Donnerstag, 29. März 2018

Bärlauch, erstes Gemüse: Ernten ohne zu säen

Blütenstand Bärlauch
Zu manchen Jahreszeiten gibt auch der schönste Nutzgarten nicht viel Frisches her, so auch jetzt. Doch draussen in Waldstücken und Parks wächst gerade massenhaft eine typische Frühlingsspezialität heran, die man an schattigen Plätzen auch im Garten ziehen kann: Der Bärlauch sprosst. Und Bärlauch ist nach wie vor schwer in Mode. Nachdem er früher gar keins und bis vor einigen Jahren nur ein Thema für Liebhaber war, pilgern heute ganze Scharen von Bärlauchsammlern in die Wälder. Spitzenköche basteln an vielfältigen Bärlauchrezepten, findige Firmen präsentieren Kreationen wie Bärlauchbrot, Bärlauchessig, Bärlauchpesto oder neue Gesundheitsprodukte unter Mitverwendung von Bärlauch. Was ist dran am Bärlauch, wo ist er zu finden, wie verwendet man ihn?

Geschichte und Botanik

Ganze Pflanze

Allium ursinum, so lautet der botanische Name für Bärlauch, ist ein heimisches Liliengewächs aus derselben Familie wie Knoblauch, Lauchzwiebeln, Schnittlauch, Porree und vielen anderen. Er wird auch wilder Knoblauch genannt, Englisch «Bear’s garlic» oder «Ramson», Schwedisch «Ramslök». Allein in Deutschland wachsen 24 Allium-Arten wild. Obwohl er anspruchslos ist und vielerorts in Massen auftritt, wurde Bärlauch in der älteren Vergangenheit weder gross kultiviert noch besonders geschätzt. Zu Zeiten Karls des Grossen findet sich eine kurze Erwähnung, aber Hildegard von Bingen ignorierte ihn völlig. Erst 1541 wird er erstmalig als Pflanze für den Kräutergarten genannt. In Kochbüchern taucht er schließlich vor hundert Jahren vereinzelt auf. Erst als im 20. Jahrhundert die Wildgemüsesammlerszene entstand und der Run auf die wenigen verbliebenen Wildkräuter einsetzte, mutierte er zu einer Küchenzutat mit lawinenartig steigender Beliebtheit.

Wuchs

Dicht wachsender Bärlauch am Waldboden

Bärlauch wächst in weiten Teilen Mitteleuropas wild, oft rasenartig in lichten Auwäldern, an Waldwegen, auf feuchten Hängen. Er bevorzugt tonige oder lehmige humose Böden. Unter Nadelgehölzen gedeiht er nicht. Im März treiben die ersten frischgrünen Blätter rosettenartig angeordet aus einer kleinen Zwiebel, ab Mitte April schiebt sich der Blütenstengel nach oben. Die Pflanze wird normalerweise etwa 10-30 cm hoch. Ab Mitte Mai ist es dann schon vorbei mit der Herrlichkeit: Nach der Blüte sterben die oberirdischen Pflanzenteile ab, der Bärlauch «zieht ein». Bärlauchblüte und Blattaustrieb
Samen Bärlauch
der Waldbäume liegen meist zeitgleich. Die Pflanze nutzt geschickt die lichtreiche Zeit im Frühling, wenn die Vegetationsbedingungen schon gut sind, aber noch kein Baumlaub die Waldböden verschattet. Anfang Juni werden 5-20 schwarze Samenkörnchen pro Pflanze reif und fallen sofort aus den vertrockneten Blütenständen. Die Vermehrung kann auch über Wurzeln stattfinden.

Gefahren

Kein Bärlauch! Sondern Maiglöckchen.
Wächst oft vergesellschaftet mit Bärlauch.

Selbst Wildpflanzen, die nicht unter Naturschutz stehen, sollte man grundsätzlich wenig und nur für den direkten Eigenbedarf sammeln, niemals ausgraben. Gesammelt werden die ganzen grünen Blätter, am intensivsten schmecken sie kurz vor der Blüte. Pro Pflanze bitte nur ein Blatt ernten, damit die Pflanze nicht zu sehr geschwächt wird. Einmal geerntet halten sich Bärlauchblätter nicht lange, in feuchtem Zeitungspapier eingewickelt im Kühlschrank höchstens drei Tage lang. Am besten sofort verarbeiten! Vorsicht vor Verwechslungen mit zwei
Herbstzeitlose, ebenfalls bärlauchähnlich.
Aber tödlich giftig!
ähnlich aussehenden, aber giftigen Waldpflanzen: Das Maiglöckchen (Convallaria majus) und die Herbstzeitlose (Colchicum autumnale), von der Frühling nur die Blätter sichtbar sind. Maiglöckchenblätter wirken mässig giftig, Herbstzeitlose sind hochgiftig. Beide sind zwar vom Bärlauch gut zu unterscheiden, trotzdem sterben jedes Jahr vergiftete Sammler, die nur oberflächlich hingesehen haben. Manchmal wachsen die giftigen Verwechsler in unmittelbarer Nähe zueinander. Schon wenige Blätter Herbstzeitlose ergeben eine tödliche Dosis des Alkaloids Colchicin. Dieses Kapillar-, Zell- und Mitosegift zeigt erst nach 4–6 Stunden Erscheinungen, dann ist es oft schon zu spät für eine Behandlung. Das sicherste Unterscheidungsmerkmal ist der Duft: Nur Bärlauch duftet nach Schnittlauch und Knoblauch.

Weitere Gefahren drohen vom Fuchsbandwurm, dessen Eier unsichtbar an allen bodennahen Waldpflanzen haften können. Das Risiko wird durch sauberes Waschen der Blätter mit Essigwasser vermindert und tritt nur bei roh gegessenem Bärlauch auf. Aber nur roh schmeckt er richtig gut.

Selbst anbauen

Dolde mit fast reifen Samen

Dass sich Bärlauch nicht kultivieren lässt, ist ein Märchen. Allerdings benötigt er einen schattigen, eher feuchten grasfreien Platz, am besten unter Laubbäumen, dicht an der Nordseite von Gebäuden, in Geländewellen. Orte, an denen Giersch und Buschwindröschen wild gedeihen, eignen sich oft auch für Bärlauch. Viele Gärtnereien bieten mittlerweile Jungpflanzen an. Man kann sein Glück auch mit im Wald abgesammelten Samen selbst versuchen. Als Frostkeimer gehen sie nicht leicht auf, benötigen eine lange Ruhezeit in der Erde, dann mindestens 4 Wochen kalte Umgebung bei -5 Grad Celsius, am besten unter einer Schneedecke. Wenn schliesslich im Frühjahr ein Pflänzchen spriesst, kann es sich in den Folgejahren schnell selbst vermehren.

Längst wird Bärlauch auch kommerziell in Gartenbaubetrieben angebaut. Er taucht dann schon einige Wochen vor dem eigentlichen Saisonbeginn zu satten Preisen auf Märkten und in Restaurants auf.

Geschmack


Rohe Blätter schmecken wie eine Mischung aus Knoblauch, Spinat und Schnittlauch. Jüngere Blätter sind mild, ältere schweflig-herbe. An zu viel Bärlauch überfrisst man sich leicht, die Auswirkungen sind ähnlich wie bei Knoblauch: Sodbrennen, anhaltender schlechter Geschmack im Mund. Die Lust auf Bärlauch ist einem denn für lange Zeit vergällt. Gekocht verliert sich das Knoblaucharoma zugunsten der «grünen» Spinatkomponente, deswegen sollte man ihn roh verwenden oder ihn direkt in heisse Gerichte mischen. Sinnvoll kann er noch als Füllung für Teigtaschen sein, weil dort das Aroma weniger schnell entweichen kann. Getrockneter Bärlauch schmeckt wie getrockneter Schnittlauch: Fade und strohartig.

Gesundheit

Allerlei Bärlauchpräparate

Die Inhaltsstoffe ähneln denen des Knoblauchs: Enthalten sind viele verschiedene Schwefelverbindungen wie Divinylsulfid, Dimethylthiosulfonat, Methylcycteinsulfoxid und seine Abbauprodukte Methylallylthiosulfonat und Methanthiol. Ausserdem findet sich Magnesium, Mangan und Eisen in erheblicher Menge. Da das Versprechen gesundheitsfördernder Wirkungen zahlungsbereite Kunden generiert, reagierte die Industrie schnell und brachte Bärlauch-Kapseln, -Pillen und -Granulate auf den Markt. Geworben wird mit einem breiten Wirkungsspektrum: Blutzirkulationsfördernd, gegen Tinnitus, Arteriosklerose, Harmonisierung der Darmflora, zur Schadstoffentgiftung, Immunstimulation und mehr.

Verwendung in der Küche


Im Internet und in Kochbüchern kursieren unzählige Bärlauchrezepte. Viele davon zeugen von einer lieblosen und unsachgemässen Verwendung. Ähnlich wie bei Basilikum dürfen die zarten Blätter nicht lange offen gekocht werden, denn das Aroma entweicht und zurück bleibt ein grüner Brei. Wie oben erwähnt, sollte man Bärlauch nur kurz erhitzen. Wer ihn haltbar machen will, kann die Blätter hacken oder pürieren und einfrieren. Vorsicht, Kunststoffbehältnisse nehmen den Knoblauchgeschmack an. Frischer Bärlauch ist besonders für Salatsossen, Suppen, Pesto und anstatt Spinat geeignet.

Wurzeln und Zwiebelchen von Bärlauch
Als ebenso wertvoll erweist sich das intensiv schmeckende Wurzelzwiebelchen. Nachteilig ist die geringe Menge. Man sollte es nur ernten, wenn sowieso wuchernder Bärlauch entfernt werden soll, denn leider wird mit der Zwiebel die gesamte Pflanze beseitigt. Dass auch die Blüten verwendbar sind, ist eine weniger bekannte Tatsache. Mit ihrem süsslichen, leicht knoblauchartigen Geschmack und dem zartweissen Blütenstaub eignen sie sich vorzüglich als dekorative Zutat.

Wo wächst er denn nun in unserer Region?

Blühender Bärlauch im Wald

In den milden Lagen bewaldeter Bach- und Flusstäler muss man sich eher fragen, wo er nicht wächst. Extrem dichte Bestände finden sich zum Beispiel entlang der Schefflenz, bevor sie von Norden her in die Jagst fliesst. Eine Gemeinde hat den Bärlauch sogar seit vielen Jahren zu Thementagen erhoben, die "Eberbacher Bärlauchtage". Kleinere Standorte sind fast in jeder Gemeinde Europas (nach Norden hin wird es dünner) zu finden, in Möckmühl zum Beispiel in der Pfarrklinge, einer sehenswerten steilen Schlucht zwischen dem Ortsteil Ruchsen und Möckmühl, durch die auch ein Wanderweg führt.

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