narben in den Blüten des anderen Baums. Allerdings ist das mühsam. Es geht nur bei Blüten, die in Reichweite sind und man läuft Gefahr, die nicht sehr fest hängenden kleinen Blüten abzureissen.

Den Fliegen den Job schmackhaft machen


Goldfliege, Lucilia sericata im Hühnergehege
Schmeissfliege, aussen auf Pawpawblüte sitzend.
Die Fliegen werden vom Duft angezogen.
Lassen wir besser die Fliegen die Arbeit machen. Dazu kann man nachhelfen. Letztes Jahr habe ich es mit frischem Pferdemist versucht, den ich zur Düngung auf die Baumscheiben legte. Aber Pferdemist lockt wenig Aasfliegen an, er ist attraktiv für andere Insekten, vor allem Käfer, aber keine Kot- und Aasfliegen. Eine andere Mistart schafft das jedoch sehr gut und die Lieferantentiere haben wir sogar im Garten, leider am anderen Ende und mit ihnen die zugehörigen Schmeissfliegen: Hühnermist. Die Insekten darauf sind keine Freude. Fliegen wie die blaue Schmeissfliege oder Goldfliegen sind zwar oft schön anzusehen, aber es ist sehr bäh, wenn sie direkt vom Hühnermist auf die Terrasse fliegen und sich dort auf den Kuchen setzen. Nutzen wir die lästigen Fliegenviecher besser für die Pawpaw. Und so habe ich eine Ladung Hühnermist mit Einstreu neben die Bäume geworfen. Siehe da: Es klappte tatsächlich und ich konnte es sogar fotografisch dokumentieren. Immer wieder sitzen verschiedene Fliegenarten auch auf die Blüten. Wenn man das beobachtet, versteht man auch wie die Befruchtung damit funktioniert. Die Fliege setzt sich auf die fleischigen, roten Blütenblätter, dort wo sie am meisten nach Aas duften, mal aussen, mal innen. Innen streift ihr borstiger Rücken an dem dicken Knubbel in der Blüte, auf dem die Pollenstände sitzen. Die Fliege bekommt Pollen "ins Fell". Fliegt sie zu einer weiteren Blüte, muss sie dort an der Narbe vorbei und es werden immer wieder Pollen von der vorigen Blüte darauf gelangen. Befruchtung geklappt!

Schmeissfliegen in Pawpawblüten in verschiedenen Blühstadien

Mit diesem Hühnermist ist es mir tatsächlich gelungen, eine Rekordanzahl von befruchteten Blüten zu bekommen. Grund genug, das auch künftig zu probieren. Später sind zwar trotzdem noch viele in befruchtetem Zustand abgefallen, aber das lag an den zu jungen Bäumen, die erst wenige Jahre alt sind. Übriggeblieben sind aber diesmal noch genug. Hoffen wir auf passendes Sommerwetter ohne Sturm, Hagel und Trockenkatastrophen, damit im Herbst eine fette Pawpaw-Ernte zu holen ist.

Befruchtete Pawpawblüte (Sorte Prolific), Blütenblätter beginnen abzufallen, Reste der Pollenstände noch vorhanden


Teil 1: Indianerbanane Pawpaw, der ewige Star von morgen
Teil 2: Indianerbanane Pawpaw: Anbau
Teil 3: Indianerbanane Pawpaw: Früchte und Fruchtqualität
Teil 4: Indianerbanane Pawpaw: Befruchtungsfragen

Dienstag, 23. April 2019

Optimierte Anzucht im Wohnzimmer Teil 2

Jungpflanzen, noch getopft, im Gewächshaus
In Teil 1 der Jungpflanzenanzucht im Wohnzimmer ging es um die nötigen Geräte, die zeitliche Abfolge, geeignetes Substrat, Umweltbedingungen. Angenommen, alles ging soweit gut und wir haben nun eine erste Ladung mit 10-50 Jungpflanzen im Zimmergewächshaus, die dem Torfquelltopf entwachsen sind. Was nun?

Die Pflanztöpfe


Wir pflanzen sie um. In Plastik-Pflanztöpfe von 8 bis12cm Durchmesser.  Zeit wird es dafür, wenn die Wurzeln aus dem Torfquelltopf hinauswachsen wollen. Das ist schon 3-10 Tage nach Keimung der Fall. Danach ist das Zimmergewächshaus wieder frei für die nächste Ladung Anzuchten. Pflanztöpfe sind nicht teuer, aber auch diese Ausgabe lässt sich vermieden und noch dazu die Produktion von Müll. Man bekommt Pflanztöpfe nämlich auch kostenlos. Dafür reicht ein Besuch auf einem Friedhof. Nur zu Besuch, für den endgültigen Umzug hat es hoffentlich noch ein wenig Zeit, unvermeidlich ist er sowieso.

Gebrauchte Plastik-Pflanztöpfe
Viele Leute pflanzen nämlich jedes Frühjahr neue, gekaufte Blumen auf den Gräbern ihrer Angehörigen. Die Töpfe werfen sie in den dafür vorgesehenen Mülleimer im Friedhof. Dort liegen sie dann stapelweise und werden irgendwann von der städtischen Abfallwirtschaft für die Müllverbrennungsanlage abgeholt. Aber vorher kann sie der sparsame Nutzgärtner erretten und damit den Plastikmüllproduktion durch viel längere Nutzung der bereits gebrauchten Töpfe verringern. Besonders viele Töpfe fallen im zeitigen Frühjahr an, just der richtige Zeitpunkt, zu dem auch der Nutzgärtner Töpfe für seine Jungpflanzenanzucht benötigt.

Vom Zeitpunkt der Umpflanzung an benötigen die Pflanzen auch Düngung. Wer es sich einfach machen will, nimmt vorgedüngte Kübelpflanzen- und Balkonkastenerde. Die billigere Universal-Pflanzerde oder Blumenerde geht auch, je nach Zusammensetzung sollte dann Dünger untergemischt werden oder etwas Flüssigdünger zudosiert.

Der Ort


Auberginenjungpflanzen im Gewächshaus
Im Wohnzimmer ist es zu dunkel und es wird schnell zu eng für die vielen Töpfe. Die Pflanzen müssen sich aber noch einige Wochen entwickeln. Auspflanzen kann aber erst nach den letzten Kaltluftnächten. Wohin damit? Wer ein Gewächshaus hat, kann die Töpfe in grössere Pflanzschalen oder Gewächshauswannen stellen und dann ins unbeheizte Gewächshaus bringen, dort weiterpflegen. In Kältephasen kann und muss man sie aber wieder kurzzeitig ins Haus stellen. Das ist auch diesen April passiert, die Nächte vom 11. bis 15. April hatten nur 2°C Lufttemperatur in 2m Höhe und am Boden herrscht sogar Frost. Auch im Gewächshaus ist es dann kaum wärmer. Sind es nur wenige kühle Tage, kann man sich in der Nacht auch eine Gewächshausheizung leisten.Sie läuft dann nur in diesen Nächten und der Energieeinsatz hält sich in Grenzen.

Allerlei Jungpflanzen in Töpfen, noch im Gewächshaus
Frost ist natürlich katastrophal. Aber bereits weniger strenge Nachtkälte verursacht Probleme. Tomaten bremsen ihr Gesamtwachstum stark, wenn sie nachts nur zwischen 0 und 5°C haben. Paprika werden unter 5°C sogar dauerhaft geschädigt. Cucurbitae bleiben ebenfalls stehen und werden sehr viel anfälliger für Wurzelkrankheiten. Da nutzt es auch nichts, wenn tagsüber die Sonne scheint und das Gewächshaus auf 30°C aufheizt. Die Grenze sollte bei 5°C am Boden liegen, wenn die Wettervorhersage also unter 8°C Lufttemperatur nachts vorhersagt wird es am Boden noch kälter und mindestens die Paprika und Auberginen sollten wieder rein.

Ohne Gewächshaus stellt man die Pflanzschalen ins Frühbeet, auf eine sonnige Terrasse in Wandnähe oder lässt sie eben im Zimmer.

Pflanzenlichtlampen?


Im Haus ist es auf dem Fensterbrett hinter unverschatteten Südfenstern hell genug für die Pflänzchen. Hinter bodentiefen Fenstern reicht die Hellzone fast einen Meter weit. Aber das hat nicht jeder und lange Wolkenphasen sorgen auch dort für Lichtmangel. Die Symptome kennt jeder Gärtner: Die Pflanzen vergeilen. Dünne Blätter, helles Grün, starkes Längenwachstum - sie wollen nach oben und suchen das Licht. Besonders schnell passiert das bei den lichthungrigen Tomaten und auch alle Gurkengewächse zeigen schnell Lichtmangelsymptome.

Aufgehängte Pflanzenlichtlampe von oben
In solchen Fällen hilft eine Pflanzenlichtlampe. LED-Lampen sind dafür Standard, der Kauf ist einfach, sie werden massenhaft bei den üblichen Versendern angeboten. Das Problem liegt bei der Qualität und der Leistung. 99% der Ware ist wie in so vielen anderen Produktgruppen nur noch qualitativ billiger chinesischer Müll, der mit platt gelogenen Angaben dem Käufer angedient wird. Am allerschlimmsten sind die Verkäufer bei eBay und Amazon, die mit ihrem Müll zudem jeden seriöseren Anbieter unterbieten und verdrängen. Von aussen sehen die Geräte meist noch ganz gut aus, erlebt habe ich dabei aber schon Ausfälle im ersten Jahr, katastrophal-lebensgefährliche elektrische Konstruktionen, gefälschte Prüfzeichen, herunterbrechende Halter (auf Pflänzchen drauf, die damit kaputt gehen). Gelogen wird grundsätzlich bei Leistung und Lichtstrom, gelogen wird über die Lautstärke eingebauter Ventilatoren, oft sind sie nicht einmal erwähnt. Keine der Lampen mit Ventilator kann im Wohnzimmer betrieben werden, sie sind alle unangenehm laut, egal was versprochen wird. Jeder Cent wird eingespart, so haben diese Lampen meist auch keinen Schalter. Angegeben wird immer eine Wattzahl der LEDs. Verschwiegen wird, dass dies die maximale kurzzeitige theoretische Leistung der LEDs ist. Das ist Schachsinn, man betreibt jede Pflanzenlichtlampe im Langzeitbetrieb und nicht kurze Sekunden, deshalb werden sie in Wirklichkeit nur mit etwa 25% dieser Leistung betrieben, sonst würden sie sofort den Hitzetod sterben. Ein Stromzähler weist das leicht nach. Eine "40 Watt" LED-Pflanzenlichtlampe leistet tatsächlich nur ein Viertel einer LED-Lampe für die Küche, die 40 Watt braucht und auch so beworben wird.

Doch genug der Beschwerden. Sehen wir uns an, was die Lampen mindestens können sollten. Für die Anzucht und Jungpflanzenbeleuchtung sind das folgende Anforderungen:
Leuchte mit LEDs für vier unterschiedliche Wellenlängen
  • Weisses oder blauweisses Licht - Lichttemperatur oberhalb 5000 Kelvin. "Kaltweiss" ist 6500 Kelvin. Lampen mit viel Rotanteilen sind für die Anzucht nicht so gut, aber für Blütenbildung.
  • Eine "4-Band-Lampe". Pflanzen benötigen vor allem Licht mit vier Wellenlängen: Blau mit 440-460nm, Rot mit 630-660nm sowie etwas weniger Licht, das im Ultraviolett- und Infrarotbereich liegt (420nm und 730nm). Die Lampen mit ausgeglichenem Anzuchtpflanzenlicht enthalten in etwa einen Verhältnisanteil von 8x rot, 3x blau, 1x IR und 1x UV - es dürfen auch mehr "blau" sein.
  • Eine Faustregel für die Leistung der LED-Lampe sind echte 50 Watt pro halber Quadratmeter. Hört sich nach nicht viel Fläche an, aber das sind bereits eine Menge Pflanzen, da bringt man 70-80 Pflanztöpfe der 8cm - Standardgrösse unter. Obacht - die Verkäufer erzählen alles möglich über die Leistung. Relevant für diese Leistung ist der Strom, mit dem die LEDs tatsächlich betrieben werden. Wie oben schon erwähnt, verkaufen Versender gerne "300 Watt" Lampen, die tatschlich nur 70 Watt in Licht umsetzen. Der Grund: Siehe oben, die LEDs werden mit weniger Strom betrieben wie für kurze Zeit maximal möglich.
  • Im Wohnzimmer: Kein Ventilator. Lampen, die tatsächlich 50 Watt leisten (gern verkauft als "250 Watt") gibt es noch ohne Ventilator, bei mehr Leistung wird das selten.
Weitere Verkomplizierungen mit Lichtstromangaben kann man sich sparen, ein gutes Wellenlängenspektrum, genügend Leistung und optimale Aufhängung genügen. Aufhängen kann man sie an Vorhangschienen, Fotostativen, Garderobenständern (so mache ich das, ein Billigteil eines bekannten schwedischen Möbelhauses). Beleuchtungsdauer an trüben Tagen ganztägig, also 12 Stunden. Höhe über den Pflanzen so, dass nur die Fläche beleuchtet wird, die die Lampe noch gut ausleuchten kann. Die erwähnten echten 50 Watt-Lampen müssen also so hoch hängen, dass das Licht einen halben Quadratmeter bestrahlt. Das stellt normalerweise kein Problem darf, Pflanzelichtlampen haben alle Reflektoren, die wenig streuen.

Im Gewächshaus ist Zusatzbeleuchtung unnötig. Wenn man es trotzdem tut: Vorsicht, die Lampen müssen dann ausdrücklich für Feuchträume geeignet sein. Die meisten sind das nicht.

Entwicklung bis zum Auspflanzen im Garten


In unserer Gegend kann man ab Ende April ans Auspflanzen denken, Melonen später. Voraussetzung ist eine stabile Großwetterlage ohne kalte Nächte. Schlägt das Wetter im Verlauf des Mais doch noch um, hatten wir die letzten Jahre trotzdem keinen Frost mehr und kaum kalte Nächte. Die Zeiten scheinen bis auf weiteres vorbei zu sein, wo die Eisheiligen als wichtige Auspflanzregel gegolten haben. Auch unerwartete Kälteeinbrüche sind nicht das Ende. Mit Vlies, Folien, Hauben lassen sich kalte Nächte abmildern.

Böen knicken Paprika-Jungpflanze
Den Auspflanzzeitpunkt sollte man nicht von der Pflanzengrösse, sondern vom Wetter abhängig machen. Auch kleine Melonenpflanzen oder Paprikapflänzchen wachsen schnell weiter, Hauptsache sie haben es warm und genug Wasser.

So gefährlich wie Kälte sind auch Starkwindtage. Die Pflanzen sind das nicht gewöhnt, vor allem Cucurbitae knicken leicht. Hausgärten sind da tückisch. Durch die Bebauung wirken sie windarm, aber Böen werden durch die Bebauungslücken kanalisiert und verstärken sich sogar. Gewitter Ende April und Anfang Mai waren früher selten, heute die Regel und sie sind häufig zerstörerisch stark. Nach vielen Verlusten fixiere ich junge Kürbisse/Melonen/Gurken mit Holzstöckchen, das sind Schnittabfälle vom Weinrebenschnitt. Paprika werden von Anfang an an Pflanzstäben festgebunden. Trotzdem brechen sie leicht, wenn sie nicht abgehärtet sind und von starken Windböen angeblasen werden.

Nun kann es losgehen im Freiland. Zur Auspflanzung von Tomaten hier noch einige spezielle Hinweise: https://gartenzone.blogspot.com/2018/03/startschuss-im-frost-fur-die.html

Samstag, 13. April 2019

Optimierte Anzucht im Wohnzimmer Teil 1

Das Wohnzimmerfenster ist wieder mal zugestellt, wie jeden Frühling. Kein Durchkommen und manchmal leuchtet auch noch ein unangenehmes violettes Licht. Keine Frage, es ist wieder Anzuchtzeit bei Nutzgärtners. Einige Erfahrungen gab es schon hier: https://gartenzone.blogspot.com/2018/03/es-geht-los-fruhling-bei-12c.html, das soll nun ergänzt und erweitert werden.

Die Anzucht von brauchbaren Mengen an Pflanzen wärmeliebender Arten im Wohnzimmer ist gut möglich, benötigt aber etwas Organisation und tolerante Mitbewohner. Voraussetzungen für den Erfolg:
  • Heizbares Zimmergewächshaus
  • Gut gelagerte, nicht zu alte Sämereien
  • Sehr heller Platz, ein Südfenster ohne Verschattung
  • Geeignetes Anzuchtsubstrat
  • Fakultativ Pflanzenlichtlampe, um trübe Wetterphasen nach der Keimung auszugleichen
Paprikajungpflanzen, eben gekeimt
Mit zwei schmalen Zimmergewächshäusern, die auf jede bessere Fensterbank passen schafft man problemlos die Anzucht von mindestens 150 Pflanzen. So viele setzen sich wenig Leute in den Garten, ich ebenfalls nicht, aber es ist immer gut, einige interessante Sorten zum Verschenken zu haben und auch eine Reserve, falls etwas schiefgeht. Denn passieren kann noch viel im Verlauf der Anzucht und des Auspflanzens: Geknickte Pflänzchen, unerwartete Spätfröste, Trocken- oder Nassschäden durch Giessfehler... hat man Übermengen, werden die Pflanzen zu Schenk- oder Tauschware.

Der Witz an der eigenen Anzucht sind nicht irgendwelche Kostenersparnisse, sondern die Möglichkeit Jungpflanzen spezieller Sorten zu erhalten. Wer in Gartenmärkten Jungpflanzen kauft, erfährt oft nicht einmal die Sorte. Es ist nur einfachste Standardware, über die man ausser der Pflanze selbst keine Informationen bekommt. Der Jungpflanzenmarkt bei Tomaten weist mittlerweile wenigstens eine gewisse Vielfalt auf, weil Tomaten gerade Mode sind. Man bekommt heute auch mal Habaneros, aber bei Kürbissen, Paprika und vor allem Auberginen sieht es sehr trübe mit der Vielfalt aus. So habe ich dieses Jahr beispielsweise die Auberginensorten "White Egg", "Slim Jim", "Bonica", "Laura", "Halflong White", "Hallasan Jeju" angezogen und noch ein paar Sorten des letzten Jahres. Nichts davon war je in einem Gartenmarkt zu finden.

Warum überhaupt ein Zimmergewächshaus?


Wegen der Wärme, vor allem Nachts. Der beste Keimerfolg findet bei Paprika, Auberginen, Tomaten, Kürbissen bei 25°C statt. Nachts und womöglich durch eine kalte Luftströmung am Fenster  herrscht diese Temperatur aber nicht. Die Keimung verzögert sich, Bodenpilze machen das Saatgut im feuchten Substrat oft schon vorher fertig so dass gar nichts mehr keimt. Schade um die Zeit und die teuren Samen!

Beheizte Zimmergewächshäuser gibt es von ein paar Firmen (Hortosol, Beckmann, Romberg...), meine sind von "Garland" und haben 13 Watt Wärmeleistung.  Nicht viel, reicht aber um die 19° des Zimmers auf 25° C zu bringen. Knapp zwei Wochen Dauerbetrieb kosten rund 4,3kwh, das sind 1,21 EUR Stromkosten. Selbst das lässt sich senken, indem man per Zeitschtuhr nur von 18 - 6:00 Uhr heizt, tagsüber scheint oft die Sonne drauf und auch bei bedecktem Himmel wärmt etwas Infrarotstrahlung durch die Wolken. Der Effekt ist Leuten mit Gewächshaus bekannt, in dem es selbst bei Dauerbewölkung tagsüber deutlich wärmer ist. Nachts aber nicht, die Wärme kommt vom Himmel gestrahlt und nicht durch die Speicherwirkung des Bodens. Alternativ kann man Heizmatten verwenden und ein unbeheiztes Gewächshaus draufstellen, der Wärmeübergang ist aber schlechter, die Passung stimmt selten und man muss zusätzlich nach unten dämmen.

Die grosse Luxusversion eines Zimmergewächshauses nennt sich "Anzuchtkasten" und ist etwas für Leute, die viel Geld investieren wollen und viel Platz haben. Die brauchen auch weit mehr Strom. Allerdings kann man damit auch die Anzucht von Anfang an ins Gewächshaus verlegen, sofern das Stromkabel so weit reicht. Dort ist das Licht immer gut und Dank Thermostat sind die 25° auch bei 0°C nächtlicher Gewächshausluft zu halten.

Zeitplan


Das Zimmergewächshaus ist ab Mitte Februar praktisch dauernd in Betrieb. Schichtweise werden darin die verschiedenen Artengruppen zum keinem gebracht, so sah es dieses Jahr aus:

Anzuchtzeiten im Zimmergewächshaus
Paprika Anfang April
Begonnen hat das Gemüsejahr mit Habanero und Jalapeno-Chilis. Die brauchen am längsten für die Entwicklung und sollten schon Mitte Februar ausgesät werden. Kurz danach folgen die übrigen Paprikasorten und Auberginen. Dieser Arten brauchen etwas Zeit, die Keimung kann sich ein bis zwei Wochen hinziehen. Sollte das Keimergebnis schlecht sein, hat man trotzdem noch genug Zeitreserve, einen weiteren Ansatz zu machen. Die kleinen Pflänzchen werden schliesslich in 8cm-Plastiktöpfe getopft und ebenfalls in einer Schale wegen dem Giesswasser an einen möglichst hellen Ort im Haus gestellt.

Tomatenpflänzchen Anfang April, getopft
Ende März sind die Tomaten dran und andere Pflanzen aus der Solanaceae-Familie, z.B. Physalis, Tomatillos. In dieser Gruppe geht es etwas schneller, oft sieht man schon nach drei Tagen, dass sie gekeimt sind. Die Samen halten einige Jahre gut, das Keimergebnis liegt immer bei >90%. Manchmal wird bei Tomaten auf den Samentütchen zu früherer Anzucht geraten, das hat sich in der Praxis nicht bewährt. Die Pflanzen werden zu hoch, die Wurzeln wachsen im kleinen Topf im Kreis herum, der Start im Garten ist schlecht. Frühe Auspflanzungen bringen trotz Frostfreiheit keinen Zeitgewinn, bereits Nächte mit 5°C bremsen das Wachstum enorm.

Im April folgen alle Cucurbitae. Gartengurken, Gewächshausgurken, Kürbisse aller Art und Melonen. Die Keimung geht ebenfalls schnell in ein paar Tagen und die Wurzeln wachsen sehr schnell in die Länge, man kann sie schon in Töpfe pflanzen wenn das Keimblattpaar ganz entfaltet ist. Wichtig ist es bei Cucurbitae auch, das Anzuchtsubstrat nicht zu sehr zu wässern, keinesfalls darf so viel Wasser drin sein, dass es noch im Zimmergewächshaus stehen bleibt.

Anzuchtsubstrat


Eine Kiste voller 38mm-Torfquelltabs
Nach Versuchen mit anderen Anzuchtsubstraten, Torftöpfe und -schalen bin ich bei Torfquelltöpfen hängengeblieben. Das ist nicht die preiswerteste Methode, aber sehr arbeitssparend und mit zuverlässig gutem Keimergebnis. Ins Zimmergewächshaus einlegen, wässern und quellen lassen, Samen rein. Die gekeimten kleinen Pfänzchen lassen sich mittels Tofquelltopf sich leicht entnehmen und in ein grösseres Töpfchen setzen. Torfquelltabletten sind auch (natürlich ungequollen) kompakt zu lagern und zu verschicken, halten unbegrenzt. Alle paar Jahre wird davon eine Tausenderkiste gekauft, die Mengenstaffel spart auch noch mal was.

Man kann sie in verschiedenen Grössen kaufen. Für normale Anzuchten sind 36-40mm Durchmesser ganz gut, bei Kürbissen nehme ich gerne etwas Grössere, weil die Wurzel praktisch sofort aus dem kleinen Quelltopf herauswächst und ich nicht immer sofort umpflanzen kann.

Die Torfquelltöpfe, in denen die Keimung mal ausnahmsweise schiefgeht, sind leider nicht wiederverwendbar. Es bildet sich dort schnell ein negativ wirkendes Milieu mit Pilzbefall aus. Legt man neue Samen derselben Art hinein, gelingt die Keimung fast nie. Nimmt man andere Arten, um den Torfquelltopf nicht ungenutzt wegzuwerfen, sind die unterschiedlich anfällig. Gute Ergebnisse habe ich zum Beispiel mit Fenchelsamen gemacht, auch Salat gelingt relativ gut. Vorsicht, dort ist die optimale Keimtemperatur viel niedriger wie bei Paprika & Co., also nicht im Haus oder gar im Zimmergewächshaus stehen lassen.

Viele Leute nehmen statt Torfquelltöpfe Torftöpfchen und füllen sie mit Anzuchterde. Das mache ich auch, aber nicht bei Paprika & Co, sondern bei normaler, kühler Anzucht. Im beheizten Zimmergewächshaus möchte ich jedoch nicht gekeimte Töpfchen schnell entfernen können, weil der wertvolle Platz, den der "Keimversager" blockiert gleich wieder gebraucht wird. Die Torfopfplatten müssen dann zerrissen werden und sind nicht mehr fürs Zimmergewächshaus geeignet. Man muss zudem die Erde reinstopfen, viel billiger sind sie im Endeffekt auch nicht.

Dünger hat während der Keimung abwesend zu bleiben. Giessen mit kalkarmem Wasser ohne Flüssigdüngerzusatz. Salzreiche Umgebung verhindert die Keimung sogar. Gedüngt wird erst später.

Jetzt Mitte April ist es wieder mal sehr kalt, Polarluft aus dem Nordosten bläst heran und lässt die Knochen klappern. Ich habe noch nichts ausgepflanzt und alles steht (wieder) im Haus. Die weitere Behandlung der Jungpflanzen, das richtige umpflanzen, ein Trick für kostenlose Pflanztöpfe, die besten Orte für die weitere Anzucht und schliesslich Auspflanzen kommt im Folgebeitrag zur Sprache. Und auch Erfahrungen mit Pflanzenlichtlampen, ob sie sinnvoll sind und wenn, dann welche.

Sonntag, 24. März 2019

Puffbohne, dicke Bohne im Winteranbau - Teil 1

Sie sind selbst bei Nutzgärtnern teilweise in Vergessenheit geraten und es bleibt ein ungelöstes Rätsel, wie es mit diesem Schatz der Vergangenheit so weit kommen konnte. Vielleicht auch wegen der wenig schmeichelhaften Namensgebung? Sie hat viele Namen: Dicke Bohne, Ackerbohne, Puffbohne, Saubohne, Pferdebohne, grosse Bohne. Und eine lange Geschichte: Gegessen wurde sie nachweisbar schon vor 8000 Jahren, später war sie beliebt bis in den hohen Norden, jahrhundertelang durchgehend eine der wichtigsten Hülsenfrüchte, gesund und proteinreich. Sie gehört wie Erbsen zu den Wicken und ist die einzige "Bohne", die aus der alten Welt stammt. Gartenbohnen, Feuerbohnen, Limabohnen sind dagegen ausnahmslos Neuweltarten vom amerikanischen Kontinent. Im Gegensatz zu den Neuweltbohnen ist die Ackerbohne roh nicht giftig. Enthalten sind unter anderem reichlich Vitamin-C, etwa 30% Proteine und essentielle Aminosäuren wie Lysin.
Dichter Bestand von Dicken Bohnen gegen Ende des Blühzeitraums
Es gibt wenig Gartenpflanzen, die so viele nützliche Eigenschaften in sich vereinen wie Puffbohnen.

Vorteile Puffbohnen

Knöllchen an den Wurzeln, in denen Bakterien
leben, die Stickstoffsammler sind.
  • Als Leguminose kann sie ihren Stickstoff selbst sammeln, mäht man rechtzeitig und belässt die Wurzeln im Boden hat das bodenverbessernde Wirkung. Als tiefer Pfahlwurzler benötigt sie auch sonst kaum Düngung, denn sie erschliesst sich benötigte Stoffe gut selbst. Ihr Humusbilanz ist ebenfalls positiv. Sie erhöht die Bodenfruchtbarkeit und Bodengare.
  • Sie blüht schön (es gibt sogar rotblühende Sorten), sie hat guten Zierwert, die Blüten duften wohlriechend.
  • Sie ist eine Bienen- und Insektenweidepflanze mit langer Blühdauer, man kann manchmal sogar Puffbohnenhonig ernten wenn man Ackerbohnenfelder anwandert. Aber nur bei Agrarsorten. Bienen gibt die Schmetterlingsblüte ihren Nektar nämlich nicht leicht her. Besonders Hummeln fliegen Ackerbohnen gerne an, da sie mit dem Öffnungsmechanismus der Blüten gut umgehen können.
  • Sie ist ausserordentlich robust, kann sehr früh im Jahr ausgesät werden und wird ab Ende Juni geerntet. Damit steht das Beet für die nächsten Einsaaten anderer Pflanzen bereit. Ein Beet, zwei bis drei Kulturen.
  • Ihre Kältetoleranz ist ebenfalls ausserordentlich gut, das Laub übersteht -8°C und mehr, in milden Gegenden (so auch bei uns) kann sie schon im Herbst ausgesät werden. Sie keimt noch bis zum Frühwinter und wächst mit den ersten warmen Vorfrühlingstagen wieder weiter. Über den Winter gibt es noch keine Stengelbildung, so dass im Fall drohender Tiefsttemperaturen auch ein Vlies überlegt werden kann. Im Mittelmeerraum wird sie immer über den Winter angebaut und bereits im Frühling geerntet, das Feld dann mit einer anderen Kultur bepflanzt.
  • Sie ist als Zwischenfrucht, Mulchmaterialproduzent, Bodendecker und generell Biomasseproduzent geeignet, dafür gibt es eigene Feldsorten, auch über den deutschen Winter hinweg. Die Biolandwirtschaft nutzt sie dafür gerne und auch als Stickstoff-Fixierer. 
  • Sie wächst auf jedem Boden. Lange war sie auf neuem Marschland (der Rohmarsch) wichtig, denn sie hat auch eine hohe Salztoleranz.
  • Sät man etwas enger, bekommt man dicht geschlossene Bestände, die das Unkraut gut unterdrücken. Ackerbohnen sind zur Unkrautsanierung geeignet.
  • Die jungen Blätter sind ebenfalls essbar.
  • Sie hat das Zeug dazu, auch in Mittel- und sogar Nordeuropa die Produktion von eiweissreichem Tierfutter zu ermöglichen anstatt sich komplett auf Sojabohnenimporte aus abgeholzten Regenwaldflächen zu verlassen. Sojabohnen haben nach Norden hin klimatische Grenzen, die Ackerbohne wächst jedoch noch sehr viel weiter nördlich mit brauchbaren Erträgen. In diesem Bereich findet auch eine intensive Züchtungsarbeit statt mit jährlich neuen Sorten.
  • Der letzte und wichtigste Punkt soll alle kulinarischen Eigenschaften der Bohnenkerne zusammenfassen. Behandelt und verwendet man sie richtig, erhält man erstklassige Spezialitäten, die in der Küche sehr vielseitig verwendbar sind. Die Puffbohne hat nur deshalb einen zweifelhaften Ruf, weil überkommene Verwendungs- und Verarbeitungsmethoden ihren kulinarischen Küchenwert gemindert haben. Früher hat man sie ganz ausreifen lassen und getrocknet, das Ergebnis waren etwas grob schmeckende Sattmacher mit Bohnenkäferzugabe. Das kann man heute weit besser machen. Dazu später mehr.
Der heutige Anbau in Deutschland von Puffbohnen ist mit ca. 300 Hektar gering und immer noch sinkend. Häufiger wird sie in England angebaut, das dortige wintermilde und feuchte Klima erleichtert auch die Herbstaussaat und lässt sie gute Erträge erreichen. Im Mittelmeerraum ist sie nach wie vor noch populärer, bekannte Gerichte wie Falafel oder Ful in Ägypten enthalten als wichtige Zutat Puffbohnen. Dort wird sie generell im Winter angebaut, auch wegen ihres Wasserbedarfs.

Herbstaussaat, Winteranbau


Dicke Bohne Anfang März
Mit Herbstaussaaten habe ich ein paarmal experimentiert. Aber bei den hierzuland oft erhältlichen Standardsorten Hangdown, Witkiem (frühe Weisskeimige), dreifach Weisse oder Osnabrücker Markt ist mir das nie gelungen. In manchen milden Winter könnte es schon klappen, aber man braucht normalerweise spezielle Sorten, die frosthärter sind.
Geklappt es erstmalig mit der Sorte "Priamus", ausgesät in den letzten Oktobertagen. Das ist in manchen Jahren zu spät, für die Keimung werden noch gute Bodentemperaturen benötigt. Sät man sie aber zu früh, werden sie vor den Starkfrösten bereits zu gross, was das Schadensrisiko ebenfalls erhöht. Der beste Zeitpunkt ist also auch ein Lottospiel. Andere Wintersorten, aber mehr für den Acker und weniger für die Küche gedacht sind Arthur, Sultan (Züchtungen aus GB), Diva, Diver, Gladice (Züchter Agri-Obtentions aus Frankreich). Darunter sind gerbstoffhaltige Sorten mit kleinen Bohnenkernen, die weniger Kücheneignung haben. Die robusteste Sorte soll "Husky" sein, Züchter Norddeutsche Pflanzenzucht Hans-Georg Lembke KG. Neu und standfest ist "Augusta". Die Landwirtschaft verwendet gern die absolute Kälterekordhalterin "Hiverna", die aber zu langwüchsig ist und leicht umkippt, jedoch frostfest bis -14°C. Bei all diesen Sorten ist die Bohnenkerne aber nicht das Ziel, es geht um typische landwirtschaftliche Vorteile wie Biomasseproduktion, Stickstofffixierung im Boden, Mulchmaterial etc. Die Vorteile des Winteranbaus im Nutzgarten:
  • Auch als Bodendecker nutzbar - dann eng säen und später auslichten oder Landwirtschaftssorten nehmen. Spätere Laubschäden sind dann egal, man sollte sie bereits Anfang Oktober aussäen.
  • Nutzt die bessere Bodenfeuchtigkeit des Winters - Puffbohnen brauchen viel Wasser. Ein Argument, das in vielen Gegenden Deutschlands immer wichtiger wird.
  • Gelingt besser als in sommertrockenem Klima.
  • Weniger Schädlingsbefall, wenn die Bohnenlaus kommt sind die Pflanzen schon gross und die Bohnen reif.
  • Frühere Ernte, mehr Möglichkeiten für die Fruchtfolge, bessere Flächennutzung. Die immer längeren und intensiveren milden und regnerischen Phasen im mitteleuropäischen Winter verstärken auch dieses Argument.

Das hat sich auch im wesentlichen so im Nutzgarten bei mir bewiesen. Es dauert nach der Saat meisens vier Wochen, bis sich die ersten Blätter durch die Bodenoberfläche schieben, bei optimalem Wetter auch zwei Wochen. Mit vier bis sechs Blättern überwintert die Pflanze optimal. In Warmphasen, spätestens Anfang März sieht man, dass die Pflänzchen wieder zu wachsen beginnen. Weiter geht es wie bei Sommersorten gehabt: Das Höhenwachstum beginnt ab Ende März / Anfang April, Blütenbildung wird sichtbar, die Schoten füllen sich, Erntezeit. Ab Ende Juni geht sie los. Die Sommersorten hängen dabei den Wintersorten zeitlich nur wenig hinterher, trotzdem sind schon kurze gewonnene Zeiträume im Frühsommer entscheidend für die Möglichkeiten der weiteren Fruchtfolge auf dem Beet. Ende Juni machen zehn Tage mehr schon sehr viel aus, in dieser Jahreszeit ist jeder Tag sehr wertvoll.

Anbauerfahrungen


Dicke Bohne Mitte Dezember, oben Vliesreste
Besondere Anbautricks für den Winteranbau gibt es nicht. Ich hab auch mal aus Angst vor zu kalten Nächten ein Vlies auf einige der niedrigen Jungpflanzen aufgelegt. Das Ergebnis war leider sogar negativ. Die höhere Feuchtigkeit unter dem Vlies liess bei einigen Jungpflanzen den Stängel faulen. Frei im Wind wollen sie sein. Der Vliesschutz ist bei sehr kalten Nächten sicher richtig, aber wahrscheinlich wäre es besser gewesen, das Vlies nur kurz aufzuziehen. Die Frage ist, ob man so viel Mühe investieren will. Frostschäden hatte ich mit Priamus bisher sowieso nie, was aber nicht viel heissen will, die letzten Winter waren in der Region alle sehr mild ohne Tiefsttemperaturspitzen.

In Teil 2 geht es um Sommersorten und wichtige Zubereitungsregeln.
Ein weiterer Teil dreht sich um weitere Erfahrungen beim Winteranbau.

Samstag, 9. März 2019

Frühlings- oder Herbstpflanzung? Die letzten Obstbaumpflanzungen.

Dieser Tage haben wir die letzten Obstbaum-Neupflanzungen auf der Obstwiesen erledigt. Der Zeitpunkt war nicht optimal. Eigentlich sollte in unseren Breiten im Herbst gepflanzt werden. Das ging 2018 aber nicht, die Trockenheit war derart brutal und anhaltend dass noch im November der Boden tiefgründig trocken und hart war. Statt in so einen Boden zu pflanzen kann man die Gehölze auch gleich verfeuern. Ziehen wir den Sonderfaktor (hoffentlich) Extremtrockenheit ab, haben Herbstpflanzungen folgende Vorteile:
  • Gute Containerware, nicht überständig
    Das Wurzelwerk wächst auch im Winter und das nicht wenig. Vorbei sind die Zeiten, in denen gefrorener Boden das Wachstum blockierte. Heute sind lange Warmphasen Standard geworden. Der neu gepflanzte Baum bildet bereits in nun milderen Wintern wertvolle Feinwurzeln. Das tut ihm im wichtigen ersten Standjahr besonders gut, die Gefahr dass er eingeht oder Trockenschäden bekommt ist geringer. Giessen sollte man im ersten Jahr allerdings sowieso immer.
  • Baumschulen halten wurzelnackte Ware nur für eine Saison vor. Häufig sind die Wunschorten sehr schnell ausverkauft. Wer im Herbst kauft, hat bessere Auswahl und kann sich die besser gewachsenen Bäume aussuchen. Im Frühling bleibt vielfach nur der Schrott übrig.
  • Im Herbst ist noch Zeit, Alternativen für nicht zu bekommende Sorten zu suchen. Man kann sich beispielsweise auch vornehmen, in der Winterruhe Reiser zu schneiden und selbst zu veredeln. Im Frühling ist das alles durch und nichts geht mehr bis zum nächsten Winter.
  • Im Frühling wird auch gerne schon Containerware statt wurzelnackter Ware ausgeliefert. Gegen gute Containerware ist nichts einzuwenden, aber vor allem Versandbaumschulen verschicken gerne Bäume in zu lange gestandenen, wurzeldurchgewachsenen, kleinen Töpfen, die schon lange gepflanzt gehört hätten. Im Hausgarten kann man mit etwas Mühe daraus noch etwas machen, auf einer Obstwiese gelingt das kaum. Dort herrschen raue Bedingungen, man kann oft nicht gut giessen, die Wurzeln müssen in die Tiefe und Breite statt sich am Stammfuss ineinander zu verschlingen.
Frisch aus der Baumschule, wurzelnackter
Jungbaum, Tüte gegen schnelle Austrocknung
Gepflanzt haben wir vor allem Nachpflanzungen für eingegangene oder lange kümmernde Bäume. Abgänge gab es letztes Jahr wegen Trockenheit, aber auch eigenen Fehlern. Vor einigen Jahren war ich noch nicht so konsequent, Bäume mit wirklich geeigneter Unterlage zu setzen und habe mich zu sehr von idiotischen Baumschulratschlägen beeinflussen lassen. Beispielsweise bei Pfirsichen: Wir haben schlechten, flachgründigen Boden. Auf so einem Boden die St. Julien A Unterlage (eine Haferpflaumenart) zu verwenden ist schlichtweg Schwachsinn. Die Bäume kümmern und vergreisen frühzeitig, viel zu wenig Wachstum, Halbstämme sind damit nicht sinnvoll erziehbar. Trotzdem bietet sie jede Baumschule an. Weil die Massenvermehrer im Osten und Süden Europas sie für Plantagen und kleine Hausgärten produzieren überschwemmt sie den Markt. Pfirsiche für die Obstwiese sollten vorzugsweise auf Bromptonpflaume oder der arteigenen Unterlage Rubira stehen. Sie ist standfest, induziert gutes Wachstum, kommt mit Trockenheit, wenig Pflege und schlechteren Böden besser klar. Damit werden meine Pfirsiche etwas, auf St. Julien A versagen sie durchweg.

Wildwachsende Blausterne auf der Obstwiese
Wer kann, sollte persönlich in der Baumschule kaufen. Auch dieses Jahr wurde ich wie jedes Jahr von Versendern schlichtweg beschissen, mir wurden trotz eindeutiger Bestellung wieder einmal Bäume auf falschen Unterlagen geliefert. Bäume zurückschicken? Nicht einfach.

Fehler, die letztes Jahr zu eingegangenen Bäumen führten waren vergessene Pflanzschnitte in Kombination mit der extremen Trockenheit oder nur die Trockenheit. Giessen auf der Obstwiese hat Grenzen, wenn es von Juni bis November keinen Tropfen regnet und sich die Klimakurve von Casablanca in Marokko durchgängig kühler zeigt wie hier.

Welche Sorten?


Baumscheiben unbedingt freihalten, hier kommt noch
Pferdemist obenauf
Was steht nun neu auf der Wiese? Die Zwetschge Juna, eine der letzten Neuzüchtungen von Zwetschgenpapst Hartmann aus Stuttgart-Hohenheim. Mit seiner Pensionierung wurde dort die Züchtungsarbeit eingestellt, jetzt wird nur noch an einem Ort in Deutschland in bescheidenem Umfang Zwetschgen gezüchtet. "Juna" ist eine sehr frühe Zwetschge, ähnlich vielseitig zu verwenden wie "Kathinka", ebenfalls eine frühreifende Hartmann-Züchtung, die aber oft etwas kleine Früchte bringt und bei mir ziemlich viel Zweigmonilia hat. Ich versuche, einige sehr frühe Zwetschgen zu bekommen, da die guten Spätsorten von der eingewanderten Kirschessigfliegenkatastrophe stark betroffen sind. Sie werden bei Reife vom Schädling abgestochen und faulen am Baum.

Die Kirsche Kordia, Nachpflanzung für eine abgegangene Kordia. Eine moderne Sorte aus Tschechien, die ich früher schon hatte, die Kirschen sind gross und platzfest, Schaufrüchte. Wie alle moderne Sorten eine Knorpelkirsche. Eine alte Sorte wären mir lieber gewesen, aber geeignete Sorten im späten Reifebereich sind sehr schwer zu beschaffen.

Pflanzschnitt Kirsche


Pfirsich auf Pfirsichunterlage
Einen weiteren Pfirsich, den "Royal Gem" vom Grosszüchter Zaiger in Kalifornien, der einen schier endlosen Ausstoss von Sorten auf den Markt wirft. Er hat dunkelrote Haut, wird früh reif und ist robust gegen die Kräuselkrankheit. Wie bei allen Frühsorten ist er nur bedingt steinlösend. Er leidet nicht unter dem übertriebenen Fruchtansatz wie "Red Haven" und damit keine oder weniger Ausdünnarbeit. Und er passt von seiner Reifezeit perfekt zu meinen anderen Sorten. Frische Pfirsiche kann man bei geschickter Sortenplanung von Ende Juni bis Ende September haben, beginnend mit Tastired (Zairisup) und Maicrest bis Valley Sweet.

Pfirsichblütenknospen 8.März
Die grosse "Kasseler Renette", ein Apfel. Nicht aus Kassel, sondern aus dem flandrischen Cassel. Viel Säure, viel Zucker, eine der völlig aus der Mode gekommenen berosteten Renetten. Äusserst gut lagerfähig ist er und soll mit trockenem Boden gut zurechtkommen, was ein sehr wichtiger Punkt für mich ist. Er trägt auch in schwierigen Jahren und ist auch nicht schorfanfällig, wie ich an einem älteren Baum schon feststellen konnte.

Ein Säulenapfel, die neue Sorte Jucunda, gezüchtet in Weinsberg. Mit Säulenäpfeln experimentiere ich schon länger. Wirklich lagerfähige und gute Sorten sind nicht darunter, aber die Wuchsform ergibt herrliche Fruchthecken. Leider ist das Pflanzmaterial teuer. Ein Säulenapfel passt einfach überall hin. Meinen Jucunda bekam ich auf der Unterlage MM111, die ist mittelstark wachsend und gut standfest. Säulenäpfel auf schwachwachsenden Unterlagen sind mehr etwas für die Terrasse, Topfobst.

Aprikosenblütenknospen 8. März
Die Aprikose Harlayne. Aprikosen sind sehr kurzlebig wegen kaum beherrschbarer Krankheiten wie Monilia und Pseudomonas, gemäss einem Versuch hat man die wenigsten Baumausfälle mit der Unterlage "Wavit" und einer Veredelungshöhe von 60cm. Haralyne zeigte sich in deutschen Versuch robust, wenig anfällig gegenüber Monilia. Wir werden sehen. Ein Erfolg ist es schon, wenn Bäume mehrere Jahre durchhalten. Alte Aprikosen findet man in unseren Breiten nur unter Dachüberständen an Hauswänden.

Quitte "Cukurgöbek". Nachdem die einstmals grosse Quittenvielfalt in Deutschland gründlich abgeräumt und zerstört wurde und jahrzehntelang nur eine handvoll Sorten lieferbar war, sucht man mitterweile im Ausland nach neuen Sortenerlebnissen. Was sich davon bewährt, muss sich aber erst zeigen. Quitten sind ein bisschen in Mode gekommen. Ich werde bald noch weitere Sorten selbst auf sorteneigene Unterlagen veredeln. Interessant sind für mich gute Saftsorten, Quittensaft und Druckmost aus Quittensaft sind mir unverzichtbar geworden.

Montag, 11. Februar 2019

Honigwein, Met - der Honig zum kippen

Honigmet kann ein herrliches Genussmittel sein. Aber nicht jeder. Kommerzielle Produkte aus dem Laden schmecken oft (eigentlich fast immer) zum abgewöhnen schlecht. Da findet man Fehlaromen, klebrig Süsses, Schönung, gestoppte Gärung mit Methoden die Nebenwirkungen haben, minderwertige Ausgangsstoffe - das kann man wirklich besser machen. Von Negativerlebnissen darf man sich nur nicht abhalten lassen, dieses Getränk wirklich zu entdecken.

Und wer ihn selber macht, merkt nach den ersten Versuchen schnell: Den richtigen Honig muss man haben. Ausserdem sind Geiz, Zeitmangel und ersetzen von Wissen durch Technik Garanten für Minderqualität. Gut zu sehen im unsäglichen Haufen endloser Youtube-Videos, oft nur verkappte Werbung: Da wird filtriert und pasteurisiert, in der Hoffnung mit Technik Fehler und Probleme auszugleichen die man gar nicht hat, wenn man gut arbeitet und gute Rohstoffe hat. Zur Balance eines ausgeglichenes Getränks mit Tiefe, anhaltendem Honigaroma und hohem Genussfaktor ist es ein langer Weg.

Der verwendete Honig muss nicht die speziellen Qualitäten für eine Abfüllung in Gläser haben, aber spezielle Qualitäten für Honigmet. In Frage kommen vor allem auch:

  • Seimhonig wie zum Beispiel ausgeschmolzener Melezitosehonig. Der wurde beim Schmelzprozess erwärmt und ist damit ein erstklassiger Backhonig. Oft lohnt sich die Abfüllung in Gläser nicht, weil es nicht viel ist, man lässt ihn im Lagereimer und entnimmt benötigte Mengen direkt. Davon hatte ich in der letzten Saison ausnahmsweise mehrere Eimer. Er eignet sich generell sehr gut für die Verarbeitung, weil das Honigaroma voll da ist, er einen sehr wohlschmeckenden Honigtauanteil hat. Er schmeckt meistens lecker nach Nadelwald, aber nicht mehr nach der früher blühenden zu eindimensionalen minzartigen Linde. Ich habe damit auch mehrmals erstklassige Lebkuchen gebacken, ihn als Zutat für allerlei Back- und Kochrezepte verwendet. Für Met kann er eine fantastische Grundlage sein, daraus stammt mein bester Met.
  • Honig, der aus irgendwelchen Gründen erhöhten Wassergehalt hat. Das macht im Kellerlager keine Probleme, aber steht er zu lange in einem warmen Ladengeschäft, steigt das Risiko, dass er anfängt zu gären. Passiert mir nur manchmal im Ausnahmefall, wenn das Wetter zur Erntezeit anhaltend feucht ist. Oder es kann auch manchmal Gründe geben, Honig eines Volks abzuschleudern der noch nicht ganz reif ist. Man kann solche Honige aber auch den Bienen erneut als Futter geben, wenn man sie anderweitig nicht verwenden will.
    Geschmacklich kann dieser Honig noch so gut sein, ins Glas fülle ich ihn nicht. Aber für Met ist er je nach Stil wie geschaffen.
  • Bei der Honigverarbeitung kann auch etwas passieren, zum falschen Zeitpunkt abgefüllt kann eine starke Phasentrennung bereits abgefüllter Gläser (oben setzt sich eine flüssige Phase ab, unten eine feste) entstehen. Einwandfreier Honig mit vollem Aroma, aber eben optisch nicht mehr schön - Met!
  • Wer Probleme mit der Vermarktung hat, hat manchmal einfach zu viel Honig. Auch den kann man im Sommer wieder den Bienen geben, die sie wieder im Überwinterungsvorrat einlagern. Oder eben anders verwerten - für Met.
Goldener Honig, goldener Met. Abgefüllt in 0,5l Bügelflaschen.

Diese Honigverarbeitung zu Met ist ururalt, schon die Kelten haben in riesigen Kesseln Met gebraut. Grundlage ist immer Honig, der vorher in Wasser aufgelöst wurde und dann vergoren wird, sehr viel mehr wird im Grunde nicht benötigt. Davon stelle ich ab und zu kleine Fässchen her, zum trinken, zum verschenken, zum verkaufen. Hat man den richtigen Honig, genügend Geduld und kann sauber arbeiten, dann wird das was, das man sehr gerne trinkt.

Kommerziell zubereiteter Met schmeckt häufig so, wie wenn bei der Herstellung eindeutig untauglicher Honig verwendet wurde. Im Allgemeinen verwenden kommerzielle Methersteller zusammengekippten Importhonig unterster Kategorie aus dem grossen Tank.

Welcher Honig ist am besten?

 
Verkaufsstand. Honig, Met, Glühmet, Honiglebkuchen.
Aber welcher Honigstil ist denn nun geeignet? Taugliche Sorten sollten mindestens einen Waldanteil haben, also Honigtau von Laub- oder Nadelbäumen enthalten. Reiner Blütenhonig ist zu dezent im Aroma. Er macht nur süss, bringt aber in der Verdünnung des Mets hinter dem Alkohol zu wenig sonstige Aromen, hat auch nur sehr wenig Säure. Sortenhonig als Ausgangsstoff können im Geschmack des Mets zu penetrant werden, Honig mit Lindenanteil zum Beispiel (minzig, manchmal scharf) oder Sonnenblumenhonig (Heftpflasteraroma) oder Kastanienhonig (Aroma nach einem durchgeschmorten Trafo). Auf dem Honigbrot sehr gut, aber flüssig wird es unbalanciert. Ein Übergangshonig von Frühling zu Sommer kann dagegen sehr gut sein, Brombeernektar erzeugt erstklassige Met-Aromen, Weissdorn, auch einige landwirtschaftliche Blütenmischungen in den letzten Schleuderungen, Phacelia sollte aber wenig enthalten sein - bringt einen Süsseüberhang und Aromen, die leicht untergehen. 
 

Das Rezept

Trocken-Weinhefe aus Polen in Papiertütchen. Kurz haltbar.

Das Standard-Honigmetrezept für mässig süssen Met, nach dem ich vorgehe ist sehr einfach und sieht so aus:

10 Liter Wasser, 5 Kilo Honig, Hefenährsalz nach Päckchenanweisungen, 1 Liter Apfel-Direktsaft, Reinzuchthefe für schwere Süssweine (Portwein, Malaga), Agrest. 

Die Zutaten gibts im Hobbykellereibedarf oder über grosse Handelsplätze wie ebay. Dort findet sich auch sehr preisgünstige Ware aus Osteuropa, die zwar meistens nur sehr kurz haltbar ist (Trockenhefe in Papiertütchen) aber mich qualitativ noch nie enttäuschte wenn man sie sofort verwendet hat. Auf Agrest und eventuelle Säuerungsmittel komme ich unten noch zu sprechen.

Benötigt wird für diese Menge ein Gärgefäss mit 15-20 Litern. Ein 15-Liter Fässchen wird sehr voll. Entgegen häufiger Warnungen entstand aber bei der Gärung nie nennenswert Schaum, so dass überschäumen kein Problem war. Vergoren wird bei Zimmertemperatur oder leicht kühler. So wird der Ansatz hergestellt:

15l - Fass mit Gärspund

Hefe im Apfelsaft auflösen und einen bis zwei Tage warm stellen, bis die beginnende Gasentwicklung den Arbeitsbeginn der Hefe anzeigt. Das ist wichtig, denn direkt ins Honigwasser gekippt werden mag die Hefe gar nicht, sie geht am schlagartig steigenden osmotischen Druck kaputt. Den Apfelsaft und alle restlichen Zutaten auf Zimmertemperatur bringen (kein kaltes Wasser direkt aus der Leitung nehmen) im Gärfass zusammenrühren. Kräftig rühren, Honig löst sich manchmal erstaunlich schwer auf. Dafür lässt sich auch ein Honigrührstab verwenden, den Imker sowieso haben wenn sie feincremigen Honig abfüllen. Der sollte nachher mit sehr heissem Wasser gereinigt werden, damit keine lebende Hefe dranbleibt und beim nächsten honigrühren Hefen in den Honig bringt.

Und dann: Gärspund drauf, zusehen, gären lassen. Es dauert ein, zwei Monate bei 15°C (die heutige normale Kellertemperatur), bis keine Gasentwicklung mehr da ist und sich die Hefe am Boden abgesetzt hat. Die Gärung stoppt, wenn die Hefe an ihrer Leistungsgrenze angekommen ist und ca. 17% Alkohol erzeugt hat. Ja nach Hefe kann das auch bei 15% oder 20% passieren, es gibt auch Hochleistungshefen. Der Zucker wird jetzt ganz oder weitgehend vergoren sein, das Zwischenergebnis liegt also zwischen nicht süss bis mässig süss. Dann zieht man den Met von der Hefe ab - mit einem Schlauch in saubere Eimer oder ein zweites Fässchen. Das Gärfässchen wird gereinigt, der Met ins Fass zurückgegeben Dabei sollte man ihn leicht schwefeln und kann ihn auch mit weiterem Honig aufzuckern, wenn man ihn süsser haben will - das ist Geschmackssache. Geschwefelt wird mit Kaliumdisulfit für Lebensmittel, E224. Dafür verwendet man 0,5 bis 1 Gramm Pulver pro 10 Liter Met. Bei Met mit wenig Restzucker besser an ein Gramm herangehen. Met oxydiert grundsätzlich leicht durch die geringe Säure und bekommt schnell einen Sherryton. Gesetzlich erlaubt wäre auch die doppelte Menge an Schwefeldioxid oder Kaliummetabisulfit bis zu 200 mg/l im fertigen Erzeugnis, berechnet als SO2. Das ist übertrieben.

Die Säure

 
Honig enthält meistens nicht viel Säure. Am meisten noch Waldhonig, der deswegen und wegen seiner langkettigen Zuckerarten auch weniger süss schmeckt. Etwas Säure kommt mit dem Apfelsaft ins Produkt. Für süssen Met sollte unbedingt zusätzlich Säure zugegeben werden, sonst wird es zu einseitig klebrig-süss. Dafür empfiehlt man oft Zitronensäure, Milchsäure, Apfelsäure. Die Richtwerte lauten: 30ml (oder 30g) 80%ige Milchsäure für 10 Liter Gesamtansatz. Das sind eineinhalb Schnapsgläser in der Standardgrösse 2cl, reicht das nicht kann man später langsam mehr geben. Geschmacklich finde ich Milchsäure aber nicht sehr befriedigend, sie wirkt neutral aber stechend. Diese Dosierung gilt auch für Zitronensäurepulver oder Apfelsäurepulver (E 296). Will man den Met verkaufen, darf man laut den "Leitsätzen für weinähnliche und schaumweinähnliche Getränke" maximal 3 Gramm pro Liter Met Zitronensäure zusetzen, seltsamerweise nur Zitronensäure. Andere Säuren nehmen ist nicht aufgeführt (aufgeführt in Punkt I.B.7 der Leitsätze für weinähnliche und schaumweinähnliche Getränke, BAnz. AT 27.01.2015 B1, GMBl 2015 S. 113), wofür ich keine Begründung erkennen kann. Hopfen und Gewürze sind auch erlaubt sowie Mischungen mit Fruchtsäften, wenn entsprechend deklariert.

Mein Trick ist, stattdessen selbst produzierten Agrest als Zutat zu verwenden, das ergibt geschmacklich für meinen Geschamck die beste Version. Agrest ist Traubensaft aus unreifen Weintrauben. Er sorgt für ein angenehmes, breites und nicht spitzes Säuregefühl im Mund und bringt erwünschte sekundäre Stoffe mit sich. Das Problem dabei ist aber, dass Agrest keine einheitlichen Säuregehalte aufweist. Die Analyse kommerzieller Agrest-Säfte ergibt 20-35g Säure pro Liter. Mein selbsthergestellter Agrest lag da deutlich darüber und ich erreichte bereits mit 100ml pro 10 Liter-Ansatz gut schmeckbare Säure im fertigen Met. Wer es selbst mit Agrest probieren will, sollte unbedingt erst vorsichtig eine Teilmenge zugeben, zu wenig Säure kann man erhöhen; zu viel Säure wird man nicht mehr los.

Abfüllen

Nach dem Abzug von der Hefe sollte man den fertigen Met unter Luftabschluss noch mindestens einen Monat lagern. Hat man noch Honig zugegeben, kann noch einmal eine leichte Weitergärung stattfinden. Dann sollte man ihn probieren, eventuell ein bisschen nachsäuern. Etwas Gärnebenprodukte dürfen sich noch im Aroma bemerkbar machen, die verschwinden später. Dann geht es geht ans Abfüllen. Ideal sind Flaschen mit Bügelverschluss in den Grössen zwischen 0,2 und 0,7 Liter. Er lagert sich abgefüllt in kühler Dunkelheit sehr gut und wird nur besser. Der beschriebene Met wurde nie erhitzt und nie filtriert. Ein paar Probeflaschen von meinen früheren Versuchen schmeckten nach Jahren spitze, sehr rund, Honigaroma voll da, ein Göttertrank. Was man nicht tun sollte: Von Zeit zu Zeit aus dem Fass zapfen wäre schlecht, oben im Fass vergrössert sich der Luftraum, das Aroma verschwindet wie bei offen stehendem Wein, Luftgeschmack kommt.

Prost

Süsser Met schmeckt zwischen kühl und lauwarm gut. Oberhalb Zimmertemperatur bis hin zu Glühmet-Zubereitungen bei 60°C ist eine weniger süsse Version zum empfehlen. Auch hier: Das ist Geschmackssache. Die Hefe schafft normalerweise um die 17° Alkohol, bevor sie aufgibt. Der unvergorene Honig sorgt für die Restsüsse, darunter auch nicht vergärbare Zuckerarten wie den Dreifachzucker Melezitose. Das Zeug haut also gut rein, Vorsicht! Wer ihn nicht pur trinken mag, kann ihn mit Fruchtsäften verschneiden (beliebt ist Kirschsaft), würzen, wie beliebt. Wird er mittels einem Fruchtsaftzusatz verschnitten und bleibt noch einmal stehen, kann er jedoch wieder zu gären beginnen weil der Gesamtalkoholgehalt durch die Zugabe alkoholfreien Safts wieder gesunken ist. Kommerzielle Anbieter machen eine Feinfiltration oder Kurzzeiterhitzung, um das zu verhindern. Meine Empfehlung wäre dagegen: Mischen und sofort trinken.


Met ist bei mir ein Getränk fürs Dessert oder einen Winterabend. Zum Dessert mag ihn jeder süss. Die trockenen Varianten sich auch zu anderen Gelegenheiten passend, aber da ist oft das Problem die Reproduzierbarkeit. Honig ist eben ein äusserst individuelles Ding, die Ansätze zeigen entsprechend unterschiedliche Geschmacksergebnisse.