Mittwoch, 16. Oktober 2024

Melonen im schwierigen Jahr, neue Sorten

Melonen 2024 - Mangomel, Ogen, Charentais,
Chamoe, Otome, Gandalf

Kein Jahr ohne eigene Melonen - so auch diesmal. Aber so schwierig und schlecht wie dieses Jahr lief es selten mit den Melonen. Naja, nicht ganz. Seltsamerweise waren Wassermelonen nicht so stark beeinträchtigt.

Beginnen wir statt mit Jammerei mit ein paar Sortenerfahrungen, was war neu, was hat sich bewährt, wo gibt es neue Erkenntnisse?



Mangomel

Mehrere Mangomel-Melonen am Zaun, reif und unreif


Die "Mangomel" habe ich nun das zweite Jahr. Die Sorte ist eine englische Züchtung (ja, auch in England werden Melonen gezüchtet), sie bringt zigarrenförmige Melonen mit bis zu 2,7kg, bei Vollreife aussen blassgelb und innen rosa. Am häufigsten ist ein Gewicht von 0,8 bis 1,5kg. Der Zuckergehalt der Melonen im Sommer an gesunden Pflanzen erreicht um die 50° +-5° OE. Das Aroma ist angenehm, durchaus würzig, sie wirkt süsser als der Zuckergehalt vermuten lässt, weil sie auch wenig Säure hat. Von Mangoaroma ist aber weit und breit nichts zu spüren, dies bleibt Verkäuferprosa oder bezieht sich nur auf die Farben. Das Fruchtfleisch ist zart. Das Niveau von Charentaismelonen erreicht sie nicht, aber so einfach im Aroma wie Zucker- oder Honigmelonen ist sie auch nicht. Intensiv genug für ein würziges Meloneneis war sie. Ich vermute, sie ist eine Hybride aus Honigmelone und einer Cantaloupe - eine gelungene Hybride, bleibt festzuhalten. Ihre Vor- und Nachteile aus der Praxis:

Eine fette Mangomel mit 2,7kg



  • auf gutem Boden hohe Kiloerträge. Ich hatte Pflanzen mit bis zu fünf Melonen gleichzeitig dran, weitere Melonen kamen nach Abreife der ersten Ladung. Die Früchte reifen immer leicht folgernd, so dass man nicht an einem Tag fünf reife Melonen hat, sondern mehr oder weniger Abstand zwischen den Vollreifeereignissen herrscht.
  • Sie hält lange durch und zählt zu den Sorten, die an Anfang August (je nach Jahr auch früher) bis in die ersten Oktobertage gute Früchte liefern. Auch bei schlechtem Wetter kann sie süss und aromatisch werden, sie schafft das besser als andere Sorten.
  • Auch gelagert hält sie gut durch, im Kühlschrank ohne Verluste einige Tage.
  • Relativ gesund in Wurzel und Blatt. Melonen sind zwar alle empfindliche Gewächse, Mangomel ist aber auf der besseren Seite. Echten und falschen Mehltau bekommt sie wie die Anderen, das lässt sich verhindern (dazu die anderen Blogbeiträge), weitere Krankheiten waren noch nicht zu beobachten. Auch die Wurzelgesundheit ist gut, es hat noch keine Pflanze schlappgemacht, im Gegensatz zu anderen Sorten am selben Standort.
  • Manchmal löst sich der Stiel bei Reife von selbst, aber nicht immer. Farbe und Duft zeigen aber den Reifezustand immer zuverlässig an. Je nach Wetterlage bekommen die Früchte manchmal Längsrisse, das ist aber mehr ein optisches Problem. Man erntet dann und isst sie bald. Sie faulen deshalb nicht sofort und vor allem gären sie nicht gleich.
  • Seit letztem Jahr ist sie sehr leicht erhältlich, viele Samenverkäufer haben sie im Angebot. Es ist keine Superspezialsorte mehr. 

Die kommt ins Dauerprogramm.

Sweet Granite

Melone Sweet Granite - warme Farbe

Ein hübsches Ding, sehr orange bei Reife, sieht optisch nach Sommer aus. Gesunde Pflanze. Ertrag könnte besser sein. Im Aroma, Fruchtfleisch, Süsse eine Cantaloupe, also ein bisschen würzig, süss, schafft um die 50° OE, der Melonen-Durchschnittswert. Der Schalenbereich ist etwas dick. Dafür kam sie erkennbar gut mit dem schlechten Wetter klar. Reifezeit normal. Gute Anfängersorte und sehr schön.

Sweet Granite halbiert - der grüne Rand ist typisch, auch bei Vollreife
 

Rocky Ford

Melone Rocky Ford in der Hand vor dem Beet

Das ist ein Trumm! Die Melone stammt von 1880 und zeigt einen Stil, der untergegangen ist, denn die Mode hat sich geändert. Ähnliche Sorten waren früher sehr populär, man hat sie nicht nur gegessen, sondern auch eingemacht.

Die Rocky Ford bringt es auf über 4kg. Die Früchte zeigen früh ein wunderschönes Netzmuster, in dessen irregulären Tiefen man sich verlieren kann. Reif werden sie zwei Wochen nach den ersten Frühsorten im August. Dann wird die Melone ockergelb und bekommt einen stärkeren Duft, aber der Stiel löst sich nicht. Die Schale ist fest und bleibt es. Aufgeschnitten zeigt sie hellgrün bis nach innen hin weissliches Fruchtfleisch, überreif wird sie fast etwas mehlig in der Struktur. Süsse ist vorhanden, jedoch nicht vollsüss, nicht sauer. Beherrscht wird sie von einem sehr speziellen Aroma, das ich bei keiner anderen Melone erlebt habe. Es wirkt erdig, etwas seltsam, mein Stil ist es nicht. Zusammen mit der Grösse schafft man es kaum, die Melone auch zu verdrücken.

Melone Rocky Ford halbiert und Schnitze

Früher gab es diese grossen, manchmal sehr grossen Netzmelonen mit begrenzter Süsse häufiger, die "Berliner Netzmelone" ist auch so ein Vertreter, aber noch grösser und noch weniger süss. Sie brachte bis zu 14kg auf die Waage, wurde ebenfalls gerne eingemacht statt frisch gegessen. Andere grosse Netzmelonen sind ganz verloren gegangen oder werden nur von Hobbygärtnern erhalten. Sie alle haben gegen Importmelonen verloren, die handlich und süss aus dem Süden importiert werden, die Bedürfnisse und der Geschmack hatten sich gewandelt.

Rocky Ford - Netzmelone oder Zen-Garten?


Ogen

Grosser Blütenrest


Ganzer Name Ha'Ogen. Auch ein alter Klassiker. Gerne wird behauptet, sie stamme aus einem Kibbuz in Israel. Sie stammt aber aus Ungarn, wurde dann von einem ungarischen Auswanderer in Israel bekannt gemacht. Mit dieser Sorte wurde viel weitergezüchtet, auch Galia-Melonen haben sie im Stammbaum.

Sie reifte spät. Gewicht hatte sie dann 1,5kg, bekam Risse bei Reife, aussen wurde sie gelbgrün mit grünen Rippen, wenn sie reift. Innen grünes Fruchtfleisch, zum Kernhaus hin noch heller. Stiel löste so halbwegs, machte aber ein grosses Loch in der Melone, auch die Blütenseite war recht gross vernarbt. Zuckergehalt und Aroma liegen auf durchschnittlichem Niveau, irgendwie fehlte mir der Grund, sie interessant zu finden. Mit den Nachfolgern ist man besser bedient, meine ich.

Innen Grün

 

Wassermelonen

 
Wassermelone "Otome"
Seltsamerweise gelangen die dieses Jahr besser, wenn man ihnen viel Licht, Luft und Raum liess. Vor allem "Otome" und "Tigrimini" machten sehr viel Spass, die ältere Sorte "Red Star" war auch nett. Tigrimini lieferte auch kräftig. Sie hat kleine Kerne, das Aroma ist gut, fast schon zu süss. Ihre Schale ist ausserdem dünn, sie hat eine gutes Nettogewicht. Werde ich wieder pflanzen.
 
Interessant war dieses Jahr eine Messung, die mehr Licht in die alte Frage bringen sollte "wann ist die Wassermelone reif"? Dazu hatte ich eine Tigrimini auf eine mechanische Waage gelegt und täglich morgens und abends das angezeigte Gewicht aufgeschrieben, über einen Zeitraum von drei Wochen. Zu Beginn der Messung war die Melone schon über 2kg schwer und am Ende liess ist sie sogar überreif werden, um zu sehen wie sich das auswirkt. Die Messdaten waren dann recht interessant. 
  • Gewichtskurve einer Wassermelone
    Tagsüber legte sie wenig bis nicht an Gewicht zu. Die Zunahmen passierten vor allem Nachts.
  • Schlechtes Wetter, Kühle (vor allem Nachts bei 10°C und weniger) bremste die Zunahme, insgesamt verlief das Wachstum aber erstaunlich konstant, langsam zur Reife hin absinkend.
  • Eine Waage ist zur Reifefeststellung tauglich. Sinkt die Gewichtsänderung ein paar Tage auf < 1% Zunahme innerhalb 24 Stunden und bei normalem Wetter, kann man von Reife ausgehen. 
  • Eine leichte Zunahme findet sogar noch statt, wenn sie anfängt zu gären. Doch dann sinkt das Gewicht wieder in der Überreife.
Die anderen Reifemethoden sind natürlich ebenso tauglich - sich an der Gewamtwachstumsdauer im Sommer orientieren, die etwa fünf Wochen ab eigrosser Frucht beträgt. Der Ton beim klopfen klingt hohl-dumpf, wie wenn man auf Gummistiefel klopft. Die Farbe an der Auflagefläche ändert sich von grün zu hellgrün zu gelb zu orange, aber nur wenn sie satt auf dem Boden aufliegt.
 
Melone auf der Waage zur Reifefeststellung
 

Petit Gris de Rennes

Die letzten Petit Gris de Rennes  im September, reif
Die habe ich jedes Jahr, eine meiner Hauptsorten. Dieses Jahr hatte sie Startschwierigkeiten, bekam spät Früchte und auch nicht viele. Der geringe Behang führte dann aber zu Riesenfrüchten, wie ich sie noch nie hatte. 

Diese Sorte habe ich schon öfter beschrieben, die vorgefundenen Eigenschaften haben sich alle bestätigt. Unter den alten Sorten ist das eine gute, zuverlässige, wohlschmeckende Charentaismelone.

 

Charentais

Charentais - höchste Zeit für die Ernte!

Ohne sie geht es nicht und deshalb tauchte sie hier auch schon in vielen Beiträgen auf, zum Beispiel dort. Die alte Sorte ist nicht nur Sorte, sondern auch Namensgeber der ganzen Klasse dieser Melonen, der Charentaismelonen - klein, so würzig wie keine andere Klasse, früh. Eine Mimose, aber auch eine Perle. Kleine Frucht, auch die Pflanze, hält nicht lange durch im Sommer. Aber Anfang August, als es mal etwas besser Wetter war, wurden auch dieses Jahr die ersten reif und sie waren nach wie vor einfach eine unerreichte Spitze. Sie duftet stark, ihr Fruchtfleisch ist kräftig orange gefärbt. Das intensive würzige moschusartige Aroma ist einzigartig, der sehr hohe Zuckergehalt mit deutlich über 60° OE, genau dazu passende Säure, das ist "Charentais". Die Früchte unbedingt früh auf Holzbrettchen legen, da war ich nicht nicht immer konsequent und hatte dann ärgerliche Verluste.

Melone zerteilt fürs einfrieren

Bei dieser Sorte lohnt sich auch, sie einzufrieren, wenn zu Viele gleichzeitig reif werden. Die Melone wird dazu in keine Kugeln zerschnitten und die werden eingefroren. "Kugelausstecher" lautet der Name des dafür geeigneten Werkzeuges. Damit hat man ganzjährig eine erstklassige Zutat für Obstsalate und andere Dinge zur Verfügung. Da Melonen die Tendenz haben, kurze aber heftige Übermengen zu liefern, ist das eine gute Methode, sie haltbar zu machen statt sich an ihnen totzufressen weil sie gerade alle reif wurden oder sie an Banausen zu verschenken, die sie erst wie Supermarktschrott zwei Tage liegen lassen und dann wegen Gärgeschmack nölen.

Gefrierfertig im Gefrierbeutel

Weitere Sorten

Melone "Ananas" im Sonnenglanz, halbiert
 
Das waren "Gandalf", "Ananas", "Chamoe", "Model" und ein paar mehr mit Einzelfrüchten, so dass eine genaue Beschreibung kaum möglich ist. Gandalf war eine Enttäuschung, eine Standardcantaloupemelone ohne besonders gute Eigenschaften. "Ananas" war schön, lecker, aber auch sehr klein. "Model" haben ich jedes Jahr, ebenso wie die koreanischen Chamoe-Melonen, die sogar einen eigenen Artikel im Blog haben. 
Hübsch ist sie, die "Ananas"

Probleme 2024

Erste Befallszeichen falscher Mehltau.
Für Behandlung schon zu spät.

Wie oben schon bemerkt, war dieses Jahr ein elend schlechtes Melonenjahr. Es war der nasseste Sommer seit 20 Jahren, zudem wurde auch ohne Regen jede einzelne Nacht der Taupunkt erreicht - am Morgen tropft es von den Blättern. Dafür ist mein Standort sowieso anfällig und das hat mir früher schon öfter die Ernte verdorben, weil Pilzkrankheiten schneller waren, am meisten falscher Mehltau. Diesmal habe ich rechtzeitig gegengesteuert, aber die Mühe ist ein hoher Preis.

Auch Wurzelkrankheiten wüteten durch den Starkregen heftig. Selbst im abgedeckten gelagerten Pferdemist, der eigentlich gut drainiert, kam es zu absterbenden Pflanzen. Besonders schlimm ausserdem Schäden durch Vögel, auch an anderen Gemüsepflanzen.

Herausgerissen - das war eine Amsel

Amseln hacken an der Wuchsstelle tief in den Boden und reissen dabei Erde und die Pflanzen gnadenlos heraus, weil sie hoffen dort tierische Nahrung zu finden. Meisen und Tauben zerhacken die jungen Blätter. Netze drüberlegen ist bei Melonen Mist. Die Ranken wachsen sofort in die Netze, alles verhakt sich, die Ranken verwachsen statt in die Länge zu gehen. Vogelschäden nehmen von Jahr zu Jahr zu, eine Erfahrung auch aus der Landwirtschaft. Sehr wenige stark opportunistisch lebende Generalisten-Massenvogelarten werden immer häufiger und profitieren auch an den menschlichen Dauerfütterern, während die Spezialistenarten in der komplett anthropogen umgestalteten Landschaft immer seltener werden.


Chamoemelonen wie Eier im Nest

Mittwoch, 25. September 2024

Der neue Dauererfolg: Ölweiden

Wie jeden Sommer war es auch diesmal ruhig im Blog. Massenhafte Ideen, Erfahrungen, Ereignisse jagen sich, aber noch mehr Arbeit steht an, kein Nutzgartensüchtiger schafft es da, noch viel zu schreiben. Aber jetzt gehts weiter und gleich mal mit erfreulichen Erfahrungen:

Reiche Ernte bei der beschirmten Ölweide
Blüten, die duften und Bienen lieben

Zu den Dingen, die dieses Jahr viel Spass gemacht haben, gehören die Ölweiden der Gattung Elaeagnus, die schon länger im Blog ein grösseres Thema sind. Ölweiden sind meiner Ansicht nach unterschätztes Wildobst an der Grenze zum Gartenobst und vor allem sind es Pflanzen, die so hart und anpassungsfähig sind wie keine andere Obstart. Es ist eine der ganz wenigen Obstarten, die mit der stattfindenden Wetterveränderungen klar kommen, während sich ringsum Ausfälle und gigantische Probleme häufen, bis hin zum Wegfall ganzer Obstarten, die nicht mehr ungeschützt anbaufähig sind. Ölweiden tragen dagegen beständig gut, bleiben gesund und sind herrlich zuverlässig. Sie kommen mit jedem Boden zurecht, holen sich Stickstoff über Symbiontenbakterien selbst aus der Luft, breiten sich nicht unkontrolliert aus, sind schnittverträglich, die Früchte lassen sich gut verarbeiten, wenn man weiss wie. Es sind Bienen- und Insektenpflanzen, sie duften, sind streusalzverträglich, hitzeverträglich, trockentolerant und wie dieses Jahr zeigt auch völlig nässetolerant. Das einzige heimische Ölweidengewächs, der Sanddorn, hat diese Vorteile leider nicht, zudem hat er die letzten Jahre durch Absterbeerscheinungen wegen einer noch nicht ganz geklärten Pilzkrankheit von sich reden gemacht. Die endemisch amerikanische Ölweidenart sind die Büffelbeeren, damit habe ich keine Erfahrungen. Sie sind aber stachelig und bilden Ausläufer, Horste, das klingt erst einmal nicht sehr angenehm.

Die Sträucher der vielblütigen Ölweide Elaeagnus Multiflora mit ihren verhältnismässig grossen und frühreifenden Beeren im Frühsommer tragen mittlerweile gut, allerdings zeigt sich auch, dass sie in unserer Gegend zwingend vor Vögeln geschützt werden müssen, die sonst schnell alles wegfressen. Der Hit dieses Jahr war aber wieder die Schirm-Ölweide Elaeagnus Umbellata, sie hat keine Vogelprobleme, aber ihre Früchte sind kleiner und spät, sie werden erst im Herbst richtig reif, rot sind sie schon vorher.

Vielblütige Ölweide mit normalem Fruchtbehang


Ernte von Schirm-Ölweiden

Ältere Sträucher haben grössere Beeren

Mittlerweile sind hängende Äste der älteren Sträucher so gut mit Früchten besetzt, dass man mit einer schnellen Erntetechnik sehr erfolgreich ist. Wartet man bis zur Vollreife (dieses Jahr 22.9.) und wird nicht nervös, weil scheinbar schon viele Beeren herabfallen (das beginnt schon Wochen vorher), kann man mit Eimer und simplem abstreifen eine enorme Pflückleistung erreichen. Ich brauchte damit für fünf Kilo keine halbe Stunde mehr. Das schafft man bei keiner Johannisbeere und auch die viel grösseren vielblütigen Ölweiden kann man nur langsamer pflücken. Eimer ans Handgelenk hängen, eine Hand hält den Ast fest, die andere streift die Früchte ab und in den Eimer. Oder alles abstreifen und mit einem Vlies auf dem Boden nachher alles zusammenschütten. Die Zeit, anschliessend Ästchen und Blätter auszusortieren, kommt aber noch hinzu, mit einem groben Stieb geht es schneller sofern man hat. Ein grösserer Einzelstrauch hatte gut und gerne zehn Kilo Fruchtbehang netto, dabei hatte ich ihn immer wieder zurückgeschnitten, frei wachsende Sträucher können noch weit mehr tragen. Mit Einzelbeeren pflücken habe ich mich dann nicht mehr abgegeben, es hängen sicher noch ein paar Kilo oben.


Verarbeitung von Ölweiden

Ein Teil der Rohware

Nach dem Durchprobieren mehrerer Ideen läuft das nun ebenfalls mittels verschiedener Methoden sehr effizient. Die kleinen Beeren sind kein Nachteil mehr, sondern haben sogar Vorteile. Dieses Jahr konzentrierte ich mich auf Saft und Gelee daraus. Dafür gibts es einen tollen Trick. Ich habe die Früchte einfach in einem grösseren Mixbecher eines Pürierstabes zur Maische verarbeitet. Der Pürierstab hat nämlich eine Geschwindigkeitseinstellung und die steht auf niedrig, sodass sofort eine herrliche rote Maische entsteht, aber die Kerne nicht mit zermust werden. Bei hoher Geschwindigkeit würden sie vom Messer zerschlagen. Alles bleibt flüssig genug, um bei leichter Schräghaltung in Bewegung zu bleiben und homogen zu werden, ohne Zellschlamm zu produzieren. Diese Maische hat die ideale Konsistenz zur Sofortpressung, ohne weitere Zwischenschritte. Mit dem Handpressbeutel bekommt man eine Ausbeute von 60-70% hin, die Maische lässt sich leicht und schnell abpressen. Grössere Mengen gehen problemlos auch in anderen Pressen, etwa einer Hydropresse. Der Saft wird rosa, bleibt er stehen, trennt er sich in eine rote und in eine beige Phase. Das ist bei Ölweiden immer so. Der natürliche Zuckergehalt liegt bei >70°OE, maximal 80°, wenn sie reif waren schmeckt der Saft im Mund kräftig, hat noch Gerbstoffe unter Rotweinniveau, angenehme Säure, das Aroma geht frisch Richtung roter Johannisbeere, wirkt aber voller, satt machender. Gelee daraus entwickelt sich geschmacklich mit Lagerung immer mehr Richtung Sanddorn, so kräftig wird es natürlich nie, aber die Aromarichtung stimmt. Eis aus Ölweiden aus der Eismaschine ist auch angenehm, gefriert aber spät.

Den Saft habe ich heisssteril in Flaschen gefüllt. Zweifellos lassen sich daraus noch weitere interessante Produkte herstellen, diesmal ging es mir jedoch um eine Effizienzsteigerung und Vereinfachung in der Herstellung. Aufgrund der grossen Erntemenge war das sehr geboten.

Der Mixbecher mit Messer des Pürierstabmotors
Beeren im Mixbecher
Nach zwei Minuten püriert, Kerne ganz geblieben
Das rohe Püree mit Kernen
Saft pressen mit dem Pressbeutel
Saft zur Abfüllung abkochen

Ausgepresster Trester. Kerne unbeschädigt.

Ölweidengelee im Durchlicht - hat was von Blutplasma. Geliert gut ohne weitere Säurezugabe.

Fast unvermeidliche Phasentrennung des Safts

Alternativwege habe ich auch beschritten, zum Beispiel die Beeren eingefroren, um so wie bei Schlehen vielleicht damit Gerbstoffe zu senken, um damit leichter eine Maische herstellen zu können weil sie nach dem Auftauen dann weich werden und schliesslich, um nach der Ernte nicht gezwungen zu sein, alles sofort zu verarbeiten. Tatsächlich werden die wieder aufgetauten Früchte sehr weich, man kann sie mit der Hand mühelos zerquetschen. Der Gerbstoffgehalt liess sich nicht weiter senken, störte auch nicht. Schlimmer war aber die Konsistenz der Maische; sie bekam eine schlammigere Struktur, die sich nicht mehr gut pressen liess. Erst nachdem ich sie einen Tag mit dem pektinabbauenden Enzym Pektinase stehen liess, klappt es problemlos. Was Schwachsinn ist, wenn ich mit dem Mixbecher eine erstklassig pressbare Maische herstellen kann, ohne vorher einzufrieren. Nicht Schwachsinn ist, die Maische statt sie zu pressen durch ein Sieb oder eine flotte Lotte (=Passiermühle) zu streichen, um die Kerne zu entfernen. Hier zeigt die Gefrierversion ein stabiles rotes Mus, das sich nicht so leicht trennen lässt, das optisch mehr hermacht wie das Mixer-Mus. 

Fassen wir zusammen: Für Saft sofort mit Mixer zermusen und pressen, für Mus/Pürree einfrieren, mixen und durch passieren. Das Mus hat auch ein etwas anderes Aroma. Mir persönlich schmeckt das Gelee besser als die Marmelade aus Mus, das noch Nebenaromen hat. In Gebäck, für Müsli und Dessert ist Fruchtmus brauchbarer.

Simpler Fruchtquark mit Ölweidenmus und Zwetschgenstücken

Ölweiden-Joghurt

Ölweideneis

 

Aussaat

Sämling, Zufallsaufgang

Direkte Aussaatexperimente habe ich noch nicht gemacht. Es tauchen aber gelegentlich einzelne Ölweidensämlinge im Garten abseits der Sträucher auf. Eher selten. Interessanterweise gibt es aber keinerlei Sämlinge um die Sträucher herum. Direkt herabgefallene und auch mit Erde bedeckte Samen keimten nie. Das beweist, dass es von grossem Vorteil ist, wenn Ölweidensamen erst durch einen Vogel hindurch gehen, um dann zu keimen. Man könnte das mit Vergären und Auswaschen teilweise simulieren, wie es auch bei anderen Pflanzen manchmal hilft. Ausserdem beweist es, dass der hiesige Winter gegenwärtig nicht zur Zerstörung der Keimfähigkeit führt, Frost also ein Stück weit ausgehalten wird, vielleicht ebenfalls nötig ist - Stratifikation.

 

Weitere Arten

Möglicherweise rückt auch die schmalblättrige Ölweide Elaeagnus Angustifolia in den Anbaubereich. Sie wächst zwar immer schon gut in Deutschland, ist eine grössere Art wie die anderen Ölweiden, aber trägt bisher selten Früchte. Allerdings ist das schon ein kleiner Baum. Weiter im Süden ist es dagegen auch eine Obstpflanze, deren Früchte gerne getrocknet werden und geschätzt sind. Noch mehr Arten warten auf ihre Entdeckung: Die grossblättrige Ölweide Elaeagnus Macrophylla und Elaeagnus glabra könnten auch in unserem Klima wachsen. Beide blühen im Herbst mit duftenden Blüten und haben im Frühjahr rote Früchte bis 2 cm Länge. Die schon lange hier vermehrte "Wintergrüne Ölweide" ist dagegen eine Hybride mit Macrophylla-Beteiligung; wenn sie Früchte hat, sind sie nicht sehr attraktiv.

So oder so: Bereits die schon länger etablierten Ölweiden-Arten sind absolut anbauwürdig. Interessante Fruchtsorten der Vielblütigen Ölweide aus Südkorea sind noch nicht einmal in Europa verfügbar. Und wenn man mit den Früchten nichts am Hut hat, so sie sind immer noch als schöne, gesunde Hecken- und Zierpflanzen voll tauglich.

Ölweidensaft. Wer will, kann vorher dekantieren.


Ölweidensaft aus gefrorenen Früchten, mit Pektinase behandelt. Sieht aus wie Apfelsaft.



Donnerstag, 4. Juli 2024

Gesetzlich verbotenes Unkraut im Nutzgarten

Seit Jahren kämpfe ich mit einem speziellen Unkraut, sowohl im Hausgarten als auch im Aussengarten. Soweit nichts Besonderes, ausser bei einem Punkt: Der deutsche Staat hat dieses Unkraut verboten. Aber eigentlich ist es eine verwilderte wertvolle Nutzpflanze für den Nutzgarten und fürs Feld, eine der Ältesten, die die Menschheit hat, auch in Europa schon seit 6000 Jahren in Kultur. Vor allem in Süddeutschland werden jetzt Viele wissen, um welche Pflanze es geht. Um Schlafmohn, papaver somniferum.

Schlafmohn, offensichtlicher Zufallsaufgang vor Jahren in einem Garten (nicht meiner)


Schlafmohn im Nutzgarten

Den kennt jeder. Klatschmohn.
Im Pollensammelrausch

Schlafmohnpflanzen wachsen in vielen Gärten wild und auch oft auf Ruderalflächen. Ich habe sie schon überall gesehen. Sie sind absolut anspruchslos, ausserordentlich gesund und gedeihen auf jedem Boden. Unkraut. Eine Menge Leute kennen ihn nicht einmal, irgendein Mohn eben, es gibt ja endlos viel davon. Klatschmohn mit seinen leuchtend roten dünnen Blüten kennt man noch eher und im Garten auch bunte Ziermohnarten, manche im Westen der USA heimisch, manche in Eurasien. Der Schlafmohn fällt da gar nicht auf. Im Frühling geht er unscheinbar von selbst auf, strebt schnell bis auf durchschnittlich einen Meter in die Höhe, dabei erzeugt er mehrere Blütenstände. Im Frühsommer erscheinen die Blütenknospen, dann blüht er, meist blassviolett (es gibt weisse, gelbe, rote Varianten) mit dunklem Blütenblattfleck - jede Blüte ist nur ein paar Stunden offen, bevor sie verblüht. In dieser Zeit bietet Mohn den Insekten sehr viel wertvolle graue Pollen, aber keinen Nektar. Auf die Pollen fliegen Viele, vormittags summt und brummt es in den Blüten, Bienen, Hummeln, grosse und sehr kleine Wildbienenarten, ja sogar die fetten Holzbienen holen sich dankbar die Pollen, denn um diese Jahreszeit herrscht bereits wachsender Pollenmangel. Pollen enthält Proteine, die als wichtigste Nahrung für Wachstum und Vermehrung der Insekten dienen. Reine Nektarsucher wie zum Beispiel Schmetterlinge besuchen die Blüten dagegen nicht.

Knospen, Blüten, Kapseln

Die Herrlichkeit einer Blüte ist schnell vorbei, aber durch die vielen Blütenknospen blüht immer Mohn, fast den ganzen Sommer lang. Nach der Blüte verbleiben die bekannten grünen Kapseln mit den Samen drin, sie reifen ab Mitte Juli, können dann geerntet werden, wenn sie nicht schon durch Wind und Bewegung von selbst ausgestreut wurden, denn es sind nur Wildlinge. Alle kommerziell angebauten Sorten haben Kapseln, die die unerwünschte Selbstaussaat verhindern. Die Mohnkapseln sind sehr dekorativ und die Samen sind Grundlage für das hochwertige Mohnöl oder erstklassigen Backmohn. Die Körner sind viele Monate haltbar, vor der Verwendung müssen sie noch gequetscht oder gemahlen werden und dann sofort verwendet. Für die Backmohnverwendung sind auch Wildlinge absolut tauglich. Eine mittelgrosse Kapsel der Wildlinge enthält rund zwei Gramm Samen. Mit 100 Kapseln bekommt man also 200 Gramm Samen zusammen. Eine Pflanze hat mehrere Blüten und Kapseln, schon mit 10-20 Pflanzen berkommt man brauchbare Mengen für diew Küche. Opiate enthalten die Samen nur in unwirksamen Spuren, sofern keine anderen Pflanzenteile mit dabei sind, sie also gut gerntet und gereinigt wurden. Für eine Backmohn-Eigenzubereitung können sie einfach ausgesiebt werden. Samenkapseln, andere Pflanzenteile, der milchige Pflanzensaft können dagegen auch Opiate enthalten. Das gilt generell für alle Grau- und Weissmohnsorten und Wildlinge, während das starke Zeug, die Opiumsorten in Südasien auch Alkaloide in den Samenkörnern haben kann. Die wachsen im hiesigen Klima aber gar nicht, bringen hier nichts.

Mohnsamen von ein paar Kapseln


Aufmachen, Polizei

Es gibt ihn auch wild in stärkeren Farben
Kapsel mit unreifen Samen. Rund 1000 pro Kapsel.

Aber, ach. Wie auch in anderen Dingen herrscht bei Mohn in Deutschland ein aufgeregter, herrschsüchtiger Verbots- und Kontrollzwang, der sich und vor allem seine Vertreter selbst lächerlich macht. Am Mohn ist alles verboten, nicht einmal trockene Kapseln dürfen gehandelt werden. Die Pickelhauben-Oberlehrer-Besserwisserei existiert hingegen in England, Österreich, der Schweiz und den meisten anderen europäischen Ländern nicht, dort ist ist der Anbau von Schlafmohn sehr wohl zulässig, manchmal beschränkt auf Mengen und Sorten. In Simbach verboten, hinter der Grenze in Braunau legal. Felix Austria. Auf wundersame Weise herrscht dort deswegen keineswegs mehr Missbrauch und Abhängigkeit durch bösen Mohn im Hausgarten. Verboten ist dort überall nicht der Anbau, sondern die Suchtstoffherstellung. In Deutschland benötigt dagegen sogar der Hobbygärtner für eine einzige Pflanze im Hausgarten eine behördliche Genehmigung. Genehmigt wird ausschliesslich eine Kultur bis zu 10 Quadratmetern, sie gilt für drei Jahre und kostet satte 95 EUR Gebühren (dafür kann man fast 20kg importierten Mohn kaufen), denn wie alle Bürokraten will diese unproduktive Kaste für ihren ungefragt verordneten Mist auch noch bezahlt werden. Genehmigt wird ausserdem aussschliesslich die Sorte "Mieszko"oder "Zeno Morphex". Hübsche Sorten, Ziersorten, wie sie in England sehr beliebt sind oder all die schönen gefüllten Sorten werden nicht genehmigt. Und sogar noch mehr: Findet jemand wild aufgegangenen Schlafmohn in seinem Garten, ist er verpflichtet, ihn mit Stumpf und Stiel auszurotten, wer jetzt ein knackig rollendes "r" im Befehlston hört, der hört korrekt.

Riesiges Schlafmohnfeld zur Samenproduktion
in der Provinz Seeland / Niederlande

Grundlage ist das Betäubungsmittelgesetz § 29 und §29a, Höchststrafe für derlei Verbrechen 15 Jahre. Hat man den mit ein paar Pflanzen im Garten, wird es sehr schwierig, einem Richter klarzumachen, dass es sich nicht um Anbau handelt, sondern um nicht angebauten Wildwuchs. Beschäftigt sind damit neben der hochbezahlen Juristenkaste allerlei Bundesämter, die stetig irgendwelche Risikobewertungen und viel weiteres Gelaber hinauspumpen und sich damit selbst als wichtig erhöhen, während gleichzeitig ringsum in Europa kaum einer Probleme mit ein paar Pflanzen im Garten hat. Seltsamerweise wurde gleichzeitig jahrelang ein riesiger Bohei um Hanf gemacht, dann mit Pauken und Trompeten sage und schreibe drei Pflanzen erlaubt, vom im Nutzgarten viel nützlicheren Mohn redete kein Mensch, obwohl dort die Rechtslage in Europa immer schon viel eindeutiger pro Pflanze ist und das wohlbegründet.

Narbenrest an der Kapsel

Dabei enthalten diese Mohn-Gartenwildlinge keineswegs nennenswerte Opiatmengen. Die kommerziellen Graumohn- und auch die Alkaloidsorten haben viel grössere Samenkapseln, die die Samen zudem nicht oder nur schwer von selbst ausstreuen oder bei der Ernte aussamen, denn das wäre ein gewaltiger Verlust für den Anbauer. Das "Argument", man könne schliesslich Opiatsorten unter die opiatfreien Sorten schmuggeln, ist eine dreiste Lüge, denn an diesem Kapselbau ist sofort zu erkennen, ob es ein Wildling ist. Der Opiummohn hat ausserdem helle Blüten, die Kapseln sind dreimal so gross wie unsere ungezüchteten Wildlinge, die zudem wie in allen nördlichen Gebieten sowieso nur geringe Alkaloidgehalte erreichen. Auch bei importiertem Mohn (der heimische Anbau wird und wurde ja trotz langer Tradition mit aller Staatsgewalt weitgehend blockiert) ist die Streubreite gross, ständig wird Backmohn teuer analysiert, dabei hatte mal Ware aus Australien den höchsten Alkaloidgehalt, die aus Österreich, Tschechien den Niedrigsten. Erwiesen wurde in der Arbeit von BAJPAI et al. (2000), dass grosse Kapseln, weisse Blüten, wenig Samen in Zusammenhang mit einem hohen Alkaloidgehalt stehen. Unsere Wildlinge haben keine dieser Eigenschaften. Interessant auch die Arbeit von Dittbrenner über die hohe intraspezifische Diversität von Schlafmohn. Mohn = Droge und zu hohe Risiken ist ganz einfach falsch.

Wie wird man zum Verbrecher?

Mitkommen, sie sind verhaftet

Wer zum Straftäter werden will und mal sehen wie das geht mit der Opiumherstellung, jätet kein Unkaut. Und noch mehr kann man leicht probieren, auch wenn dabei nichts Verwertbares und schon gar keine Mengen entstehen, die irgendeinen Wert haben. Die klassische Methode fürs Opium ist, unreife Kapseln schräg von oben nach unten anzuritzen und einen Tag später den ausgetretenen und angetrockneten Milchsaft mit dem Messer abzuschaben. Damit können ein paar Milligramm der schwarzbraunen Kruste gewonnen werden, die nachfolgenden Reinigungsschritte sind aber aufwendiger. Wie hoch der Alkaloidgehalt ist und wie er sich zusammensetzt, ist dabei zu keinem Zeitpunkt mit Hausmitteln festzustellen, man weiss nicht was man eigentlich bekommt. Neuzeitlicher werden einfach die trockenen ganzen Pflanzen gehäckselt und dann mit einem organischem Lösungsmittel (zum Beispiel Alkohol) ausgelaugt. Die entstehende Lösung wird dann konzentriert. In Wasser sind die Alkaloide schwer löslich. Generell haben aber synthetisch hergestellte Opiate und andere synthetische Rauschmittel das "Naturprodukt" schon sehr lange sehr gründlich überflügelt. Drogenküche schlägt Acker um Längen. Und Garten sowieso.

Und wem zufällig Unkrautsamen in eine löchrige Tasche hüpfen, der sollte keine Spaziergänge machen, vor allem nicht an Verkehrsinseln, Polizeistationen, Gerichten, bei Wichtig-Wichtig Majestäten vorbei. Nicht, dass dann Samen dieser streng verbotenen Höllenpflanze auf die Erde rieseln, Deutschland würde im Opium-Drogenrausch versinken, eine Insel der Unglückseligen.

Der traurige Rest in der Landwirtschaft

Mohnblätter mit Nanobeschichtung

Der landwirtschaftliche Anbau in Deutschland ist wie gesagt trotz der alkaloidarmen Sorten mehr als bescheiden aufgrund der Bürokratenlast durchgekallter Behörden. Aber die Pflanzen sind als Feldfrucht vor allem zur Blütezeit Anfang Juni herrlich anzusehen und fallen aufgrund ihrer hiesigen Seltenheit auf. Mohnfelder bringen es sogar zu Zeitungsartikeln. Als dieses Jahr ein Landwirt unserer Region wieder ein genehmigtes Feld hatte (für das gesunde und wohlschmeckende Mohnöl und Backmohn), sprach sich das herum, ganze Scharen kamen angefahren, um sich dort im Mohn fotografieren zu lassen und zertrampelten dabei Pflanzen, so dass der Landwirt eigens eine Stelle für gute Fotos einrichtete, um die Menge zu lenken. Mohn ist als Feldfrucht nicht nur lecker, sondern auch hübsch und zusammen mit Raps eine der ganz wenigen heimischen Kulturen auf den Feldern, deren Blüten Insekten viel Nahrung bieten. Jedenfalls nach positiv beschiedener behördlicher kostenpflichtiger Genehmigung.


Insekten lieben Mohn

...auch bei Regen hochattraktiv


Samstag, 1. Juni 2024

Obsternte an der Nordwand

Die Gewinnerpflanze ist...

Nutzgärtnern sind ihre Gärten meistens viel zu klein. Meiner auf jeden Fall. Zu den verschiedenen Tricks, noch Platz für leckere Dinge herauszuschinden (siehe https://gartenzone.blogspot.com/2019/08/nutzgarten-zu-klein-was-tun.html), gehört auch die Nutzung ungünstig gelegener Bereiche, zum Beispiel unvermeidliche Wände Richtung Süden, Richtung Sonne. Vor der Wand, also auf der Nordseite dann logischerweise: Starke Verschattung. Nachbars Garage, ein Gartenhaus, das Wohnhaus, die Mauer - nordseitig lassen sich zwar oft noch ein paar Kräuter und manchmal die wenigen dafür geeigneten Gemüsesorten anbauen (gibt es aber, Erfahrungen damit in einem eigenen Beitrag), Blumen sowieso, aber was ist mit Obst? Essbares? Geht das nur, wenn das Gehölz so hoch wird, dass es die Nordwand überragt? Kommt es überhaupt hoch? Gehen wir ein paar Arten durch:

Stachelbeeren

Schattenstachelbeeren, sauer und kleiner

In Büchern werden Stachelbeeren als die Obstart beschrieben, die am wenigsten Sonne braucht, sie würde auch im Halbschatten noch wachsen. Nach vielen Jahren mit Stachelbeeren unter lichten Bäumen, im Halbschatten einer Mauer ist zu sehen: Die Aussage ist richtig, aber so sinnentstellend, dass sie wertlos wird. Tatsächlich zeigen Stachelbeeren Wachstum in schattigen Bereichen, sie gedeihen so halbwegs, aber bereits Teilverschattung führt zu schwachen Erträgen und mieser Beerenqualität. Der Fruchtansatz ist gering, die Beeren bleiben klein, reifen spät, behalten grüne Töne, sie bleiben zu sauer und aromaarm. Wozu also? Bestenfalls sind sie noch etwas für einen Anbau im Topf auf einem Nordwest oder Nordostbalkon.

Akebien

Auch diese Schlingpflanzen sollen mit Schatten klarkommen. Es gibt zwei Arten, beide habe ich ausprobiert, die fingerblättrige Akebie (Akebia quinata) und die kleeblättrige Akebie (Akebia trifoliata). Letztere hat meiner Ansicht nach leicht schönere, grössere und besser schmeckende Früchte, so richtig brauchbar sind sie aber auch nicht. Auf einer verschatteten Pergola gezogen soll es klappen, aber bei mir kamen die Pflanzen im Schatten nicht hoch. Deshalb auch kein Foto, obwohl ich beide Arten ausprobiert habe. Sie brauchen eine Rankmöglichkeit und mehr Licht, bis sie wenigstens etwas Höhe erreichen.

Kiwi

Amur-Strahlengriffel, eine der dekorativsten Arten

Jetzt wird es interessanter. Drei Kiwiarten können auch in Deutschland kultiviert werden. Actinidia deliziosa in Gegenden mit langem Herbst, die bringen hühnereigrosse, behaarte, grünfleischige Früchte, bekannt aus dem Supermarkt. Am beliebtesten im Garten sind Actinidia Arguta, die kleineren, glattschaligen Kiwibeeren. Weniger bekannt und manchmal als seltene Zierpflanze gesetzt ist die dritte Art: Actinidia kolomikta, der Amur-Strahlengriffel oder der "bunte Strahlengriffel". Dieser Art hat auch glatte Beeren, die sind aber noch kleiner als die der bekannten Kiwibeeren, ansonsten gleich aussehrend. Und sie sind früher reif, nämlich schon ab Ende August. Sie fallen von selbst von der Pflanze, wenn sie ganz reif sind. Das Aroma ist okay, aber nicht weltbewegend, ähnlich der Kiwibeere, auch die Nutzung ist ähnlich - frisch essen, Mamelade. Ihr Vitamin-C Gehalt ist sehr hoch. Nachteile hat sie auch, sie ist in Winterruhe zwar absolut frosthart, aber fast noch spätfrostempfindlicher wie die Kiwibeere, der Fruchtansatz ist auch deutlich geringer. Wie alle anderen Strahlengriffel ist sie nicht selbstfruchtbar, man benötigt mindestens zwei Pflanzen, eine männliche und eine weibliche Pflanze. Eine Befruchtung durch Actinidia arguta - Kiwibeeren funktioniert nicht, schon die Blütezeiten sind unterschiedlich, Kiwibeeren treiben zwar ebenso früh, aber blühen später, oft erst im Juni. Gegen Frost hilft das weder bei der einen, noch bei der anderen Art nichts, da die empfindlichen Knospen und der weiche, saftige Austrieb schon früh im April erscheinen.

Weibliche Blüten von Actinidia kolomikta

Und sie ist die schattenverträglichste Obstart, die ich je hatte und habe. Als besonderen Bonus zeigen viele Sorten ein herrliches und buntes Laub: Grün, weiss, rötlich. Damit klappt es zudem endlich, der optisch sehr negativen nachbarlichen Garagenwand auf der Grundstücksgrenze exakt Richtung Süden ein hübsches, pflanzliches Kleid zu geben und dazu noch etwas zu ernten.

Frostschaden an Kiwi

Der Weg dorthin ist allerdings nicht so einfach. Alle Kiwis sind Schlinger, man benötigt ein Gitter, an dem sie hochranken können. Das ist an einer Mauer aber zu machen. Sie sind spätfrostempfindlich, glücklicherweise kann man sie an einer Wand vor Frostnächten leichter zuhängen. Die Nordseite bewahrt sie nicht vor frühem Austrieb, eine Verzögerung ist deshalb nicht festzustellen. Das wäre ein schöner Bonus gewesen. Und speziell der Amur-Strahlengriffel braucht auch noch konsequent feuchten Boden, erst ältere Pflanzen sind trockenverträglicher. Sie wurzelt flach, da deshalb die oberen Bodenschichten nicht austrocken sollten, ist permanentes mulchen rund um den Trieb angebracht. Man darf die Geduld nicht verlieren, nach dem einpflanzen kann es Jahre dauern, bis sie schliesslich in die Höhe will. Bei mir schafft sie insgesamt drei bis vier Meter, zwei Meter rauf und zwei seitlich, weiter will sie hier nicht wachsen. Sie spriesst wirr wie Knöterich, Kiwibeeren sind genauso, aber grösser.

Die schlimmste Wand wird schöner

Ihre Blätter haben hohen Zierwert. Iegendwo steht, männliche Pflanzen wären schöner, kann ich nicht bestätigen. Die schönste Sorte bei mir ist "Dr.Szymanowsky", die ist weiblich. Andere Sorten mit gewisser Verbreitung sind "Sentyabraskaya" (=September Sun), Pautske aus Litauen und die neuere "Vitakola", die ich auch habe. Dazu das Männchen in der Mitte - Sorte "Adam" und auch hübsch. Die schönsten Farben kommen erst bei älteren Pflanzen, also nach der Pflanzung nicht ungeduldig werden.

Weitere Arten

Vorgeschlagen werden auch Schattenmorellen, Erdbeeren oder Johannisbeeren. Schattenmorellen werden ohne Sonne noch moniliaanfälliger als sie ohnehin schon sind. Erdbeeren und Johannisbeeren bleiben sauer und haben kaum Aroma, wenn überhaupt ein Fruchtansatz da ist. Mindestens lichter Halbschatten wird verlangt. Generell sind aber alle Bäume möglich, wenn sie über den Schatten nach oben hinauswachsen können. Das ist dann aber keine Schattenverträglichkeit, sondern die Fähigkeit, mit Höhenwachstum dem Schatten zu entkommen.