Donnerstag, 21. April 2022

Honigkunde: Fest, kristallin, flüssig, cremig, wolkig?

Der wolkige Honig

Viermal Honigwolken im Sommerhonig

Einige Honigkäufer haben eine Lieblingskonsistenz und Lieblingsoptik, die ihr Honig haben soll. Honig kann kristallisierte Konsistenz haben, cremig oder flüssig sein. "Wolken" gehören eher nicht zur Vorzugsoptik. Aber was sind eigentlich Wolken im Honig? Sichtbar sind Wolken nur in kristallisiertem und festen Honig. Dort werden dann unregelmässige, schleier- oder eben wolkenartige hellkristalline Bereiche im Honig durch das Glas sichtbar. Wie entstehen sie? Das ist schnell (vereinfacht) erklärt: Fast jeder Honig kristallisiert. Die ungeordneten Zuckermoleküle ordnen sich dabei in festen Kristallstrukturen an, wenn sie um Kristallisationskeime wie z.B. Pollen herum die ersten Kristalle bilden. Geordnete Zuckermoleküle benötigen weniger Platz wie flüssige: Er schrumpft leicht. Hat der Honig einen niedrigen Wassergehalt (=hohe Qualität), dann gibt es keine flüssige Phase, die die entstandenen Zwischenräume zwischen den Kristallen auffüllt. Dort entstehen stattdessen winzige Leerräume, Lufteinschlüsse zwischen den Kristallen - die hellen Wolken werden sichtbar. Bevorzug im oberen Bereich des Glases, unten füllen sich die Lufteinschlüsse häufiger mit restlichem Flüssigzucker.

Diese Wolken sind eigentlich ein Qualitätszeichen, sie zeigen niedrigen Wassergehalt und fehlende unerwünschte Phasentrennung an. Man kann sie auch optisch geniessen, genau wie eine schöne Perlage in Sekt, wirbelnde Nuancen in einem Getränk oder Strukturen auf einer Apfelschale. Die Wolken oder überhaupt kristallisierter oder cremiger Honig sind für Manchen aber ein Hindernis, so gut der Honig auch sein mag.

Cremiger Honig. Etwas grobe Kristalle, typisch für Sommerhonig

Cremiger Honig

Cremiger Honig ist in der Regel kristallisierender oder bereits kristallisierter Honig, der vom Imker kurz mit einem Rührstab gerührt und dann sofort in die Gläser abgefüllt wird. Durch das kurze rühren werden die Zuckerkristalle etwas runder geschliffen, der Honig bekommt mehr oder weniger eine cremige Konsistenz, viel mehr ändert sich nicht. Korrekt gerührter Honig entwickelt keine Wolken mehr. Er ist immer streichfähig, aber zählt dann als "mechanisch bearbeitet". Es gibt einen Bio-Anbauverband, der diese Bearbeitung verbietet, dann können die Honige aber ziemlich hart werden und sind nicht mehr gut streichfähig. Hat man Kunden, die auch wirklich harten Honig akzeptieren, ist das Glück, denn dieser unveränderte Zustand ist das eigentlich auch das Beste für den Honig.

Nur flüssiger Honig erwünscht

Kristalle - Detail

Kristallisierter Honig wird meist gerne von jedem Honigliebhaber akzeptiert, wenn er nicht sehr hart ist und sonst gut schmeckt. Es gibt aber auch vermehrt Honigkunden, die ihn radikal ablehnen, was einen Rückfall in längst vergangene Zeiten darstellt. Insbesondere kristallisierter Honig mit Wolken wird von ihnen vehement und grundsätzlich abgelehnt. Das erlebe ich bei Honigkäufern gruppenspezifisch: Mit arabischen, russischen, türkischen Honiginteressierten laufen die Gespräche zum Beispiel fast immer gleich ab. Die erste Frage ist immer nach "flüssigem" Honig. Sie fragen nicht nach seinem Aroma, Honigtyp, Qualität, sondern immer nach "flüssig". Aber: Es gibt fast keinen naturbelassenen flüssigen Honig in Mitteleuropa. Die einzige Sorte, die zuverlässig flüssig bleibt ist der helle, aromafreie und reinsortige Robinienhonig. In Deutschland ist der mangels Robinienwäldern selten als Sortenhonig zu haben. Er wird importiert und ist auch behauptete Hauptsorte der massenhaften ausgefeilten Fälschungen chinesischer Herkunft. Auch der öfter flüssig aussehende dunkle Waldhonig kristallisiert früher oder später fast immer. Wenn Honig wirklich flüssig bleibt, hat das oft andere Gründe: Er wurde wärmegeschädigt oder von den Grossverarbeitern wurden Pollen industriell herauszentrifugiert. Wie erklärt man jemand, der flüssigen Supermarkthonig aus der Spritzflasche kennt und flüssigen (oft minderwertigen, weil wasserreichen) Honig aus den Subtropen, dass in Deutschland auf ganz natürliche Weise kein Honig lange flüssig bleibt? Ich habe es oft und ehrlich erklärt, aber es wurde von diesen Käufergruppen niemals auch nur annähernd akzeptiert oder gar ernst genommen. Sie lächeln ungeduldig zu Erklärungen, wie man ein Kind oder einen ertappten Lügner anlächelt. Leider!

Frühlingsblütenhonig im Lagereimer, kristallisiert

Flüssiger Honig wird in diesen Gruppen mit unverfälschtem Honig in Verbindung gebracht, dabei ist das Gegenteil der Fall. Für sie sind jegliche Kristalle und Kristallisation der Beweis, dass der Imker Zucker untergerührt hat. Man fixiert das Glas scharf, dreht es endlos von Boden zu Deckel und guckt mit aufgesetztem ernstgrinsendem Expertenblick nach, ob irgendwo ein Kristall zu sehen ist. Das ist natürlich ein lächerlich schlechter Witz, Zuckerverfälschungen und ähnlicher primitiver Beschiss mögen ja in Gegenden wie Pakistan üblich sein, fliegen in Deutschland aber schon seit 100 Jahren Dank Labor sofort auf und bei den ständigen Kontrollen (auch mein Honig wurde schon unangemeldet mehrmals geprüft) sind solche Versuche absolut unwitzig, ziehen (zu recht) saftige Strafen nach sich. Ein weiterer Witz ist, dass sich mit Zuckersirup Honige sogar leichter flüssig halten liessen, wenn man das Verhältnis der Zuckerarten entsprechend wählt, etwa viel Fruktose verwendet. Ich reiche meinen Honig ausserdem so wie viele Imker selber oft zur Prüfung im akkreditierten Labor ein, weil das wichtige und hochqualifizierte Rückmeldungen für mich sind - die Auswertungen kann kann auch der Honigkäufer einsehen, sie hängen in meinem Honigregal. Untersucht und im Prüfbericht bescheinigt wird Sauberkeit, Farbe, Konsistenz, Geschmacksbild, Mikroskopische Untersuchung auf Pollenzahl, Pollenarten, Pilzelemente, Rostsporen, Algen, Sonstige, Physikalische Untersuchung auf Wassergehalt, Leitfähigkeit (um Honigtauanteile festzustellen), Invertasegehalt (Enzymaktivität), HMF-Gehalt (Lagerung, Hitze, Alter), Sediment und auf Wunsch noch einige Parameter mehr.

In den Waben bleibt Honig länger flüssig

Die zweite Frage ist immer die nach Wabenhonig. Nicht nach den Schälchen zum Auslöffeln, sondern nach grossen, kiloschweren Honigwaben aus dem Honigraum. Ob der Honig überhaupt reif ist, spielt bei ihnen keinerlei Rolle, nur schwer muss die Wabe sein. Gefragt wird auch im Herbst oder Winter. Dass es den in Mitteleuropa sowieso nur zweieinhalb Monate geben kann, erzeugt erneutes Unverständnis. "Wabenhonig" wird von diesen Interessenten als bester einziger Honig angesehen, die Fragesteller sind auch da in vergangenen Jahrhunderten stehengeblieben. In ihren Herkunftsländern ist immer noch Presshonig durch kneten, Seimhonig durch Erhitzen oder schleudern mit korrodierten Honigschleudern aus Blech verbreitet, diese primitiv-schlechten und völlig überholten Methoden ergeben minderwertige Ergebnisse, hinzu kommt noch eine elend schlechte Lagerpraxis. Der vermeintlich einzige saubere Honig ist dort der Wabenhonig. Dabei ist auch dieser Wabenhonig häufig unreif und sehr leicht fälschbar, man füttert den Bienen einfach Industriezucker zu, den sie dann zusammen mit natürlicher Tracht in den Waben einlagern. Sieht normal aus, schmeckt mild. Beschiss auf der ganzen Linie.

Bei der Schleuderung

Auch hier wieder: Das fliegt in Deutschland sofort auf, ausser man hat hohe kriminelle Energie für ein geheimes Doppelspiel und ausgesprochen dumme Käufer, die einem unter der Hand ganze Waben abnehmen, Hauptsache billig. Wer Betrugsimker sein und solche Kunden bedienen und glücklich machen will, füttert dann bei einem einzelnen Volk mit Zuckersirup zu, schleudert den Honig aber nicht, sondern entnimmt dort nur volle Waben für die "Spezialkunden". Billigpreis, grosse Masse, grosse Freude! In den Honigwaben ist zudem eine stabile Wachsmittelwand enthalten, bedingt durch die optimierte Art der Bienenhaltung in Magazinbeuten seit 150 Jahren in Europa und USA. Wer Honigwaben aus Magazinbeuten isst, muss automatisch mit wenig Genuss auf dickem, alten Wachs herumkauen, spuckt es dann in den Abfall aus - der europäische Imker schleudert dagegen nur den Honig mit Zentrifugalkraft heraus und verwendet das Wachs zu 100% wieder, auch das Entdeckelungswachs.

Honig "flüssig" bei Feinkost-Albrecht.
Für einige Kundengruppen die bessere Wahl.

Die dritte Frage obengenannter Klientel ist der übliche Versuch, zu handeln. Leider sind das langweilende und zeitraubende Spiele, die Endpreise sind bereits sehr billig und ich empfinde es als üble Geringschätzung der Bienenprodukte, davon noch weiter herunterzugehen. Wieso soll ich Verluste freiwillig vergrössern und mich dafür noch zeitstehlend mit dummem Palaver belabern lassen? Honig bleibt bei gut arbeitenden Imkern sowieso nie übrig, man kann ihn auch wieder den Bienen zurückgeben und spart entsprechend den Futterkauf, es gibt niemals Übermengen, die man unbedingt los werden muss. Ich gebe zu, ich bin müde geworden, immer wieder tauben Ohren etwas von der Realität zu erzählen und dann noch plumpdumme Handelsversuche wegen des "schlechten" weil kristallisierten Honigs über mich ergehen zu lassen, die mich nur meine Zeit kosten. Liebe Leute, dann geht bitte gleich zu einem anderen Verkäufer der euch fachgerecht reinlegt oder werdet glücklich mit Aldis Mischung aus China, Südamerika und alles mit Allem - garantiert flüssig bleibend und billig. Das habe ich nicht und will es nicht, vielmehr war dieser Mist einer der wichtigen Gründe, selber Bienen zu halten. Der Honig meiner Bienen ist nachweisbar maximal naturbelassen und nachweisbar ausschliesslich aus der Region.

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