Wer gerne nutzgärtnert, träumt früher oder später von "Selbstversorgung" in den meisten Monaten des Jahres. Wirkliche Selbstversorgung mit Lebensmitteln ist natürlich ein völlig utopischer Traum, für Grundstoffe wie Getreide, Öl und tierische Produkte wie Butter oder Milch, benötigt man wenigstens eine Kleinlandwirtschaft und viel, viel Zeit, dazu viele solide Kenntnisse jenseits von Smartphone-Tipperei. Selbst die Versorgung mit Kartoffeln und Obst stossen in 400-800qm grossen Hausgrundstücken schnell an enge Grenzen. Aber Gemüse und Obst von Juni bis Dezember, Hühnereier, das geht wenn die Familie nicht zu gross ist.
Tricks und Methoden für gute Nutzung
|
Zentral plazierte eingeschossige Verwinkelungen oder grundstücks- orientierte Optimierung - ein Riesenunterschied für den Garten
|
Auch unser Garten ist mir viel, viel zu klein. Das Grundstück ist ca. 700 Quadratmeter gross, das Wohnhaus stammt aus den frühen 1970er Jahren und wurde weder sinnvoll im Grundstück plaziert (wofür ein gemeindetypisch peinlich-vollidiotischer städtischer Bebauungsplan mitverantwortlich war) noch mit Verstand geplant. Es verbraucht viel wertvolle Fläche für wenig Wohnraum, weil ein Dach-Halbgeschoss zwar gebaut werden musste, aber trotz grosser Baumasse wegen zu niedriger Decken nicht bewohnbar sein kann - das wurde vom Bebauungsplan erzwungen. Das Dachgeschoss ist 30cm zu niedrig, Schuld ist die Gemeinde, dazu noch Architektenfehler. Bei allen Nachbarhäusern war man ein bisschen schlauer, wenn auch nicht schlau, wenigstens missachtete man dort einige Bebauungsplanvorschriften gerade so, dass die Gebäude immerhin besser nutzbar wurden. Aber so ist es nun einmal geworden, Umbau wäre im Prinzip ein Abriss - ist Gartenfläche einmal zerstört und zubetoniert, ist sie für immer kaputt. Ich versuche, das Beste aus den Resten zu machen. Wir haben das so getan:
|
Gartenwege nur im nicht anders nutzbaren Traufbereich
des Hauses, Holzbretter im Nutzgarten |
Keinen Krempel im Garten, keine festen Wege ausserhalb der Traufe des Hauses, kein Beton, keine Hüttchenbauerei. Das benötigt alles Platz, schafft neue dunkle Ecken, zerteilt Kleines in sehr Kleines. Um durch die Beete zu gehen, legen wir simple schmale Holzbretter im Abstand von 2m auf, Überreste der Renovierung. Die lassen sich leicht wieder wegnehmen und ersetzen. Der Abstand beträgt deshalb 2m, weil man etwa einen Meter weit ins Beet greifen kann. Da man das von zwei Seiten her tun kann, ist mit 2m also alles hinreichend bequem pflanz- und erntbar.
- Auch weniger gut besonnte Bereiche konsequent nutzen. So wachsen bei uns auch auf der Nordseite des Hauses Nutzpflanzen, sogar Gemüse. Entweder es verträgt artbedingt Halbschatten wie zum Beispiel Mangold, Pflücksalate oder es hat eine kurze Vegetationszeit und wächst in den drei Sommermonaten mit hochstehender Sonne, die auch die Nordseite ganz besonnt. Kräuter wie Minze, Melisse, Sauerampfer, Rauke ziehen sogar Halbschatten vor. Man kann dort auch in die Höhe gehen: An Drähten gespannt wachsen Minikiwis, an der Rückwand des nachbarlichen Schuppens werden Tafeltrauben bis 3m hochgezogen, an der Koniferenhecke des anderen Nachbarn streben zwei Pawpaws hoch. Die leichte Beschattung wird von den Nachbarn akzeptiert, wachsen doch bei ihnen sowieso nur sterbenslangweilige Koniferen, Gebäude oder Architektenpetersilie wie Forsytien und ähnliche biologische Wüsten mit Neophyten.
- Auch sehr kleine Bereiche sind ungeheuer wertvoll, wenn sie gut liegen. Auf einem nur 30cm breiten freien Reststreifen zwischen unserer und der Garageneinfahrt des Nachbarn wachsen zwei Tafeltrauben. Es ist schmal, dafür herrscht dort volle Sonne und leichte Erreichbarkeit. Unten am Boden gedeihen eine Stachelbeere und eine weitere essbare Ribes-Art. Vier reichtragende Obstpflanzen auf winziger Fläche.
- Zierende Nutzpflanzen statt nutzlose Zierpflanzen! Reine Zierpflanzen und ein ungenutzter Vorgarten müssen nicht sein. Unter den Obstgehölzen gibt es äusserst schöne, zierende Arten, die auch von der Grösse her sehr gut in Vorgärten passen. Beispiele: Mispeln mit ihrem herrlichen Blüten- und Fruchtschmuck sowie tropisch wirkenden grossen Blättern oder Quitten, Nanking-Kirschen (Prunus tomentosa) als niedriger Busch, Pfirsiche, Ölweiden als Hochbusch, Kornelkirschen, Duft-Johannisbeere, praktisch das gesamte Wildobst und vieles mehr.
- Den Boden in gutem Zustand halten. Flächenversiegelung gleich welcher Art ist tabu. Regenwasser muss überall in den Boden kommen können statt zur Kläranlage abgeleitet zu werden. Das Obstgehölz daneben mit seinen Wurzeln unter Rasensteinen statt Betonplatten wird es danken. Eine Bodenuntersuchung machen lassen, entsprechend den Ergebnissen düngen. Auf kleiner Fläche kann man sich keine Böden leisten, die aus dem Gleichgewicht sind. Bewässerung ist ein Thema, das von Jahr zu Jahr wichtiger wird, weil die häufiger gewordenen Wetterextreme für immer mehr Ernteausfälle sorgen. Immerhin kann man bei anhaltenden Trockenphasen in einem Hausgarten gegensteuern. Wir haben einen Regenwassertank - unter der Terrasse, so dass kein Platz verschwendet wird.
- Kleinbleibende Obstbäume (wir haben Dank dem Vorbesitzer eine alte Reihe mit Birnen auf schwachwachsender Unterlage), Nutzung von Fassaden für hochleitbare Pflanzen wie Akebien, Wein, Kiwis, das sind altbekannte Taktiken. Grosse Bäume stehen lassen (wir haben eine alte Kirsche), aber keinesfalls solches Obst nachpflanzen. Baumobst freistehender Bäume ist etwas für Obstwiesen. Beerenobst und Obstspaliere passen besser in den Hausgarten.
- Ebenso altbekannt bei Gemüse sind gute Fruchtfolgen. Nach den Radieschen Frühkartoffeln, danach Radicchiosalate. Ein Beet, drei Ernten. Die in den letzten Jahren verlängerte Vegetationszeit kommt uns dabei entgegen. Eine interessante Erweiterung dieses Prinzips ist, überlappende Kulturen zu pflanzen. So werden im zeitigen Frühling Salat, Radies, Kohlrabi & Co aufs Beet gesetzt / gesät, dann kommen Anfang Mai vorgezogene Paprika oder Tomaten dazwischen. Der Salat wächst weiter, kann noch gross werden bis die Tomaten im Juni gross und schattenwerfend geworden sind. Auch Winteranbau nutzen!
|
Kürbisranken aufs Garagendach |
- Der Kürbis rankt aufs Garagendach hoch, die Chili, die Gurke, Aubergine steht im Kübel auf der Terrasse - man kann auch nutzen, was bereits versiegelt wurde. Vor allem eine Südterrasse, die von Sonne und Wärme überläuft verträgt wärmebedürftige Kübelpflanzen. Am Terrassenrand wachsen Feigen, am Haus Auberginen und Tomaten im Kübel - ohne Braunfäule Dank Dachüberstand.
- Auf Dinge verzichten, die man in hoher Qualität auch kaufen kann. So sind gelbe Rüben / Karotten im Garten nett, benötigen aber eine lange Vegetationsdauer und sind in durchaus guter Qualität auch käuflich zu erwerben. Bei aromatischen Freilandtomaten oder ausgereiften Melonen sieht es dagegen anders aus, da lohnt sich der Eigenanbau auf den wertvollen Gartenflächen viel mehr, weil der Unterschied zur Kaufware riesig ist.
Mehr Fläche?
|
Der Rest des Hausgartens.
|
Am schwierigsten ist die direkte Lösung, nämlich einen grösseren Garten in Wohnortnähe zu bekommen. Bauland kaufen wäre in unserer und fast allen anderen Gemeinden dagegen zwar teuer, aber kein Problem, dafür werden Flächen mit grossem Eifer ausgewiesen. Flächen zubetonieren ist Usus, erlaubt, gewünscht, befürwortet, einen Garten anlegen nicht. In unserem sehr engen und dicht besiedelten Bundesland mit permanent hohem Bevölkerungswachstum durch Zuzug (es passiert seit 50 Jahren genau das Gegenteil aller Prognosen der letzten 50 Jahre, nämlich extremes Wachstum mit einer Hochdruckbetankung statt Schrumpfung), dem überall existierenden endlosen Häuser- und Strassenbrei sind Nutzgartenflächen selbst in Landgemeinden die Ausnahme. Das Gegenteil ist der Fall, es wird überall nachverdichtet, zugebaut, überplant - die Gärten werden immer kleiner, immer kaputter, immer verschotterter, immer unnützer. Ganz besonders stark ist der Zerstörungsdruck ausgerechnet in klimatisch bevorzugten Gegenden mit gutem Boden. Dort war die Bevölkerungsdichte auch früher schon höher und heute quetscht sich dort alles noch enger. Oder anders gesagt: Wo nichts wuchs, wohnte auch keiner. Heute wohnt man immer noch dort, hat aber die guten Böden und Lebensgrundlagen duch Überbauung äusserst "nachhaltig" vernichtet. An diesem absolut irren und widersinnigen permanenten Baumasse- und Menschenquetschwachstum können wir Nutzgärtner aber nichts ändern.
|
Ehemalige Schwemmland-Gärten beim "Umbau"...
|
Am Haus hatte man auch früher oft wenig Platz, dort hat man sich auf empfindlichere Kulturen und Küchenkräuter konzentriert. Standard für das "gröbere" Gemüse und Kartoffeln für den Eigenbedarf war der sogenannte Krautgarten, am Ortschaftsrand gelegen, oft auch nahe einem Fliessgewässer auf gutem Schwemmland, an der Grenze der Überschwemmungszone. Diese Gärten sind heute zu 99% verschwunden. Hier in Möckmühl wurden sie in den Hochwasserschutz einbezogen und sogleich weitgehend zugebaut, teilweise regelrecht brutal vernichtet (einfach zubetoniert, nicht weiter genutzt) der Rest als Flächenreserve für weitere Vorhaben betrachtet. Auch wenn ein solcher Garten verwildert, bekommt man ihn nicht: Die Besitzer haben zwar keine Lust auf seine Bewirtschaftung, hoffen aber alle darauf, dass ihnen jemand in Zukunft den fetten Hintern damit vergoldet, weil, vielleicht, wer weiss, es könnte ja Bauland draus werden. Ist einmal etwas verbaut, ist damit ein statischer Endpunkt erreicht, Pflanzen, Garten, Natur werden dort nie wieder wachsen können. Es ist vorbei, tot.
|
Schwemmlandgärten Möckmühls nach dem "Umbau"
|
Patentlösungen, um an einen Garten zu kommen gibt es nicht. Auch in ländlichen Gegenden ist das Vergangenheit.
Obstwiesen
Am ehesten gelingt es noch, eine Obstwiese in benachteiligter Lage oder sonst eine wildgefallene Fläche zu bekommen, deren Vernichtung nicht nicht so leicht vergoldet werden kann. Auch ich habe mangels Alternativen diesen Weg beschritten und einige Abenteuer erlebt, darüber gibt es noch viel unterhaltsames zu schreiben. Dort kann man versuchen, extensiv robuste Obstsorten anzubauen, muss aber sehr viel Arbeit und je nach Zustand auch Technik hinein investieren. Mit einer Handsäge und einem Spaten kommt man auf überwuchertem Grund nicht weiter. Es kann auch komplett schiefgehen, schlechte Böden, Krankheiten und knochentrockene Sommer machen die Anstrengungen zunichte.
Obstwiesen sind für Gemüseanbau ungeeignet. Es klingt zwar einfach, wird ab und zu gerne und engagiert probiert, hält sich aber nie. Zäune um ein umgegrabenes Gartenstück sind im Aussenbereich sowieso grundsätzlich nicht erlaubt, Rehe, Hasen, Wildschweine freuen sich darüber. Wasserverfügbarkeit ist immer ein Problem. Offener Boden inmitten einer Wiese leidet immer unter hohen Unkrautdruck, Schnecken wandern permanent zu. Am wichtigsten sind vielleicht die Böden selbst: Obstwiesen stehen fast immer auf schlechten Böden, ungünstigen Hanglagen, ansonsten hätte man keine Obstwiese gepflanzt, sondern einen Acker draus gemacht, der bringt Geld, eine Obstwiese vor allem Arbeit. Sie waren immer eine landwirtschaftliche Nutzungsform für schwierige, acker- und gartenbaulich weniger gute Lagen.
Nutzen wir also so gut wie möglich, was noch geht und vergiessen nicht zu viel Tränen über die vielen Dinge, die nicht mehr gehen.
|
Hausgarten heute. Nachbarschaft.
|
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen