Montag, 28. Oktober 2024

Pawpaw aus Samen ziehen - was wird draus?

Fruchtcluster dieses Jahres von "Prima 1216"

Asiminia Triloba, Pawpaw, Indianerbanane habe ich schon so lange, dass bereits Abkömmlinge der Sorten existieren und auch Sämlinge von anderen Leuten. Mittlerweile benehmen sie sich auch im eigenen Garten schon regelrecht invasiv - ihre Samen gehen von selbst auf, aus dem Kompost, im Garten. Schösslinge spriessen neben lebenden und auch neben ausgegrabenen Pflanzen. 

Samen von Wildlingen kann man auch kaufen, daraus ist ebenfalls ein Baum entstanden. Den habe ich stehen lassen, dient er doch auch als Befruchter für die anderen Sorten.

Pawpaw - gekeimt im Kompost

Die interessante Frage ist nun, ob daraus auch etwas brauchbares entsteht aus Samen dieser in Europa neuen und ziemlich einzigartigen Obstart. Wildlinge gibt es in Europa ja nichts bis selten (nur in wenigen botanischen Gärten sind welche), aber viele Sorten. Die Sämlings-Wildlingsbaum zeigt jedenfalls erstaunlich stark abweichende Eigenschaften im Vergleich zu den Sorten. Zu sehen war unter anderem:

  • Ein deutlich stärkeres Wachstum, die Pflanze ist jetzt auf dem Weg zu einem richtigen Baum, weit höher wie jede Sorte und auch schmaler, gerader.
  • Kleinere Blätter, die eine viel höhere Blattgesundheit zeigen, auch der Blattabwurf im Herbst passiert erst deutlich später.
  • Um Jahre späterer Beginn eines Blütenansatzes. Die Blüten sind viel kleiner und unscheinbarer.
  • Seine Früchte deutlich kleiner, keine Frucht erreicht 100g. Sie haben einen sehr hohen Kernanteil, wenig Fruchtfleisch. Ihre Reife ist so spät, dass sie bisher nie richtig reif wurden.
Sämlingsbaum, über 4m hoch

Viele dieser Effekte der Regression sind auch bei anderen Obstarten bekannt, wenn wahllos Samen von Kultursorten ausgesteut werden. Ein guter Teil davon zeigt Eigenschaften, die rückwärts Richtung Wildling gehen. Nur bei kernechten Selbstbefruchtern bekommt man mit guten Chancen generativ vermehrt in etwa das, was die Mutterpflanze war. Verbesserte Eigenschaften sind dagegen ein recht seltener Edelstein.

Damit bleibt der Sämling mit einigem Risiko eine Zierpflanze und/oder nur ein Befruchter für Pawpaw-Sorten. Wer sich die Mühe macht, kann solche Sämlinge auch als Unterlagen verwenden und mit Sorten veredeln. Das habe ich noch nicht probiert. Die Hoffnungen auf Erntebäume sollten dagegen nicht zu hoch sein.

Die Sämlingsfrüchte sind auch dieses Jahr nicht reif geworden. Prima 1216 war gut wie immer, sie warf wieder Ende der ersten Oktoberwoche alles ab, eine Woche waren die Früchte haltbar und jetzt sind sie längst aufgegessen. Sie waren gross, reif, intensiv aromatisch, gut. Leider nur wenige, weil auch bei ihr der Frost einiges heruntergehobelt hat. Die wurden dafür recht dick. Aber auch die enthaltenen Samen.

Kleine Früchte des Sämlings

Die Sämlingsfrüchte hängen noch, blieben relativ hart, klein, grün. Aber als Befruchter scheint der Baum wirklich zu taugen. Die Sorte daneben hat zuverlässig den höchsten Fruchtansatz. Da nicht Bienen, sondern Käfer und Fliegen die Befruchtung übernehmen, ist unmittelbare Nähe der Bäume sehr wichtig für eine gute Befruchtung.

Das Fazit: Pawpaw aus Kernen aussäen - nur, wenn man Zierpflanzen haben will oder reihenweise generativ vermehrte Veredelungsunterlagen braucht und dafür viel Zeit mitbringt.

 Mehr zu Pawpaws: https://gartenzone.blogspot.com/search/label/Pawpaw

Minifrucht vom Sämling mit vielen Kernen

Die Pawpaw-Reihe

Mittwoch, 16. Oktober 2024

Melonen im schwierigen Jahr, neue Sorten

Melonen 2024 - Mangomel, Ogen, Charentais,
Chamoe, Otome, Gandalf

Kein Jahr ohne eigene Melonen - so auch diesmal. Aber so schwierig und schlecht wie dieses Jahr lief es selten mit den Melonen. Naja, nicht ganz. Seltsamerweise waren Wassermelonen nicht so stark beeinträchtigt.

Beginnen wir statt mit Jammerei mit ein paar Sortenerfahrungen, was war neu, was hat sich bewährt, wo gibt es neue Erkenntnisse?



Mangomel

Mehrere Mangomel-Melonen am Zaun, reif und unreif


Die "Mangomel" habe ich nun das zweite Jahr. Die Sorte ist eine englische Züchtung (ja, auch in England werden Melonen gezüchtet), sie bringt zigarrenförmige Melonen mit bis zu 2,7kg, bei Vollreife aussen blassgelb und innen rosa. Am häufigsten ist ein Gewicht von 0,8 bis 1,5kg. Der Zuckergehalt der Melonen im Sommer an gesunden Pflanzen erreicht um die 50° +-5° OE. Das Aroma ist angenehm, durchaus würzig, sie wirkt süsser als der Zuckergehalt vermuten lässt, weil sie auch wenig Säure hat. Von Mangoaroma ist aber weit und breit nichts zu spüren, dies bleibt Verkäuferprosa oder bezieht sich nur auf die Farben. Das Fruchtfleisch ist zart. Das Niveau von Charentaismelonen erreicht sie nicht, aber so einfach im Aroma wie Zucker- oder Honigmelonen ist sie auch nicht. Intensiv genug für ein würziges Meloneneis war sie. Ich vermute, sie ist eine Hybride aus Honigmelone und einer Cantaloupe - eine gelungene Hybride, bleibt festzuhalten. Ihre Vor- und Nachteile aus der Praxis:

Eine fette Mangomel mit 2,7kg



  • auf gutem Boden hohe Kiloerträge. Ich hatte Pflanzen mit bis zu fünf Melonen gleichzeitig dran, weitere Melonen kamen nach Abreife der ersten Ladung. Die Früchte reifen immer leicht folgernd, so dass man nicht an einem Tag fünf reife Melonen hat, sondern mehr oder weniger Abstand zwischen den Vollreifeereignissen herrscht.
  • Sie hält lange durch und zählt zu den Sorten, die an Anfang August (je nach Jahr auch früher) bis in die ersten Oktobertage gute Früchte liefern. Auch bei schlechtem Wetter kann sie süss und aromatisch werden, sie schafft das besser als andere Sorten.
  • Auch gelagert hält sie gut durch, im Kühlschrank ohne Verluste einige Tage.
  • Relativ gesund in Wurzel und Blatt. Melonen sind zwar alle empfindliche Gewächse, Mangomel ist aber auf der besseren Seite. Echten und falschen Mehltau bekommt sie wie die Anderen, das lässt sich verhindern (dazu die anderen Blogbeiträge), weitere Krankheiten waren noch nicht zu beobachten. Auch die Wurzelgesundheit ist gut, es hat noch keine Pflanze schlappgemacht, im Gegensatz zu anderen Sorten am selben Standort.
  • Manchmal löst sich der Stiel bei Reife von selbst, aber nicht immer. Farbe und Duft zeigen aber den Reifezustand immer zuverlässig an. Je nach Wetterlage bekommen die Früchte manchmal Längsrisse, das ist aber mehr ein optisches Problem. Man erntet dann und isst sie bald. Sie faulen deshalb nicht sofort und vor allem gären sie nicht gleich.
  • Seit letztem Jahr ist sie sehr leicht erhältlich, viele Samenverkäufer haben sie im Angebot. Es ist keine Superspezialsorte mehr. 

Die kommt ins Dauerprogramm.

Sweet Granite

Melone Sweet Granite - warme Farbe

Ein hübsches Ding, sehr orange bei Reife, sieht optisch nach Sommer aus. Gesunde Pflanze. Ertrag könnte besser sein. Im Aroma, Fruchtfleisch, Süsse eine Cantaloupe, also ein bisschen würzig, süss, schafft um die 50° OE, der Melonen-Durchschnittswert. Der Schalenbereich ist etwas dick. Dafür kam sie erkennbar gut mit dem schlechten Wetter klar. Reifezeit normal. Gute Anfängersorte und sehr schön.

Sweet Granite halbiert - der grüne Rand ist typisch, auch bei Vollreife
 

Rocky Ford

Melone Rocky Ford in der Hand vor dem Beet

Das ist ein Trumm! Die Melone stammt von 1880 und zeigt einen Stil, der untergegangen ist, denn die Mode hat sich geändert. Ähnliche Sorten waren früher sehr populär, man hat sie nicht nur gegessen, sondern auch eingemacht.

Die Rocky Ford bringt es auf über 4kg. Die Früchte zeigen früh ein wunderschönes Netzmuster, in dessen irregulären Tiefen man sich verlieren kann. Reif werden sie zwei Wochen nach den ersten Frühsorten im August. Dann wird die Melone ockergelb und bekommt einen stärkeren Duft, aber der Stiel löst sich nicht. Die Schale ist fest und bleibt es. Aufgeschnitten zeigt sie hellgrün bis nach innen hin weissliches Fruchtfleisch, überreif wird sie fast etwas mehlig in der Struktur. Süsse ist vorhanden, jedoch nicht vollsüss, nicht sauer. Beherrscht wird sie von einem sehr speziellen Aroma, das ich bei keiner anderen Melone erlebt habe. Es wirkt erdig, etwas seltsam, mein Stil ist es nicht. Zusammen mit der Grösse schafft man es kaum, die Melone auch zu verdrücken.

Melone Rocky Ford halbiert und Schnitze

Früher gab es diese grossen, manchmal sehr grossen Netzmelonen mit begrenzter Süsse häufiger, die "Berliner Netzmelone" ist auch so ein Vertreter, aber noch grösser und noch weniger süss. Sie brachte bis zu 14kg auf die Waage, wurde ebenfalls gerne eingemacht statt frisch gegessen. Andere grosse Netzmelonen sind ganz verloren gegangen oder werden nur von Hobbygärtnern erhalten. Sie alle haben gegen Importmelonen verloren, die handlich und süss aus dem Süden importiert werden, die Bedürfnisse und der Geschmack hatten sich gewandelt.

Rocky Ford - Netzmelone oder Zen-Garten?


Ogen

Grosser Blütenrest


Ganzer Name Ha'Ogen. Auch ein alter Klassiker. Gerne wird behauptet, sie stamme aus einem Kibbuz in Israel. Sie stammt aber aus Ungarn, wurde dann von einem ungarischen Auswanderer in Israel bekannt gemacht. Mit dieser Sorte wurde viel weitergezüchtet, auch Galia-Melonen haben sie im Stammbaum.

Sie reifte spät. Gewicht hatte sie dann 1,5kg, bekam Risse bei Reife, aussen wurde sie gelbgrün mit grünen Rippen, wenn sie reift. Innen grünes Fruchtfleisch, zum Kernhaus hin noch heller. Stiel löste so halbwegs, machte aber ein grosses Loch in der Melone, auch die Blütenseite war recht gross vernarbt. Zuckergehalt und Aroma liegen auf durchschnittlichem Niveau, irgendwie fehlte mir der Grund, sie interessant zu finden. Mit den Nachfolgern ist man besser bedient, meine ich.

Innen Grün

 

Wassermelonen

 
Wassermelone "Otome"
Seltsamerweise gelangen die dieses Jahr besser, wenn man ihnen viel Licht, Luft und Raum liess. Vor allem "Otome" und "Tigrimini" machten sehr viel Spass, die ältere Sorte "Red Star" war auch nett. Tigrimini lieferte auch kräftig. Sie hat kleine Kerne, das Aroma ist gut, fast schon zu süss. Ihre Schale ist ausserdem dünn, sie hat eine gutes Nettogewicht. Werde ich wieder pflanzen.
 
Interessant war dieses Jahr eine Messung, die mehr Licht in die alte Frage bringen sollte "wann ist die Wassermelone reif"? Dazu hatte ich eine Tigrimini auf eine mechanische Waage gelegt und täglich morgens und abends das angezeigte Gewicht aufgeschrieben, über einen Zeitraum von drei Wochen. Zu Beginn der Messung war die Melone schon über 2kg schwer und am Ende liess ist sie sogar überreif werden, um zu sehen wie sich das auswirkt. Die Messdaten waren dann recht interessant. 
  • Gewichtskurve einer Wassermelone
    Tagsüber legte sie wenig bis nicht an Gewicht zu. Die Zunahmen passierten vor allem Nachts.
  • Schlechtes Wetter, Kühle (vor allem Nachts bei 10°C und weniger) bremste die Zunahme, insgesamt verlief das Wachstum aber erstaunlich konstant, langsam zur Reife hin absinkend.
  • Eine Waage ist zur Reifefeststellung tauglich. Sinkt die Gewichtsänderung ein paar Tage auf < 1% Zunahme innerhalb 24 Stunden und bei normalem Wetter, kann man von Reife ausgehen. 
  • Eine leichte Zunahme findet sogar noch statt, wenn sie anfängt zu gären. Doch dann sinkt das Gewicht wieder in der Überreife.
Die anderen Reifemethoden sind natürlich ebenso tauglich - sich an der Gewamtwachstumsdauer im Sommer orientieren, die etwa fünf Wochen ab eigrosser Frucht beträgt. Der Ton beim klopfen klingt hohl-dumpf, wie wenn man auf Gummistiefel klopft. Die Farbe an der Auflagefläche ändert sich von grün zu hellgrün zu gelb zu orange, aber nur wenn sie satt auf dem Boden aufliegt.
 
Melone auf der Waage zur Reifefeststellung
 

Petit Gris de Rennes

Die letzten Petit Gris de Rennes  im September, reif
Die habe ich jedes Jahr, eine meiner Hauptsorten. Dieses Jahr hatte sie Startschwierigkeiten, bekam spät Früchte und auch nicht viele. Der geringe Behang führte dann aber zu Riesenfrüchten, wie ich sie noch nie hatte. 

Diese Sorte habe ich schon öfter beschrieben, die vorgefundenen Eigenschaften haben sich alle bestätigt. Unter den alten Sorten ist das eine gute, zuverlässige, wohlschmeckende Charentaismelone.

 

Charentais

Charentais - höchste Zeit für die Ernte!

Ohne sie geht es nicht und deshalb tauchte sie hier auch schon in vielen Beiträgen auf, zum Beispiel dort. Die alte Sorte ist nicht nur Sorte, sondern auch Namensgeber der ganzen Klasse dieser Melonen, der Charentaismelonen - klein, so würzig wie keine andere Klasse, früh. Eine Mimose, aber auch eine Perle. Kleine Frucht, auch die Pflanze, hält nicht lange durch im Sommer. Aber Anfang August, als es mal etwas besser Wetter war, wurden auch dieses Jahr die ersten reif und sie waren nach wie vor einfach eine unerreichte Spitze. Sie duftet stark, ihr Fruchtfleisch ist kräftig orange gefärbt. Das intensive würzige moschusartige Aroma ist einzigartig, der sehr hohe Zuckergehalt mit deutlich über 60° OE, genau dazu passende Säure, das ist "Charentais". Die Früchte unbedingt früh auf Holzbrettchen legen, da war ich nicht nicht immer konsequent und hatte dann ärgerliche Verluste.

Melone zerteilt fürs einfrieren

Bei dieser Sorte lohnt sich auch, sie einzufrieren, wenn zu Viele gleichzeitig reif werden. Die Melone wird dazu in keine Kugeln zerschnitten und die werden eingefroren. "Kugelausstecher" lautet der Name des dafür geeigneten Werkzeuges. Damit hat man ganzjährig eine erstklassige Zutat für Obstsalate und andere Dinge zur Verfügung. Da Melonen die Tendenz haben, kurze aber heftige Übermengen zu liefern, ist das eine gute Methode, sie haltbar zu machen statt sich an ihnen totzufressen weil sie gerade alle reif wurden oder sie an Banausen zu verschenken, die sie erst wie Supermarktschrott zwei Tage liegen lassen und dann wegen Gärgeschmack nölen.

Gefrierfertig im Gefrierbeutel

Weitere Sorten

Melone "Ananas" im Sonnenglanz, halbiert
 
Das waren "Gandalf", "Ananas", "Chamoe", "Model" und ein paar mehr mit Einzelfrüchten, so dass eine genaue Beschreibung kaum möglich ist. Gandalf war eine Enttäuschung, eine Standardcantaloupemelone ohne besonders gute Eigenschaften. "Ananas" war schön, lecker, aber auch sehr klein. "Model" haben ich jedes Jahr, ebenso wie die koreanischen Chamoe-Melonen, die sogar einen eigenen Artikel im Blog haben. 
Hübsch ist sie, die "Ananas"

Probleme 2024

Erste Befallszeichen falscher Mehltau.
Für Behandlung schon zu spät.

Wie oben schon bemerkt, war dieses Jahr ein elend schlechtes Melonenjahr. Es war der nasseste Sommer seit 20 Jahren, zudem wurde auch ohne Regen jede einzelne Nacht der Taupunkt erreicht - am Morgen tropft es von den Blättern. Dafür ist mein Standort sowieso anfällig und das hat mir früher schon öfter die Ernte verdorben, weil Pilzkrankheiten schneller waren, am meisten falscher Mehltau. Diesmal habe ich rechtzeitig gegengesteuert, aber die Mühe ist ein hoher Preis.

Auch Wurzelkrankheiten wüteten durch den Starkregen heftig. Selbst im abgedeckten gelagerten Pferdemist, der eigentlich gut drainiert, kam es zu absterbenden Pflanzen. Besonders schlimm ausserdem Schäden durch Vögel, auch an anderen Gemüsepflanzen.

Herausgerissen - das war eine Amsel

Amseln hacken an der Wuchsstelle tief in den Boden und reissen dabei Erde und die Pflanzen gnadenlos heraus, weil sie hoffen dort tierische Nahrung zu finden. Meisen und Tauben zerhacken die jungen Blätter. Netze drüberlegen ist bei Melonen Mist. Die Ranken wachsen sofort in die Netze, alles verhakt sich, die Ranken verwachsen statt in die Länge zu gehen. Vogelschäden nehmen von Jahr zu Jahr zu, eine Erfahrung auch aus der Landwirtschaft. Sehr wenige stark opportunistisch lebende Generalisten-Massenvogelarten werden immer häufiger und profitieren auch an den menschlichen Dauerfütterern, während die Spezialistenarten in der komplett anthropogen umgestalteten Landschaft immer seltener werden.


Chamoemelonen wie Eier im Nest

Mittwoch, 25. September 2024

Der neue Dauererfolg: Ölweiden

Wie jeden Sommer war es auch diesmal ruhig im Blog. Massenhafte Ideen, Erfahrungen, Ereignisse jagen sich, aber noch mehr Arbeit steht an, kein Nutzgartensüchtiger schafft es da, noch viel zu schreiben. Aber jetzt gehts weiter und gleich mal mit erfreulichen Erfahrungen:

Reiche Ernte bei der beschirmten Ölweide
Blüten, die duften und Bienen lieben

Zu den Dingen, die dieses Jahr viel Spass gemacht haben, gehören die Ölweiden der Gattung Elaeagnus, die schon länger im Blog ein grösseres Thema sind. Ölweiden sind meiner Ansicht nach unterschätztes Wildobst an der Grenze zum Gartenobst und vor allem sind es Pflanzen, die so hart und anpassungsfähig sind wie keine andere Obstart. Es ist eine der ganz wenigen Obstarten, die mit der stattfindenden Wetterveränderungen klar kommen, während sich ringsum Ausfälle und gigantische Probleme häufen, bis hin zum Wegfall ganzer Obstarten, die nicht mehr ungeschützt anbaufähig sind. Ölweiden tragen dagegen beständig gut, bleiben gesund und sind herrlich zuverlässig. Sie kommen mit jedem Boden zurecht, holen sich Stickstoff über Symbiontenbakterien selbst aus der Luft, breiten sich nicht unkontrolliert aus, sind schnittverträglich, die Früchte lassen sich gut verarbeiten, wenn man weiss wie. Es sind Bienen- und Insektenpflanzen, sie duften, sind streusalzverträglich, hitzeverträglich, trockentolerant und wie dieses Jahr zeigt auch völlig nässetolerant. Das einzige heimische Ölweidengewächs, der Sanddorn, hat diese Vorteile leider nicht, zudem hat er die letzten Jahre durch Absterbeerscheinungen wegen einer noch nicht ganz geklärten Pilzkrankheit von sich reden gemacht. Die endemisch amerikanische Ölweidenart sind die Büffelbeeren, damit habe ich keine Erfahrungen. Sie sind aber stachelig und bilden Ausläufer, Horste, das klingt erst einmal nicht sehr angenehm.

Die Sträucher der vielblütigen Ölweide Elaeagnus Multiflora mit ihren verhältnismässig grossen und frühreifenden Beeren im Frühsommer tragen mittlerweile gut, allerdings zeigt sich auch, dass sie in unserer Gegend zwingend vor Vögeln geschützt werden müssen, die sonst schnell alles wegfressen. Der Hit dieses Jahr war aber wieder die Schirm-Ölweide Elaeagnus Umbellata, sie hat keine Vogelprobleme, aber ihre Früchte sind kleiner und spät, sie werden erst im Herbst richtig reif, rot sind sie schon vorher.

Vielblütige Ölweide mit normalem Fruchtbehang


Ernte von Schirm-Ölweiden

Ältere Sträucher haben grössere Beeren

Mittlerweile sind hängende Äste der älteren Sträucher so gut mit Früchten besetzt, dass man mit einer schnellen Erntetechnik sehr erfolgreich ist. Wartet man bis zur Vollreife (dieses Jahr 22.9.) und wird nicht nervös, weil scheinbar schon viele Beeren herabfallen (das beginnt schon Wochen vorher), kann man mit Eimer und simplem abstreifen eine enorme Pflückleistung erreichen. Ich brauchte damit für fünf Kilo keine halbe Stunde mehr. Das schafft man bei keiner Johannisbeere und auch die viel grösseren vielblütigen Ölweiden kann man nur langsamer pflücken. Eimer ans Handgelenk hängen, eine Hand hält den Ast fest, die andere streift die Früchte ab und in den Eimer. Oder alles abstreifen und mit einem Vlies auf dem Boden nachher alles zusammenschütten. Die Zeit, anschliessend Ästchen und Blätter auszusortieren, kommt aber noch hinzu, mit einem groben Stieb geht es schneller sofern man hat. Ein grösserer Einzelstrauch hatte gut und gerne zehn Kilo Fruchtbehang netto, dabei hatte ich ihn immer wieder zurückgeschnitten, frei wachsende Sträucher können noch weit mehr tragen. Mit Einzelbeeren pflücken habe ich mich dann nicht mehr abgegeben, es hängen sicher noch ein paar Kilo oben.


Verarbeitung von Ölweiden

Ein Teil der Rohware

Nach dem Durchprobieren mehrerer Ideen läuft das nun ebenfalls mittels verschiedener Methoden sehr effizient. Die kleinen Beeren sind kein Nachteil mehr, sondern haben sogar Vorteile. Dieses Jahr konzentrierte ich mich auf Saft und Gelee daraus. Dafür gibts es einen tollen Trick. Ich habe die Früchte einfach in einem grösseren Mixbecher eines Pürierstabes zur Maische verarbeitet. Der Pürierstab hat nämlich eine Geschwindigkeitseinstellung und die steht auf niedrig, sodass sofort eine herrliche rote Maische entsteht, aber die Kerne nicht mit zermust werden. Bei hoher Geschwindigkeit würden sie vom Messer zerschlagen. Alles bleibt flüssig genug, um bei leichter Schräghaltung in Bewegung zu bleiben und homogen zu werden, ohne Zellschlamm zu produzieren. Diese Maische hat die ideale Konsistenz zur Sofortpressung, ohne weitere Zwischenschritte. Mit dem Handpressbeutel bekommt man eine Ausbeute von 60-70% hin, die Maische lässt sich leicht und schnell abpressen. Grössere Mengen gehen problemlos auch in anderen Pressen, etwa einer Hydropresse. Der Saft wird rosa, bleibt er stehen, trennt er sich in eine rote und in eine beige Phase. Das ist bei Ölweiden immer so. Der natürliche Zuckergehalt liegt bei >70°OE, maximal 80°, wenn sie reif waren schmeckt der Saft im Mund kräftig, hat noch Gerbstoffe unter Rotweinniveau, angenehme Säure, das Aroma geht frisch Richtung roter Johannisbeere, wirkt aber voller, satt machender. Gelee daraus entwickelt sich geschmacklich mit Lagerung immer mehr Richtung Sanddorn, so kräftig wird es natürlich nie, aber die Aromarichtung stimmt. Eis aus Ölweiden aus der Eismaschine ist auch angenehm, gefriert aber spät.

Den Saft habe ich heisssteril in Flaschen gefüllt. Zweifellos lassen sich daraus noch weitere interessante Produkte herstellen, diesmal ging es mir jedoch um eine Effizienzsteigerung und Vereinfachung in der Herstellung. Aufgrund der grossen Erntemenge war das sehr geboten.

Der Mixbecher mit Messer des Pürierstabmotors
Beeren im Mixbecher
Nach zwei Minuten püriert, Kerne ganz geblieben
Das rohe Püree mit Kernen
Saft pressen mit dem Pressbeutel
Saft zur Abfüllung abkochen

Ausgepresster Trester. Kerne unbeschädigt.

Ölweidengelee im Durchlicht - hat was von Blutplasma. Geliert gut ohne weitere Säurezugabe.

Fast unvermeidliche Phasentrennung des Safts

Alternativwege habe ich auch beschritten, zum Beispiel die Beeren eingefroren, um so wie bei Schlehen vielleicht damit Gerbstoffe zu senken, um damit leichter eine Maische herstellen zu können weil sie nach dem Auftauen dann weich werden und schliesslich, um nach der Ernte nicht gezwungen zu sein, alles sofort zu verarbeiten. Tatsächlich werden die wieder aufgetauten Früchte sehr weich, man kann sie mit der Hand mühelos zerquetschen. Der Gerbstoffgehalt liess sich nicht weiter senken, störte auch nicht. Schlimmer war aber die Konsistenz der Maische; sie bekam eine schlammigere Struktur, die sich nicht mehr gut pressen liess. Erst nachdem ich sie einen Tag mit dem pektinabbauenden Enzym Pektinase stehen liess, klappt es problemlos. Was Schwachsinn ist, wenn ich mit dem Mixbecher eine erstklassig pressbare Maische herstellen kann, ohne vorher einzufrieren. Nicht Schwachsinn ist, die Maische statt sie zu pressen durch ein Sieb oder eine flotte Lotte (=Passiermühle) zu streichen, um die Kerne zu entfernen. Hier zeigt die Gefrierversion ein stabiles rotes Mus, das sich nicht so leicht trennen lässt, das optisch mehr hermacht wie das Mixer-Mus. 

Fassen wir zusammen: Für Saft sofort mit Mixer zermusen und pressen, für Mus/Pürree einfrieren, mixen und durch passieren. Das Mus hat auch ein etwas anderes Aroma. Mir persönlich schmeckt das Gelee besser als die Marmelade aus Mus, das noch Nebenaromen hat. In Gebäck, für Müsli und Dessert ist Fruchtmus brauchbarer.

Simpler Fruchtquark mit Ölweidenmus und Zwetschgenstücken

Ölweiden-Joghurt

Ölweideneis

 

Aussaat

Sämling, Zufallsaufgang

Direkte Aussaatexperimente habe ich noch nicht gemacht. Es tauchen aber gelegentlich einzelne Ölweidensämlinge im Garten abseits der Sträucher auf. Eher selten. Interessanterweise gibt es aber keinerlei Sämlinge um die Sträucher herum. Direkt herabgefallene und auch mit Erde bedeckte Samen keimten nie. Das beweist, dass es von grossem Vorteil ist, wenn Ölweidensamen erst durch einen Vogel hindurch gehen, um dann zu keimen. Man könnte das mit Vergären und Auswaschen teilweise simulieren, wie es auch bei anderen Pflanzen manchmal hilft. Ausserdem beweist es, dass der hiesige Winter gegenwärtig nicht zur Zerstörung der Keimfähigkeit führt, Frost also ein Stück weit ausgehalten wird, vielleicht ebenfalls nötig ist - Stratifikation.

 

Weitere Arten

Möglicherweise rückt auch die schmalblättrige Ölweide Elaeagnus Angustifolia in den Anbaubereich. Sie wächst zwar immer schon gut in Deutschland, ist eine grössere Art wie die anderen Ölweiden, aber trägt bisher selten Früchte. Allerdings ist das schon ein kleiner Baum. Weiter im Süden ist es dagegen auch eine Obstpflanze, deren Früchte gerne getrocknet werden und geschätzt sind. Noch mehr Arten warten auf ihre Entdeckung: Die grossblättrige Ölweide Elaeagnus Macrophylla und Elaeagnus glabra könnten auch in unserem Klima wachsen. Beide blühen im Herbst mit duftenden Blüten und haben im Frühjahr rote Früchte bis 2 cm Länge. Die schon lange hier vermehrte "Wintergrüne Ölweide" ist dagegen eine Hybride mit Macrophylla-Beteiligung; wenn sie Früchte hat, sind sie nicht sehr attraktiv.

So oder so: Bereits die schon länger etablierten Ölweiden-Arten sind absolut anbauwürdig. Interessante Fruchtsorten der Vielblütigen Ölweide aus Südkorea sind noch nicht einmal in Europa verfügbar. Und wenn man mit den Früchten nichts am Hut hat, so sie sind immer noch als schöne, gesunde Hecken- und Zierpflanzen voll tauglich.

Ölweidensaft. Wer will, kann vorher dekantieren.


Ölweidensaft aus gefrorenen Früchten, mit Pektinase behandelt. Sieht aus wie Apfelsaft.