Samstag, 18. August 2018

Melonen im Nutzgarten: Sortenerfahrungen und Sortenempfehlungen


In früheren Beiträgen ging es schon um Pflanzung und optimale Bedingungen für Melonen, diesmal möchte ich von einigen Erfahrungen mit Sortengruppen und Sorten berichten. Es sind eigene Erfahrungen, die ich selbst im Anbau über mehrere Jahre hinweg gemacht habe.

Aktuelle Situation


Zuerst aber der Garten. Das Jahr 2018 entpuppt sich als ein ziemlich irres Melonenjahr. Trockenheit und Hitze sind so gross, dass sie sogar die Sonnenkinder Melonen schädigen. Aber wenn die Pflanzen den Juli gesund erreicht haben (was nie ganz der Fall ist), bleiben sie in der trockenen Luft auch sehr lange gesund und fruchten, fruchten, fruchten.

Sortengruppen


Wenn man über Melonensorten spricht, ordnet man sie immer in Typen ein. Leider mischen sich die  Bezeichnungen für Sortengruppen ständig neu. Im Laufe der Zeit wurden unzählige Namen für Melonengruppen erfunden. Beispiel: Zuckermelonen, Honigmelonen, Netzmelonen, Galiamelonen, Charentaismelonen, Ogen-Melonen...
Viele Sorten, die im Supermarkt angeboten werden sind aber Hybriden, Mischformen verschiedener Gruppen die lange im Regal gammeln können und mit den Eigenschaften, von denen der Einzelhandel glaubt dass sie der Kunde wünscht - bevorzugt wird zum Beispiel genetzte Schalenstruktur, kräftige Fruchtfleischfarbe, Süsse trotz fehlender Vollreife.

Melonen aus der Gruppe der Cantaloupe-Melonen


Die grösste Aromavielfalt und -Kraft findet sich unter Cantaloupe-Melonen. Der Name kommt vom Ort Cantalupo in Sabina / Italien. Dem Papst wurden Melonensamen aus Armenien geschickt, Mönche in seiner Sommerresidenz in Cantalupo züchteten damit um das Jahr 1700 die Stammsorten der heutigen Cantaloupe-Melonen. Diverse andere Melonentypen sind aber schon sehr viel länger in Europa bekannt.

Eine Untermenge der Cantaloupe-Melonen sind Charentais-Melonen, Abkömmlingen der Cantaloupe-Melonen, benannt nach der Gegend in Frankreich, in der sie bis heute beliebt sind. Sie sind noch aromatischer, wohl die Melonen mit dem stärksten Eigenaroma überhaupt. Innen orange, aussen meist glatt mit leichten Rippen, verhältnismässig kleine Früchte mit kurzer Haltbarkeit, stark duftend wenn vollreif. Früh reif.

Im süddeutschen Freilandanbau sind Charentaismelonen vielleicht die interessanteste Sortengruppe und auch die, bei der sich der Eigenanbau am meisten lohnt, denn ausgereifte Früchte erreichen wirkliche Spitzenqualität.

Cantaloupemelone Bari

"Bari" ist eine frühe Cantaloupe, nur wenige Tage später reif wie frühe Charentais-Melonen. 2018 schon Mitte Juli, sonst Anfang August. Sie ist wenig spektakulär, der Geschmack süsslich (erreichte 55° OE), aber kein ausgeprägtes Moschusaroma wie es Charentaistypen haben. Durchschnittlich krankheitsfest. Alte Massensorte ohne herausragende Eigenschaften. Ihre beste Eigenschaft sind die häufig grossen Früchte, die grössten erreichten bei mir 1,5 Kilogramm. Voraussetzung dafür ist gute Versorgung mit Nährstoffen.

Gruppe fast reifer "Bari" Melonen
Reife Bari-Melone. Stiel löst sich gerade, Farbe Gold.
Bari. Aufgeschnitten. Kernhaus gross, Schale dick.

Cantaloupemelone Stellio

Moderne Hybridsorte - von allem etwas, aber nichts richtig. Erträge gut, mit dem Geschmack konnte ich mich nicht anfreunden, wenig aromatisch. Sieht gut aus, wächst gut, früh (Süddeutschland Mitte Juli bis Mitte August). Sieht auch aufgeschnitten toll aus, das Fruchtfleisch ist kräftig dunkelorange, Früchte 800-1200g. Zeigte sich robust gegen echten und falschen Mehltau, aber sehr anfällig für Brennflecken und Stengelbrand. Sie schmeckten oft schon nach Aceton, wenn der Stiel abging. Besser schon ernten, wenn Risse am Steil erscheinen.

Gruppe Melonen "Stellio" Anfang Juli 2018

"Stellio" halbiert. Sehr kräftig gefärbt. Aber kein kräftiges Aroma.

"Stellio". Gut versorgte Pflanzen bringen verhältnismässig schwere Früchte.

Cantaloupe/Charentaismelone Summer Dream

Neuere Züchtung, ich würde sie zu den Charentaismelonen stellen. Interessant an dieser Sorte ist, dass sie sich recht robust gegen Krankheiten zeigt, vor allem gegen falschen Mehltau. Sie hielt länger durch wie andere Sorten. Nach dem Ansatz der ersten Früchte fruchtet sie schnell wieder, man kann länger ernten weil sie länger lebt. Die Samen sind nicht teuer und leicht zu bekommen. Mit 1,1kg ist sie gross, hat den Charentais-Moschusgeschmack. Etwas grosses, lockeres Kernhaus. Duft mittel. Stiel löst sich gerade so bei Vollreife. Bei Farbumschlag der Schale ernten. Wenige Tage später löst sich auch der Stiel. Ist es heiss, hat sie dann manchmal bereits Gärgeschmack.

"Summer Dream" glattschalig, grüngelb.
Grosses Kernhaus, Farbe innen etwas blass, aber gut.
Cantaloupemelone Wrangler

Früh (normales Jahr ab Mitte Juli), ertragreich, uniforme Früchte mit ca. 900g Gewicht. Frucht- und Aromaeigenschaften mässig, eher vom Cantaloupe-Typ wie vom Charentais-Typ. Früh reif und hält sich ein paar Tage. Duftet wenig. Diese Sorte würde ich für den Markt anbauen, aber nicht mehr für den Eigenbedarf.

Wrangler
Cantaloupemelone Orange Sherbet

Auch eine ältere Sorte vom Cantaloupe-Typ. Gut süss, Aroma okay. Lässt man sie lange genug an der Pflanze, löst sich der Stiel und sie wird innen bis zur äussersten Schale orange, vielleicht daher der Name. War aber etwas kränklich. Der grösste Frucht mit 2,23kg - ein Mordsding.

"Orange Sherbet" hat ovale Form
Durchgängig Orange
Stiel löst sich bei Vollreife. Dann tritt orange Saft aus.

Cantaloupemelone Emir

"Emir" ist aussergewöhnlich saftig, hat zartes Fleisch, lagert sich ein paar Tage lang gut. Vollsüss und gross ist sie auch. Frühreifend. Aber dieses besondere Charentais-Moschusaroma, auch im Duft, ist nicht kräftig. Mehr Cantaloupe wie Charentais. Kräftig benetzt wie sie ist, scheint sie auch Galiatypen im Stammbaum zu haben. Die Bilder von "Emir" bei Samenhändlern weichen deutlich voneinander ab. Kann sein, dass es bezüglich dieser Sorte Verwirrungen oder verschiedene Typen gibt.

Melone "Emir"
Links: De Charentais. Rechts: Summer Dream.
Oben: Zufallskreuzung. Unten: Emir.


Charentaismelone Murrmel

Es gibt sogar Sorten aus Deutschland, Murrmel stammt aus Steinheim an der Murr. Die Früchte werden selten schwerer wie 500g. Grosse Früchte sind breiter wie hoch, glatt, graugelb. Sehr süss (kann man auch als zu stark empfinden), aromatisches Charentais-Aroma, Duft kräftig, nicht haltbar, eher früh ernten kurz bevor sich der Stiel löst. Gesamtertrag mässig. Sehr viele Früchte mit Untergrösse, daher wahrscheinlich die weitere Namensbedeutung. Sie ist während der Reife empfindlich auf Regen. Regenwasser kann zwischen Frucht und Oberhaut gelangen, sie verdirbt dann schnell. Trotzdem eine gute Sorte für Freilandanbau, reift wie alle Charentaismelonen früh: In Hitzejahren ab Mitte Juli, sonst ab Ende Juli. Keine positiven oder negativen Auffälligkeiten bei Krankheiten.

Mehrere "Murrmeln" reif
Charentaismelone Petit Gris de Rennes

Das ist ein absoluter Klassiker, eine frühe Züchtung und sicher eine der geschmacklich Besten. Aber auch leider eine Mimose, nicht gerade krankheitsfest. Die Früchte sind ebenfalls klein, knapp 800g schwer, meist 650g, Früchte unterschiedlich gross, aber mit einem gutem Anteil normal grosser Früchte. Typische gefleckte Musterung mit zuerst dunkelgrüner Grundfarbe und breiten, geschwungenen Rippen. Man erkennt sie sofort. Süss, ausgesprochen ausgewogen in allen Komponenten, edles und feines Aroma. Duftet kräftig. Ertrag mässig, nicht haltbar. Herrlich. Mir sind auch schon späte Freilanddirektsaaten gelungen. Stiel löst sich bei Reife. Erscheinen Risse, dann sofort ernten.

Links die grüne Rennes, rechts die ebenfalls kleine "Murrmel"
Petit Gris de Rennes, klein aber oho
Charentaismelone Sivan

Moderne Sorte, F1-Hybride, gezüchtet in Frankreich, wird vertrieben von Graines Voltz. Samen sind leider in Deutschland nicht erhältlich, sie wird nur als Jungpflanze in Gartenmärkten verkauft, häufig veredelt. Sorte ist aber geschmacklich sehr gut mit viel Aroma, robust und liefert hohe Erträge. Wichtig für den privaten Nutzgärtner: Sie tut das über einen längeren Zeitraum, die Früchte reifen verhältnismässig folgernd. Mir lieferte eine Pflanze neun Früchte mit 600-800g. Das Fruchtfleisch ist ebenfalls schön, etwas fester aber mit samtiger Konsistenz. Stiel löst sich bei Vollreife. Duftet kräftig.
Ähnlich und in gleicher Weise über Gartenmärkte verkauft wird "Ardor", zeigt sich aber in allen Punkten schwächer wie Sivan.

"Sivan" links fast reif, rechts reif
Halbiert. Bisschen dicke Schale, aber gut.

Charentaismelone de Charentais

Der Urvater aller Charentaismelonen. Mit ihr hat sich der "Charentaistyp" von "Cantaloupe" endgültig getrennt. Reinerbig, keine F1-Hybride. Alle anderen Charentaismelonen-Züchtungen haben sie im Stammbaum. Sie schmeckt erstklassig, intensiv, ist aber nicht haltbar und die Pflanze ist unterdurchschnittlich krankheitsrobust. Sie durch einen feuchtkühlen Frühsommer zu bringen ist nicht einfach. Die Früchte sind klein, aber gleichmässig. Nur die spät angesetzten Früchte können verzwergen. Stiel löst sich bei Vollreife. Sollte man ausprobiert haben. Das ist genau der Typ Melone, für den sich Eigenanbau im Freiland lohnt.

Als alte Sorte sind die Samen preiswert. Von ihr sollte man viele Jungpflanzen ziehen und auch mit Freilandaussaaten Ende Mai experimentieren. Da sie früh reif wird, können auch Direktsaaten noch Früchte bringen. Eine gute Sorte, um verschiedene Stellen im Garten auf Melonentauglichkeit zu testen. Und wenn sie reif wird, man ihren Duft wahrnimmt, sie aufschneidet und hineinbeisst weiss man sofort, warum man sich die Mühe gemacht hat.

De Charentais, grüngrau, nur leicht benetzt, klein
De Charentais halbiert

Chamoe-Melonen aus Korea Early Silver Line

Chamoe-Melonen aus Korea sind einen eigenen Artikel mit mehr Hintergrund wert. Man bekommt Samen in Europa selten und die reifen Melonen niemals. Ich hatte schon mehrere Sorten, z.B. "Goldstar", die" Early Silver Line" und andere. Die Sortenunterschiede sind nicht so gross. Neuere Sorten sind etwas süsser und grösser, das typische Gewicht liegt bei nur 300-500g. Gut versorgte Pflanzen können bis in den Herbst fruchten und liefern viele der kompakten gelben Bömbchen. Auch für Topf- und Gewächshauskultur sehr gut geeignet. Die "Early Silver Line" hat dieselben Ansprüche an Platz, Klima und Boden wie eine Charentais-Melone, reift ein bisschen später. Auf Welke-Wurzelpilze ist sie anfälliger (wenig giessen!), auf Blattkrankheiten etwas weniger anfällig. Sie ist arttypisch quietschgelb, mässig süss, helles und sehr festes Fruchtfleisch. Das wird bei Überlagerung holzig, nicht matschig wie andere Arten. Und sie duftet etwas in ihrem typischen Aroma. Man schält sie mit einem Schälmesser, isst sie wie einen Apfel und am leckersten ist das Kernhausgelee. Das Aroma ist nicht stark aber spürbar, hat mit dem Aroma anderer in Europa gängiger Sorten wenig zu tun. Eigenständig. Für mich sehr, sehr angenehm, allerdings bin ich da nach meiner Zeit in Korea etwas vorbelastet. Dort habe ich kennengelernt und täglich gegessen. Der Stiel löst sich Vollreife, das scheint aber nicht bei allen Sorten der Fall zu sein. Sie schmeckt, sobald sie ganz gelb ist, auch die helleren Rippen. Haltbarkeit nach Ernte bis zu einer Woche.

Gut versorgt fruchtet sie reichlich
Eine Handvoll Melone
Halbiert und geschält: Chamoe-Melone

Weitere Zuckermelonen

Als Zuckermelone im Laden wird die grüne "Piel de Sapo" vekauft, sie ist lange haltbar und gut transportfähig, geschmacklich aber ausser einer kräftigen Süsse wenig differenziert, duftet auch nicht. Die Sorte ist mir für den Eigenanbau zu langweilig. Etwas interessanter ist die Variante "Gelbe Kanarische", die als Honigmelone verkauft wird. Die habe ich getestet.

Ihr Ansprüche an Boden und Wärme sind hoch, es ist keine frühreifende Melone, dürfte in weniger guten Jahren nicht reif werden. Hat sie das richtige Wetter und reift weiter die Supermarktware, wird sie sehr süss, für meinen Geschmack übersüsst. Der Stiel löst sich bei Vollreife nicht. Die Pflanzen werden relativ gross mit langen Ranken.
In etwa so reif wie Supermarktware
Weiter gereift wird die Schale gefurchter
In Vollreife bekommt das Fruchtfleisch einen rosa Schimmer

Hales Best

Alte Sorte aus den USA. Oval. Geschmack okay, aber Früchte faulen leicht, am Kelch und Stengelansatz reissen sie schnell auf, vor allem nach Gewitterregen. Anfällig falschen Mehltau. Sie schmecken gut, sehr saftig, weich, gefällig, Mischung aus Cantaloupe und Honigmelone. Aber es gibt Besseres.

Hales Best

Sakata Sweet

Sehr kleine Melönchen aus Japan. Sie reift früh und wird vor Vollreife geerntet, wenn die Schalenfarbe von Grün nach Gelb umschlägt. Dann ernten und noch gekühlt etwas liegen lassen. Verwandt mit den Chamoe-Melonen, ebenfalls festes Fleisch.

Essreife "Sakata Sweet"
Halbiert. Bei guter Düngung ist das Fruchtfleisch dicker.
Zu reif. Dann reisst sie und süsser rosa Saft tritt aus.
Galia-Melone Exelor

Galia-Melonen sind sehr beliebt im kommerziellen Anbau des Südens, weil sie sehr lange haltbar sind und gut transportfähig. Dieser Typ wird sogar im Winter aus Mittel- und Südamerika nach Europa exportiert. Bei uns reifen sie im Anbau oft nicht ganz aus. Aber es gibt auch Sorten, die das gut schaffen. Das Aroma ist leider oft nur mittelmässig.
Exelor schafft die Reife, in der Regel wird sie Anfang August reif. Meine Pflanzen hatten starken Fruchtansatz, waren aber auch gut versorgt. Keine besonderen Anfälligkeiten, aber auch keine besonderen Qualitäten. Vorrangig süss, Fruchtfleisch grünlich. Besser nicht erst ernten, wenn sich der Stiel von selbst löst, sondern schon wenn sich Risse am Nabel zeigen.


Gruppe vieler Exelor-Melonen. Gewicht max. 1,5kg.

Grünfleischige Melone Model

Interessante Varietät, auch eine die man auf den Märkten nicht findet. "Model" reift etwas später, eher Anfang August. Sie bleibt aber auch lange gesund. Die Melonen sind klein, gleichmässig gross, im Verlauf des Wachstums erst glatt dann gerippt, schliesslich bekommt sie goldgelbe Töne. Das Fruchfleisch ist sattgrün, bei Vollreife hellt es noch auf. Nicht zu früh ernten. Sie wird gelb und am Stiel bekommt sie Risse, braucht dann aber noch einige Tage bis zur Vollreife. Der Ertrag ist zögerlich, am Anfang als erster Ansatz oft nur ein, zwei Früchte, aber sie kann aber bis in den Herbst noch einiges nachliefern.
Im Aroma unterscheidet sie sich deutlich von Cantaloupe & Charentais. Am ehesten ist es einer guten Galiamelone ähnlich, aber mit einem eigenständigen Ton, etwas anis- und bananenartig, vielleicht fällt mir noch ein besserer Vergleich ein. Lecker und kräftig, meiner Ansicht nach viel besser wie die meisten Galiamelonen. Sicherlich eine Hybride mit Eltern verschiedener Sortengruppen.

Gruppe reifer und fast reifer "Model" Melonen
Kleine Früchte, 500-700g, im Schnitt knapp 600g
Innen kräftig grün, bei Vollreife hellt sie vom Kernhaus her auf.
Wassermelonen

Habt ihr noch nicht genug :-) ? Eigene Abteilung, für heute reichen die anderen Sorten. Angebaut habe ich schon Sweet Siberian, Viking, Sugar Baby, Crimson Sweet... aber da unterscheiden sich selbst angebaute Melonen nicht so furchtbar stark von gekaufter Ware, deshalb sind Wassermelonen für mich im Eigenanbau weniger attraktiv.

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Sonntag, 29. Juli 2018

Man kann auch im Honig ertrinken

Das Bienenjahr neigt sich dem Ende zu. Seit der Sommersonnwende werden Winterbienen fabriziert. Mitte Juli muss man auch als Imker beginnen, auf Winter umzustellen. Die Völker werden an ihren Überwinterungsplatz gebracht, die Behandlung mit organischen Säuren gegen die Varroamilbe vorbereitet, die Bienenwohnung verkleinert weil die Völker jetzt schrumpfen.

Doch in diesem Jahr lief vieles auf besondere Weise. Direkt nach der Frühtracht bin ich einem Imkerkollegen zusammen und einigen Völkern in den Randbereich des Odenwalds gegangen, "gewandert" wie man auf Imkerlatein sagt. Dazu braucht man ein Gesundheitszeugnis für die Bienen und einen Platz für die Aufstellung der Völker. Der Imkerkollege kommt viel herum, er fragte den Förster an unserem Wunschplatz im Wald, der die Aufstellung von Bienenvölkern genehmigte. Wie fast immer sind Förster und Waldbesitzer dafür aufgeschlossen. Wir verschmutzen und verändern ja auch nichts und halten uns für die Arbeiten an den Bienen an die Tageszeiten, die uns für die Fahrt empfohlen werden, schliesslich müssen immer wieder Arbeiten am Bienenstand erledigt werden. Nur der je einmalige Hin- und Abtransport der Völker muss früh Morgens oder spät Abends erfolgen, denn nur dann fliegen die Bienen nicht.

Der Frühlingsblütenhonig fliesst
Die Gegend dort liegt 300m höher wie unsere Wohnregion und die Natur ist in allem rund zehn Tage später dran. Als wir ankamen, verblühte gerade der letzte Raps. Und dann ging es wie verrückt los: Fast jede Woche, höchstens alle zwei Wochen waren die Honigräume voll und ich musste abschleudern. Kontinuierlich. Zusammen mit der Frühtracht zu Hause kam ich auf sagenhafte 120-140kg Honig pro Volk, einsamer Rekord für meine Bienen. Auch der Wassergehalt lag immer niedig, der Honig hatte hohe Qualität. Es wäre noch weiter gegangen und mehr geworden, aber wie gesagt - es wurde Zeit für die Winterbehandlung. Jeweils 16-26kg pro Volk und Schleuderung gab es von:
  1. Jungfichten mit Weideröschen, die eine gute Bienenweide sind
    Frühtracht: Ahorn, Kirsche, Raps. "Unser" typischer uns bester Honig, vor allem wegen des hohen Kirschblütenanteils, Kirschen wachsen als Nutzholz in einigen Waldstücken hier.
  2. Ab jetzt im Odenwald. Dunkle Waldtracht von Schnabelkerfen auf Fichten. Und noch einen Rest der abgehenden Rapsblüte.
  3. Noch einmal dunkle Waldtracht.
  4. Rubus dominiert: Himbeere, Brombeere, Kratzbeere, wie sie in Waldlichtungen wachsen.
  5. Noch etwas Rubus, aber Weideröschen kommt dazu, das zwischen Nadelholz-Jungpflanzungen wächst und intensiv beflogen wird.
  6. Der Honig wird sehr hell und gelb, vermutlich Phaceliatracht vom Waldrand, wo sie auf Stillegungenflächen ausgesät wird und besonders bei trockener Hitze honigt. Auch davon gab es zwei volle Honigräume pro Volk.

Uff. Schön, fantastische Sorten, aber wie soll ich das alles verkaufen? Die meisten Hobbyimker werden ihren Honig im der Ver- und Bekanntschaftskreis und am Arbeitsplatz los, das geht bis zu Ertragsmengen gut, die man mit vier Völkern hat. Hier in der Kleinstadt - keine Chance. Hilfe!

Hilfe! Bereits in der Wabe kristallisierter Melezitosehonig.
Die andere Honigschwemme erlebte ich bei allen Völkern, die an meinem Bienenstand hier geblieben sind und auf diese Schwemme hätte ich sehr gerne komplett verzichtet. 2013 hatten wir bereits eine derartige Katastrophe: Ab Ende Juni landete massenhaft Melezitosehonig im Kasten. Fast einen Monat lang. Dieser Honig stammt von Rindenläusen, deren Honigtau eine besondere Dreifachzuckerart enthält, die Melezitose. Dieses Sammelgut führt dazu, dass der Honig sofort in den Waben kistallisiert und steinhart wird, sogenannter Zementhonig. Dafür reicht bereits ein Melezitoseanteil von >10% aus. Er kann weder geschleudert werden noch können ihn die Bienen im Winter verwerten. Er enthält wie jeder andere Waldhonig auch zu viel Mineralstoffe und die harten Kristalle können die Bienen nicht wieder auflösen, dafür fehlt ihnen im Winter das Wasser. Wer das probiert, erleidet Völkerverluste. Der weitere Umgang mit den Waben ist ausgesprochen mühsam und langwierig. Manche Imker lassen sie wieder von den Bienen ausfressen und umlagern, das ist schweisstreibend, geht langsam und verursacht weitere Probleme. Andere geben auf und schmelzen alles ein, hängen dann wieder leere Waben ins Bienenvolk ein. Das kann wochenlang so ablaufen, von aussen wird immer wieder Melezitosehonigtau hereingetragen. Es bedeutet vor allem Stress pur mitten im heissen Juli, während gleichzeitig die Winterbehandlung drängt.

Ausschneiden
In den Topf damit
So schön die Imkerei ansonsten ist, solche Ereignisse bringen viel Frust, vor allem wenn noch andere Probleme dazukommen, bei mir die Gesundheit. 2013 habe ich Waben zunächst ausfressen lassen und dann die Schwemme eingelagert, um sie im Frühjahr ausfressen lassen. Diesmal habe ich mich dazu entschieden, die Waben mitsamt dem Honig auszuschmelzen. Das geht auch langsam und ist mühsam, aber es klappt überraschend gut. Jede Wabe wird von Hand ausgeschnitten, das Honig-Wachsgemisch kommt in einen grossen Topf mit 11 Litern Fassungsvermögen. Der wird sehr vorsichtig erhitzt, bis das Wachs gerade so schmilzt, das passiert bei maximal 65°C. Ist alles geschmolzen, schaltet man die Wärmezufuhr ab und lässt den Topf wieder erkalten. Oben setzt sich das Wachs und allerlei Schwebstoffe ab, diese Schicht wird wieder fest. Darunter schwimmt der verflüssigte Honig. Dieser Honig nennt sich Seimhonig, er hat zwar durch die Erwärmung einige wichtige Inhaltsstoffe verloren, schmeckt aber noch gut. Als "Bienenhonig" kann er natürlich nicht mehr verkauft werden, aber man kann ihn als "Backhonig" verwenden (und unter dieser Bezeichnung verkaufen, falls man Kunden findet), um beispielsweise Lebkuchen herzustellen. Die werden sowieso gebacken, es ist egal ob der Honig vorher schon erwärmt war. Oder man verwendet ihn für die Metherstellung. Die Mischung aus Wald- und Blütenhonig (auch Nektar von Phacelia ist enthalten) kann recht leckere Honigweinergebnisse ergeben.

Somit haben noch einige zusätzliche Eimer Seimhonig meinen Honigsee noch grösser gemacht. Genug, um damit die nächsten zehn Jahre Lebkuchen zu backen.

Wieder fest gewordenes Wachs, drunter ist der abgekühlte Melezitosehonig

Abgiessen des verflüssigten Melezitose-Seimhonigs in den Lagereimer

Waldhonig mit Melezitose, jetzt wieder flüssig

Erkalteter Wachsdeckel mit agglutinierter Schwebstoff-Schicht

Donnerstag, 12. Juli 2018

Verjus, Agrest - der selbstgemachte Zitronensaft aus Weintrauben

Im Beitrag über Tafeltrauben stand es schon: Man kann sogar aus den Beeren unreifer Wein- oder Tafeltrauben interessante Produkte herstellen. Und das funktioniert sogar relativ einfach. Ich habe das natürlich ausprobiert und mich gewundert, wie leicht es vonstatten ging und wie gut das Ergebnis ist. Presst man Saft aus unreifen Trauben, kann das Ergebnis in der Küche als universelles Säuerungsmittel Verwendung finden, etwa so wie Zitronensaft. Sogar mit einigen Vorteilen gegenüber Zitronensaft. Dies hat eine sehr lange Tradition, die zwischenzeitlich in Deutschland leider fast verloren ging. Dieser Saft aus grünen Trauben nennt sich Agrest oder Verjus. Anfang Juli habe ich wieder welchen aus einigen meiner Trauben zubereitet. Doch der Reihe nach.

Geschichte


Die Idee, Verjus herzustellen ist uralt, schon in Mesopotamien hat man das getan. Unreife Trauben gibt es, seit es Wein gibt und es liegt ziemlich nahe, diese Trauben auch noch irgendwie zu verwenden, vor allem wenn sie beispielsweise durch Hagelereignisse oder Abrisse anfallen. Der daraus gepresste Saft wurde als universelles Säuerungsmittel in der Küche verwendet, in der Medizin als Arzneimittel und in verdünnter Form als erfrischendes Getränk. Verjus/Agrest verschwand zwar nie ganz, aber in den letzten Jahrhunderten zog sich seine Verwendung in Nischen zurück. Zum Säuern verwendete man immer mehr Zitronensäure (E 330), heutzutage sogar biotechnisch hergestellt, in den USA und China mittels gentechnisch veränderter Schimmelpilze. In einigen Ländern ist Agrest aber als tägliches Säuerungsmittel erhalten geblieben. Auch der klassische echte Dijon-Senf wird mit Agrest hergestellt. Er enthält vor allem Apfel- und Weinsäure und kombiniert sich erstklassig mit gemahlenen Senfkörnern. Früher wurde Verjus mit viel Salz haltbar gemacht, heute füllt man ihn heiss und steril in dichte Glasflaschen mit luftdichtem Verschluss. Geöffnet kann er mangels Zucker zwar nicht gären, aber schimmeln. Man muss ihn im Kühlschrank aufbewahren. Der Liter in Bioqualität kostet satte 58 EUR (Stand Juli 2018), wer ihn kaufen will.

Ausdünnen und grün ernten

Grüne Traube - beschädigt, ideal für Verjus

"Grüne Trauben? Lass ich lieber reif werden und habe dann das süsse Obst oder den Saft", werden die meisten Leute spontan sagen. Aber viele Tafeltraubensorten der jüngsten Generation stammen aus Osteuropa und haben neben einigen Vorteilen leider auch Nachteile. Einer dieser Nachteile ist ihr starker Hang zur Überlastung. Es werden massenhaft Trauben angesetzt, die der Stock nie und nimmer ernähren kann. Der fette Ansatz sieht erst mal toll aus, ist aber ein heftiges Eigentor. Man muss dann durch die Zweige gehen und von Hand ausdünnen, unreife Trauben abschneiden. Das Problem haben auch klassische Rebsorten, von denen Klone über Jahrzehnte hinweg primär nach Ertragskraft ausgelesen wurden: Hoher Beerenansatz, hohe Ernte. Leider bringt eine Riesenernte minderwertige Qualität. Was der Rebstock leisten kann, ist durch Blattfläche und Sonneneinstrahlung physikalisch begrenzt, steigt der Fruchtansatz über die Leistungsfähigkeit der Pflanze, leidet der Rebstock, die Beeren bleiben kleiner, es gibt Reifeverzögerungen, Aromaschwäche, mangelnde Zuckereinlagerung, abgesenkte Frosttoleranz, Wachstumsblockaden bis zum him Absterben im Folgejahr. Um noch vernünftige Qualität zu erhalten, muss zu hoher Fruchtansatz ausgedünnt werden.

Blick durchs Refraktometer bei 15°OE
Ein guter Zeitpunkt zum Ausdünnen ist erreicht, wenn die Beeren Erbsengrösse haben. Für die Agrestherstellung kann man sich noch ein bisschen länger Zeit lassen. Hier liegt der optimale Zeitpunkt zu Beginn der Zuckereinlagerung, denn dann wird auch Saft gebildet. Die Beeren sind dabei schon etwas grösser wie Erbsen, je nach Sorte beginnt das im Juni oder erst Anfang Juli. Gefärbt sind sie da noch nicht, deshalb ist es egal ob es weisse, rote oder blaue Sorten sind. Man kann das mit Hilfe eines billigen Refraktometers messen, der Öchslegrad der grünen Beeren sollte 10° / 2 Brix nicht übersteigen, bis 20° OE geht es aber auch noch, allerdings ist dann dem Rebstock schon viel Energie entzogen und die positiven Effekte durch die Ausdünnung schwächen sich ab, ausserdem sinken die Säuregehalte. Süss soll Agrest keinesfalls sein. Das zu kontrollieren geht schnell, "quick & dirty": Beere mit den Fingern zerquetschen, Tropfen auf die Messfläche, durch das Okular gucken - alles klar.

Wieviel ausgedünnt werden sollte, ist sortenabhängig. Pro Trieb werden gewöhnlich eine grosse oder zwei kleinere Trauben empfohlen, was darüber liegt sollte man schneiden. Geschnitten werden entweder ganze Trauben oder von allen Trauben die untere Hälfte. Die abgeschnittenen Trauben werden gesammelt und sofort weiterverarbeitet.

Herstellung


Die Trauben werden grob entrappt (von den Stängeln abgerissen) und zu einer Maische verarbeitet, zermust. Im Gegensatz zur Weinherstellung sollte man das mit einem Mixer machen, der Mus herstellt. Bei reifen Trauben für Wein würde das einen schwer pressbaren Brei mit vielen Trübstoffen und gehäckselten Traubenkernen ergeben, bei unreifen Trauben ergibt es eine kräftig grüne Sosse, die sich bei hoher Ausbeute ausserordentlich gut pressen lässt.
Für die Pressung nimmt man am besten einen Handpressbeutel aus Nylon. Nach wenigen Minuten bekommt man Saft und Maische ganz low-tech getrennt. Saft kurz auf >90°C erhitzen, aufsteigenden Schlamm abschöpfen, in kleine Flaschen abfüllen, abkühlen lassen - schon fertig. Ungeöffnet ist Agrest fast unbegrenzt haltbar, geöffnet im Kühlschrank einige Wochen. Ich habe für den ganzen Zubereitungsvorgang keine halbe Stunde gebraucht, ein Jahr später etwas länger weil ich diesmal richtig grosse Mengen mit mehreren Litern hergestellt habe. Das Reinigen der Küchengeräte dauerte so lange wie die Herstellung.
Nach einiger Zeit Lagerung kristallisiert am Flaschenboden fast immer Weinstein ab, so wie er von manchen alten Weinen oder Traubensaft bekannt ist. Das sind nichtlösliche Salze der Weinsäure wie Kaliumhydrogentartrat oder Calciumtartrat, selbstverständlich ungiftig. Sie schmecken nach Nichts und lassen sich für einige andere Dinge weiterverwenden, etwa als Backtriebmittel, Komplexbildner, Säuerungsmittel und Säureregulator. Calciumtartrat ist auch ein Lebensmittelzusatzstoff mit der Nummer E354.

Ausgepresste Maische und frischer Saft


Verwendung

Verjus heisssteril abgefüllt. Der trübe Satz lässt sich entfernen.
Und wie schmeckt das nun? Ganz erstaunlich. Ein Weintraubenaroma ist bereits vorhanden. Die enthaltene Säure wirkt sehr breit, erfüllt den ganzen Mund im Gegensatz zum spitz wirkenden Zitronensaft. Sie hält auch länger an, kriecht aber nicht unangenehm durch den Mund. Nichts davon kommt ätzend, unrund oder zu gerbstoffhaltig. Fürs Kochen und in Salaten ist das eine echte Alternative zu Essig oder Zitronensaft. Die gleiche Menge Verjus wirkt milder wie Zitronensaft, dafür mit harmonischer Wirkung, Säure die säuert aber nicht so leicht stechend wie Zitrone oder Essig wird. Ein Gewinn für die Küche. Das Weintraubenaroma merkt man erst in der Verdünnung, vorher wird es von der Säure übertönt. Ich habe jetzt immer eine angebrochene Flasche im Kühlschrank stehen und habe die Agrestgewinnung Jahr für Jahr ausgeweitet.

Seit alters her wird Agrest auch für allerlei gesundheitliche Zwecke empfohlen. Da es aber in diesem Blog nur um echte, selbst gemachte Erfahrungen geht stattdessen der Hinweis auf die äusserst inhaltlich ausgreifenden Seiten: https://www.elmar-lorey.de/agrest/.

Agrest, halbe Jahresernte

Donnerstag, 5. Juli 2018

Aprikosen, die Preziosen

Der Rest von 20kg Ernte
Letzte Woche haben wir die letzten zwei Eimer mit Aprikosen bekommen. Den Baum hatte ich vor mehreren Jahren gepflanzt und er hat jetzt einen Kronendurchmesser von rund sechs Metern, Sorte "Orangered". Eigentlich heisst die Sorte "Bhart cov", die Züchtung der Universität New Jersey von 1979, auch eine wichtige Sorte im kommerziellen Anbau Europas.

Nur frisch auf dem Tisch


Baumfrische Aprikose: Einzigartiger Spitzengenuss
Wer einmal baumfrische, vollreife Aprikosen gegessen hat, dem braucht man nichts über den Genuss erzählen, den diese Früchte bescheren. Sie sind einfach fantastisch und entsprechend hochgeschätzt. Es ist nicht nur der Geschmack. Kaum eine Steinfrucht ist so vielseitig verwendbar. Sogar in getrockneter Form ernährt sie ganze Volksgruppen in Asien. Leider ist der Kontrast zu den Früchten, die wir im Supermarkt kaufen können wohl bei keiner anderen Fruchtart so gross wie bei Aprikosen. Die Regel sind unreife, geschmacksarme, überlagerte Früchte. Ihr Aroma ist unterirdisch. Was verkauft wird, ist oftmals -entschuldigung- der reinste Müll. Aber Schuld dran sind weder die Anbauer noch die Händler. Wer einmal eigene Aprikosen hatte, weiss es: Bereits wenige Stunden nach der Ernte bauen die Aromen spürbar ab. Nach nur zwei Tagen ist der Zuckergeschmack stark reduziert, die Säure wird stärker, die Aromen fast verschwunden, sie werden entweder mehlig oder matschig. Oder sie werden knapp reif geerntet, dann halten sie länger aber sind schon von vornherein aromaschwach. Wer den vollen Genuss will, muss Zugriff auf eben geerntete, ausgereifte Früchte haben. In dieser Forum sind sie ein Spitzengenuss.

Geschichte des Anbaus in Mitteleuropa, Anbauvoraussetzungen


Hoher Fruchtansatz, fast vollreif
So gut sie sind, so schwierig ist der Eigenanbau in Mitteleuropa. Hier sind Baum- und Ertragsausfälle Regel statt Ausnahme. Das war schon immer so. Oft versucht, selten gelungen. Die Liste der Probleme ist ellenlang. Warmes Klima genügt nicht. Schwierig sind auch Fröste ab Ende Februar, Luftfeuchte, Unterlagen, Seeklima, fatale Krankheiten. Sie werden als "Risikokultur" bezeichnet und sind es trotz ausgefeilter Anbautechnik immer geblieben.

Grösstes Anbauland ist Usbekistan. Auch in Deutschland gibt es einen bescheidenen, verstreuten Anbau. Die Anbauer berichten von 10% jährlichen Baumausfällen trotz bestmöglicher Bedingungen. Angebaut wird bei Aseleben im Mansfelder Land, um Mainz, am Niederrhein. Das Mansfelder Land war zu DDR-Zeiten bis 1990 das grösste Anbaugebiet nördlich der Alpen. Mainz war bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts das deutsche Anbauzentrum, vor allem Mombach am Rhein. Das ist heute wie so viele Obstanbaugebiete fast komplett überbaut und damit für immer für die Produktion dieser hochwertigen Lebensmittel vernichtet. Zusammengewuchert mit Mainz ist aus den Feldern mit den süssen Früchten auf warmem, sandigem Boden ein riesiger Beton- und Asphaltbrei geworden. Heute ist die grösste zusammenhängende Freifläche dort ein Golfplatz Richtung Budenheim. Die besten Flächen sind zerstört, vernichtet, verludert.

Voraussetzung war früher wie heute eine lufttrockene Lage (so wenig Tau und Nebel wie möglich), kein schwerer nasser Boden, auf gar keinen Fall eine Spätfrostzone. Kontinentalklimaverhältnisse sind besser als maritimes Klima, deshalb gedeihen sie auf der Südseite von Alpentälern bis in erstaunliche Höhen. Wer überdachen kann, sollte überdachen und damit Hagel, Regen, Feuchtigkeit abhalten. Im kommerziellen Anbau sind auch Frostschutzmassnahmen wie Beregnung oder Strahlwärme üblich.

Erfahrungen mit dieser Obstart


So endet es meistens: Früher Baumtod
Seit vielen Jahren versuchen wir es mit Aprikosen, können aber selten ernten. Es ist schwer. Die Erfahrungen, wie es nicht geht sind wesentlich zahlreicher wie die geernteten Früchte.

Es beginnt mit dem Pflanzgut. Ein völliger Fehlschlag waren alle meine Bäume auf schwächer wachsenden Unterlagen und Unterlagen, die sich als negativ auf die Baumgesundheit herausgestellt haben. Leider sind das gerade die, die besonders häufig angeboten werden. Kurzer Tipp: Finger weg. Immer. Auch schwächer wachsende Sorten sind nicht zu empfehlen. In einem grösseren Versuch des Arbeitskreises "Obstbauliche Leistungsprüfungen" stellt sich von den weniger stark wachsenden Unterlagen die Unterlage Wavit mit 60cm hoher Veredelung (also höher wie üblich) als die bestmögliche Wahl heraus, dem kann ich nur zustimmen wenn sie in gutem aber leichtem Boden stehen. Noch besser sind Unterlagen höherer Wuchskraft: Wurzelecht oder arteigen. Bromptonpflaume und Mandel sollen auch gut sein, damit habe ich noch keine Erfahrungen, auch diese Unterlagen wachsen stark. Myrobalane wächst auch stark, verursacht aber mehr Baumausfälle. Abzulehnen ist St.-Julien Pflaume, GF 655/2.

Gross gewordene "Orangered"
Die "Power" wird benötigt, weil absterbende Äste und Verjüngung ständigen Rückschnitt erfordern. Zurückschneiden kann man nur, wenn auch etwas wächst. Zudem sorgen viele Unterlagen wie schon erwähnt für hohe Baumausfallraten. Dann stirbt schlagartig der ganze Baum.

Die Bäume sollten so luftig wie möglich stehen. Tallagen, Luftfeuchte, teilweise Verschattung sind strikt zu meiden. Die Nordseite von Gebäuden ist unter bestimmten Voraussetzungen gar nicht so schlecht. Im Winter steht der Baum im Schatten, wird von der tiefstehenden Sonne nicht angestrahlt, kommt dadurch nicht so leicht aus der Winterruhe und blüht vielleicht ein paar Tage später. Im Sommer bei hochstehender Sonne bekommt er volle Einstrahlung.

Die meisten Jahre bringt der Frost Knospen oder Blüten oder Jungfrüchte um. Auch 2018 kam Dank warmem Winter bereits Saft in die Knospen, -14°C in der letzten Februarwoche und eine Woche mit -8°C ab 18.3. haben sie alle getötet. Ein anderer Baum stand 200 Höhenmeter höher und kühler, kam dadurch nicht so schnell aus der Winterruhe, die Knospen überlebten, er blühte voll und fruchtete reichlich.

Blüte leider schon Ende März
Nach der Blüte hängen wasserreiche junge Früchte am Baum. Auch sie sind frostgefährdet, sogar noch stärker wie die Blüte selbst, die immerhin -2° C aushält. Meine Bäume blühten manchmal schon Ende Februar (mein erster Baum zu Beginn meiner Obstsucht, "Ungarische Beste" blühte sogar am 28.1.2003), meist Ende März, mit viel Glück erst im April. Wehe, dann kommt noch einmal Frost. Nicht zu kühles, kontinentales Klima ist ideal mit kurzen Übergängen in den Sommer. In Südosteuropa ist dies der Fall, aber auch dort sind ertragslose Jahre keine Seltenheit.

Baumkiller Nr. 1 ist hierzulande der Moniliapilz, diesen Spitzenplatz wird absehbar ESFY übernehmen, eine Phytoplasmose, die in Südeuropa schon länger der grösste Baumkiller ist. Daneben gibts Blattkrankheiten, andere Plasmosen, Schädlinge die die Früchte angreifen, Aprikosen sind einfach sehr anfällig.

Sorten, Früchte, Verwendung


Eine Menge Sorten hatte ich schon ausprobiert, viele sind gestorben ohne je getragen zu haben. Erwähnenswert waren nur zwei oder drei Sorten. "Orangered" als (relativ gesehen) Sorte mit grösster Robustheit, bestem Geschmack und teilweiser Selbstfruchtbarkeit, ausserdem ist sie Scharkafest. Keine Sorge, es bleiben noch genügend fatale Krankheiten übrig. Die Erträge sind höher bei Fremdbefruchtung, aber dann muss man ausdünnen, weil der Fruchtansatz zu hoch werden kann. Erwähnenswert ist auch "Hargrand", fast so gut und schliesslich Haralayne, ebenfalls eine der vielen Züchtungen aus Harrow, Kanada. Die zeigte sich bei mir tatsächlich als etwas später blühend und damit ein paar Prozent weniger frostschadengefährdet. Auch die beliebte "Bergeron" soll das schaffen, mir ging sie zu schnell ein.

Marmelade kochen. Allein die Farbe!
"Orangered" hat wie andere gute Sorten sehr saftige, gut gefärbte und grosse Früchte. Sie sind ausgewogen in Zucker und Säure, halten sich ausgereift aber nur wenige Tage. Aprikosen sollte man sofort verarbeiten und nie stehen lassen, auch nicht einen Tag. Was man nicht essen kann, verarbeitet man zu Marmelade und trocknet die Früchte in entsteinter Form im Trockner. Getrocknete Aprikosen gehören zu den leckersten verfügbaren Trockenfrüchten überhaupt. Zu viel kanns davon gar nicht geben. Auch nicht von Marmelade, die auch in der Konditorei eine grosse Rolle spielt, zum Beispiel für Sachertorte.

Sonntag, 24. Juni 2018

Kirschsaft, Wildkirschenmarmelade, Kirschprinzessinnen

Die Haupterntezeit der Kirschen ist vorbei, fast alle Sorten sind durch. In meiner Kindheit gab es Mitte Juni immer die ersten Erdbeeren, man brachte mit Müh und Not den Belag für den ersten Erdbeerkuchen mit eigenen Erdbeeren aus dem Garten zusammen. Mit Früchten, deren Spitze noch grün war. Heute ist die Erdbeerzeit Mitte Juni schon vorbei, die Kirschen auf dem Höhepunkt und Melonen bereits in Sichtweite.

Also Kirschen jetzt. Wir haben 25kg reife, saftige Herzkirschen gepflückt und Saft daraus gemacht. Einfach abgepresst mit der Hydropresse. Kirschen rein, Wasser an, Saft ablaufen lassen, Wasser aus und ablassen. Presse reinigen, Saft trinken.


Die Presse arbeitet mit Wasserdruck. Der Grummibehälter in der Mitte wird mit Leitungswasser (max. 3bar) gefüllt und dehnt sich aus, die Früchte werden gegen das Gitter gepresst. Auf das Presstuch kann man bei weichen Früchten verzichten.



Sofort beginnt der Saft zu fliessen. Es dauert keine fünf Minuten und die Kirschen sind abgepresst.


Wasser wieder ablassen. Wasserbeutel entspannt sich und schrumpft. Übrig bleibt der trockengepresste Trester an der Wand der Presse.


Ein Grossteil davon sind die Kirschkerne:


Die Ausbeute beträgt knapp 50%. Den Saft kann man frisch trinken oder abkochen und in Flaschen füllen. Ich verbessere die Haltbarkeit durch etwas Säure- und Ascorbinzugabe. Er schmeckt auch gut in Mischungen. Mit Sekt kommt er sehr gut, viel besser wie die beliebte Sekt-Orange-Mischung.

In einigen unserer umliegenden Wälder gibt es viel Wildobst, darunter als grösster Anteil davon Wildkirschen. Früher hat man sich Wildlinge von dort als Veredelungsunterlagen für eigene Kirschbäume geholt. Die wilden Kirschbäume tragen regelmässig Früchte. An Säumen und freien Einzelbäumen kommt man an sie heran, ansonsten sind die Bäume zu hoch. Der Waldwirtschaft geht es natürlich um die Stämme, die möglichst astfrei lang sein sollen. Ihre Früchte weisen eine hohe Vielfalt aus, manche scheinen auch den Kulturkirschen etwas näher zu sein, es gibt gelbliche Varianten, welche mit sehr kleinen Früchten, fast schwarze Kirschen, Grössere. Kirschen von solchen halbwilden Bäumen haben bittersüsses Aroma, das eine Spitzenmarmelade ergibt. Häufig liegen sie im späten Reifebereich. Aber es ist mühsam, etwas zusammenzubekommen. Dieses Jahr sind die Früchte erfreulicherweise generell etwas grösser. Die Zuckermessung des Safts mit dem Refraktometer unserer Wildsammlung ergab wieder sagenhafte 85° OE (20,4 Brix). Rekordwerte von bestimmten Bäumen erbrachten schon bis zu 110° OE. Sie sind recht weich mit hohem Steinanteil, wir zerquetschen sie mit der Hand um eine Maische herzustellen.


Die Maische wird einfach durch das grobe Sieb einer Passiermühle ("flotte Lotte") gedreht. Übrig bleiben nur die Kerne und ein bisschen Hautreste.


Geliermittel zugeben, etwas Zitronensäure aufkochen, 3 Minuten sprudelnd kochen lassen, abfüllen:


Dieses Jahr tragen alle Sorten. Und das mit sehr wenig Kirschfruchtliegenlarven. Hier eine früher teuer gehandelte Spitzensorte, die "Grosse Prinzessinkirsche", die für die Tortendekoration sehr beliebt war. Als "Kaiserkirsche", die dafür in Zucker eingelegt wurde. Ihr Aroma wird durch erhitzen sogar stärker.

Grosse Prinzessin Kirsche

Vornehme Blässe auf einer Seite, zart errötend auf der Anderen ist sie, die Prinzessin - eine rotbunte Sorte. Und die Rotbunten ist schon alle lange verschwunden, weil die heutigen Kunden so etwas für unreif halten würden, so die Befürchtung der Supermarktmanager. Das Fruchtfleisch der Prinzessin ist weiss und zartfest, der Saft farblos, sie ist sehr gut steinlösend. Sie hat einen eigenen Duft nach kandierter Frucht und Süsse. Im Aroma kommt sie durchaus kräftig heraus, hat sowohl Süsse als auch Säure. Man kann sie kiloweise essen, ganz anders als die harten, zähen Geschosse moderner Sorten wie "Regina".

Grosse Prinzessinkirsche, frisch gepflückt

Meine Saftkirschen kamen von einem Hausbaum in Reichertshausen, einem Dorf in der Nähe, heute zur Gemeinde Neudenau gehörig. In Reichertshausen gab es bis zur Flurbereinigung auf der Nordostseite des Dorfs einen starken Kirschanbau mit grossen Hochstämmen, "Kirschenland" sagten die Leute dazu. Die Kunden für diese Kirschen kamen bis aus den Orten des Baulands, sie bestellten oft vor und holten dann grosse Mengen ab. Davon ist nichts übrig. Die Kunden kaufen heute bei Aldi Kirschen aus der Türkei incl. deftigem Pflanzenschutzmittelcocktail. Die Hochstämme mit erstklassigen Sorten, 150 Jahre sorgsam gepflegt, darunter eine nun verlorene Lokalsorte wurden umgesägt - Brennholz. Die Flurbereinigung der 1960er Jahre planierte wie ein durchmarschierendes Panzerbatallion alles nieder und erzwang eine agroindustrielle, ausgeräumte Landschaft, wie sie bis heute besteht.

Montag, 11. Juni 2018

Melonen: Die häufigsten Krankheiten und ihre Bekämpfung

So soll es aussehen, auch im August, auch bei Feuchtigkeit
Über Melonen, den Mimosen des Nutzgartens sind schon einige Beiträge erschienen. Neben dem Wetter sind die meisten Spielverderber für erfolgreichen Melonenanbau Pflanzenkrankheiten, genauer gesagt Pilzkrankheiten. Das Jahr schreitet voran, bald werden wieder Symptome sichtbar sein. Damit muss man sich auseinandersetzen, denn ausgerechnet für die schlimmsten Geisseln gibt es keine resistenten Sorten und es kommt sehr oft vor, dass die Pflanzen schon vor der vollen Fruchtreife ab Ende Juli restlos absterben. Nur in sehr guten Lagen und Jahren gelingt es, dass Melonenpflanzen den Oktober noch lebend erreichen und damit auch annehmbare Erträge haben. Unbeherrschbare Krankheiten sind die Hauptbegründung von Hobbygärtnern, wenn man den Melonenanbau schliesslich entnervt hinwirft.


Falscher Mehltau


Falscher Mehltau im Anfangsstadium und doch schon zu spät
Seuche Nr. 1 ist zweifellos der falsche Mehltau, Plasmopara. Er befällt Gurken und Melonen sehr stark, andere Cucurbitae etwas seltener. Wassermelonen sind ebenfalls sehr anfällig. Nach einem feuchten Juni erscheinen bereits Mitte Juli überall gleichzeitig helle Blattabschnitte, die wie helle Fenster aussehen. Je nach Melonenart sind die hellen Fenster schwächer oder stärker ausgeprägt. Darauf folgt bei allen Arten schnell das Absterben der ganzen Blätter (sehen aus wie vertrocknet) von aussen her und kurz danach auch der Pflanze. In 14 Tagen ist alles vorbei. Ich habe schon Schubkarren voller Melonen kurz vor der Reife entsorgen müssen, weil kurz zuvor alles rasend schnell vom falschen Mehltau vernichtet wurde. 2016 habe ich deshalb von -zig Pflanzen nichts ernten können. Hat es einmal damit angefangen und sind die Aufhellungen und Nekrosen zu sehen, dann sind die Blätter bereits nicht mehr zu retten.

Am 27. Juli bereits 50% der Blätter zerstört
Falscher Mehltau kann im Freiland wie im Gewächshaus schnell zu Totalschaden führen. Wenn das Wetter kühlere Phasen hat und Wasser auf den Blättern kondensiert, schlägt seine grosse Stunde. Er braucht Blattfeuchte. Klassischer und häufigster Infektionsbooster ist nächtlicher Tau. Auch Regen, keine windoffene Lage, dichter Bewuchs fördern ihn. Wir gärtnern beispielsweise auf halber Höhe zwischen Flusstal und Hochfläche und haben praktisch jedes Jahr falschen Mehltau, nur 500m weiter bzw. 50m höher auf einer windigen Höhenkuppe kommt die Krankheit an denselben Sorten viel seltener. Aber auch dort ist nach zwei Wochen Gewitterwetterlage mit luftfeuchten Nächten Ende Gelände, ob die Nacht warm oder kühl ist spielt keine Rolle, nur ob Wasser auf den Blättern kondensiert.

Plasmopara-resistente Melonensorten gibt es nicht, nicht einmal tolerante Sorten. Cucurbitae aus der Melonen-Gurkengruppe sind fast alle anfällig. Nur ein paar wenige Einlegegurkenzüchtungen haben bessere Toleranzen. Was hilft also?
  • Luftiger aber gleichzeitig nachtwarmer Pflanzort, so dass Taubildung vermindert wird - zum Beispiel vor geraden Steinmauern, unter Folientunnelgewächshäusern die an den Seiten offen sind, aufgeleitet an einer Hauswand, gezogen an Schnüren. Solche Flächen stehen im Nutzgarten leider oft nicht ausreichend zur Verfügung. Und dummerweise lieben auch Spinnmilben trockene Wärme, das wissen Gewächshausgärtner besonders gut. Man schützt sich vor einer Krankheit und holt sich damit eine Andere.
  • Nie Wasser auf Blätter giessen. Wenn wässern, dann besser per im Boden verlegten Perlschlauch, mit der Giesskanne direkt auf den Boden, aber das Wasser darf kein kühles Zisternen- oder Leitungswasser sein. Muss man doch giessen, dann bei Sonne und Wind, damit die Blätter schnell wieder abtrocknen. Luft- und Sonnenwarmes Wasser nehmen, sonst begünstigt man Wurzelkrankheiten.
  • Konsequente Unkrautbekämpfung, einige Unkräuter übertragen den Pilz ebenfalls.
  • Gerne empfohlene Hausmittel wie Backpulver, Magermilch etc. zeigen keine Wirkung, sondern sind ein Beweis für ahnungsloses, inkompetentes Abschreiben. Es sind Mittel gegen den echten Mehltau. Zudem sollen sie Abends ohne Sonne ausgebracht werden, um gegen echten Mehltau zu wirken. Gerade das verursacht aber auch feuchte Blätter über Nacht, was den falschen Mehltau beschleunigt. Sein lassen!
  • Wer auf chemische Helfer setzt, findet eine Stoffgruppe, die dem Befall mit falschen Mehltau vorbeugt, nämlich Phosphonate. Voraussetzung für den Einsatz an Jungpflanzen ist die Anwendung bereits vor dem Befall: Mehrere Sprühgaben auf die Blätter ab Beginn des Längenwachstums Anfang Juni. Angeboten werden zwar auch Mittel mit Azoxystrobin (Mittel z.B. Ortiva Spezial Pilzfrei, Fungisan), gegen das die Pilze aber schon Resistenzen entwickelt haben. Eins der Phosphonate ist Aluminiumfosetyl, verkauft als "Spezial Pilzfrei Aliette". Die Zulassungssituation ändert sich dauernd und wird für private Anwender permanent schlechter. Früher waren Kupfermittel Standard, mittlerweile sind sie auch verboten. Alte Anleitungen zu Anwendungen gibt es noch. Aktuell zugelassene Mittel findet man in der Datenbank des Bundesamts für Verbraucherschutz: https://apps2.bvl.bund.de/psm/jsp/

Phosphonate, Phosphonsäure (nicht Phosphorsäure) sind ein Thema für sich. Sie sind nicht toxisch, gut erprobt und werurden früher in einer rechtlichen Grauzone angewendet, denn es gibt auch Blattdünger mit Phosphonsäure, die dann eine Nebenwirkung auf falschen Mehltau haben. Man behandelt also die Pflanzen in Wirklichkeit gar nicht, sondern düngt sie so, dass sie als Nebenwirkung keinen falschen Mehltau bekommen. Das ist nicht unkorrekt, denn Phosphonsäure wirkt nicht gegen Plasmopara, sondern sorgt dafür dass die Pflanze selbst eine Resistenz gegen den Pilz entwickelt, das nennt sich "induzierte Resistenz". Auch im Bioweinbau hat man damit experimentiert, um von den Kupferspritzungen gegen falschen Mehltau bei Wein wegzukommen. Im kommerziellen Anbau sind Phosphonate bei vielen Kulturen weit verbreitet. Problem ist, dass sich noch sehr lange Zeit Rückstände nachweisen lassen, Phosphonsäure baut sich nur langsam ab und reichert sich in den Pflanzenteilen an, bei denen die Pflanze gerade wächst. Auch wenn sie nicht schädlich ist (die Europäische Lebensmittelbehörde hat umfangreiche Stellungnahmen dazu verfasst), bleibt sie ein Fremdstoff und steht dem generellen Ziel "Rückstandsfreiheit" entgegen. Kein Vorteil ohne Nachteil.

Diesen Müll sollen wir gefälligst kaufen
statt eigene Melonen zu ziehen

Nutzt man Phosphonate, kosten die Blattdünger pro Anwendung nur ein Zehntel der Preises wie ein Pflanzenschutzmittel. Bekannte Handelsnamen 2018 sind Lebosol oder Phosfik, Phos 60. Phosfik enthält 27% Phosphorpentoxid und wird mit 0,2 - 0,25% Konzentation empfohlen. Höchstmengen: 5ml Phosfik oder Lebosol Nutriplant pro Liter Wasser nehmen, also max. 0,5%. Pflanzen ab Mitte Juni einsprühen, wenn das Längenwachstum der Triebe stark ist. Nur benetzen, nicht tropfnass. Ist Befall schon sichtbar, nutzt es nicht mehr viel. Sicherlich wird die EU das wie üblich mit irgendeinem vorgeschobenen Grund früher oder später verbieten. Nachtrag: Mittlerweile ist das wie vorhergesagt tatsächlich passiert. Irritierenderweise haben einige Pflanzenschutzmittel mit Phosphonaten für Kleingärtner durchaus eine gültige Zulassung, wurden aber vom Hersteller einfach nicht auf den deutschen Markt gebracht, in anderen Ländern jedoch sehr wohl. So gibt es das sehr gut wirkende "Previcur Energy" bis Litauen im normalen Verkauf an Jedermann, aber trotz deutscher Zulassung nicht in Deutschland. Wendet man das Mittel in Deutschland an, wird man bestraft. Als Nutzgärtner hat man somit auf allen Ebenen verloren. Der Bürger soll kaufen, kaufen, kaufen statt selbst anzubauen und nutzen, was die Nachbarn problemlos nutzen. Was er im Supermarkt kauft, ist per LKW, Schiff, Flugzeug tausende Kilometer weit hergekarrte Ware bescheidenster Qualität, die von den kommerziellen "Profis" regelmässig behandelt wurde. Eingesetzte Fungizide gegen diese Pilzart sind z.B. Dithianon (der Gruppe der Chinone, Nitrile und schwefelhaltigen Heterocyclen), Folpet (aus der Gruppe der Phthalimide, Sulfenamide und organischen Chlorverbindungen, mit Zulassungsunterbrechung weil krebserregend), Ametoctradin (ein Wirkstoff aus der Gruppe der Pyrimidylamine). Ein hoher Prozentsatz von untersuchten Melonen enthielten mehrere Pflanzenschutzmittelrückstände (Analyse Niedersächsisches Landesamt für Lebensmittelsicherheit). Guten Appetit.

Stadien des Befalls mit echtem Mehltau, immer dieselbe Blattzone. Erste Symptome, Notfallbehandlung mit Kupfer,
Befall stoppt im mittleren Bild, aber zerstört das Blatt trotzdem noch. Achtung, unbehandelt sieht der Befallsverlauf anders aus.

Brennfleckenkrankheit, Alternaria, Stängelbrand


Diese Krankheiten sind zusammengefasst, sie sind teilweise schwer zu unterscheiden, überlappen sich in den Symptombildern und benötigen dieselben Bedingungen, um auszubrechen: Warm und feucht.

Lange waren die Brennfleckenkrankheit, Colletotrichum orbiculare sowie Alternaria (Alternaria cucumerina) nur gelegentliches Übel und blieben in Deutschland der zweiten Reihe, aber die typischen Wetterlagen der letzten Jahre hat sie sehr agressiv werden lassen. Im Jahr 2017 und auch 2018 schaffte Alternaria früh die Katastrophenschwelle, befiel Blätter, Triebe, dann überwog die Brennfleckenkrankheit an den Früchten. Auslöser war eine monatelang ab Frühling anhaltende Grosswetterlage mit viel Wärme, heiss aber mit hoher Luftfeuchtigkeit, die zu allnächtlich taufeuchten Blättern führte weil das Wasser der gesättigten Luft kondensierte. Teilweise gab es 2017 sogar immer wieder sommerlichen Morgennebel. Jeden Morgen tropfte es von den Blättern. Alternaria kann im Gegensatz zu falschem Mehltau schon sehr früh erscheinen, schon in den Wochen nach der Pflanzung, Brennfleckenkrankheit eher etwas später. Zu allem Überfluss hat sich auch noch eine weitere Krankheit an Melonen ausgebreitet, der Stängelbrand. Hier der Verlauf von Alternaria und Brennflecken:

Unscheinbare Blattflecken, oft vom Rand her, aber bereits verwelkte Jungtriebe
Auf der Unterseite Nekrosen mit aufgehellter Mitte, die später herausbricht




Jetzt sind auch die Blattoberseiten mit Nekrosen gesprenkelt
Typisch: Auch Stängel werden befallen. Ist bei falschem Mehltau nicht der Fall.
Und Früchte ebenso - Brennfleckenkrankheit

Weitere Riskofaktoren sind viel Stickstoff im Boden (den Melonen aber brauchen), keine Flächenrotation im Anbau, eigenes Saatgut. Besonders anfällig sind Wassermelonen. Massnahmen dagegen: Lange Fruchtwechsel, drei Jahre Anbaupause auf einer Fläche mit Melonen. Das ist hart, sind doch melonengeeignete Stellen im Garten und Gewächshausflächen ein sehr begrenztes Gut. Ich umgehe das so, dass ich Melonen in Boden mit Pferdemistauflage setze, die schon im Winter aufgeschichtet wird, dann Vlies darüber. Sporen im Boden werden darunter begraben. Melonen sind Flachwurzler. Auch das Saatgut selbst ist Überträger. Da aber fast Jeder die Sämereien kauft und die Sporen nicht sichtbar sind, muss man sich bei Krankheitsfreiheit auf den Saatgutproduzenten verlassen.

Chemie hilft auch nur begrenzt. Das einzige für Privatanwender erhältliche Mittel gegen Brennfleckenkrankheit enthält Azoxystrobin, für dessen Anwendung es bei Sichtbarkeit der Flecken schon zu spät ist. Gegen Alternaria werden mehrere Fungizide empfohlen, auch Kupfermittel, nach 100 Jahren sind sie aber für Privatanwender seit kurzem nicht mehr erlaubt. Alternariapilze produzieren Toxine, die kritisch bewertet werden. Befallene Melonen nicht mehr essen, auch wenn man die Schadstellen ausschneiden kann. Abgestorbene Ranken verursachen auch Qualitätseinbussen. Die Melone in einem teilweise welken Rankensystem wird zwar scheinbar noch optisch reif, akkumuliert aber kaum mehr Zucker und bleibt aromaarm. Man schiebt das dann gerne auf die Sorte, in Wirklichkeit hat eine Krankheit die Assimilationsleistung der Versorgungsblätter zerstört.

Der auf vielen Seiten und Büchern ständig wiedergekäute Satz von "resistente Sorten verwenden" ist auch hier wie so oft eine abgeschriebene Leerformel von Leuten, die in Wirklichkeit absolut gar keine Ahnung haben - es gibt schlichtweg keine resistenten Melonen, nur ein paar wenige Gurken. Helfen würden auch luftige Foliendächer, unter denen sich weniger Tau bildet.

Stängelbrand oder Gummistängelkrankheit ist weltweit der stärkste Erntevernichtungsfaktor für Melonen und hat somit enorme wirtschaftliche Bedeutung. Verantwortlich ist der Pilz Didymella bryoniae, ein Schlauchpilz wie es auch die Pilze der Brennfleckenkrankheit und die von Alternaria sind. Er befällt auch Gewächshaustomaten und Unkräuter wie Zaunrüben. Befallen werden bevorzugt Verzweigungsstellen an den Stängeln, Blätter, Früchte. Ranken welken und ganze Pflanzen können schnell absterben. Diagnostizierbar ist er am leichtesten über seine Pykniden, das sind schwarze fruchtkörperartige Strukturen des Pilzes. Man kann sie mit blossem Auge nach einiger Zeit an Schadstellen erkennen. In ihnen werden neue Sporen gebildet. Meistens tritt Stängelbrand erst ab Ende August auf, Hitze über 30° verträgt er schlecht, er liebt ebenfalls Feuchtigkeit, Tau, mässige Temperaturen. Selbst mit der geballten Macht der Chemie ist er im kommerziellen Anbau nur sehr schwierig unter Kontrolle zu halten, zudem gibt es zunehmend Resistenzprobleme. Für uns sind das akadamische Betrachtungen, die eingesetzten Wirkstoffe wie Triazole kann der private Gärtner ohnehin nicht bekommen. Wir bekommen sie trotzdem: Auf dem Esstisch, wenn wir im Supermarkt kommerzielle Plantagenmelonen kaufen.

 

Wurzelfäulen


Melone mit Wurzelpilz. Blass, ältere Blätter schlaff.
Melonen mögen schwere Böden nicht. Sind sie nicht einmal ausreichend warm, dann führt dies schnell zu Wurzelfäulen wie Fusarium oder Pythium. Risikofaktoren sind frühe Pflanzung in den kalten Boden hinein, viel Nässe im Boden, zu häufiges giessen, Veranlagung. Die Pflanze mickert und lässt Blätter hängen, obwohl sie doch genug Wasser haben müsste. Man fehlinterpretiert dies oft als Wassermangel, giesst noch mehr und verstärkt so den Teufelskreis. Das passiert bereits ab der Auspflanzung im Mai und kann das gesame Melonenleben lang passieren.

Diagnose: Meistens hellen sich auch die Blätter auf, die Pflanze wirkt gelblicher wie gesunde Pflanzen. Das Wachstum hört auf. Blätter bleiben klein. Anfangs sind nur manche Blätter welk oder rollen sich von den Rändern her, eher die Älteren.  Die Pflanze stirbt dann einen langsamen Tod, kann sich aber auch oft erholen. Sie bleibt trotzdem kleiner und es dauert lange, bis sie Blattmasse bildet. Man sollte sofort zu giessen aufhören und abwarten.

Einige Melonensorten sind angeblich resistent gegen alle oder ein paar Fusariumarten, jedenfalls wird damit geworben. Leider sind das nicht gerade die Aromakönige. Für sinnvoller halte ich bodenverbessernde Massnahmen (viel organisches Material einarbeiten, mehr Luft in den Boden bringen), richtiges giessen (warmes Wasser, nur alle paar Tage), auspflanzen in warmen Boden. Damit sind diese Pilze gut zu begrenzen.

Eine andere Methode ist, es die Melonen zu veredeln. Bei Gurken ist das eins der Hauptargumente, man veredelt die Gurkenpflanze auf eine Cucurbita-Unterlagen (gerne den Feigenblattkürbis), die kaum Wurzelkrankheiten bekommt. Gekaufte Pflanzware gibts manchmal in veredelter Version, dann ist sie leider auch gleich kräftig teuer. Mann kann auch selbst veredeln, schwer ist das nicht, nur eben ein zusätzlicher Arbeitsgang. Man sät Edelsorte und Unterlage (Feigenblattkürbis) nebeneinander im Topf. Haben die aufgegangenen Pflänzchen einen Stängel bekommen, kann man sie mit einem Schrägschnitt halb anschneiden und ineinanderstecken. Dafür gibt es eine endlose Zahl von Videoanleitungen auf Videoportalen.

Später wird dann die Melonenwurzel ganz gekappt, sie wächst nun auf Feigenblattkürbisunterlage. Der ist robuster, aber nicht immun gegen alles, mir sind auch Pflanzen auf Feigenblattkürbis schon den Welketod gestoben, vor allem im Gewächshaus.


Echter Mehltau

Melonenblatt echter Mehltau Befallsbeginn

Sphaerotheca fuliginea ist der schleichende Herbsttod, ein Schönwetterpilz, der gewöhnlich erst spät im Jahr auftritt (wenn die Pflanzen überhaupt so lange überlebt haben) und das Ende der Saison kennzeichnet. Regen mag er nicht, aber kühle Nächte. Er ist sehr leicht zu diagnostizieren, Bilder sind dafür kaum nötig, man kennt ihn. Der mehlige Film bildet sich zuerst in Form von grauen Flecken auf beschatteten Blättern mit Beginn der trockenwarmen Tage, kühlen Nächte. Er stört zunehmend die Assimilation und lässt die noch vorhandenen Früchte nicht mehr süss werden. Im Gegensatz zu den anderen Krankheiten wirkt er aber "nur" saisonverkürzend und ist kein kompletter Spielverderber. Manche Sorten sind weniger anfällig, z.B. "Marlene". Unter den verwandten Gurken und einigen Kürbissen gibt es sogar resistente Sorten.

Reine Kalischmierseife

Da die Saison sowieso zu Ende ist, braucht man oft nicht mehr viel zu bekämpfen. Wenn doch, gibt es einfache Mittel. Zum Beispiel den Emulgator Lezitin aus Magermilch (Milch 1:4 verdünnt, dann spritzen) oder Molke oder Sojalezitin, Netzschwefel, Lebermoosextrakt, Kaliumhydrogencarbonat (verkauft auch im kommerziellen Mittel "Armicarb" oder als Mittel gegen Sodbrennen). Natriumhydrogencarbonat funktioniert deutlich schlechter, ist dafür sehr leicht zu bekommen - das ist simples Backpulver. Dosierung Kaliumhydrogenkarbonat: 10g pro Liter Wasser, höchstens lauwarm. Ferner ist noch ein Benetzungsmittel beizumischen, am Besten ist reine Kalischmierseife. Ein Teelöffel Seife pro Liter, aufgelöst in warmem Wasser. Kein Spülmittel nehmen, dort ist eine Vielzahl kritischer Stoffe enthalten, die wir nicht brauchen und nicht wollen.

Meiner Erfahrung nach lohnt sich das Klimbim am Saisonende nicht immer. Die Melonen schmecken dann ohnehin nicht mehr so richtig gut, die Sonne fehlt weil es mehr Schatten gibt und die Tage kürzer sind. Die anderen Krankheiten sind sowieso schneller und beenden alles, bevor schliesslich echter Mehltau kommt. Anders im Gewächshaus, wenn der Befall im September auftritt.

Die Behandlung lohnt sich noch, wenn Mehltau bereits im August auftritt, die Pflanzen ansonsten gesund sind, Aussichten für den September auf gute Wetterlagen hoffen lassen. Ein sonniger September bringt auch noch eine Ernte, wenn sie gesund bleiben. In diesem Fall sollte man mit Lezitin vorbeugend in engem Abstand von fünf Tagen behandeln (und immer nach Regen) oder mit Kaliumbikarbonat beim Sichtbarwerden der ersten Mehltaupilze, danach wöchentlich.


Spinnmilben


Im Freiland hatte ich sie noch nie stark, im Gewächshaus jedes Jahr und dort werden sie auch zur häufigen Katastrophe. Spinnmilben sind winzige Spinnentiere, kaum mit dem blossen Auge zu erkennen vermehren sich massenhaft, stechen die Blätter an, saugen Zellen aus, die Blätter vergilben, sterben ab. Feine Gespinste ziehen sich entlang Stängeln und Trieben. Auch sie sind leicht zu identifizieren, sie befallen auch eine Vielzahl anderer Pflanzen, besonders andere Gurken, Auberginen, Paprika.

Spinnmilbenbefall an Melonenblatt
Zunächst ist eine frühe Diagnose wichtig. Man übersieht die Schädlinge nämlich erst wochenlang. Ich beobachte dazu dunkle Pflanzstäbe an Auberginen im Gewächshaus. Dort krabbeln sie an heissen Sonnentagen ganz zur Spitze hoch und man kann sie dort als helle, abstreifbare Punkte entdecken. Früh sichtbar sind auch kleine, unscheinbare Blattschäden. Kleine, helle Sprenkel erscheinen, die auch an der Oberfläche sichtbar werden. Dort haben die Schädlinge die Blattzellen angestochen und ausgesaugt. In kleinen Bereichen vermehren sich, sie sehen aus wie mit Nadelkissen gestochen. Doch die nächsten Generationen (und davon gibt es viele) gehen über das gesamte Batt und die Pflanzen, sind nicht mehr zu stoppen. Nun ist es schon zu spät, diese Schäden sind nicht mehr reparierbar. Die Blätter sind erst weniger leistungsfähig, dann sterben sie schliesslich unter Bildung grauer, dürrer Inseln.

Auf allerlei schlauen Seiten wird zur Spinnmilbenbekämpfung der Einsatz von Nützlingen empfohlen. Raubmilben würden die Spinnmilben bekämpfen. Ensprechend werden eifrig Tütchen mit Raubmilben verkauft, Nützlinge, die ohne Gift den Spinnmilben den Garaus machen.

Leider ist das reine Beutelschneiderei und füllt nur die Kassen der Verkäufer. Ich habe auch lange damit experimentiert, musste aber feststellen dass Raubmilben ziemlich enge Feuchtigkeits- und Temperaturkorridore benötigen, um sich zu vermehren und dies in Standard-Gewächshäusern von Hobby-Nutzgärtnern schlichtweg nicht zu machen ist. Dazu wäre Profitechnik Voraussetzung, Luftbefeuchtung und Luftentfeuchtung, Klimatisierung, Steuerung. So ist das in Profigewächshäusern kommerzieller Grossbetriebe, aber eben nicht in unserem kleinen Nutzgartengewächshaus, wo man über "rechtzeitig" lüften und giessen hinaus nichts machen kann. Das Risiko ist viel zu hoch, dass etwas nicht klappt. Stellt man nach zwei Wochen fest, dass die winzigen, nicht sichtbaren Raubmiben doch lieber in Urlaub gegangen sind statt den Spinnmilben an die Gurgel, ist die Katastrophe nicht mehr aufzuhalten und die Ergebnisse monatelanger Mühe und Pflege vergilben und vertrocknen unweigerlich unter Spinnmilbengespinsten - Totalschaden wieder einmal und dazu noch teuer. Die Verkäufer kümmert es nicht, die haben ihr Geschäft bereits gemacht.

Eine Lösung fürs kleine Gewächshaus ist die sofortige Anwendung bei Auftreten der ersten punktartigen, gruppierten Blattaufhellungen einer Neemöl-Emulsion, mehrmals im Abstand von fünf Tagen nach Sonnenuntergang wiederholt, um auch zwischenzeitlich aus Eiern geschlüpfte Spinnmilbenschädlinge zu erfassen. Das Neemöl sollte nicht zu alt sein, auf gute Lagerung achten, kühl und vor allem dunkel. Andere Akarizide haben Resistenzprobleme oder sind nicht für Privatanwender zugelassen. Man kann sich dabei auf die Anwendungshinweise auf der Verpackung der Neemölpräparate stützen. Ich kaufe mir das Neemöl incl. Emulgator und mische 5ml in einen Liter Wasser, fertig. Sofort verwenden, nicht bei Sonne spritzen, sondern Abends oder an Schattentagen bei unter 25°C. Vor allem an die Unterseite der Blätter sprühen, alle jüngeren und damit weicheren Blätter sind besonders wichtig. Dieser Ansatz ist auch mit anderen Stoffen mischbar, z.B. Blattdünger oder ein paar Tropfen Kaliseife zur besseren Benetzung. Solche Mischungen sind wesentlich billiger wie die irren Wahnsinnspreise der Fertigpräparate, die speziell für den Garten durch grosse Firmen verkauft werden (Beispiel: "Schädlingsfrei Neudorff Neem plus").


Fazit


Am wichtigsten ist neben vorbeugenden Massnahmen die sehr genaue ständige Beobachtung von Wuchs, Blättern und Früchten, um frühzeitig Diagnosen und noch Eingriffsmöglichkeiten zu haben. Wer komische Flecken auf den Blättern feststellt und dann nach ein paar Tagen mal anfängt zu recherchieren, schliesslich nach Erkennen der Krankheit panisch Mittelchen (womöglich die Falschen) spritzt, kommt nicht weit. Und schliesslich muss man auch cool bleiben können ohne auszuflippen, wenn die Ernte tatsächlich hops geht. Das kommt unweigerlich ab und zu vor - nicht aufgeben! Neues Jahr, neues Glück.


Im Bild einer von mehreren Melonenstapeln aus dem Jahre 2016 (verregneter Juni, extrem hohe Niederschläge), falscher Mehltau war ab Mitte Juli deutlich sichtbar und nicht bremsbar, Tod aller Pflanzen Anfang August. Die Melonen sehen reif aus, waren aber ohne Aroma, sauer und nur noch wie schlechte Gurken zu verwenden. Die Blätter haben schon vor dem Exitus nicht mehr assimiliert, kein Zucker mehr, kein Aroma. So kann es passieren, daraus muss man lernen, es schlucken und im nächsten Jahr neu beginnen.

Viel Glück und gutes Wetter beim eigenen Anbau! 

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