Mittwoch, 2. Januar 2019

Ein Winter mit Quittensaft

Auch ohne "u" schön

Quitten als aromastarkes Verarbeitungsobst erlebten in den letzten Jahren einen kleinen Aufschwung. Weg waren sie nie, schon in der Antike waren sie sehr beliebt, einige Rezepte mit ihnen sind aus dieser Zeit überliefert, seither existieren sie auch in den wärmeren Gegenden Mitteleuropas. Ihr botanischer Namen lautet Cydonia oblonga - Äpfel aus Cydon, Kreta. Bei mir haben sie schon länger einen Aufschwung erlebt, Quitten sind einer der Gründe dass ich mit dem Obsthobby begonnen habe. Unsere Region kommt dem entgegen, Quitten waren hier immer häufiges Obst.

Quitten in Mode


Einer meiner Bäume, trägt regelmässig 200kg
Der Aufschwung zeigt sich daran, dass immer mehr Quittenprodukte zu haben sind, vor allem Quittensaft taucht wieder häufiger auf. Preise von 3,5 EUR bis 10 EUR pro Liter sind normal. Herausgestellt wird der gute Polyphenolgehalt, Quittensaft gilt als gesund. Begleitet wird das von weiteren Produkten wie Bücher, Aufstriche, Liköre, Rezepte, Senf, Schnaps, Quittensekt bzw. Quittenschaumwein. Letzterer kann sehr, sehr gut werden, ist allerdings noch auf der Exklusiv-Luxus-Superteuer-Ebene angesiedelt. Zu nennen wäre da Marius Wittur, der mit seiner Gründung "Mustea" einiges in Sachen Quitte erreicht hat. Leider scheint der Schwerpunkt mehr auf medialer Präsenz, Zertifizierung und Warenzeichenanmeldung zu liegen, die angeschlossene Baumschule und die meisten Produkte sind meistens nicht zu haben. Es gibt aber noch mehr Leute, die einen Schaumwein produzieren und anbieten: Heinz Kölle in Bönnigheim oder Hartmut Scheuring in Königsberg/Unterfranken. Viele Baumschulen haben Quitten ebenfalls entdeckt, wo früher nur zwei, drei Sorten Standard waren werden heute fleissig mehr Sorten gesammelt, vermehrt und angeboten. Eine Schwierigkeit dabei ist die Sortenechtheit, Quitten lassen sich schlecht bestimmen und Sortenverwechslungen sind an der Tagesordnung.

Noch Anfang Januar liegen ungeerntete Früchte ohne zu faulen
und innen unverbräunt auf der Wiese
Ihr Anbau ist durch die veränderten Jahreszeiten einfacher geworden. Quitten sind goldene Kinder der Sonne, sie lieben warme Gegenden. Ihre mässige Frostfestigkeit im Winter begrenzte früher die Zonen, in denen sie überhaupt wuchsen. Und bis heute gibt es Gegenden in Deutschland, in denen man sie besser nur als Zierpflanze wachsen lässt, in hohen Lagen, im Norden und Nordosten. Langjährige Vergleiche von Bäumen in verschiedenen Regionen, Verarbeitungsversuche und Zuckermessungen über Jahre hinweg haben es mir eindeutig gezeigt: In Gegenden mit mässigen Wärmesummen bleiben sie zu zuckerarm, aromaarm, säure- und gerbstoffreich. Dieselbe Sorte erbrachte bei 200m Höhenunterschied im Standort einmal 45°OE und war unharmonisch, in wärmerer tiefer Lage 55°OE und sehr gut als reinsortiger Saft zu trinken. Doch die genauen Erfahrungen und Anbaudetails werden noch in einem eigenen Beitrag beleuchtet. Da das Klima immer wärmer wird, gibts es auch immer mehr quittengeeignete Gegenden, Quitten scheinen bis jetzt zu den Gewinnern des Klimawandels zu gehören.

Hydropresse. Unten die Wasseranschlüsse.
Jedenfalls reagieren sie auch sehr stark auf unterschiedliches Sommerwetter und Behangsdichte. Mein Rekordzuckergehalt einer Quitte lag bei einer Konstantinopler Apfelquitte bei sagenhaften 110°OE, das sind 22,6° Brix. 2018 lagen die Zuckergehalte durchweg deutlich oberhalb 70°, ebenfalls mit noch weit höheren  Spitzen-Einzelwerten. Das Jahr war bekanntlich extrem trocken und heiss. Quitten waren das einzige Obst, das ich noch ernten und verwerten konnte, Äpfel und Birnen vertrockneten am Baum und fielen schliesslich im November faulend und klein herunter. Auch ganze Apfelbäume starben auf unserem schlechten Boden ab. Nur auf besserem Boden gab es noch Ernten, dann aber mit starken Qualitätseinbussen, Fehlaromen, ein klebriger Saft ohne Säure. Quitten nicht, sie waren gut und aromastark wie nie. In normalen Jahren bringen Quitten hier 52-58°OE (11,3° Brix), die Unterschiede zwischen den Sorten sind bei gleicher Behangstärke nicht gerade riesig.

Diesmal geht es um die Verarbeitung von Quitten, vor allem der Saftherstellung. 2018 habe ich erstmals grössere Mengen reinsortig hergestellt. Mit zwei Methoden: Einmal mit einer Hydropresse in eigener Regie. Dann mit einem Freund zusammen in der Lohnmosterei mit grosser, klassischer Packpresse, wo wir jedes Jahr auch unsere Äpfel pressen lassen. Kleinere Mengen bis 20 Liter habe ich früher schon mit einer kleinen Spindelpresse, Mengen bis 10 Liter mit dem Handpressbeutel gemacht. Wir produzieren darüber hinaus regelmässig Quittenspeck und Quittengelee. Der Freund lässt sie auch reinsortig vergären, ich habe sie bisher immer nur dem Apfelgärmost beigemischt.

Welche Quitten für Saft?


Alle Sorten sind für reinen Quittensaft gut brauchbar. Entscheidend ist der Reifezustand und der Zuckergehalt. Bei voller Ausreife hat keine Sorte noch unangenehm viel Gerbstoffe. Wichtigster Anzeiger, ob sie reif wurden und genug Sonne bekamen ist der Zuckergehalt. Presst man ein paar Probefrüchte und misst weniger als 50° OE, sollte man vorsichtig sein. Das halte ich für die Untergrenze für Saft. Gewiss kann auch leichter Saft gut sein, das sollte man aber erst einmal gut verkosten und beurteilen, bevor man 500kg davon durch die Presse jagt und dann merkt: Der ist nix. Solche Quitten sollte man nur zugemischt im Apfelsaft verwenden, zusammen mit süssen Äpfeln. Dort helfen sie bei der Klärung, die Gerbstoffe werden verdünnt und das Aroma vielfältiger.
Meine Hauptsorte für reinen Quittensaft ist Lescovac, sie reift hier zuverlässig aus, bringt einen relativ hellen Saft mit ausgewogenen Komponenten. Lecker. Ein einziger älterer Baum liefert jährlich 100-250kg, Lescovac alterniert auch weniger wie viele andere Sorten.

Verarbeiten, pressen


Waschen, ausschneiden, abreiben
Wie haben wir den Saft gemacht? Zuckergehalt der Früchte gelegentlich geprüft ob er noch ansteigt, Quitten geerntet als sie von selbst vom Baum fielen. Ohne weitere Lagerung (sie werden nicht besser durch Lagerung, sondern veratmen ihre Aromen Stück für Stück) flaumreiche Früchte mit einem alten Stück Stoff abgerieben, schlechte Früchte aussortiert oder nur schlechte Stellen ausgeschnitten. Ob man den Flaum auf der Schale abreibt, ist Geschmackssache. Lescovac hat in normalen Jahren sowieso kaum welchen. Ich finde, das ist nicht so wichtig, aber damit bin ich wohl in der Familie in der Minderheit. Also gibts eine Abreibung. Mit der Obstmühle mahlen. Quitten wirken zwar hart, sind aber mit den Hobby-Obstmühlen problemlos zu Maische zu verarbeiten. Die Maische kommt in die Presse, eine Hydropresse mit 40l - Presskorb. Nach zehn Minuten ist der Saft draussen, die Maische ausgepresst und kann entfernt werden. Sie ist guter, kompostierbarer  Dünger oder noch besseres Tierfutter für Schafe. Fertig ist der Rohsaft.

Mit dem elektrischen Obstmuser mahlen
Abhängig von der verwendeten Technik kann man die entflaumten Quitten auch in eine Lohnmosterei bringen, dort sind 100kg aber meistens die Mindestmenge und man bezahlt für die Pressung. Vorteil ist auch, dass die Pressen mittlerweile alle eine Bag-in-Box Abfüllung bieten, man kann den fertigen Saft sterilisiert in Folienbeutel abfüllen lassen. Bis 150kg ist Eigenverarbeitung sinnvoll, darüber werden die Mengen einfach zu unhandlich. Pressen geht natürlich auch in kleinen Spindelpressen oder einem Nylonpressbeutel von Hand. Man braucht auch keine Obstmühle für kleine Mengen, bis 10kg kann man sie auch mit einer fein- bis mittelgroben Raspelscheibe einer Küchenmaschine reiben und dann mit dem Pressbeutel auspressen. Nur von Dampfentsaftung ist abzuraten, die Aromenqualität sinkt bei dieser Extraktionsmethode ziemlich ab.

Sie sind sehr gut pressbar, aber die Ausbeute ist mit 50-60 Gewichtsprozent Saft etwas geringer wie bei Apfelsaft, der bis zu 75% Ausbeute haben kann.
Quittenmaische, frisch gemahlen
Einfüllen der Maische in die Hydropresse
Der Saft fliesst
Ausgepresste Maische

Abfüllen, Haltbarkeit, Verwendung


Frisch gepresster Rohsaft
Der Saft klärt sich sehr aufgrund der enthaltenen Gerbstoffe schnell von selbst und wird dunkel. Roh schmeckt er herrlich, man sollte sich ein paar locker verschlossene Flaschen davon in den Kühlschrank stellen, ein paar Tage ist er haltbar bevor er gärt. Den Rest kann man erhitzen und steril in Flaschen füllen (dabei wird der Saft wieder hell) oder roh in ein Druckmostfass geben. Dort beginnt er auch zu gären, aber der gärungsbedingt entstehende CO2-Duck würgt die Gärung auch gleich wieder ab, er bleibt monatelang frisch obwohl er ungekocht ist. Sein Aroma hält sich sehr gut.

Quittensaft trinken wir wie Wein. Pur, unverdünnt, mässige Mengen, nicht gegen den Durst sondern zum Genuss. Apfelsaft ist oft in Verdünnung besser und auch besser durstlöschend, bei Quitten sehe ich das anders. Diese Aromabomben mit ihren leckeren Gerbstoffen verlangen nach kleinen Schlucken und langsamem Genuss statt nach Verdünnung und runterkippen. Aber das ist Geschmackssache. Leichtere Quittensäfte sind in gleicher Verpackung kürzer haltbar wie Apfelsaft. Nach einem Jahr ist die Frische nicht mehr da. Möglicherweise kann eine Ascorbinsäurezugabe das verbessern.

Roher Quittensaft lässt sich natürlich auch vergären, der oben erwähnte Schaumwein ist ein Produkt daraus. Ferner wurden schon sehr gute Essige aus Quittenmost hergestellt, Quittengelee in tausend Variationen, Likör, ein Pudding, Glühwein/Punsch, zum aromatisieren von Torten und Gebäck.

Am herrlichsten ist Quittensaft jetzt im Winter in einem Weinglas am Kamin, während es draussen trübe und kalt ist. Die goldene Frucht des Sommers erleuchtet uns in trüber Jahreszeit von innen.
Druckmostfass

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen