Samstag, 13. April 2019

Optimierte Anzucht im Wohnzimmer Teil 1

Das Wohnzimmerfenster ist wieder mal zugestellt, wie jeden Frühling. Kein Durchkommen und manchmal leuchtet auch noch ein unangenehmes violettes Licht. Keine Frage, es ist wieder Anzuchtzeit bei Nutzgärtners. Einige Erfahrungen gab es schon hier: https://gartenzone.blogspot.com/2018/03/es-geht-los-fruhling-bei-12c.html, das soll nun ergänzt und erweitert werden.

Die Anzucht von brauchbaren Mengen an Pflanzen wärmeliebender Arten im Wohnzimmer ist gut möglich, benötigt aber etwas Organisation und tolerante Mitbewohner. Voraussetzungen für den Erfolg:
  • Heizbares Zimmergewächshaus
  • Gut gelagerte, nicht zu alte Sämereien
  • Sehr heller Platz, ein Südfenster ohne Verschattung
  • Geeignetes Anzuchtsubstrat
  • Fakultativ Pflanzenlichtlampe, um trübe Wetterphasen nach der Keimung auszugleichen
Paprikajungpflanzen, eben gekeimt
Mit zwei schmalen Zimmergewächshäusern, die auf jede bessere Fensterbank passen schafft man problemlos die Anzucht von mindestens 150 Pflanzen. So viele setzen sich wenig Leute in den Garten, ich ebenfalls nicht, aber es ist immer gut, einige interessante Sorten zum Verschenken zu haben und auch eine Reserve, falls etwas schiefgeht. Denn passieren kann noch viel im Verlauf der Anzucht und des Auspflanzens: Geknickte Pflänzchen, unerwartete Spätfröste, Trocken- oder Nassschäden durch Giessfehler... hat man Übermengen, werden die Pflanzen zu Schenk- oder Tauschware.

Der Witz an der eigenen Anzucht sind nicht irgendwelche Kostenersparnisse, sondern die Möglichkeit Jungpflanzen spezieller Sorten zu erhalten. Wer in Gartenmärkten Jungpflanzen kauft, erfährt oft nicht einmal die Sorte. Es ist nur einfachste Standardware, über die man ausser der Pflanze selbst keine Informationen bekommt. Der Jungpflanzenmarkt bei Tomaten weist mittlerweile wenigstens eine gewisse Vielfalt auf, weil Tomaten gerade Mode sind. Man bekommt heute auch mal Habaneros, aber bei Kürbissen, Paprika und vor allem Auberginen sieht es sehr trübe mit der Vielfalt aus. So habe ich dieses Jahr beispielsweise die Auberginensorten "White Egg", "Slim Jim", "Bonica", "Laura", "Halflong White", "Hallasan Jeju" angezogen und noch ein paar Sorten des letzten Jahres. Nichts davon war je in einem Gartenmarkt zu finden.

Warum überhaupt ein Zimmergewächshaus?


Wegen der Wärme, vor allem Nachts. Der beste Keimerfolg findet bei Paprika, Auberginen, Tomaten, Kürbissen bei 25°C statt. Nachts und womöglich durch eine kalte Luftströmung am Fenster  herrscht diese Temperatur aber nicht. Die Keimung verzögert sich, Bodenpilze machen das Saatgut im feuchten Substrat oft schon vorher fertig so dass gar nichts mehr keimt. Schade um die Zeit und die teuren Samen!

Beheizte Zimmergewächshäuser gibt es von ein paar Firmen (Hortosol, Beckmann, Romberg...), meine sind von "Garland" und haben 13 Watt Wärmeleistung.  Nicht viel, reicht aber um die 19° des Zimmers auf 25° C zu bringen. Knapp zwei Wochen Dauerbetrieb kosten rund 4,3kwh, das sind 1,21 EUR Stromkosten. Selbst das lässt sich senken, indem man per Zeitschtuhr nur von 18 - 6:00 Uhr heizt, tagsüber scheint oft die Sonne drauf und auch bei bedecktem Himmel wärmt etwas Infrarotstrahlung durch die Wolken. Der Effekt ist Leuten mit Gewächshaus bekannt, in dem es selbst bei Dauerbewölkung tagsüber deutlich wärmer ist. Nachts aber nicht, die Wärme kommt vom Himmel gestrahlt und nicht durch die Speicherwirkung des Bodens. Alternativ kann man Heizmatten verwenden und ein unbeheiztes Gewächshaus draufstellen, der Wärmeübergang ist aber schlechter, die Passung stimmt selten und man muss zusätzlich nach unten dämmen.

Die grosse Luxusversion eines Zimmergewächshauses nennt sich "Anzuchtkasten" und ist etwas für Leute, die viel Geld investieren wollen und viel Platz haben. Die brauchen auch weit mehr Strom. Allerdings kann man damit auch die Anzucht von Anfang an ins Gewächshaus verlegen, sofern das Stromkabel so weit reicht. Dort ist das Licht immer gut und Dank Thermostat sind die 25° auch bei 0°C nächtlicher Gewächshausluft zu halten.

Zeitplan


Das Zimmergewächshaus ist ab Mitte Februar praktisch dauernd in Betrieb. Schichtweise werden darin die verschiedenen Artengruppen zum keinem gebracht, so sah es dieses Jahr aus:

Anzuchtzeiten im Zimmergewächshaus
Paprika Anfang April
Begonnen hat das Gemüsejahr mit Habanero und Jalapeno-Chilis. Die brauchen am längsten für die Entwicklung und sollten schon Mitte Februar ausgesät werden. Kurz danach folgen die übrigen Paprikasorten und Auberginen. Dieser Arten brauchen etwas Zeit, die Keimung kann sich ein bis zwei Wochen hinziehen. Sollte das Keimergebnis schlecht sein, hat man trotzdem noch genug Zeitreserve, einen weiteren Ansatz zu machen. Die kleinen Pflänzchen werden schliesslich in 8cm-Plastiktöpfe getopft und ebenfalls in einer Schale wegen dem Giesswasser an einen möglichst hellen Ort im Haus gestellt.

Tomatenpflänzchen Anfang April, getopft
Ende März sind die Tomaten dran und andere Pflanzen aus der Solanaceae-Familie, z.B. Physalis, Tomatillos. In dieser Gruppe geht es etwas schneller, oft sieht man schon nach drei Tagen, dass sie gekeimt sind. Die Samen halten einige Jahre gut, das Keimergebnis liegt immer bei >90%. Manchmal wird bei Tomaten auf den Samentütchen zu früherer Anzucht geraten, das hat sich in der Praxis nicht bewährt. Die Pflanzen werden zu hoch, die Wurzeln wachsen im kleinen Topf im Kreis herum, der Start im Garten ist schlecht. Frühe Auspflanzungen bringen trotz Frostfreiheit keinen Zeitgewinn, bereits Nächte mit 5°C bremsen das Wachstum enorm.

Im April folgen alle Cucurbitae. Gartengurken, Gewächshausgurken, Kürbisse aller Art und Melonen. Die Keimung geht ebenfalls schnell in ein paar Tagen und die Wurzeln wachsen sehr schnell in die Länge, man kann sie schon in Töpfe pflanzen wenn das Keimblattpaar ganz entfaltet ist. Wichtig ist es bei Cucurbitae auch, das Anzuchtsubstrat nicht zu sehr zu wässern, keinesfalls darf so viel Wasser drin sein, dass es noch im Zimmergewächshaus stehen bleibt.

Anzuchtsubstrat


Eine Kiste voller 38mm-Torfquelltabs
Nach Versuchen mit anderen Anzuchtsubstraten, Torftöpfe und -schalen bin ich bei Torfquelltöpfen hängengeblieben. Das ist nicht die preiswerteste Methode, aber sehr arbeitssparend und mit zuverlässig gutem Keimergebnis. Ins Zimmergewächshaus einlegen, wässern und quellen lassen, Samen rein. Die gekeimten kleinen Pfänzchen lassen sich mittels Tofquelltopf sich leicht entnehmen und in ein grösseres Töpfchen setzen. Torfquelltabletten sind auch (natürlich ungequollen) kompakt zu lagern und zu verschicken, halten unbegrenzt. Alle paar Jahre wird davon eine Tausenderkiste gekauft, die Mengenstaffel spart auch noch mal was.

Man kann sie in verschiedenen Grössen kaufen. Für normale Anzuchten sind 36-40mm Durchmesser ganz gut, bei Kürbissen nehme ich gerne etwas Grössere, weil die Wurzel praktisch sofort aus dem kleinen Quelltopf herauswächst und ich nicht immer sofort umpflanzen kann.

Die Torfquelltöpfe, in denen die Keimung mal ausnahmsweise schiefgeht, sind leider nicht wiederverwendbar. Es bildet sich dort schnell ein negativ wirkendes Milieu mit Pilzbefall aus. Legt man neue Samen derselben Art hinein, gelingt die Keimung fast nie. Nimmt man andere Arten, um den Torfquelltopf nicht ungenutzt wegzuwerfen, sind die unterschiedlich anfällig. Gute Ergebnisse habe ich zum Beispiel mit Fenchelsamen gemacht, auch Salat gelingt relativ gut. Vorsicht, dort ist die optimale Keimtemperatur viel niedriger wie bei Paprika & Co., also nicht im Haus oder gar im Zimmergewächshaus stehen lassen.

Viele Leute nehmen statt Torfquelltöpfe Torftöpfchen und füllen sie mit Anzuchterde. Das mache ich auch, aber nicht bei Paprika & Co, sondern bei normaler, kühler Anzucht. Im beheizten Zimmergewächshaus möchte ich jedoch nicht gekeimte Töpfchen schnell entfernen können, weil der wertvolle Platz, den der "Keimversager" blockiert gleich wieder gebraucht wird. Die Torfopfplatten müssen dann zerrissen werden und sind nicht mehr fürs Zimmergewächshaus geeignet. Man muss zudem die Erde reinstopfen, viel billiger sind sie im Endeffekt auch nicht.

Dünger hat während der Keimung abwesend zu bleiben. Giessen mit kalkarmem Wasser ohne Flüssigdüngerzusatz. Salzreiche Umgebung verhindert die Keimung sogar. Gedüngt wird erst später.

Jetzt Mitte April ist es wieder mal sehr kalt, Polarluft aus dem Nordosten bläst heran und lässt die Knochen klappern. Ich habe noch nichts ausgepflanzt und alles steht (wieder) im Haus. Die weitere Behandlung der Jungpflanzen, das richtige umpflanzen, ein Trick für kostenlose Pflanztöpfe, die besten Orte für die weitere Anzucht und schliesslich Auspflanzen kommt im Folgebeitrag zur Sprache. Und auch Erfahrungen mit Pflanzenlichtlampen, ob sie sinnvoll sind und wenn, dann welche.

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