Donnerstag, 27. September 2018

Das heisse Wüstenjahr

Was für ein Jahr für den Nutzgärtner... wenn so der Klimawandel aussieht, dann ändert sich nicht nur etwas, sondern alles.

In unserer sowieso schon trockenen Gegend war es besonders extrem. Unsere Klimadaten zeigen den gesamten Sommer und Frühling über ein Jahr, das durchweg heisser und trockener war wie das Wetter in Casablanca in Marokko, Nordafrika. Wir hatten 22 Tagen mit mehr als 32°C, in Casablanca waren es nur vier. Die letzten nennenswerten Niederschläge gab es bei uns Anfang Juni. Zusammen mit der Hitze wurde die Katastrophenschwelle für den Garten Ende Juli überschritten und fürs Obst Mitte August. Es gab ab und zu Regen - aber das war nur soviel, dass er nicht einmal auf den Boden gelangte, sondern die wenigen Tropfen schon auf den Blättern wieder verdunsteten.

30° bis Mitte September und wenige Tage später ein Absturz in kräftigen Bodenfrost am 26.9., damit war dann auch die Hoffnung auf einen Herbst zerstört in dem der Garten bei mässigen Temperaturen noch einige Wochen gedeihen konnte. Die Kulturen gingen stattdessen nahtlos vom Hitzeschaden in den Frostschaden über. Kürbis, Süsskartoffeln, Yakon, Paprika - Frostschaden. Trotzdem gibts wichtige Erkenntnisse, die uns dieses Jahr beschert, Erkenntnisse wie sich Anbautechniken und Gartenkulturen verändern müssen, um noch etwas zu ernten, wenn dieses Wetter in Zukunft häufiger vorkommt. Auf Erfahrungen kann man kaum zurückgreifen, alles ist sehr neu und einzigartig.

Der Nutzgarten


Zuckerhut verzwergt und hat Innenbrand
Die Dauerhitze sorgte für Schäden an 80% der Kulturen. Es zeigte sich, dass Überkopfbewässerung unumgänglich war, um Blatt- und Brandschäden zu verringern. Pilzkrankheiten waren kein Problem, da alles sofort wieder abtrocknete. In der letzten Juliwoche ging unserer Regenwasserzisterne das Wasser aus.  Die 7500 Liter reichten für 100 Quadratmeter acht Wochen lang. Wer sich also eine Zisterne anschafft: So gross wie nur irgend möglich. Nur wer Wasser hat, kann ernten. Sehr viel Wasser. Ausgebracht nicht nur per Tropfschlauch, sondern per Beregnung, um Blätter zu kühlen und die oberen Bodenschichten zu befeuchten, was für Flachwurzler und Jungpflanzen wichtig ist. Einige der Erkenntnisse:

Es zeigt sich schon seit Jahren: Kartoffeln werden bei trockener Hitze nichts. Braunfäule bleibt aus, das ist aber auch schon der einzige Vorteil. Das Kraut bekommt Hitzeschäden, bleibt dünn, die Knollen winzig. Obwohl der Boden im Juni noch feucht war, ging ohne Bewässerung überhaupt nichts, die Ernte war trotzdem elend schlecht, späte Sorten hatten Totalschaden. Süsskartoffeln sind gelungen, aber nur wenn dauernd bewässert wurde. Klappte das nicht wie in unserem Aussengarten: Totalschaden.

Sonnenbrand an Paprika
Wärmeliebende Sorten wie Paprika oder Tomaten profitierten nicht, sondern litten. Tomaten hatten Hitzeschäden und bekamen stark Alternariakrankheit wie es sonst das Hauptproblem in Spanien ist. Paprika wuchsen nicht mehr und Blüten fielen unbefruchtet ab, vermutlich weil die Pollen geschädigt wurden. Den Flachwurzlern konnte man gar nicht genug Wasser heranschaffen, sie hatten jeden Tag stark hängende Blätter. Alle südseitigen Früchte bekamen Sonnenbrandschäden. Sogar die sonst sehr hitzefesten Auberginen strichen die Segel, die Früchte wurden gallenbitter, weil die Pflanzen Stress hatten.

Eine positive Überraschung waren früh ausgesäte gelbe Rüben / Karotten. Sie wuchsen mit etwas Zusatzwasser unbekümmert durch die Hitze und setzten kräftig-grosse Wurzeln an. Weniger gut erging es Spätsaaten, die gar nicht mehr aufgingen oder laubgeschädigt klein blieben.

Sellerie, hitzeverbrannt, keine Knolle gebildet
Pastinake, Sellerie, Petersilienwurzel: Kein Aufgang, Schäden (Pastinake), kompletter Ausfall (Petersilienwurzel, Maca) oder Kümmerwuchs mit Blattschäden (Sellerie, Zwiebeln). Bewässerung nutzte nichts mehr.

Salate erlebten Totalschaden, sogar der eigentlich sehr hitzetolerante Eissalat und Bataviasalat. Verkümmert, schlaff, von den Rändern her nekrotisch. Der einzige Salat mit brauchbarer Ernte war früh vorgezogener Romanasalat, spätere Auspflanzungen verkümmerten. Zuckerhut für den Herbst, gesetzt im Juli und August hatte Totalschaden. Er verträgt die Dauerhitze nicht, egal wieviel Wasser er bekommt. Der verwandte Endivien verkümmerte entweder oder er ist geschossen. Gut geworden sind alle Radicchiosorten unter stetiger, flächiger Bewässerung. Vorziehen war generell Pflicht.

Melonen, Gurken - sogar diese Kinder der Hitze hatten Sonnenbrandschäden an Blättern und Früchten, ausserdem wurde der Krankheitsdruck nicht schwächer, nur die Krankheiten wechselten. Gurken verabschiedeten sich bereits im Juli. Wassermelonen sind gelungen. Kürbisse ebenfalls, aber nur wenn sie direkt im wasserspeichernden Pferdemist standen. Dann war die Ernte sehr gut. Sorten sind gut gewachsen, die sonst nur in Italien etwas werden. Leider wurden dann doch viele Früchte nicht reif, weil der extreme Absturz in den Frost im September die Pflanzen frühzeitig tötete. Der Frost war so heftig, dass sogar die Früchte Schäden hatten.

Ananaskirsche, Hitzeexitus
Ebenfalls positiv: Zuckermais. Schaffte man es, den Boden feucht zu halten, wuchs er unbekümmert in die Hitze hinein und da es bis September eine Gewitterböen gab, hat es ihn auch nicht umgerissen wie es dabei oft passiert. Die Sturmfront Mitte September hat die Spätsaaten allerdings ausnahmslos umgerissen.

Buschbohnen hatten Zwergwuchs, schwachen  Fruchtansatz, früher Tod. Spätsaaten teilweise erfroren.

Physalis und Ananaskirsche - Pflanzen permanent unrettbar im Hitzestress, Wachstumsstopp und Abwurf der halbreifen Früchte. Physalis sind empfindlicher wie gedacht.

Fenchel - Frühlings und Sommeraussaat Totalschaden, geschossen.

Kohlgemüse hatte ich dieses Jahr nicht. In der Presse stand allerdings, dass die Erträge kommerzieller Anbauer aller Kohlgemüse drastisch gesunken sind und nicht nur Preissteigerungen, sondern leere Regale drohen. Das gesamte Wintergemüse wird sehr knapp. Importe sind nicht möglich, weil die Nachbarländer unter denselben Problemen gelitten haben.

Das Obst


Sommerbirne Stuttgarter Geisshirtle -verbrannt
Das war ohne Wenn und Aber eine totale Katastrophe. Der sehr gute Fruchtansatz von hundert Bäumen verschiedenster Sorten auf den Obstwiesen wurde bis auf eine einzige Quitte komplett zerstört. Und ein paar Walnüsse sind reif geworden. Obst zu ernten gab es nur am Hausgarten, wo konsequent bewässert werden konnte. Das war doppelt bitter, da es letztes Jahr ebenfalls Totalschaden gab Dank eines extremen Spätfrostereignisses. In anderen Gegenden war es noch mal schlimmer, dort war auch das Jahr davon nichts zu ernten, weil es dort im Sommer schweren Hagelschlag gab. Der Trend sieht danach aus, dass sich das milde Mitteleuropa in eine instabile Gegend voller Extreme entwickelt, die uns so einiges ausknipsen. Da Deutschland mit seiner hohen Bevölkerungsdichte und geringen landwirtschaftlichen Möglichkeiten sowieso schon der grösster Lebensmittelimporteur der Welt ist, kann man nur hoffen dass es weiterhin jemand gibt, der uns etwas verkauft.

Die Situation war je nach Bodenart und lokalen Gewitterereignissen unterschiedlich. Ein paar Kilometer weiter südlich zog einmal ein Augustgewitter mit einmaligem Regen durch, kombiniert mit den tiefgründigen Böden dort rettete das die Obsternte. Bei uns nicht.

Glockenapfel, Trockenschaden
Äpfel haben durchweg Totalschaden. Die Früchte sind 3cm gross geblieben, trocken, bitter, verwelkt. Das zeichnete sich schon im Juli ab. Alle Neupflanzungen sind vertrocknet (ein Schaden von einigen hundert EUR), ältere Bäume verbrannt. Es gab keine Sorten und keine Unterlagen, die das ausgehalten haben.

Birnen haben allesamt Blattschäden von der Hitze, aber dort wo sie tief wurzeln konnten und auf arteigener Unterlage standen (pyrus hat eine Pfahlwurzel), haben sie relativ lang durchgehalten, bis etwa Ende August. Dann war auch dort die Grenze erreicht.

Die Pfirsichernte. 2-3cm Fruchtleichen, abgeworfen.
Zwetschgen, Renekloden, Mirabellen - klein, bitter, trocken, ungeniessbar. Einige Bäume wurden zudem in der Sturmfornt vom September umgerissen, weil das Holz trocken und nicht mehr biegsam war. Auch südliche Arten wie Pfirsiche hatten früh Totalschaden. Am längsten hielten Mirabellen durch. Weiter südlich kamen sie sogar bis zur Reife.

Quitten hielten wurzelecht am längsten durch. Ein alter Baum hat sogar fast normalgrosse Früchte. Das sind die wahren Hitze- und Trockenkönige.  Junge Bäume bekamen nur unbrauchbare Minifrüchte.

Das Wildobst ist fast durchweg verbrannt, vertrocknet. Kornelkirschen, Ribes-Arten, Ölweiden, Aronia, Sanddorn, alle kamen sie an Grenzen und starben oder gingen ins Trockennotprogramm mit Blattabwurf.

Kornelkirsche, vertrocknete Zwergfrüchte

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