Also Kirschen jetzt. Wir haben 25kg reife, saftige Herzkirschen gepflückt und Saft daraus gemacht. Einfach abgepresst mit der Hydropresse. Kirschen rein, Wasser an, Saft ablaufen lassen, Wasser aus und ablassen. Presse reinigen, Saft trinken.
Die Presse arbeitet mit Wasserdruck. Der Grummibehälter in der Mitte wird mit Leitungswasser (max. 3bar) gefüllt und dehnt sich aus, die Früchte werden gegen das Gitter gepresst. Auf das Presstuch kann man bei weichen Früchten verzichten.
Sofort beginnt der Saft zu fliessen. Es dauert keine fünf Minuten und die Kirschen sind abgepresst.
Wasser wieder ablassen. Wasserbeutel entspannt sich und schrumpft. Übrig bleibt der trockengepresste Trester an der Wand der Presse.
Ein Grossteil davon sind die Kirschkerne:
Die Ausbeute beträgt knapp 50%. Den Saft kann man frisch trinken oder abkochen und in Flaschen füllen. Ich verbessere die Haltbarkeit durch etwas Säure- und Ascorbinzugabe. Er schmeckt auch gut in Mischungen. Mit Sekt kommt er sehr gut, viel besser wie die beliebte Sekt-Orange-Mischung.
In einigen unserer umliegenden Wälder gibt es viel Wildobst, darunter als grösster Anteil davon Wildkirschen. Früher hat man sich Wildlinge von dort als Veredelungsunterlagen für eigene Kirschbäume geholt. Die wilden Kirschbäume tragen regelmässig Früchte. An Säumen und freien Einzelbäumen kommt man an sie heran, ansonsten sind die Bäume zu hoch. Der Waldwirtschaft geht es natürlich um die Stämme, die möglichst astfrei lang sein sollen. Ihre Früchte weisen eine hohe Vielfalt aus, manche scheinen auch den Kulturkirschen etwas näher zu sein, es gibt gelbliche Varianten, welche mit sehr kleinen Früchten, fast schwarze Kirschen, Grössere. Kirschen von solchen halbwilden Bäumen haben bittersüsses Aroma, das eine Spitzenmarmelade ergibt. Häufig liegen sie im späten Reifebereich. Aber es ist mühsam, etwas zusammenzubekommen. Dieses Jahr sind die Früchte erfreulicherweise generell etwas grösser. Die Zuckermessung des Safts mit dem Refraktometer unserer Wildsammlung ergab wieder sagenhafte 85° OE (20,4 Brix). Rekordwerte von bestimmten Bäumen erbrachten schon bis zu 110° OE. Sie sind recht weich mit hohem Steinanteil, wir zerquetschen sie mit der Hand um eine Maische herzustellen.
Die Maische wird einfach durch das grobe Sieb einer Passiermühle ("flotte Lotte") gedreht. Übrig bleiben nur die Kerne und ein bisschen Hautreste.
Geliermittel zugeben, etwas Zitronensäure aufkochen, 3 Minuten sprudelnd kochen lassen, abfüllen:
Dieses Jahr tragen alle Sorten. Und das mit sehr wenig Kirschfruchtliegenlarven. Hier eine früher teuer gehandelte Spitzensorte, die "Grosse Prinzessinkirsche", die für die Tortendekoration sehr beliebt war. Als "Kaiserkirsche", die dafür in Zucker eingelegt wurde. Ihr Aroma wird durch erhitzen sogar stärker.
Grosse Prinzessin Kirsche |
Vornehme Blässe auf einer Seite, zart errötend auf der Anderen ist sie, die Prinzessin - eine rotbunte Sorte. Und die Rotbunten ist schon alle lange verschwunden, weil die heutigen Kunden so etwas für unreif halten würden, so die Befürchtung der Supermarktmanager. Das Fruchtfleisch der Prinzessin ist weiss und zartfest, der Saft farblos, sie ist sehr gut steinlösend. Sie hat einen eigenen Duft nach kandierter Frucht und Süsse. Im Aroma kommt sie durchaus kräftig heraus, hat sowohl Süsse als auch Säure. Man kann sie kiloweise essen, ganz anders als die harten, zähen Geschosse moderner Sorten wie "Regina".
Grosse Prinzessinkirsche, frisch gepflückt |
Meine Saftkirschen kamen von einem Hausbaum in Reichertshausen, einem Dorf in der Nähe, heute zur Gemeinde Neudenau gehörig. In Reichertshausen gab es bis zur Flurbereinigung auf der Nordostseite des Dorfs einen starken Kirschanbau mit grossen Hochstämmen, "Kirschenland" sagten die Leute dazu. Die Kunden für diese Kirschen kamen bis aus den Orten des Baulands, sie bestellten oft vor und holten dann grosse Mengen ab. Davon ist nichts übrig. Die Kunden kaufen heute bei Aldi Kirschen aus der Türkei incl. deftigem Pflanzenschutzmittelcocktail. Die Hochstämme mit erstklassigen Sorten, 150 Jahre sorgsam gepflegt, darunter eine nun verlorene Lokalsorte wurden umgesägt - Brennholz. Die Flurbereinigung der 1960er Jahre planierte wie ein durchmarschierendes Panzerbatallion alles nieder und erzwang eine agroindustrielle, ausgeräumte Landschaft, wie sie bis heute besteht.
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