Donnerstag, 3. Mai 2018

Erlebnisse auf dem Weg zum Garten

Im Baugebiet immerhin noch 10qm Rasen
Ab und zu fahre ich zu unseren Obstwiesen, 5 km enfernt in der Nähe des Ortsteils Züttlingen - dort sind die üblichen Pflegearbeiten zu erledigen, pflanzen, mähen, schneiden, ernten und all diese Dinge. Näher gelegene Flächen oder ein Haus mit grösserem Garten waren auch nach vielen Jahren suchen nicht drin, der alles auffressende Siedlungsdruck ist auch in kleineren Gemeinden längst extrem hoch geworden. Über Vitamin B, ebenfalls enorm wichtig in kleineren Gemeinden verfüge ich ebenfalls nicht. Eine blecherne Industriehalle hätte ich dagegen jederzeit mit Handkuss kaufen, mieten, bauen können.
Zu den Obstwiesen muss man zwangsweise über Wege, die mit Durchfahrverbot für Autos, aber frei für Landwirtschaft gekennzeichnet sind. Dasselbe gilt für Waldwege, wenn ich zu meinen Bienenvölkern am Waldrand muss. Fürs hinkommen zu den Bienen habe ich mir natürlich die Genehmigung und Zustimmung des Försters geholt. Der Förster ist wie fast alle Förster aufgeschlossen für den Bienenstand an einem vernünftigen Platz, hat mir die ohnehin selbstverständlichen Grenzen genannt (z.B. "immer auf eigene Gefahr"), sich die Autonummer aufgeschrieben und ich bin sehr froh, wenn er auch am Bienenstand vorbeikommt, sollte dort mal etwas nicht in Ordnung sein würde er mich informieren. Auch die Jagdpächter kennen mich, wichtig, denn sie sind Abends unterwegs. Imker erleben da so einiges, von umgestossenen Beuten durch Spaziergänger bis zu Dieben, die im Halbdunkel Völker einladen. Es ist gut, wenn noch Anderen Leuten auffällt, wenn eine unbekannte Person am Bienenstand herumhantiert.

Klar ist für mich, solche Fahrten absolut zu minimieren. Fahren kostet Treibstoff und Zeit, die Wege werden auch von Fussgängern benutzt deren Spaziergang man in der überlasteten Region nicht stören will, manchmal ist es auch aufgrund der Wetter- und Wegeverhältnisse richtig gefährlich. Steilhang, schmieriger Grasweg, von Holzlastern aufgeweichte Schlammbahn - ich habe alles erlebt und noch mehr. Gefahren wird mit einem leichten und sehr kleinen Fahrzeug, knapp über Schritt-Tempo. Bei viel nötigem Material (z.B. Zargen für die Beuten) hängt der Anhänger hinten dran, das ist besser wie ständig mit einem grösseren Fahrzeug herumzupoltern dessen Kapazitäten man nur manchmal braucht.

Kommen zufällig Leute am Bienenstand vorbei, sind die grundsätzlich sehr aufgeschlossen. Man unterhält sich. Die Aufgeschlossenheit verschwindet in dem Moment, in dem man ins Auto steigt. Dann wird man sofort Konkurrent um den Weg, zum Schlawiner, der illegal durch die Landschaft rollt. Man winkt mit dem erhobenen Zeigefinger.

Bauen fürs Pferdehobby. Reiten heute.
Bei den Obstwiesen hat sich das schon aufgeschaukelt. Die Situation ist geradezu typisch für die Entwicklung Deutschlands: Baugebiete, Industriegebäude und vor allem Wohnbebauung waren noch vor wenigen Jahren weit weg, haben sich aber jetzt nahe an die letzten Wiesen herangeschoben oder sie aufgefressen. Es wird heftig und hässlich immer weiter auf besten Böden alles zubetoniert, obwohl mitten im Ort aufgegebene landwirtschaftliche Betriebe grosse Flächen völlig ungenutzt besetzt halten (Spekulation auf noch höhere Preise?) und Wohnen ohne unnötigen Ressourcenverbrauch in unserem sehr engen Bundesland eigentlich oberste Priorität haben müsste. Nichts davon ist zu bemerken, so wird der Ort ein ständig grösserer Stein- und Asphaltbrei, die Wege länger. Eine Freizeitanlage, ein grosser Pferdehof mit ebenfalls kräftig Gebäudeneubauten zieht selbstverständlich ebenfalls viel Zugangsverkehr an. Vor allem ab Nachmittag drängen sich dann Hundeausführer, Reiter, Fahrzeuge der Bewirtschafter der (noch) übrigen landwirtschaftlichen Kulturen auf den staubigen Wegen durch die ständig schrumpfenden Freiflächen. Zunehmend sind es auch Anwohner der metasstasierenden Einfamilienhauswohngebiete, die über diese Wege mit dem Auto Abkürzungen fahren. Bei diesen Anwohnern finden seltsame Vorgänge im Kopf statt, die sich wohl überall in Deutschland so abspielen:
  • Sie fahren selber massiv über verbotene Feldwege zu ihren Haus weil das eine Abkürzung ist, erwarten aber Ruhe und verkehrsfreie Wege beim anschliessenden Feierabendspaziergang. Das hat derart überhand genommen, dass die Gemeinde einen Weg angesichts des gestiegenen Verkehrs komplett sperren musste und Schlüssel für tatsächliche Anlieger ausgibt.
  • Schachmatt der Natur. So baut und wohnt man heute.
    Sie schottern ihren Garten tot, sägen den letzten Obstbaum darin um weil alles zu viel Arbeit macht - aber mir wird das Obst von den Bäumen gestohlen. Fürs "Grün" sollen doch bitte die Anderen sorgen. Bei Neubauten passiert es mittlerweile nicht selten, dass von vornherein das gesamte Grundstück versiegelt wird, bestenfalls noch eine Koniferenhecke als Randstreifen lebt. Sie könnte aber auch aus Plastik sein, der optische und sonstige Unterschied wäre minimal. Man will und baut "im Grünen", um paradoxerweise das Grün sofort grossflächig zu beerdigen und in totes Grau umzuzwingen. Die Gemeinde fördert das nach Kräften, indem ungebremst extrem platzverwenderisch Einfamilienhaussiedlungen geplant werden. Entwicklung! Wohin eigentlich? Dabei sind Gärten fast immer eine Last für die heutigen Bauherren. Aber es gehört halt dazu? Um welchen Preis?
  • Flurstück 1648 Züttlingen, Obstwiesennutzung heute.
  • Für die Pflege der Obstwiese gibts viel Lob. Auch von der Politik. Natürlich will aber keiner selbst etwas tun. In der Realität ist das genaue Gegenteil von Lob der Fall - die ehemaligen Obstwiesen werden von Anwohnern als Müllplatz missbraucht, nicht nur in Züttlingen. Auf Nachbargrundstücken bachaufwärts haben Ortsbewohner massiv und dauerhaft Bauschutt abgeladen, auch Heckenschnitt und Pflanzen werden in der Nähe ständig abgeworfen, was auch unter anderem die Ausbreitung von Neopythen beschleunigt.

    Moderne Obstwiesennutzung. Unten Stammstücke
    eines Apfelbaums. Feiern heute.
    Bachabwärts haben sich jüngere Menschen Flächen im Gebüsch einfach freigesägt und die letzten Obstbäume gleich mit umgehauen. Jetzt gammeln dort seit Monaten und über den Winter Kisten mit billigen Alkoholika und Limonade, alte Plastikmöbel, Brandstellen und dergleichen. Das Geheimnis, wie man auch aus Äpfeln Alkohol machen kann konnte ich ihnen nicht verraten, sie kamen nur nachts. Ausgleichsflächen mit Obstbäumen am Wegesrand werden konstant für illegale Ablagerung von Erdaushub der unzähligen Baumassnahmen genutzt. Nicht von Fremden, sondern von ortsansässigen Mitbürgern.
  • Ausgleichsfläche, abladen frei? Deponien heute.
    Einmal hat mich ein Spaziergänger mit Hund durchs offene Autofenster angebrüllt, nachdem ich ganz angehalten habe, weil der Hund unruhig wirkte und ich ihn nicht unabsichtlich anfahren wollte. Vorsicht ist Alles. Die Rücksichtnahme hätte ich mir besser gespart, denn sie wurde mir mit einem Schallknall vergolten: Der Herr aus dem Wohngebiet in der Nähe nutzte meinen Halt, um mich lautstark masszuregeln. Ich dürfe da nicht fahren und ein paar weitere wirre Anschuldigungen mehr. Ich reagierte darauf sicherlich auch viel zu aufgekratzt angesichts der falschen Anwürfe, überreichte ihm meine Visitenkarte für weitere Beschwerden andernorts, was er auch ein paar Tage später bei der Gemeinde versuchte.
Was tun? Nichts. Ich bin kein Feldschütz auf Pirsch, der sich über die Zerstörungen der Umgebung beschwert. Das bringt auch nichts, es interessiert niemand, eine Mentalitätsänderung ist damit nicht zu erreichen, im Gegenteil, ich werde selbst zur Zielscheibe und einem Fremdkörper. So erlebte ich es, als ich ein einziges Mal nachfragte, nachdem mir meine Zwetschgenhecke (komplett auf meinem Grundstück wachsend) bei einer "Pflegemassnahme" einfach abgeschreddert wurde. Und schwupps war ich Persona non grata bei nicht wenigen Leuten in der Gemeinde.

Natürlich ist nicht alles Katastrophe. Zwei meiner Nachbarn pflegen ihre Bäume, einer hat sogar Obstbäume gepflanzt. Eine Ausnahme leider - die Dinge laufen in die gegenteilige Richtung. Und zwar gewaltig.

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