Dienstag, 23. April 2019

Optimierte Anzucht im Wohnzimmer Teil 2

Jungpflanzen, noch getopft, im Gewächshaus
In Teil 1 der Jungpflanzenanzucht im Wohnzimmer ging es um die nötigen Geräte, die zeitliche Abfolge, geeignetes Substrat, Umweltbedingungen. Angenommen, alles ging soweit gut und wir haben nun eine erste Ladung mit 10-50 Jungpflanzen im Zimmergewächshaus, die dem Torfquelltopf entwachsen sind. Was nun?

Die Pflanztöpfe


Wir pflanzen sie um. In Plastik-Pflanztöpfe von 8 bis12cm Durchmesser.  Zeit wird es dafür, wenn die Wurzeln aus dem Torfquelltopf hinauswachsen wollen. Das ist schon 3-10 Tage nach Keimung der Fall. Danach ist das Zimmergewächshaus wieder frei für die nächste Ladung Anzuchten. Pflanztöpfe sind nicht teuer, aber auch diese Ausgabe lässt sich vermieden und noch dazu die Produktion von Müll. Man bekommt Pflanztöpfe nämlich auch kostenlos. Dafür reicht ein Besuch auf einem Friedhof. Nur zu Besuch, für den endgültigen Umzug hat es hoffentlich noch ein wenig Zeit, unvermeidlich ist er sowieso.

Gebrauchte Plastik-Pflanztöpfe
Viele Leute pflanzen nämlich jedes Frühjahr neue, gekaufte Blumen auf den Gräbern ihrer Angehörigen. Die Töpfe werfen sie in den dafür vorgesehenen Mülleimer im Friedhof. Dort liegen sie dann stapelweise und werden irgendwann von der städtischen Abfallwirtschaft für die Müllverbrennungsanlage abgeholt. Aber vorher kann sie der sparsame Nutzgärtner erretten und damit den Plastikmüllproduktion durch viel längere Nutzung der bereits gebrauchten Töpfe verringern. Besonders viele Töpfe fallen im zeitigen Frühjahr an, just der richtige Zeitpunkt, zu dem auch der Nutzgärtner Töpfe für seine Jungpflanzenanzucht benötigt.

Vom Zeitpunkt der Umpflanzung an benötigen die Pflanzen auch Düngung. Wer es sich einfach machen will, nimmt vorgedüngte Kübelpflanzen- und Balkonkastenerde. Die billigere Universal-Pflanzerde oder Blumenerde geht auch, je nach Zusammensetzung sollte dann Dünger untergemischt werden oder etwas Flüssigdünger zudosiert.

Der Ort


Auberginenjungpflanzen im Gewächshaus
Im Wohnzimmer ist es zu dunkel und es wird schnell zu eng für die vielen Töpfe. Die Pflanzen müssen sich aber noch einige Wochen entwickeln. Auspflanzen kann aber erst nach den letzten Kaltluftnächten. Wohin damit? Wer ein Gewächshaus hat, kann die Töpfe in grössere Pflanzschalen oder Gewächshauswannen stellen und dann ins unbeheizte Gewächshaus bringen, dort weiterpflegen. In Kältephasen kann und muss man sie aber wieder kurzzeitig ins Haus stellen. Das ist auch diesen April passiert, die Nächte vom 11. bis 15. April hatten nur 2°C Lufttemperatur in 2m Höhe und am Boden herrscht sogar Frost. Auch im Gewächshaus ist es dann kaum wärmer. Sind es nur wenige kühle Tage, kann man sich in der Nacht auch eine Gewächshausheizung leisten.Sie läuft dann nur in diesen Nächten und der Energieeinsatz hält sich in Grenzen.

Allerlei Jungpflanzen in Töpfen, noch im Gewächshaus
Frost ist natürlich katastrophal. Aber bereits weniger strenge Nachtkälte verursacht Probleme. Tomaten bremsen ihr Gesamtwachstum stark, wenn sie nachts nur zwischen 0 und 5°C haben. Paprika werden unter 5°C sogar dauerhaft geschädigt. Cucurbitae bleiben ebenfalls stehen und werden sehr viel anfälliger für Wurzelkrankheiten. Da nutzt es auch nichts, wenn tagsüber die Sonne scheint und das Gewächshaus auf 30°C aufheizt. Die Grenze sollte bei 5°C am Boden liegen, wenn die Wettervorhersage also unter 8°C Lufttemperatur nachts vorhersagt wird es am Boden noch kälter und mindestens die Paprika und Auberginen sollten wieder rein.

Ohne Gewächshaus stellt man die Pflanzschalen ins Frühbeet, auf eine sonnige Terrasse in Wandnähe oder lässt sie eben im Zimmer.

Pflanzenlichtlampen?


Im Haus ist es auf dem Fensterbrett hinter unverschatteten Südfenstern hell genug für die Pflänzchen. Hinter bodentiefen Fenstern reicht die Hellzone fast einen Meter weit. Aber das hat nicht jeder und lange Wolkenphasen sorgen auch dort für Lichtmangel. Die Symptome kennt jeder Gärtner: Die Pflanzen vergeilen. Dünne Blätter, helles Grün, starkes Längenwachstum - sie wollen nach oben und suchen das Licht. Besonders schnell passiert das bei den lichthungrigen Tomaten und auch alle Gurkengewächse zeigen schnell Lichtmangelsymptome.

Aufgehängte Pflanzenlichtlampe von oben
In solchen Fällen hilft eine Pflanzenlichtlampe. LED-Lampen sind dafür Standard, der Kauf ist einfach, sie werden massenhaft bei den üblichen Versendern angeboten. Das Problem liegt bei der Qualität und der Leistung. 99% der Ware ist wie in so vielen anderen Produktgruppen nur noch qualitativ billiger chinesischer Müll, der mit platt gelogenen Angaben dem Käufer angedient wird. Am allerschlimmsten sind die Verkäufer bei eBay und Amazon, die mit ihrem Müll zudem jeden seriöseren Anbieter unterbieten und verdrängen. Von aussen sehen die Geräte meist noch ganz gut aus, erlebt habe ich dabei aber schon Ausfälle im ersten Jahr, katastrophal-lebensgefährliche elektrische Konstruktionen, gefälschte Prüfzeichen, herunterbrechende Halter (auf Pflänzchen drauf, die damit kaputt gehen). Gelogen wird grundsätzlich bei Leistung und Lichtstrom, gelogen wird über die Lautstärke eingebauter Ventilatoren, oft sind sie nicht einmal erwähnt. Keine der Lampen mit Ventilator kann im Wohnzimmer betrieben werden, sie sind alle unangenehm laut, egal was versprochen wird. Jeder Cent wird eingespart, so haben diese Lampen meist auch keinen Schalter. Angegeben wird immer eine Wattzahl der LEDs. Verschwiegen wird, dass dies die maximale kurzzeitige theoretische Leistung der LEDs ist. Das ist Schachsinn, man betreibt jede Pflanzenlichtlampe im Langzeitbetrieb und nicht kurze Sekunden, deshalb werden sie in Wirklichkeit nur mit etwa 25% dieser Leistung betrieben, sonst würden sie sofort den Hitzetod sterben. Ein Stromzähler weist das leicht nach. Eine "40 Watt" LED-Pflanzenlichtlampe leistet tatsächlich nur ein Viertel einer LED-Lampe für die Küche, die 40 Watt braucht und auch so beworben wird.

Doch genug der Beschwerden. Sehen wir uns an, was die Lampen mindestens können sollten. Für die Anzucht und Jungpflanzenbeleuchtung sind das folgende Anforderungen:
Leuchte mit LEDs für vier unterschiedliche Wellenlängen
  • Weisses oder blauweisses Licht - Lichttemperatur oberhalb 5000 Kelvin. "Kaltweiss" ist 6500 Kelvin. Lampen mit viel Rotanteilen sind für die Anzucht nicht so gut, aber für Blütenbildung.
  • Eine "4-Band-Lampe". Pflanzen benötigen vor allem Licht mit vier Wellenlängen: Blau mit 440-460nm, Rot mit 630-660nm sowie etwas weniger Licht, das im Ultraviolett- und Infrarotbereich liegt (420nm und 730nm). Die Lampen mit ausgeglichenem Anzuchtpflanzenlicht enthalten in etwa einen Verhältnisanteil von 8x rot, 3x blau, 1x IR und 1x UV - es dürfen auch mehr "blau" sein.
  • Eine Faustregel für die Leistung der LED-Lampe sind echte 50 Watt pro halber Quadratmeter. Hört sich nach nicht viel Fläche an, aber das sind bereits eine Menge Pflanzen, da bringt man 70-80 Pflanztöpfe der 8cm - Standardgrösse unter. Obacht - die Verkäufer erzählen alles möglich über die Leistung. Relevant für diese Leistung ist der Strom, mit dem die LEDs tatsächlich betrieben werden. Wie oben schon erwähnt, verkaufen Versender gerne "300 Watt" Lampen, die tatschlich nur 70 Watt in Licht umsetzen. Der Grund: Siehe oben, die LEDs werden mit weniger Strom betrieben wie für kurze Zeit maximal möglich.
  • Im Wohnzimmer: Kein Ventilator. Lampen, die tatsächlich 50 Watt leisten (gern verkauft als "250 Watt") gibt es noch ohne Ventilator, bei mehr Leistung wird das selten.
Weitere Verkomplizierungen mit Lichtstromangaben kann man sich sparen, ein gutes Wellenlängenspektrum, genügend Leistung und optimale Aufhängung genügen. Aufhängen kann man sie an Vorhangschienen, Fotostativen, Garderobenständern (so mache ich das, ein Billigteil eines bekannten schwedischen Möbelhauses). Beleuchtungsdauer an trüben Tagen ganztägig, also 12 Stunden. Höhe über den Pflanzen so, dass nur die Fläche beleuchtet wird, die die Lampe noch gut ausleuchten kann. Die erwähnten echten 50 Watt-Lampen müssen also so hoch hängen, dass das Licht einen halben Quadratmeter bestrahlt. Das stellt normalerweise kein Problem darf, Pflanzelichtlampen haben alle Reflektoren, die wenig streuen.

Im Gewächshaus ist Zusatzbeleuchtung unnötig. Wenn man es trotzdem tut: Vorsicht, die Lampen müssen dann ausdrücklich für Feuchträume geeignet sein. Die meisten sind das nicht.

Entwicklung bis zum Auspflanzen im Garten


In unserer Gegend kann man ab Ende April ans Auspflanzen denken, Melonen später. Voraussetzung ist eine stabile Großwetterlage ohne kalte Nächte. Schlägt das Wetter im Verlauf des Mais doch noch um, hatten wir die letzten Jahre trotzdem keinen Frost mehr und kaum kalte Nächte. Die Zeiten scheinen bis auf weiteres vorbei zu sein, wo die Eisheiligen als wichtige Auspflanzregel gegolten haben. Auch unerwartete Kälteeinbrüche sind nicht das Ende. Mit Vlies, Folien, Hauben lassen sich kalte Nächte abmildern.

Böen knicken Paprika-Jungpflanze
Den Auspflanzzeitpunkt sollte man nicht von der Pflanzengrösse, sondern vom Wetter abhängig machen. Auch kleine Melonenpflanzen oder Paprikapflänzchen wachsen schnell weiter, Hauptsache sie haben es warm und genug Wasser.

So gefährlich wie Kälte sind auch Starkwindtage. Die Pflanzen sind das nicht gewöhnt, vor allem Cucurbitae knicken leicht. Hausgärten sind da tückisch. Durch die Bebauung wirken sie windarm, aber Böen werden durch die Bebauungslücken kanalisiert und verstärken sich sogar. Gewitter Ende April und Anfang Mai waren früher selten, heute die Regel und sie sind häufig zerstörerisch stark. Nach vielen Verlusten fixiere ich junge Kürbisse/Melonen/Gurken mit Holzstöckchen, das sind Schnittabfälle vom Weinrebenschnitt. Paprika werden von Anfang an an Pflanzstäben festgebunden. Trotzdem brechen sie leicht, wenn sie nicht abgehärtet sind und von starken Windböen angeblasen werden.

Nun kann es losgehen im Freiland. Zur Auspflanzung von Tomaten hier noch einige spezielle Hinweise: https://gartenzone.blogspot.com/2018/03/startschuss-im-frost-fur-die.html

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