Donnerstag, 3. Mai 2018

Erlebnisse auf dem Weg zum Garten

Im Baugebiet immerhin noch 10qm Rasen
Ab und zu fahre ich zu unseren Obstwiesen, 5 km enfernt in der Nähe des Ortsteils Züttlingen - dort sind die üblichen Pflegearbeiten zu erledigen, pflanzen, mähen, schneiden, ernten und all diese Dinge. Näher gelegene Flächen oder ein Haus mit grösserem Garten waren auch nach vielen Jahren suchen nicht drin, der alles auffressende Siedlungsdruck ist auch in kleineren Gemeinden längst extrem hoch geworden. Über Vitamin B, ebenfalls enorm wichtig in kleineren Gemeinden verfüge ich ebenfalls nicht. Eine blecherne Industriehalle hätte ich dagegen jederzeit mit Handkuss kaufen, mieten, bauen können.
Zu den Obstwiesen muss man zwangsweise über Wege, die mit Durchfahrverbot für Autos, aber frei für Landwirtschaft gekennzeichnet sind. Dasselbe gilt für Waldwege, wenn ich zu meinen Bienenvölkern am Waldrand muss. Fürs hinkommen zu den Bienen habe ich mir natürlich die Genehmigung und Zustimmung des Försters geholt. Der Förster ist wie fast alle Förster aufgeschlossen für den Bienenstand an einem vernünftigen Platz, hat mir die ohnehin selbstverständlichen Grenzen genannt (z.B. "immer auf eigene Gefahr"), sich die Autonummer aufgeschrieben und ich bin sehr froh, wenn er auch am Bienenstand vorbeikommt, sollte dort mal etwas nicht in Ordnung sein würde er mich informieren. Auch die Jagdpächter kennen mich, wichtig, denn sie sind Abends unterwegs. Imker erleben da so einiges, von umgestossenen Beuten durch Spaziergänger bis zu Dieben, die im Halbdunkel Völker einladen. Es ist gut, wenn noch Anderen Leuten auffällt, wenn eine unbekannte Person am Bienenstand herumhantiert.

Klar ist für mich, solche Fahrten absolut zu minimieren. Fahren kostet Treibstoff und Zeit, die Wege werden auch von Fussgängern benutzt deren Spaziergang man in der überlasteten Region nicht stören will, manchmal ist es auch aufgrund der Wetter- und Wegeverhältnisse richtig gefährlich. Steilhang, schmieriger Grasweg, von Holzlastern aufgeweichte Schlammbahn - ich habe alles erlebt und noch mehr. Gefahren wird mit einem leichten und sehr kleinen Fahrzeug, knapp über Schritt-Tempo. Bei viel nötigem Material (z.B. Zargen für die Beuten) hängt der Anhänger hinten dran, das ist besser wie ständig mit einem grösseren Fahrzeug herumzupoltern dessen Kapazitäten man nur manchmal braucht.

Kommen zufällig Leute am Bienenstand vorbei, sind die grundsätzlich sehr aufgeschlossen. Man unterhält sich. Die Aufgeschlossenheit verschwindet in dem Moment, in dem man ins Auto steigt. Dann wird man sofort Konkurrent um den Weg, zum Schlawiner, der illegal durch die Landschaft rollt. Man winkt mit dem erhobenen Zeigefinger.

Bauen fürs Pferdehobby. Reiten heute.
Bei den Obstwiesen hat sich das schon aufgeschaukelt. Die Situation ist geradezu typisch für die Entwicklung Deutschlands: Baugebiete, Industriegebäude und vor allem Wohnbebauung waren noch vor wenigen Jahren weit weg, haben sich aber jetzt nahe an die letzten Wiesen herangeschoben oder sie aufgefressen. Es wird heftig und hässlich immer weiter auf besten Böden alles zubetoniert, obwohl mitten im Ort aufgegebene landwirtschaftliche Betriebe grosse Flächen völlig ungenutzt besetzt halten (Spekulation auf noch höhere Preise?) und Wohnen ohne unnötigen Ressourcenverbrauch in unserem sehr engen Bundesland eigentlich oberste Priorität haben müsste. Nichts davon ist zu bemerken, so wird der Ort ein ständig grösserer Stein- und Asphaltbrei, die Wege länger. Eine Freizeitanlage, ein grosser Pferdehof mit ebenfalls kräftig Gebäudeneubauten zieht selbstverständlich ebenfalls viel Zugangsverkehr an. Vor allem ab Nachmittag drängen sich dann Hundeausführer, Reiter, Fahrzeuge der Bewirtschafter der (noch) übrigen landwirtschaftlichen Kulturen auf den staubigen Wegen durch die ständig schrumpfenden Freiflächen. Zunehmend sind es auch Anwohner der metasstasierenden Einfamilienhauswohngebiete, die über diese Wege mit dem Auto Abkürzungen fahren. Bei diesen Anwohnern finden seltsame Vorgänge im Kopf statt, die sich wohl überall in Deutschland so abspielen:
  • Sie fahren selber massiv über verbotene Feldwege zu ihren Haus weil das eine Abkürzung ist, erwarten aber Ruhe und verkehrsfreie Wege beim anschliessenden Feierabendspaziergang. Das hat derart überhand genommen, dass die Gemeinde einen Weg angesichts des gestiegenen Verkehrs komplett sperren musste und Schlüssel für tatsächliche Anlieger ausgibt.
  • Schachmatt der Natur. So baut und wohnt man heute.
    Sie schottern ihren Garten tot, sägen den letzten Obstbaum darin um weil alles zu viel Arbeit macht - aber mir wird das Obst von den Bäumen gestohlen. Fürs "Grün" sollen doch bitte die Anderen sorgen. Bei Neubauten passiert es mittlerweile nicht selten, dass von vornherein das gesamte Grundstück versiegelt wird, bestenfalls noch eine Koniferenhecke als Randstreifen lebt. Sie könnte aber auch aus Plastik sein, der optische und sonstige Unterschied wäre minimal. Man will und baut "im Grünen", um paradoxerweise das Grün sofort grossflächig zu beerdigen und in totes Grau umzuzwingen. Die Gemeinde fördert das nach Kräften, indem ungebremst extrem platzverwenderisch Einfamilienhaussiedlungen geplant werden. Entwicklung! Wohin eigentlich? Dabei sind Gärten fast immer eine Last für die heutigen Bauherren. Aber es gehört halt dazu? Um welchen Preis?
  • Flurstück 1648 Züttlingen, Obstwiesennutzung heute.
  • Für die Pflege der Obstwiese gibts viel Lob. Auch von der Politik. Natürlich will aber keiner selbst etwas tun. In der Realität ist das genaue Gegenteil von Lob der Fall - die ehemaligen Obstwiesen werden von Anwohnern als Müllplatz missbraucht, nicht nur in Züttlingen. Auf Nachbargrundstücken bachaufwärts haben Ortsbewohner massiv und dauerhaft Bauschutt abgeladen, auch Heckenschnitt und Pflanzen werden in der Nähe ständig abgeworfen, was auch unter anderem die Ausbreitung von Neopythen beschleunigt.

    Moderne Obstwiesennutzung. Unten Stammstücke
    eines Apfelbaums. Feiern heute.
    Bachabwärts haben sich jüngere Menschen Flächen im Gebüsch einfach freigesägt und die letzten Obstbäume gleich mit umgehauen. Jetzt gammeln dort seit Monaten und über den Winter Kisten mit billigen Alkoholika und Limonade, alte Plastikmöbel, Brandstellen und dergleichen. Das Geheimnis, wie man auch aus Äpfeln Alkohol machen kann konnte ich ihnen nicht verraten, sie kamen nur nachts. Ausgleichsflächen mit Obstbäumen am Wegesrand werden konstant für illegale Ablagerung von Erdaushub der unzähligen Baumassnahmen genutzt. Nicht von Fremden, sondern von ortsansässigen Mitbürgern.
  • Ausgleichsfläche, abladen frei? Deponien heute.
    Einmal hat mich ein Spaziergänger mit Hund durchs offene Autofenster angebrüllt, nachdem ich ganz angehalten habe, weil der Hund unruhig wirkte und ich ihn nicht unabsichtlich anfahren wollte. Vorsicht ist Alles. Die Rücksichtnahme hätte ich mir besser gespart, denn sie wurde mir mit einem Schallknall vergolten: Der Herr aus dem Wohngebiet in der Nähe nutzte meinen Halt, um mich lautstark masszuregeln. Ich dürfe da nicht fahren und ein paar weitere wirre Anschuldigungen mehr. Ich reagierte darauf sicherlich auch viel zu aufgekratzt angesichts der falschen Anwürfe, überreichte ihm meine Visitenkarte für weitere Beschwerden andernorts, was er auch ein paar Tage später bei der Gemeinde versuchte.
Was tun? Nichts. Ich bin kein Feldschütz auf Pirsch, der sich über die Zerstörungen der Umgebung beschwert. Das bringt auch nichts, es interessiert niemand, eine Mentalitätsänderung ist damit nicht zu erreichen, im Gegenteil, ich werde selbst zur Zielscheibe und einem Fremdkörper. So erlebte ich es, als ich ein einziges Mal nachfragte, nachdem mir meine Zwetschgenhecke (komplett auf meinem Grundstück wachsend) bei einer "Pflegemassnahme" einfach abgeschreddert wurde. Und schwupps war ich Persona non grata bei nicht wenigen Leuten in der Gemeinde.

Natürlich ist nicht alles Katastrophe. Zwei meiner Nachbarn pflegen ihre Bäume, einer hat sogar Obstbäume gepflanzt. Eine Ausnahme leider - die Dinge laufen in die gegenteilige Richtung. Und zwar gewaltig.

Dienstag, 24. April 2018

Pferdemist auf der Obstwiese

Über Pferdemist stand hier schon einiges. Unsere Hauptverwendung ist aber nicht nur der Garten, sondern vor allem die Obstwiese. Auch dieses Frühjahr haben wir dort fleissig Mist ausgebracht.

Das geht so: Von Winter bis spätestens Austrieb wird eine dicke Mistpackung auf die Baumscheibe rund um die Jungbäume aufgebracht, Radius 60-100cm. Menge: Mindestens sechs Eimer mit je 10 Liter Inhalt. So dringt das Unkraut am schwersten durch. Problemarten wie der kriechende Hahnenfuss schaffen es aber. Der Stamm selbst darf nicht vom Mist berührt werden, dort lässt man ringsum 10cm mistfrei. Die Vorteile:

  • Bewuchsfreiheit ist so leichter zu erreichen. Jeder Bewuchs auf der Baumscheibe ist eine Konkurrenz für den Baum um Wasser und Nährstoffe. Was der Bewuchs frisst, kann der Baum nicht mehr haben. Auch ohne Pferdemist sollte man mindestens Jungbäumen immer eine freie Baumscheibe gönnen, z.B. durch flach hacken oder mulchen. Im kommerziellen Anbau werden Herbizide verwendet, im Bioanbau wird vorwiegend gehackt.
  • Dungkäfer, die sich im Pferdemist vergnügen
    Die Düngewirkung hat auf den meistens mageren Obstwiesenböden einen sehr positiven Effekt. Der aber mit zunehmender Verweildauer ins Gegenteil umschlagen kann. Mist mit Sägespänen schluckt irgendwann Stickstoff, weil das enthaltene Holz viel langsamer verrottet wie der Mist selbst und man sollte im Folgejahr mit Stickstoff nachdüngen, zum Beispiel mittels Hornspänen.
  • Eine Vielzahl von Lebenwesen wird damit gefördert, die den Mist umsetzen oder indirekt von ihm profitieren. Das macht viele Stoffe erst für Pflanzen verfügbar. Das sind nicht nur verschiedene Arten von Mistkäfern und Dungkäfer (vor allem Aphodius prodromus), sondern auch diverse Bodenbewohner, Regenwürmer bis hin zu den riesigen Nashornkäferlarven, die sogar Zellulose verdauen können.
Um die Baumscheibe aufschichten, Stamm freilassen
Sturm wehte das Vlies weg, sofort scharren Vögel alles
den Hang hinunter
Mit dem Aufbringen ist es leider nicht getan. Das Hauptproblem anschliessend sind bei mir Vögel, hauptsächlich Amseln, die den Mist gnadenlos bis auf den nackten Boden wegreissen und abseits der Baumscheibe verteilen. In der Ebene ist das vielleicht nicht ganz so schlimm, aber bei mir am Hang wandert der Mist dann in die Wiese hinein den Hang hinunter. Schutz dagegen ist unumgänglich. Mit Steinen beschwertes wasserdurchlässiges Vlies wäre ideal, aber ich habe noch keine Sorte gefunden, die sich nicht im Laufe des Sommers durch die UV-Strahlung auflöst. Plastikfetzen auf der Obstwiese müssen wirklich nicht sein. Die Alternative ist ein Drahtgitter, Kükendraht. Der ist leider teuer, erschwert die Mahd und das Unkraut kann leicht hindurchwachsen. Die optimale Lösung habe ich noch nicht gefunden.

Wie sind nun die Ergebnisse gewesen, wenn kräftig Mist auf der Baumscheibe liegt? Neupflanzungen und Jungbäume profitieren natürlich am meisten. Auf unserem grenzwertig schlechten Boden waren vorher kaum mehr wie 25cm Triebwachstum zu erreichen, mit dem Pferdemist hat sich das verdoppelt. Kernobst profitierte am Meisten, beim Steinost war das Ergebnis nicht so deutlich. Man kann damit auch keine Fehler wie eine falsche Unterlage ausgleichen. Eine Birne auf flachgründigem Boden und arteigener Unterlage wird auch mit Mist nicht vorankommen, weil Birnenwurzeln in die Tiefe streben, die hier gar nicht vorhanden ist. Auch bei Weinreben hat sich der Zuwachsgewinn in Grenzen gehalten.
Mit beschwertem Schutzgitter. Vögel kratzen alles heraus, was nicht geschützt ist.

Montag, 23. April 2018

Harte Winterverluste im Nutzgarten trotz Klimawandel

Es ist Mitte April und schon heiss mit bis zu 30°C, gleissende Sonne brennt von blauem Himmel. 150 Jahre alte Temperaturrekorde fallen wieder einmal, die letzten Jahre wurden ständige diverse Rekorde gebrochen. Die Einsaaten im Freiland müssen hektisch gegossen werden, Jungpflanzen leiden unter Hitzestress weil sie erst einen kleinen Wurzelraum haben und die harte UV-Strahlung nicht gewöhnt sind. Keine Spur von Frost, während letztes Jahr am 20. April die gesamte Obsternte erfroren ist mit Temperaturen von bis zu -6°C am Boden. Das Obstjahr war schon im Frühling zu Ende.
Radicchio - Exitus
Statt auf das spriessende Grün zu sehen will ich mal die Winterverluste betrachten. Der Winter war durchgängig warm, kein Tag mit zweistelligen Minustemperaturen. Bis auf drei Tage im März, da knallte es in der Nacht bis auf -16° C runter. Und diese Kombination von feuchtmildem Wetter und kurzen aber harten Spätfrösten hat wieder einmal kräftig aufgeräumt im Garten wie eigentlich fast jedes Jahr.

    Kopfsalat Winterbutterkopf nach hartem Spätfrost
  • die Aprikosenblütenknospen begannen schon leicht zu schwellen. Sie sind dann komplett erfroren. Die Knospen sind nur noch braune Brösel. Ernte schon vorbei.
  • Totalschaden an den Artischocken. Wieder mal. Ohne sie unter Laubhaufen und Folien zu vergraben, kann man Anbau vergessen.
  • die eigentlich gut frostharten Kopfsalat-Wintersorten sind zu 80% erfroren. Sie sind nur als kleine Jungpflanzen frosthart. Durch das warme Wetter wuchsen sie und wurden grösser, das hat sie in der kurzen Kälteperiode umgebracht.
  • der Winterblumenkohl erlebte schwere Blattschäden. Die Pflanzen überlebten, aber die Köpfe sind verzwergt, weil kaum mehr Blätter da waren, die assimilieren konnten.
  • Totalschaden an allen Radicchiopflanzen.
  • 50% Ausfall an neu gepflanzten Erdbeerjungpflanzen. Eigentlich sind die recht Frostfest, aber hier wurden offenbar die Grenzen erreicht.
  • Kaki: Totalschaden. Der Baum ist abgefroren. Er war umwickelt mit Matten, das hat nichts geholfen.
Das Fazit immer gleich: Klimawandel bedeutet in Wirklichkeit mehr Extreme und viel mehr Schäden. Was hat überlebt?
  • Alle Feigen. Dank mühevollem, aufwendigem Schutz, der nur bei kleinen Pflanzen funktioniert. Sie büssten einige Knospen ein, aber die Triebe überlebten.
  • Pfirsichknospen, Pawpawknospen, alle anderen Obstssorten. Erneut fällt mir auf, wieviel robuster und problemloser Pfirsiche im Gegensatz zu Aprikosen sind. Und sogar Mandelknospen haben die Spätkälte überstanden!
  • Erst im Herbst gesetzte Jungpflanzen von Tafeltrauben, Züchtungen aus der Ukraine. Die Triebe sind kaum zurückgefroren. Das entspricht den Erfahrungen früherer Jahre. Die sind sehr frostfest und das auch noch bis in den Frühling hinein.

Donnerstag, 29. März 2018

Bärlauch, erstes Gemüse: Ernten ohne zu säen

Blütenstand Bärlauch
Zu manchen Jahreszeiten gibt auch der schönste Nutzgarten nicht viel Frisches her, so auch jetzt. Doch draussen in Waldstücken und Parks wächst gerade massenhaft eine typische Frühlingsspezialität heran, die man an schattigen Plätzen auch im Garten ziehen kann: Der Bärlauch sprosst. Und Bärlauch ist nach wie vor schwer in Mode. Nachdem er früher gar keins und bis vor einigen Jahren nur ein Thema für Liebhaber war, pilgern heute ganze Scharen von Bärlauchsammlern in die Wälder. Spitzenköche basteln an vielfältigen Bärlauchrezepten, findige Firmen präsentieren Kreationen wie Bärlauchbrot, Bärlauchessig, Bärlauchpesto oder neue Gesundheitsprodukte unter Mitverwendung von Bärlauch. Was ist dran am Bärlauch, wo ist er zu finden, wie verwendet man ihn?

Geschichte und Botanik

Ganze Pflanze

Allium ursinum, so lautet der botanische Name für Bärlauch, ist ein heimisches Liliengewächs aus derselben Familie wie Knoblauch, Lauchzwiebeln, Schnittlauch, Porree und vielen anderen. Er wird auch wilder Knoblauch genannt, Englisch «Bear’s garlic» oder «Ramson», Schwedisch «Ramslök». Allein in Deutschland wachsen 24 Allium-Arten wild. Obwohl er anspruchslos ist und vielerorts in Massen auftritt, wurde Bärlauch in der älteren Vergangenheit weder gross kultiviert noch besonders geschätzt. Zu Zeiten Karls des Grossen findet sich eine kurze Erwähnung, aber Hildegard von Bingen ignorierte ihn völlig. Erst 1541 wird er erstmalig als Pflanze für den Kräutergarten genannt. In Kochbüchern taucht er schließlich vor hundert Jahren vereinzelt auf. Erst als im 20. Jahrhundert die Wildgemüsesammlerszene entstand und der Run auf die wenigen verbliebenen Wildkräuter einsetzte, mutierte er zu einer Küchenzutat mit lawinenartig steigender Beliebtheit.

Wuchs

Dicht wachsender Bärlauch am Waldboden

Bärlauch wächst in weiten Teilen Mitteleuropas wild, oft rasenartig in lichten Auwäldern, an Waldwegen, auf feuchten Hängen. Er bevorzugt tonige oder lehmige humose Böden. Unter Nadelgehölzen gedeiht er nicht. Im März treiben die ersten frischgrünen Blätter rosettenartig angeordet aus einer kleinen Zwiebel, ab Mitte April schiebt sich der Blütenstengel nach oben. Die Pflanze wird normalerweise etwa 10-30 cm hoch. Ab Mitte Mai ist es dann schon vorbei mit der Herrlichkeit: Nach der Blüte sterben die oberirdischen Pflanzenteile ab, der Bärlauch «zieht ein». Bärlauchblüte und Blattaustrieb
Samen Bärlauch
der Waldbäume liegen meist zeitgleich. Die Pflanze nutzt geschickt die lichtreiche Zeit im Frühling, wenn die Vegetationsbedingungen schon gut sind, aber noch kein Baumlaub die Waldböden verschattet. Anfang Juni werden 5-20 schwarze Samenkörnchen pro Pflanze reif und fallen sofort aus den vertrockneten Blütenständen. Die Vermehrung kann auch über Wurzeln stattfinden.

Gefahren

Kein Bärlauch! Sondern Maiglöckchen.
Wächst oft vergesellschaftet mit Bärlauch.

Selbst Wildpflanzen, die nicht unter Naturschutz stehen, sollte man grundsätzlich wenig und nur für den direkten Eigenbedarf sammeln, niemals ausgraben. Gesammelt werden die ganzen grünen Blätter, am intensivsten schmecken sie kurz vor der Blüte. Pro Pflanze bitte nur ein Blatt ernten, damit die Pflanze nicht zu sehr geschwächt wird. Einmal geerntet halten sich Bärlauchblätter nicht lange, in feuchtem Zeitungspapier eingewickelt im Kühlschrank höchstens drei Tage lang. Am besten sofort verarbeiten! Vorsicht vor Verwechslungen mit zwei
Herbstzeitlose, ebenfalls bärlauchähnlich.
Aber tödlich giftig!
ähnlich aussehenden, aber giftigen Waldpflanzen: Das Maiglöckchen (Convallaria majus) und die Herbstzeitlose (Colchicum autumnale), von der Frühling nur die Blätter sichtbar sind. Maiglöckchenblätter wirken mässig giftig, Herbstzeitlose sind hochgiftig. Beide sind zwar vom Bärlauch gut zu unterscheiden, trotzdem sterben jedes Jahr vergiftete Sammler, die nur oberflächlich hingesehen haben. Manchmal wachsen die giftigen Verwechsler in unmittelbarer Nähe zueinander. Schon wenige Blätter Herbstzeitlose ergeben eine tödliche Dosis des Alkaloids Colchicin. Dieses Kapillar-, Zell- und Mitosegift zeigt erst nach 4–6 Stunden Erscheinungen, dann ist es oft schon zu spät für eine Behandlung. Das sicherste Unterscheidungsmerkmal ist der Duft: Nur Bärlauch duftet nach Schnittlauch und Knoblauch.

Weitere Gefahren drohen vom Fuchsbandwurm, dessen Eier unsichtbar an allen bodennahen Waldpflanzen haften können. Das Risiko wird durch sauberes Waschen der Blätter mit Essigwasser vermindert und tritt nur bei roh gegessenem Bärlauch auf. Aber nur roh schmeckt er richtig gut.

Selbst anbauen

Dolde mit fast reifen Samen

Dass sich Bärlauch nicht kultivieren lässt, ist ein Märchen. Allerdings benötigt er einen schattigen, eher feuchten grasfreien Platz, am besten unter Laubbäumen, dicht an der Nordseite von Gebäuden, in Geländewellen. Orte, an denen Giersch und Buschwindröschen wild gedeihen, eignen sich oft auch für Bärlauch. Viele Gärtnereien bieten mittlerweile Jungpflanzen an. Man kann sein Glück auch mit im Wald abgesammelten Samen selbst versuchen. Als Frostkeimer gehen sie nicht leicht auf, benötigen eine lange Ruhezeit in der Erde, dann mindestens 4 Wochen kalte Umgebung bei -5 Grad Celsius, am besten unter einer Schneedecke. Wenn schliesslich im Frühjahr ein Pflänzchen spriesst, kann es sich in den Folgejahren schnell selbst vermehren.

Längst wird Bärlauch auch kommerziell in Gartenbaubetrieben angebaut. Er taucht dann schon einige Wochen vor dem eigentlichen Saisonbeginn zu satten Preisen auf Märkten und in Restaurants auf.

Geschmack


Rohe Blätter schmecken wie eine Mischung aus Knoblauch, Spinat und Schnittlauch. Jüngere Blätter sind mild, ältere schweflig-herbe. An zu viel Bärlauch überfrisst man sich leicht, die Auswirkungen sind ähnlich wie bei Knoblauch: Sodbrennen, anhaltender schlechter Geschmack im Mund. Die Lust auf Bärlauch ist einem denn für lange Zeit vergällt. Gekocht verliert sich das Knoblaucharoma zugunsten der «grünen» Spinatkomponente, deswegen sollte man ihn roh verwenden oder ihn direkt in heisse Gerichte mischen. Sinnvoll kann er noch als Füllung für Teigtaschen sein, weil dort das Aroma weniger schnell entweichen kann. Getrockneter Bärlauch schmeckt wie getrockneter Schnittlauch: Fade und strohartig.

Gesundheit

Allerlei Bärlauchpräparate

Die Inhaltsstoffe ähneln denen des Knoblauchs: Enthalten sind viele verschiedene Schwefelverbindungen wie Divinylsulfid, Dimethylthiosulfonat, Methylcycteinsulfoxid und seine Abbauprodukte Methylallylthiosulfonat und Methanthiol. Ausserdem findet sich Magnesium, Mangan und Eisen in erheblicher Menge. Da das Versprechen gesundheitsfördernder Wirkungen zahlungsbereite Kunden generiert, reagierte die Industrie schnell und brachte Bärlauch-Kapseln, -Pillen und -Granulate auf den Markt. Geworben wird mit einem breiten Wirkungsspektrum: Blutzirkulationsfördernd, gegen Tinnitus, Arteriosklerose, Harmonisierung der Darmflora, zur Schadstoffentgiftung, Immunstimulation und mehr.

Verwendung in der Küche


Im Internet und in Kochbüchern kursieren unzählige Bärlauchrezepte. Viele davon zeugen von einer lieblosen und unsachgemässen Verwendung. Ähnlich wie bei Basilikum dürfen die zarten Blätter nicht lange offen gekocht werden, denn das Aroma entweicht und zurück bleibt ein grüner Brei. Wie oben erwähnt, sollte man Bärlauch nur kurz erhitzen. Wer ihn haltbar machen will, kann die Blätter hacken oder pürieren und einfrieren. Vorsicht, Kunststoffbehältnisse nehmen den Knoblauchgeschmack an. Frischer Bärlauch ist besonders für Salatsossen, Suppen, Pesto und anstatt Spinat geeignet.

Wurzeln und Zwiebelchen von Bärlauch
Als ebenso wertvoll erweist sich das intensiv schmeckende Wurzelzwiebelchen. Nachteilig ist die geringe Menge. Man sollte es nur ernten, wenn sowieso wuchernder Bärlauch entfernt werden soll, denn leider wird mit der Zwiebel die gesamte Pflanze beseitigt. Dass auch die Blüten verwendbar sind, ist eine weniger bekannte Tatsache. Mit ihrem süsslichen, leicht knoblauchartigen Geschmack und dem zartweissen Blütenstaub eignen sie sich vorzüglich als dekorative Zutat.

Wo wächst er denn nun in unserer Region?

Blühender Bärlauch im Wald

In den milden Lagen bewaldeter Bach- und Flusstäler muss man sich eher fragen, wo er nicht wächst. Extrem dichte Bestände finden sich zum Beispiel entlang der Schefflenz, bevor sie von Norden her in die Jagst fliesst. Eine Gemeinde hat den Bärlauch sogar seit vielen Jahren zu Thementagen erhoben, die "Eberbacher Bärlauchtage". Kleinere Standorte sind fast in jeder Gemeinde Europas (nach Norden hin wird es dünner) zu finden, in Möckmühl zum Beispiel in der Pfarrklinge, einer sehenswerten steilen Schlucht zwischen dem Ortsteil Ruchsen und Möckmühl, durch die auch ein Wanderweg führt.

Dienstag, 20. März 2018

Startschuss im Frost für die heissgeliebten Tomaten


Wann ist es wieder so weit?
Tomaten sind der Hit bei allen Nutz- und Hobbygärtnern. Sie wurden zwar erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts stärker populär in Deutschland, seitdem sind sie aber zum Gemüse Nr. 1 aufgestiegen, im privaten Gartenbau und auch im Verbrauch. 20 bis 30 Kilo Tomaten isst jeder Bürger pro Jahr. Die Ernte in Deutschland deckt höchstens einstellige Prozentbeträge des Bedarfs, die meisten Tomaten werden importiert. Trotzdem sind Tomaten auch in Deutschland das am häufigsten unter Glas angebaute Gemüse, denn unser Klima ist eigentlich zu schlecht und der Sommer zu kurz für gute Erträge - kommerziellen Anbau im Freiland nördlich der Alpen gibt es praktisch nicht. Diese Liebe zu Tomaten gilt nicht weltweit, in China und Ostasien sind Tomaten nie so recht beliebt geworden, vom nahen Osten bis Südasien blieben sie trotz der sehr gut geeigneten klimatischen Gegebenheiten ebenfalls eine Randerscheinung. China exportiert aber enorme Mengen an verarbeiteten Tomaten, die dann ohne Herkunftsbezeichnung in Produkten wie Ketchup, Dosentomaten oder Sossen auftauchen. Angebaut werden sie dort im kontinentalen Klima des Nordwestens mit trockenheissen Sommern, sie werden bewässert.

Gemüse der Superlative


Balkon-Hängetomaten
Nutzgärtner ohne Tomaten muss man mit der Lupe suchen. Tomaten wollen sie alle. Auch wenn man bei ansonsten gartendesinteressierten Menschen mal Gemüsepflanzen sieht, sind es am häufigsten Tomaten und sei es nur im Eimer auf dem Balkon. Bei Tomaten lassen sich einige Superlativen beobachten:

  • Tomaten sind das Gemüse, für das im Samenhandel und in Tauschbörsen die grösste Vielfalt herrscht. Volle Auswahl, hunderte Sorten!
  • Tomaten sind das Gemüse, für das der lebhafteste Jungpflanzenmarkt existiert. Viele Sorten stehen nicht nur alljährlich im Gartenmarkt. Auch auf Pflanzenmärkten im Frühjahr werden sie verkauft (dort gerne interessante alte Sorten), semiprofessionelle Privatleute bieten ungezählte Jungpflanzen besonderer Sorten an. Wir haben auch so einen sehr engagierten Menschen im Nachbarort Roigheim. Man muss keine eigene Anzucht betreiben, um Tomaten anzubauen.
  • Tomaten sind das Gemüse, für das am meisten Gartenzubehör existiert. Kaufen kann man unter anderem Schutzhauben, Tomatenhäuser mit Dach, Spiralstäbe und andere Rankhilfen, Produkte wie den "Tomaten-Tower", Pflanzbeutel, Giessringe, Sets für Anzucht und Anbau, spezielle Düngemittel für Tomaten und Pflanzenstärkungsmittel.
  • In Gartenforen sind die Tomatenthreads am längsten, dazu kommen ungezählte Bücher für den optimalen Anbau, es gibt Sortenkataloge online, jede Internetseite mit Gartenthemen bespricht auch Tomaten. Wir sind keine Ausnahme :-)

Selbst anziehen


Die eigene Anzucht ist einfach. Sie gelingt auch ohne spezielle Ausrüstung am Fensterbrett. Da ich aber auch "schwierigere" Gemüsearten selbst ziehe, nutze ich Pflanzenlichtlampe und das beheizbare Zimmergewächshaus auch für Tomaten. Vorteil: Die Pflanzen keimen gut, wachsen sehr schnell und bleiben stabil, ich kann mit zwei kleinen Zimmergewächshäusern auf nur zweimal 70 * 20cm Fläche in drei Schichten 110-135 Jungpflanzen verschiedener Arten produzieren - genau unser Bedarf.

Die erste Schicht ab Ende Januar (Habanero, Jalapeno Chilis) und im Laufes des Februars sind Paprikapflanzen, über die hier schon einiges steht und diverse Physalisarten. Im März folgen die Tomaten, im April sind es diverse Cucurbitae: Melonen, Kürbisse, Gurken.

Im Gegensatz zu den anderen genannten Arten sind Tomaten auch mit knapp 20°C für die Keimung zufrieden. Wer also jedes Watt sparen will, kann die Heizung am Zimmergewächshaus diesmal abgeschaltet lassen. Oder besser doch nicht: Das Keimergebnis ist mit mehr Wärme bis 25°C besser. Und das kann auch bares Geld bedeuten, kosten doch Tomatensamen kommerziell interessanter Sorten oder der bräunfäuletoleranten Neuzüchtungen pro Gramm mehr wie gediegenes Silber. 6 Samenkörner für 3,99 EUR, da werden schlechte Keimergebnisse teuer wenn etwas nicht aufgeht.

Ausgesät wird wieder in Torfquelltabletten. Die passen gut in die Anzuchtschalen des Zimmergewächhauses, schimmeln auch bei Nutzungsfehlern erst mit Verzögerung, lassen sich mit der aufgegangenen Pflanze drin leicht und sauber (wir arbeiten bei kaltem Wetter im Wohnzimmer!) in Töpfe verpflanzen und sind auch nicht viel teurer wie andere Methoden, sofern man sie in Grosspackungen kauft.

Sehnsucht nach Licht ist des Lebens Gebot


Sind sie aufgegangen, besteht im Haus die Gefahr, dass sie schnell vergeilen. Sie bilden dann lange Stengel, die leicht abknicken, das Laub bleibt dünn und blass. Die Ursache ist Lichtmangel. Entweder, man kann sie heller stellen oder nutzt eine LED-Pflanzenlichtlampe mit Betonung des Blauspektrums. Blaues Licht sorgt für viel von der Pflanze verwertbare Energie und hemmt gleichzeitig Längenwachstum und Blütenbildung.

Speziell bei Tomaten ist eine mässige Vergeilung aber nicht ganz so schlimm. Die Pflänzchen erhalten bereits im Topf einen kleinen Stützstab und werden später tiefer in den Boden gepflanzt wie sie vorher standen. Das hat Vorteile, die Verwurzelung wird besser weil aus dem eingegrabenen Stengel zusätzliche Wurzeln wachsen.


Welcher Sortenmix?


Allzuleicht lässt man sich von den überschwenglichen Beschreibungen dazu verführen, Sortentypen anzubauen, die man später gar nicht verwenden kann. Mal ein Beispiel für eine sinnvolle Mischung aus insgesamt zehn Pflanzen samt Begründung:
Kirschtomaten. Wohin mit den vielen Minis?
  • 1x Kirschtomate - davon pflanzt man meistens viel zu viele. Kirschtomaten sind Naschtomaten, Dekoration im Salat, sie haben geringe Erntegewichte. Die Quadratmetererträge sind gering, die Verwendungsmöglichkeiten begrenzt. Hat man Übermengen davon und verkocht sie in Sossen, schmecken sie süsser als andere Tomaten, mir sind sie als Sosse meist zu süss.
  • 4x Fleischtomaten - "die" universell verwendbare Tomate. Unverzichtbar für Tomatensalat, auch gut für Sossen sehr gut geeignet, um zum sie füllen - davon kann man nie genug haben. Was zuviel ist, kocht man ein oder trocknet es - zur späteren Zubereitung von halbgetrockneten Tomaten in Öl.
  • 3x Runde Salattomaten - etwas wässriger wie Fleischtomaten, deshalb weniger gut für Sossen. Die Tomaten für den Frischverzehr, rot, geschnitten, mit Mozzarella und Basilikum. Im Anbau am einfachsten, eintriebig gezogen, dicht gepflanzt, einige Sorten können hohe Erträge und frühe Reife haben.
  • 2x Flaschentomaten oder Romatomaten - die Tomaten fürs eingekochte Sugo. Sie sind fleischig ohne viele Kerne und Saft und kommen in eingekochter Form ab November bis Juli als Nudelsosse, in Polenta, auf der Pizza auf den Tisch. Wahlweise mal scharf mit Pepperonis eingekocht, mal flüssiger, mal etwas konzentrierter. Die haltbar gemachte Wintertomate.

Meine Sorten dieses Jahr


Ausgesät wurden dieses Jahr: Gourmandia, OSU Blue, Gigantomo, Defiant, Barry's Crazy Cherry, Orange Queen, Mini, Black Krim, Krasnij Gigant. Dazukaufen werde ich wohl noch Flaschentomatenpflanzen.
Wie man sieht, eine ziemlich fleischtomatenlastige Auswahl. Gourmandia hatte ich schon öfter, eine mässig grosse, in jeder Hinsicht gute Fleischtomate, meine Hauptsorte, leider teure Samen. Zu "Defiant" folgt noch ein eigener Beitrag, hatte ich auch schon mehrmals, wird als verhältnismässig braunfäulefest verkauft, stammt aus den North Carolina Zuchtprogramm von Randolph Gardener. Mini, Black Krim, Krasnij Gigant hatte ich ebenfalls schon, sind nett, davon hervorzuheben ist aber noch "Mini", eine ziemlich platzfeste Kirschtomate, die man einfach mehrtriebig wachsen lässt. Mit der hat man den ganzen Sommer über genügend wirklich gute Kirschtomaten.

Sonntag, 11. März 2018

Es geht los, Frühling bei -12°C


Torftabletten und beheiztes Zimmergewächshaus für Keimung
Nachts war es letzte Woche es mit zweistelligen Minusgraden knackig kalt, aber trotzdem spriesst und grünt es gewaltig. Vorerst auf der Fensterbank. Vor ein paar Tagen habe ich wie immer Mitte Februar Paprika, Auberginen und diverse Physalis im Zimmergewächshaus ausgesät. Die ersten Pflanzen sind Dank der guten Bedingungen darin bereits gekeimt - nur drei Tage später. Entscheidend war die Frische der Samen und ihre gute, dunkle und kellerkühle Lagerung. Die Keimquote beträgt bei Paprika und Auberginen letztjährigen Samens fast 100%, nach zwei Jahren sind es noch 80%, nach drei Jahren fällt sie ab auf 10-50% und die Keimung dauert wesentlich länger. Nach vier Jahren ist es in der Regel vorbei, nichts keimt mehr. Tomatensamen sind länger haltbar.

Keimung nach 3-5 Tagen von Paprikajungpflanzen
im Zimmergewächshaus,
Der Keimling ist unter optimalen Bedingungen bereits nach drei Tagen sichtbar. Normal sind fünf Tage. Manchmal dauert es auch deutlich länger. Optimale Bedingungen bedeuten:
  • Im Zimmergewächshaus. Beheizt, so dass Tag und Nacht 25°C herrschen. Benötigt nur 20 Watt Strom. Die Fensterbank ist tagsüber meistens auch so warm, aber nachts kühlt es dort oft unter 20°C ab, was vermieden werden sollte.
  • Feucht, aber nicht nass! Nicht überwässern. Das Wasser darf keinesfalls in den Schalen stehen. Zu nass bedeutet: Schimmel statt Keimung. Die Samen faulen statt zu keimen.
  • Kurz vor dem Umsetzen in 8cm-Töpfe
    Das richtige Substrat. Torftabletten sind meistens gut, je nach Hersteller habe ich aber auch schon Fehlschläge erlebt. Ansonsten "Aussaaterde", aber auf keinen Fall "Pflanzerde" nehmen, die ist vorgedüngt und der höhere Mineralsalzgehalt hemmt die Keimung. Kokosfasern als Torfersatz werden auch gerne als kompakte, ökologisch unbedenkliche Aussaaterde verkauft, aber auch damit sind die Praxiserfahrungen schlecht - warum das so ist, weiss ich nicht.
  • Hell. Auch wenn Paprika keine ausgesprochenen Lichtkeimer sind, benötigen sie bald und viel Licht. Tageslicht oder Licht einer starken Pflanzenlichtlampe.
Sobald das erste Blattpaar nach den Keimblättern erscheint, sollte man sie in kleine Töpfe verpflanzen. Topfgrössen mit 8cm Durchmesser reichen aus. Dort kommen sie in Pflanzerde. Nicht nervös werden, wenn sie kurz nach der Verpflanzung ein paar Stunden schlaff in den Seilen hängen. Aufgrund des höheren Salzgehalts dieser Erde entwässern die Pflänzchen kurz (der bekannte Osmoseeffekt) und werden schlaff - das gibt sich. Bis dann sollte man sie nicht direkter Sonne oder viel Wärme aussetzen, sonst gibt es Blattschäden. Im Laufe des Aprils werden die Töpfe je nach Wetterlage ins Gewächshaus gestellt. Sind die Nächte kühl, kann man sie noch in Haus holen. Auspflanzung ins Freiland im Mai. Ist die Grosswetterlage stabil, bereits Anfang Mai, ansonsten nach den Eisheiligen.
Unter der Pflanzenlichtlampe
Zimmergewächshäuser sind eine klasse Sache, einfach, billig, sehr nützlich für Keimung und Vorzucht wärmebedürftiger Pflanzen. Wir haben zwei Stück, die beheizbar sind. Die Temperatur beträgt darin gut 25°C, was das Optimum für Nachtschattengewächse wie Paprika, Auberginen, Tomaten, Physalis sowie Kürbisgewächse (Gurken, Melonen, Kürbis) darstellt.

Nach der Umpflanzung verwende ich Jahren mit lange Trübephasen trotz grossem Südfenster auch eine zusätzliche LED-Pflanzenlichtlampe. Früher andere Lampen und eine sehr leistungsfähige Version habe ich auch. Das ist einen eigenen Beitrag wert.

Nicht nur Paprika wollen sehr früh raus. Will man richtig grosse Gemüsezwiebeln, sollte man sie schon im Januar in kleine Töpfe säen - sie keimen sehr gut ohne Zimmergewächshaus.