Samstag, 28. Mai 2022

Kohlpflanzen und Tauben

Taube: Erst sichten, dann fressen

Kohlarten haben es wahrlich nicht mehr leicht. Früher war das ein absolutes Standardgemüse, kein Garten ohne Kohlrabi, Kraut, Rettich, Blumenkohl. Eine sichere Miete. Später kam noch Chinakohl, Broccoli, Blattkohl und weitere Arten dazu. Aber schon seit Jahren geht es generell abwärts mit dem Anbauerfolg, der Nutzgärtner bekommt nur immer mehr Ärger, aber keine Erträge mehr. Auch hier im Blog wurde das schon oft thematisiert. Die zum Standard gewordenen langen, extremen Trocken- und Hitzephasen wirken sich besonders katastrophal auf viele Kohlarten aus. Schädlinge profitieren auch stark davon. Selbst robuste Arten haben zunehmend mit Problemen zu tun. Das bekommen auch die Profis zu spüren. Hier in der Gegend gibt es etwas professionellen Krautanbau, ohne Dauerbewässerung (häufig noch Überkopfberegnung) und erschreckend viel Pflanzenschutzmitteln geht da gar nichts mehr.

Starke Hitze und tiefe Kälte = Geschossen

Dieses Jahr sind auch bei mir wieder einige frühe Kulturen sofort gescheitert. Pak Choi wurde ein Opfer der Hitzeperiode mit über 30°C im April und Anfang Mai, dazu noch eiskalte Nächte. Das führt zu Vernalisation. Die Pflanze stellt aufgrund von Temperaturstress das Wachstum ein, bildet keine neuen Blätter und fängt an zu blühen. Nichts mehr zu ernten. Auch andere Arten gingen hops. Frühlingsrettiche wurden wie sehr oft schnelle Opfer der Kohlerdflöhe und und schliesslich vernichteten Kohldrehherzmücken Teile des Kohlrabis. Dabei hatte ich Jungpflanzen extra im Haus vorgezogen, um frühe Schäden zu vermeiden.

Zuerst die jungen Blätter, dann die Alten

Und es kommen immer neue Malaisen dazu. Letztes Jahr wurden plötzlich Blätter sämtlicher Kohlarten (ausser Rettichen) skelettiert. Raupen? Schnecken? Nichts war zu sehen. Auch keine Schleimspuren, Was ist das nur? Vor allem junge Blätter wurden abgefressen, wenn die weg waren kamen ältere Blätter dran. Und Jungpflanzen wurden herausgerissen. Kohlrabi, Blumenkohl, Broccoli, Weisskraut - alles vernichtet. Ein versuchsweise aufgelegtes Schutznetz stoppte das, es waren also keine sehr kleinen Tiere. Irgendein grösserer tierischer Schädling war verantwortlich. Wer frisst Kohlblätter? Eine Wildkamera brachte dann die Beweise: Morgens von Sonnenaufgang bis etwa 8:00 Uhr flogen Tauben zu, marschierten zu Fuss durch den gesamten Garten, stellten sich vor die Kohlpflanzen und zerhackten systematisch alle Blätter. Jungpflanzen wurden dadurch auch herausgerissen. Das wiederholte sich dieses Jahr in exakt gleicher Weise. Hier der Film meiner Wildkamera von heute morgen, 7:30 Uhr:


Kohlrabi, abgefressen

Was tun? Es gibt nur eine Möglichkeit: Wieder einmal einkaufen gehen und viel arbeiten, Schutznetze erwerben, auflegen und bis zur Ernte drauflassen. Festklemmen, damit sie der Wind nicht wegbläst. Abstandhalter wie Folientunnelbögen verwenden, damit der Kohl nicht zu Boden gedrückt wird, Zum Unkraut jäten, hacken und ernten muss man dann jedesmal alles wieder öffnen. Die Mühe ist durchaus erheblich, aber nicht mehr vermeidbar. Dass sich opportunistisch lebende (also Generalisten) Vogel - Massenarten hemmungslos vermehren, ist bekannt, während die spezialisierteren Vogelarten immer weniger werden. Auch die Ringeltaubendichte ist recht hoch geworden und zu deren Gewohnheiten gehört heute offenbar auch der Frass von Kohlpflanzen, gründlich und radikal. Das endet auch nicht im Sommer, sie tun das immer. Andere Schutzmöglichkeiten gibt es heute nicht mehr. Aktive Abwehr ist natürlich verboten. Frühere Generationen haben sie mit Leim oder Fallen gefangen (Produkte dafür sind Rattenleim wie Saratoga Top-Fix). Schnüre, blitzende und blinkende Gegenstände halten sie nicht ab.

Andere Gärtner berichten von Taubenschäden auch an Bohnen, Erbsen, Heidelbeeren, Stachelbeeren. Meine Stachelbeerstecklinge vernichten sie in der Tat ebenfalls immer, wenn ich sie nicht unter Netzen ziehe - die Blätter werden ansonsten komplett abgefressen. Wohlgemerkt: Gemeint sind bereits Frassschäden an den Pflanzen selbst, nicht erst an reifen Beeren. So weit kommt es gar nicht, wenn schon die Pflanzen kahlgemacht werden. Auch der Kohl ohne Blätter stellt das Wachstum ein bzw. wird einfach so lange abgefressen, bis er stirbt. Die Probleme hat auch der Profianbau, seit die EU-Vogelschutzrichtlinie lange Schonzeiten auch für schadenverursachende Massenarten eingeführt hat. Früher konnte wenigstens im Spätsommer eine Bestandskontrolle stattfinden, nun erst ab 1.11., wogegen Bauern auch immer wieder protestieren.

Broccoli. Aus und vorbei.

Am besten, wir bauen "tier- und umweltfreundlich" im sterilen Gewächshaus auf künstlichen Substrat an, klimatisiert, durch eine Luftschleuse zu betreten, bewässert, gedüngt. Lebensmittel aus dem Vollschutz. Wer ansonsten im Garten noch etwas ernten will, muss sich unter Schutznetze und Beregner flüchten und verzichtet besser von vornherein auf einige Gemüsearten.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen