Dienstag, 8. September 2020

Tafeltraubentest: Sorte Elegant Sverhranny

Tafeltraube Elegant Sverhranny

Tafeltrauben werden immer früher reif, dieses Jahr war schon im Juli die erste frühe Sorte essbar. Das war "Elegant Sverhranny". Die Traube mit dem sperrigen Namen stammt wie viele neue Züchtungen aus Russland und ist einer der vielen "Wostorg" Abkömmlinge, gekreuzt mit Frumoasa Alba. Das Aromaniveau ihrer Eltern hat sie bei weitem nicht, aber auch nicht Empfindlichkeit von Frumoasa Alba. Ausserdem ist sie ausgesprochen früh. Erste reife Trauben Ende Juli sind in frühen Jahren warmer Gegenden bei ihr keine Seltenheit. Beworben wird sie mit guter Eignung auch für ungünstige Standorte.

Das habe ich genutzt und sie an einer problematischen Stelle gepflanzt: An der Nordseite von Nachbars Garage, die Richtung Süden an der Grundstücksgrenze steht und mir dort alles verschattet. In 2m Höhe wird sie aber an einem Draht in sonnigere Gefilde geführt. Das funktioniert recht gut. Die übliche Kurzübersicht meiner Testbewertung:


 

 

Wuchs und Krankheiten

Die Sorte wächst mittelstark und ist damit auch für begrenzten Raum geeignet. Im Verlauf des Vegetationsjahres ist sie gut in Form zu halten. Bei Frühsorten sind kleinere Standräume sinnvoll, wenn noch bessere spätere Sorten nachfolgen. Kommt die ins essfähige Stadium, hat man keine Lust mehr auf den immer noch gut bestockten Trauben-Erstling.

Laub meist gesund

In Punkto Krankheitsanfälligkeit steht Elegant Sverhranny gut da. Oidium (echter Mehltau) wird eher zum Problem wie Peronosphona (falscher Mehltau), gegen Oidium sollte man präventiv behandeln, bis hin zum Ernteausfall sie sie aber bei mir nie krank geworden. Das Laub ist nicht allzulange gesund, was aber nicht wirklich stört, weil die Trauben da längst ausgereift sind. Die Kirschessigfliege ist kein Problem, aber Wespen. Zu ihrer Reifezeit gibt es besonders viele Wespen und Wespenflug, weil es noch sehr warm ist. Da die Beeren zwar keine wirklich dünne, aber relativ weiche Haut haben, werden viele Beeren schnell angefressen, was weitere Wespen anlockt. Am Anfang ist das noch okay, weil zuerst die Beeren mit Mehltaukratzern dran sind, deren Haut noch dünner ist. Doch dann geht es auch an alle anderen Beeren. Abhilfe sind wieder einmal die bereits in den anderen Tafeltraubentests genannten Organzabeutel. Verrieselte Beeren bleiben in den Trauben, klein uns sehr süss. Auf sie haben es die Wespen auch stark abgesehen.

Frost hält sie mässig aus, sie friert oft weit zurück. Für Stiellähme habe ich keine besondere Anfälligkeit beobachtet.


Ertrag und Pflege

Der Fruchtansatz ist hoch, zu hoch. Es muss also ausgedünnt werden, ansonsten wird die Rebe überlastet, trägt verspätet und schafft nur schlechte Zuckergehalte, kleine Beeren. Die Trauben zeigen sich recht unterschiedlich gross, man kann im Juni zunächst alle kleinen Trauben wegschneiden und erhält dann einige grosse, schwere und gut ausgebildete Trauben. Muss man sie mit Organzabeuteln schützen, sind weniger grosse Trauben besser wie viele Kleine.


Trauben und Beeren

Halbierte Beere mit Kernen

War der Stock nicht überlastet, werden die Beeren in unserem Klima ab Anfang bis Mitte August essreif, dieses Jahr ausnahmsweise schon in den letzten Julitagen. Die Beeren sind grün und behalten auch bei Reife einen Grünton, hellen nur ein bisschen ins Gelb auf, gehen dann bei Überreife in Brauntöne. Beeren im unteren Teil der Traube sind meist kleiner und gehaltloser, werden nicht so süss. Die Trauben hängen fest, lassen sich aber gerade so mit der Hand vom Stock brechen. Der Traubenaufbau ist locker, fault eine Beere steckt sie Andere nicht an. Die ovalen klein bis mittleren Beeren haben (Beerengrösse bis max. 3,5cm Länge, zugespitzt oval. Im Schnitt 5g schwer) eine mässig knackige Haut, ihre innere Struktur ist weich, breiig, aber nicht gallertartig oder nur aus Saft bestehend. Kerne gibt es leider viele, ausserdem sind sie dick und ärgerlich für Beeren dieser Grösse. Die Kerne sind ein Hauptnachteil. Positiv ist ihre gute Platzfestigkeit. Und wenn etwas platzt, knuspern die Wespen solche Beeren sofort weg. Bei ihrer frühen Reifezeit sind immer viele Wespen unterwegs.

Elegant Sverhranny überreif

 

Inhaltsstoffe, Geschmack, Aromen und Verwendung

Reste für Saft

Hat man die Sorte nicht überlastet, kann sie Zuckerwert um die 100° OE erreichen. Lässt man sie länger hängen, wird sie stetig süsser. Während sie am Reifeanfang auf der ausgeglichenen Süssfruchtigen Seite liegt, wird sie dann ausgesprochen süssschmeckend. Die Säure ist von einfacher Struktur. Aromareich ist sie nicht, sondern ziemlich neutralaromatisch. Leider hat sie keine Aromatik von ihrer würzigen Elternsorte Frumoasa Alba mitbekommen, auch wenn das einige Verkäufer immer wieder behaupten. 

Saft als gärender Federweisser ist gut, für Wein hat sie zu wenig Säure. Ein grosser Vorteil ist ihr langes Erntefenster, das bei mir sechs bis acht Wochen anhält, sonfern man die Trauben gut gegen Wespen geschützt hat.

Für viele Jahre war sie mir eine zuverlässige und dankbare Frühsorte. Gerade im sehr frühen Reifebereich hat sich aber enorm viel getan. Neuere Sorten wie Galahad (ebenfalls ein Wostorg-Abkömmling), Arni oder Monblan machen ihr starke Konkurren.

 

Hintergrundinformationen zum Standort

Nordseite Garagenmauer, die Triebe freistehend weggeführt. Das Klima ist sehr warm und trocken, was echten Mehltau begünstigt. Der Boden ist schwer und flachgründig, aber an dieser Stelle gut versorgt. Milde Winter, aber manchmal harte Temperaturstürze. Früher Austrieb, deshalb immer Spätfrostgefahr. Pflanzenschutzmassnahmen gegen echten Mehltau.

Grosse Trauben von Elegant Sverhranny


Montag, 15. Juni 2020

Vielblütige Ölweide, Elaeagnus multiflora

Reife Früchte der vielblütigen Ölweide, Elaeagnus Multiflora
Ölweiden sind pflegeleichte Wildobstgehölz, zwei Beiträge zur Schirm-Ölweide kamen bereits hier (Teil 1, Pflanze im Garten) und hier (Teil 2, Früchte und Verarbeitung).

Nicht nur die Schirm-Ölweide ist interessant für den Garten, die Vielblütige Ölweide hat weitere und eigene Qualitäten. Elaeagnus multiflora ist ihr botanischer Name. Sie heisst auch Essbare Ölweide, Edel-Ölweide, Reichblütige Ölweide; englisch Cherry Elaeagnus, Gumi; französisch Goumi.

Auch sie habe ich in mehren Sorten seit ein paar Jahren im Garten und auf einem mit Wildobst bepflanzen Hang am Rande der Obstwiese. Die Ölweide schlägt sich da ausnehmend gut. Das Hang ist ein Extremstandort auf Kalkschutt, trockenheiss, mager, überwuchert von allerlei wildwachsenden Gehölzen.

Aussehen, Wuchs


Bedornung der Vielblütigen Ölweide
Die vielblütige Ölweide wächst als ein niedriges, strauchartiges Gehölz. Auf meinen schwierigen Standorten wird sie keine 2m hoch. Sie wächst gerader als die Schirm-Ölweide und wirkt weniger dicht. Sämlinge haben vor allem im Jungstadium Dornen, Sorten aber nur wenig. Die Dornen haben aber keine Haken, der Strauch bekommt damit keine Sperrwirkung wie beispielsweise eine Berberitze, es ist mehr ein Fraßschuss gegen Tiere.

Iher Blätter sind klein, fest, denen der Schirm-Ölweide recht ähnlich. Sie blüht im April bis Mai mit unscheinbaren weisslichen Blüten. Die Blüte ist wesentlich weniger reichhaltig wie bei der Schirm-Ölweide, dass sie trotzdem den Namen "Vielblütige" bekommen hat haben wir dem Schweden Thunberg zu verdanken, der sich auch mit einigen anderen Einbenennungen kräftig blamiert hat, zum Beispiel bei der Loquat: https://gartenzone.blogspot.com/2019/11/mispeln-mespilus-germanicus-letzte.html. Die Blüten sind für Insekten interessant und nektarhaltig, je nach Tageszeit duften sie auch schwach. Sie werden gerne von Hummeln und Bienen besucht.

Blüten der Vielblütigen Ölweide
Aus den Blüten entwickeln sich Früchte, die sehr schnell und dann etwas folgernd reifen. Die Früchte sind leuchtend rot, etwa 15mm lang. In gut ausgereiftem Zustand schmecken sie angenehm süßsauer. Innen liegt ein weicher Kern, der nicht sehr stört. Ihr Aroma ähnelt der Schirm-Ölweide, ist etwas schwächer, dafür sind die Früchte grösser und schneller süss. Dieses Jahr gab es bereits in der ersten Juniwoche reife Früchte, die Reifezeit kann aber in anderen Jahren und weniger warmem Klima auch im Juli liegen.

 

Vorteile der Vielblütigen Ölweide


Etwas folgernde Reife der Früchte
Alle Vorteile der Schirm-Ölweide gelten auch für die Vielblütige Ölweide. Die Pflanzen sind unglaublich zäh, kommen mit Trockenheit, Kalkboden, wenig Humus, Nährstoffarmut, Hitze, Fröste (auch zur Blütezeit!), Winterhärte (bis -29°C) Schnitt, Konkurrenzpflanzen erstaunlich gut zurecht. So gut, dass man fast fürchtet, diese beiden nordostasiatischen Arten könnten invasiv werden. In Nordamerika ist e. umbellata tatsächlich ausgebüxt und vermehrt sich, allerdings ist sie nur auf Ruderalflächen konkurrenzfähig.

Darüber hinaus könnte man als Vorteil im Gegensatz zur Schirm-Ölweide werten:
  • Die deutlich grösseren Früchte lassen sich viel leichter pflücken, die Pflückleistung ist dadurch viel höher. Die meisten Leute würden wohl optisch die Früchte der Vielblütigen Ölweide denen der Schirm-Ölweide vorziehen.
  • Mit ihrem geraderen und niedrigeren Wuchs ist sie die bessere Gartenpflanze, während sich die Schirm-Ölweide auch für eine Wildobsthecke gut eignet.
  • Die Frücht sind viel früher reif, bereits im Spätfrühling. Sie liegt damit gleichauf wie Kirschen und späte Erdbeeren.
  • Sorten sind selbstfruchtbar.

 

Sorten


Blätter
Mittlerweile sind auch einige Sorten zu haben. Schon länger bekannt sind Sweet Scarlet, Red Cherry und Red Gem. Alle haben etwas grössere Früchte wie die Sämlinge, Sweet Scarlet hat auch dunklere Früchte. Bekannt ist auch Dr. Szczepan. Zwei davon habe ich auch. Der Unterscheid zu meinen Sämlingen ist sichtbar, aber nicht riesig. Ausserdem soll es in Korea noch einige Sorten geben mit deutlich grösseren Früchten. In Asien ist das Interesse an den Früchten der Ölweide höher als in Europa oder den USA.
Im Wuchs haben die Sorten wie schon erwähnt weniger Dornen und sind teilweise selbstfruchtbar. Eine gute Befruchtung erreicht man aber nur mit unterschiedlichen Pflanzen. Am Besten, man pflanzt immer einen Sämling mit.

Probleme


Wie die anderen Ölweiden ist die Vielblütige Ölweide ein zäher, anspruchsloser Geselle. Sie kennt keine Krankheiten und wenig Probleme. Wenn sie etwas braucht, dann viel Licht, als Unterpflanzung oder für Halbschatten ist sie nicht geeignet. Magerer und trockener Boden stört sie nicht, sie kann sich mit Hilfe von Bakterien, mit denen sie in Symbiose lebt Luftstickstoff erschliessen. Natürlich sind die roten Beeren auch für Vögel attraktiv, Vogelfrass kommt vor, aber da die Pflanze niedrig ist, kann sie leichter mit einem Netz geschützt werden.

Ein früheres Problem wird langsam besser, je mehr ihr Bekanntheitsgrad steigt. Früher wurden die Ölweidenarten von den Baumschulen und allerlei zwielichtigen Importeuren und Verkäufern wild durcheinandergewirbelt, dem Kunden hat man immer den Namen geliefert, den er gerade haben wollte, aber die Art stimmte selten. So wurden lange Schirm-Ölweiden als Vielblütige Ölweiden verkauft. Das ist besser geworden und mittlerweile gibt es die ersten Baumschulen, die auch Sorten innerhalb der Arten anbieten - hoffen wir, dass sie stimmen und einen Fortschritt bringen.

Freitag, 15. Mai 2020

Frostschutz im Gewächshaus

Apfelblüten nach Luftfrost im April dieses Jahr
Die letzten Jahre ist ein Wettermuster Standard geworden, das schlichtweg katastrophal für Hobbygärtner ist. Drei Dinge treten dabei gleichzeitig auf:

  • Es gibt ganze Wintermonate, die praktisch frostfrei sind mit Höchsttemperaturen von bis zu 20°C, so auch dieses Jahr im Januar und Februar. Die Winter sind sehr, sehr warm, tags wie Nachts. Die Gehölze kommen kaum in Winterruhe.
  • Es gibt in der besten Vegetationszeit im Frühling und Frühsommer, manchmal auch sehr viel länger ganze Monate, in denen nicht ein Tropfen Regen fällt.
  • Der April ist sommerheiss, der Austrieb findet bis zu vier Wochen vor den früheren typischen Tagen statt, wobei ab Mitte April teilweise sehr tiefe Fröste Schäden wie noch nie verursachen, auch bis hin zum totalen Ernteausfall beim Obst. Der Mai ist eiskalt mit Schneefallintermezzos, Nachtfröste dauern auch über die Eisheiligen hinaus, selbst in unserer relativ warmen Weinbaugegend. Seit vier Jahren gab es es nicht ein einziges Jahr, in dem die Weinbauern keine Spätfrostschäden zu beklagen hatten.
Was tut der Hobbygärtner? Er stellt sich Wohnzimmer und Gewächshaus mit seinen frostempfindlichen Pflänzchen voll und wartet unter hohem seelischen Druck den Tag ab, an dem er endlich auspflanzen kann. Doch die Fröste hören nicht auf, die Vorhersagen sagen auch für den 16/17. Mai noch eine knackig kalte Frostnacht voraus. Luftfrost wird es wohl keinen geben, aber Bodenfrost.

Auch im Gewächshaus kann es knapp werden. Schwierig wird es auf jeden Fall, denn Paprika und Auberginen bekommen bereits bei unter 5°C Probleme. Das Wachstum hört dann anhaltend auf und es dauert trotz wieder vorhandener Wärme Wochen, bis sich die Pflanze regeneriert hat und wieder wächst. Was tun? Das Gewächshaus nachts heizen ist eine Lösung. Da habe ich schon viele Techniken ausprobiert, deren Praxis hier nun vorgestellt werden soll:

Der elektrische Frostschutzwächter


Ein einfaches, sehr billiges Elektrogerät, das mit normalerweise 500 Watt heizen kann. Es ist kein Heizlüfter und hat keinen Ventilator, die Hitze steigt aus Lüftungsschlitzen auf.

Vorteile:
  • Sehr billig in der Anschaffung
  • Zuverlässig, relativ ungefährlich
  • Leicht aufzuräumen und aufzubewahren.

Nachteile:
  • Schafft nur 500 Watt, was für nicht gut abgedichtete Gewächshäuswer zu wenig ist. Man sollte ihn durchgängig anlassen statt nur über den Thermostat zu schalten.
  • Braucht Strom im Gewächshaus, man benötigt ein langes Verlängerungskabel und muss es ins Gewächshaus führen ohne dass die Tür einen Spalt offen bleibt
  • Wärme steigt steil nach oben, am Boden bleibt es sehr kalt
  • Frisst bis zu 5kwh pro Nacht.

Die Gasheizung


Gas-Frostwächter
Einfache Gasheizer sind beliebt für Gewächshäuser. Sie benötigen eine Gasflasche, das sind Pfandflaschen die man in diversen Läden leer abgeben kann und voll abholt. Ferner wird ein Druckminderer benötigt, wenn er nicht schon mitgeliefert wird. Ein Thermostat ist immer eingebaut - es wird nur gezündet, wenn die Temperatur einen eingestellten Grenzwert unterschreitet.

Vorteile:
  • Sehr gute Heizleistung, es gibt Modelle mit max. 2kwh und max. 4kwh. Damit sind genügend Leistungsreserven da auch für grössere Gewächshäuser.
  • Bessere Wärmeverteilung, die Heissluft wird beim aufsteigen verwirbelt und auch der Heizkörper selbst strahlt Wärme ab.
  • Autonom, kein Stromkabel nötig
  • Hohe Effizienz. Das Gas wird voll in Wärme umgesetzt. Genau dort, wo sie gebraucht wird.

Nachteile
  • Nicht jeder mag mit Gas hantieren, die Gasflasche und das Gerät sind relativ sperrig
  • Restmenge Gas in der Flasche schlecht abzuschätzen. Wenn das Gas ausgeht, geht die Flamme aus und es wird es kalt, Risiko von Frostschäden steigt steil an.
  • Mittlere Kosten. Das Gerät kostet ab 100 EUR, Gas in der Gasflasche ist aber preiswerter wie Strom.
Flasche und Druckminderer


Der Heizlüfter


Auch diese Lösung ist einfach, benötigt aber viel Strom. Viele Leute haben sowieso Heizlüfter im Haus, man muss also möglicherweise gar nichts anschaffen. Aber Vorsicht, keine Pflänzchen damit anblasen.

Vorteile:
  • Heizleistung gut skalierbar, es gibt Geräte mit mehreren Heizstufen. Fürs Gewächshaus ist eine Heizstufe von 1000 Watt meistens richtig.
  • Sehr, sehr billig. Heizlüfter gibts schon ab 10 EUR und die haben sogar einen Thermostat eingebaut. Sie sind kompakt und können auch an anderer Stelle im Haus eingesetzt werden, nicht nur zur Gewächshaus-Frostrettung.
  • Bläst die Luft mit einem Ventilator herum. Damit wird eine gute Verteilung der Wärme im Gewächshaus erreicht, auch am Boden, der Luftstrom verhindert eine Schichtung.

Nachteile:
  • Strom ist in Deutschland sehr teuer. Läuft er mit 1000 Watt durch sind das bis zu 10kwh pro Nacht, also 3 EUR Stromkosten. Angesichts des Kraftwerks-Wirkungsgrades ist auch die Gesamteffizienz nicht gerade gross. Das Problem haben aber alle elektrischen Heizgeräte.
  • Stromkabel nötig.

Kerzen


Auch das habe ich schon probiert. Es funktioniert. Dabei gilt es, die abgegebene Wärmemenge  zu kalkulieren. Eine Kerze liefert rund 50 Watt Wärmeleistung, ein Teelicht ein paar Watt weniger, Kerzen mit dickem Docht ein paar Watt mehr. Für 1000 Watt Heizleistung sind also 20 Kerzen nötig. Da es im Gewächshaus sowieso windstill ist, ist die Zugempfindlichkeit einer Kerze dort kein Thema.

Vorteile:
  • Kein Stromkabel nötig
  • Leicht zu kaufen, leicht aufzubewahren
  • Gut zu skalieren, gut im Gewächshaus zu verteilen, dadurch auch bessere Wärmeverteilung.

Nachteile:
  • Es wird mit offenem Feuer unbeaufsichtigt hantiert. Bei einem Brand kann das nicht nur finanzielle, sondern auch rechtliche Folgen haben. Absolut feuersicher aufstellen.
  • Brennzeiten meistens ungewiss
  • Die Flammen sind sichtbar. Nachbarn könnten besorgt reagieren.
  • Kein Thermostat. Wenn sie brennen, brennen sie, auch wenn es gar nicht so kalt wird oder wenn frühmorgens die Sonne hereinscheint und das Gewächshaus schnell aufheizt.

Es gibt noch einige weitere Möglichkeiten - alte leistungsstarke Halogen - Scheinwerfer, Petroleum-Heizungen etwa. Hat man genug Platz, kann man auch ein Regenfass mit warmem Wasser und Deckel aufstellen. Manche Leute führen Heizrohre der Zentralheizung ins Gewächshaus. Ideen gibt es genügend.

Hoffen wir auf frostfreie Mai-Nächte - das ist die beste Lösung.

Sonntag, 16. Februar 2020

Misteln, Parasiten an Obstbäumen auf dem Vormarsch

Apfelbaum, von Misteln befallen
Es fällt sogar Spaziergängern auf, die sonst nichts mit Obst am Hut haben: Immer mehr der noch übrigen Obstbäume am Strassenrand und auf ungepflegten Obstwiesen zeigen auch im Winter grüne Blattkugeln in der Krone. Die meisten Leute kennen die Ursache, es sind Misteln.

Die Mistel, genauergesagt die "weissbeerige Mistel", viscum album ist ein in Europa heimischer pflanzlicher Baumparasit. Auch in Kalifornien wurde er eingeschleppt und hat sich dort im nördlichen Teil stark auf vielen Gehölzen ausgebreitet. In Europa existieren drei Unterarten der Mistel, die Tannen-Mistel, die Kiefern-Mistel und die Laubholz-Mistel, mit der wir es an Obstbäumen zu tun haben. Diese Mistelart befällt eine Vielzahl von Laubbäumen. Am häufigsten erwischt es Pappeln und Apfelbäume. Die Mistel kann sich sogar selbst befallen. Wenig befallen werden Kischen und Birnen. Aber bei hohem Befallsdruck passiert auch das.

Pappeln mit Misteln. Autobahnbrücke ohne Misteln.
Ihre klebrigen, weissen Beeren werden im Winter reif und von Vögeln verbreitet. Für Menschen sind sie giftig. Vögel bringen sie am häufigsten an weitere Äste eines bereits befallenen Baumes, aber auch an Nachbarbäume. Die verschleppten oder ausgeschiedenen Samen keimen, bilden eine Haftscheibe, dann bohrt sich der Keimling dolchartig in den Ast des Wirtsbaumes. Die Mistel ernährt sich aus dem Saftstrom des Wirtsbaumes, holt sich Wasser und Mineralstoffe. Nach einigen Jahren ist die Mistel zu einem bis zu einem Meter Durchmesser grossen ganzjährig dauergrünen Gezweig herangewachsen. Auch wenn man sie häufiger an alten Bäumen sieht, ist sie kein Schwächeparasit, sondern befällt auch maximal vitale Jungbäume.

Gekeimte Beere auf neuem Wirtsbaum mit Haftplatte.
Befallene Bäume wachsen schlechter, tragen weniger, leiden zunehmend unter dem Befall. Nach einigen Jahren können Baumkronen so stark durchwuchert sein dass es mehr Misteln wie eigenes Blattwerk gibt, das ist dann auch das Ende, der Parasit verschlingt seinen Wirt, Äste sterben ab, der Baum geht auf sein Ende zu. Kommen befallene Bäume zusätzlich in Stress, zum Beispiel durch Trockenheit, multipliziert sich die Belastung, sie leiden noch stärker. Auch Astbruch ist ein Problem, weil die belaubten Misteln im sonst unbelaubten Baum von den Winterstürmen stärker mitgerissen werden.

Neuer Befall Mistel
In Süddeutschland war sie immer häufig, nun ist sie extrem häufig geworden aber seit einigen Jahren ist sie auch im Norden stark in Ausbreitung begriffen. Sie stand nie und nirgends unter Schutz. Die Gründe dafür sind einerseits eine Veränderung des Klimas in eine Richtung, die der Mistel viel besser gefällt (mehr wintermilde Jahre) und andererseits völlige Ignoranz gegenüber ihrer Ausbreitung. Jeder Naturbesorgte im Lande will Obstwiesen- und Hochstammschützer spielen, aber kein Mensch schneidet oder pflegt noch Obstbäume. Auch in Forschung und Bekämpfung wird Null investiert. Im Rahmen von Ausgleichsmassnahmen werden zwar weiterhin immer wieder Obstbäume an Strassenrändern gepflanzt, aber sogleich umgefahren, beschädigt, ungepflegt verrotten gelassen. Und eben als Mistelwirte vergammeln lassen. Niemand entfernt noch Misteln an so einem Baum. Man guckt zu, geht weiter, die Bäume sterben Stück für Stück und der Bauer daneben freut sich, weil er dem gemeindeeigenen 5 Meter - Streifen drei Meter abackern kann, sobald die Bäume tot sind. Dieses Landgrabbing ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Ich kenne keinen einzigen derartigen Streifen, dem nicht in kurzer Zeit mindestens alle Grenzsteine herausgeackert wurden.

Beeren der Mistel, Januar
Um die Obstbäume zu schützen, müsste man auf einem grösseren Areal konsequent alle Misteln entfernen. Genau das hat man früher gemacht. Obst- und Gartenbauvereine riefen früher regelmässig zu Misteltagen auf, an denen die Parasiten gemeinsam beseitigt wurden. Man musst die Äste absägen, an denen sich Misteln breitgemacht haben, nur sehr junge Misteln lassen sich noch so herausschneiden, dass sie nicht nachwachsen. Das ist Vergangenheit. Heute geht man eine schöne gefühlvolle Obstwiesenausstellung, trinkt stolz natürtrüben Saft von Streuobstwiesen und guckt gleichzeitig dem Sterben der Bäume zu.

Knospen
Gut zu sehen ist, wie von einem erstbefallenen Baum Misteln an Nachbarbäumen erscheinen und immer stärker werden. Leider habe ich auch so reinen Befallsbaum an meiner grössten Obstwiese.  Dort sieht man, wie sich die Mistel in der Krone ausbreitet. Dieser Baum steht an einem Bach auf Gemeindegrund, niemand pflegt die Bäume, wie üblich. Als ich die erste Jungmistel an einem meiner Obstbäume (zufällig eine Mispel, sozusagen eine Mistel in der Mispel) gesehen habe, musste ich etwas tun. Ich habe dann mühsam eine lange Leiter beschafft und herangetragen, über den Bach gezogen und bin in die Krone gestiegen, um den Parasiten abzusägen. Er wuchs weit oben. Das werde ich in den kommenden Jahren wiederholen müssen, denn viele der jüngeren Misteln übersieht man in einer dichten Krone. Gleichzeitig muss ich die eigenen Bäume überwachen. Ein Befall ist immer schlecht, da wie gesagt dann der ganze Ast dran glauben muss, was eventuell den Baum deformiert. Abzusägen ist der Ast nicht an der Stelle, an der die Mistel wächst, sondern bereits mindestens 30cm davor, denn die Wurzeln der Mistel gehen auch den Ast entlang und schieben wieder Blätter, wenn sie nicht mit dem Ast entfernt wird.


Endstadium einer einstmals schönen Obstwiese







Sonntag, 22. Dezember 2019

LKW-Gärten

Vorsicht, es folgt wieder einer der seltenen Rants, der aber durchaus etwas mit Gärten zu tun hat.
Die Geschwindigkeit, mit der Landschaft, Gärten, wertvolles Ackerland verschwindet ist beängstigend. Der Nutzgärtner findet nicht einmal Kleinflächen, während gigantische Industrie- und Wohngebiete auf Grossflächen in nie gekanntem Ausmass gebaut werden. Warum setzt man auf quantitatives Wachstum, das zerstört und Substanz frisst?

Ist-Zustand Maisenhälden. Krasser Brutalismus
zerstörte Landschaft, gigantische Überformungen
Unsere Gemeinde Möckmühl ist dafür leider keine Ausnahme, sondern ein besonders krasses Beispiel, über das schon hier spezielles und grundsätzliches zu lesen war. Vor zwei Wochen hat nun der Bürgermeister im Gemeindeblatt an prominenter Stelle mit Foto den neuesten Schlag bekannt gegeben: Es wäre ihm gelungen, sage und schreibe neue 134000 Quadratmeter an einen "Logistikdienstleister" zu verhökern, diesmal die Firma "ECE Industrie und Logistics GmbH & Co KG". Dieser Wahnsinn in einer weithin sichtbaren Höhenlage soll schon in wenigen Monaten durchgepeitscht und betoniert werden. Was dort passiert und wie er über den Tisch gezogen wurde, weiss der Kleinstadtbürgermeister nicht. Die Firma ist ihrerseits eine Art Zwischenhändler, selber ein in sechs Ländern tätiger Immobiliengigant mit englischer Startseite, sie vermietet an andere Logistiker. Der Konzern ist gross und undurchsichtig, existiert als maximal risikominimierende Rechtskonstruktion. Die Gemeinde hat also nicht einmal mehr etwas zu melden, wer dort dann mit was Business macht, was an Gewerbesteuer zu erwarten ist, das bestimmt dieser Privatkonzern.

Landstrassenränder = LKW Parkplätze
In diesem wahnwitzig grossen Industriegebiet wird damit Dank Bürgermeister Stammer und offenbar auch der Gemeinderatsmehrheit die bereits riesige Horde der LKW-Aufmarschplätze potenziert. Die Bauleitplanung hat die Gemeinde. Theoretisch ist sie ebenfalls an das Grundgesetz gebunden, das in Artikel 20a eine Verpflichtung zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen vorschreibt. Es gibt dort in "Maisenhälden" ausschliesslich solche Firmen, Riesige Lager, LKW-Vermieter, LKW-Firmen. Die Arbeitsplätze dort werden zu einem hohen Prozentsatz von Billigkräften aus dem ferneren Osteuropa besetzt, was nicht nur das Industriegebiet, sondern auch die ganze Gemeinde immer stärker prägt. Qualifizierte und besser bezahlte Stellen sind im Verhältnis dazu sehr wenig darunter. Die Arbeiter sind selber eine unter Druck gehaltene Verfügungsmasse und auch über Leiharbeitsfirmen beschäftigt. Diese Betriebe bekommen aus guten Gründen in den meisten Gemeinden auch für viel mehr Geld keinen Quadratmeter mehr verkauft. Vor kurzem wurde beispielsweise sogar Amazon mit einem geplanten Verteilzentrum in Schwäbisch Gmünd hinausgeworfen und dafür genau die Gründe angeführt, die auch hier gelten: Sie sind extrem flächenfressend, der irrwitzige LKW-Verkehr verursacht allerlei Kollateralschäden, die Arbeitsplätze gehören zu den miesesten überhaupt, die laufenden Gewerbesteuereinnahmen der Lager und "Logistikdienstleiter" sind lächerlich niedrig - Möckmühl ist deshalb auch "steuerschwache Gemeinde". Die Gemeinde kann das nicht einmal kalkulieren, weil sie die Hoheit, wer dort überhaupt einzieht abgegeben hat. Nicht einmal die Angestellten bringen Kaufkraft in die Gemeinde, im Gegenteil, sie fliesst ab. Die sowieso schon geringen Löhne wandern sofort ins Ausland, aber Infrastruktur benötigen diese Menschen trotzdem hier. Man muss schon komplett lernresistent sein, um all diese schlechten Tatsachen wieder und wieder in seiner Gemeinde auszuweiten. Welche Interessen sind da eigentlich am Werk?

Gut geeigentes neues Stadtwappen für Möckmühl
Der Irrwitz der schweren LKW-Aufmarschplätze und Giganto-Lager ist exakt die Art des wirtschaftens, die sich die Welt eigentlich schon lange nicht mehr leisten kann und darf. Sie sorgt für grosses rein quantitatives, ressourcenfressendes Wachstum und den stärksten qualitativen Absturz. Während die Möckmühler Schulkinder jede Woche eine halbes Jahr lang Klimaschutzdemonstrationen veranstaltet haben, hat der Bürgermeister den nächsten riesigen LKW-Aufmarschplatz an Land gezogen und die Eltern dieser Kinder, wenn sie im Gemeinderat sind, haben das mehrheitlich gebilligt. Vormittags demonstriert der Nachwuchs, Abends stimmen die Übertölpelten für die Fortsetzung einer der grössten Zerstörungsaktionen in der Gemeinde. Sie hinterlassen ihren Kindern zerstörte Böden, zerstörte Landschaften, LKW-Ruinen und Asphalt einer Vollgas-Entwicklung in die Sackgasse.

Lageskizze und Grössenvergleiche
Die Flächen sind so riesig geworden, dass allein in diesem einen Industriegebiet jede Familie der Stadt Möckmühl dort ein 500 Quadratmeter grosses Grundstück haben könnte, um einmal die Verhältnisse und Ausmasse zu verdeutlichen. Die Lager- und Verkehrsfläche pro Kopf möchte ich gar nicht ausrechnen, aber von dem, was auf dem gründlich zerstörten, aber ehemals erstklassigen Boden mit erstklassiger Ackerzahl (=Bodenqualität) wächst, könnte eine halbe Grossstadt mit Brotgetreide versorgt werden. Wie konnten wir nur all die Jahre ohne diese ins unermessliche wachsenden Logistiker überleben? Ohne die donnernden schweren Diesel - LKWs mit ihren immer müde aussehenden Fahrern aus Litauen oder Rumänien, die uns beispielsweise mit immer mehr Schrott aus China, Fleisch aus mit südamerikanischen Sojabohnenfutter gepäppelten Tieren, Gemüse aus Plantagen in Marokko versorgen? Was für ein Riesenwohlstand uns doch vorher entgangen ist und wie sich unsere Lebenqualität durch diese "Wirtschaft" erhöht hat.

Auf dieser Fläche sind die nächsten LKW-Hallen geplant
Der Bürgermeister argumentiert, dass die Stadt die Einnahmen aus dem Grundstücksverkauf für andere Projekte, vor allem für die Erschliessung neuer Baugebiete benötige. Das ist direkte Folge des grandiosen Fehlers, nur gewerbesteuerschwache LKW-Schuppen anzusiedeln und diesen Fehler wiederholen die Verantwortlichen Personen wie Brummfliegen, die wieder und wieder gegen ein geschlossenes Fenster prallen. Wieso plant eine Stadt eigentlich überhaupt Baugebiete mit negativem Saldo, als Zuschuss-Verlustgeschäfte? Wieso wird mit der Zerstörung einer Fläche die Zerstörung anderer Flächen finanziert? Was ist das für eine Art zu wirtschaften, wenn man nur mit solchen bedingungslosen Kapitulationen im Industriegebiet zu Geld kommt? Was, wenn keine Flächen mehr da sind, die man gegen Geld verheizen kann? Das ist Leben von der Substanz, die damit unwiderbringlich zerstört wird. Das neue Projekt findet auf einem kräftig abfallenden Gelände in weithin sichtbarer Aussichtslage statt, das zu planieren wird schon für sich gigantisch, das Gesicht der Gegend wird damit ebenso weithin sichtbar komplett verändert, LKW-Industriell umgeprägt. Vermutlich werden die bis zu 35 Meter Höhendifferenz auch noch als Erddeponie missbraucht, wie es bei einem danebenstehenden Grundstück bereits passiert ist.

Symptomatisch für die grenzenlose Kurzsichtigkeit, mit der Menschen, Natur und Verstand abwickelt werden stehen auch kleinere Projekte in der Gemeinde. Eine der letzten innerörtlichen Obstwiesen wurde mit einem Ärztezentrum bebaut - in einer wichtigen Frischluftschneise, ausgerechnet direkt neben einem grossen leerstehenden Krankenhaus, das weiterhin ungenutzt gammelt. Wo blieb da die Immobilienhandelsfachkunde der Verantwortlichen? Zerstörung "rechnet sich", neben dem Leerstand die letzte Wiese des Stadtteils zu vernichten ist billiger anstatt Bestehendes für das an sich löbliche Projekt eines Ärztezentrums zu renovieren, also wird es gemacht. Schon der Gedanke ist Widersinn, gesunde Menschen mit einer immer kränkeren Umwelt schaffen zu wollen. Die Frischluftschneise ist ebenfalls kein Spass, Stadtklimatologisch hat Möckmühl sowieso schon lange sich verschärfende Probleme, die Temperaturen am Kesselgrund lagen in den Hitzejahren noch einmal 2° höher wie an den Rändern. Nicht nur im Sommer gibt es zunehmend Probleme, im Winter wirken sich die vielen Kaminholzheizungen dort fatal auf die Luftqualität aus. Die starke Luftschichtung merkt sogar jeder, der mit seinem SUV aus der Stadt braust und dabei gelegentlich auf die Temperaturanzeige neben dem Tacho blickt.

Mitten im zerstörten Wald, die geschotterten Flächen vor den
Windkraftanlagen werden als LKW-Parkplätze missbraucht,
weil die LKW-Flut permanent überschwappt
Bei mir setzt sich immer mehr die Einsicht durch, am falschen Ort zu wohnen, in der falschen Zeit zu leben. Als Niemand habe ich so wie andere Bürger auch Null Einfluss auf die fortschreitende Zerstörung, nach öffentlicher Meinungsäusserung und Nennung von Ross und Reiter werden mich wohl Einige nicht mehr grüssen (ungeachtet der Tatsache, dass ich nur die Sachebene beschreibe und nicht die Person des Bürgermeisters), obwohl die Zerstörer ja jedesmal immer die Sieger bleiben und alles durchsetzen können. Beton und LKWs sind die all-time Dauergewinner. Leute mit anderer Ansicht haben keine Rückzugsmöglichkeit mehr. Nutzgartengeeignete Bereiche sind im teuren und immer vollgequetschteren Süddeutschland sehr schwer zu finden und den Kindern will ich die gewachsenen sozialen Beziehungen auch nicht nehmen. Ich sollte vermutlich besser eine LKW-Firma gründen und versprechen, eine Blumenwiese zuzubetonieren, dann würde ich sofort von manchen Bürgermeistern hofiert und mit Grundstücken auf allerbestem Boden in schöner Aussichtslage beglückt.

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Freitag, 13. Dezember 2019

Wabenhonig, von Menschenhand unberührt

Wabenhonig im Durchlicht. Das Bild sieht aus wie
editiert, ist aber echt.
Nachdem dieses Jahr wie so oft Sommer im April und Winter im Mai war, gab es in der ganzen Region keinen, wenig oder zu wasserreichen Frühlingsblütenhonig. Die Bienen konnten trotz reicher Blüte aufgrund von Kälte, Regen (einmal sogar Schneefall) und Wind im wichtigen Wonnemonat kaum fliegen und was sie sammelten, verbrauchten sie an den vielen Tagen ohne Flugbetrieb gleich wieder. Im Mai blühen nicht nur die meisten Trachtpflanzen, auch die Bienen haben einen Rekordhochstand an Nachwuchs, der viel Futter benötigt. Der Honig im Honigraum wurde jedenfalls nicht trocken, nicht richtig reif.

In meiner Imkerei lief es nicht besser. Einmal habe ich geschleudert, aber der wenige Honig hatte wie befürchtet hohe Wassergehalte. Was soll man damit machen? In China ist Trocknung Standard, dort wird absichtlich unreifer Honig geerntet, um die Erträge bis über jeden Anschlag hinaus gnadenlos zu maximieren. Das enzymschwache, sehr flüssige Zeug wird anschliessend maschinell getrocknet. Aufgrund solcher Methoden liegen die Weltmarktpreise für Honig so niedrig, dass Imker weltweit damit nicht konkurrieren können.

Die deutschen Imker haben nur die Möglichkeit, den Honig wieder einzufüttern, ihn als Backhonig zu verwenden (wo er sowieso erhitzt und befeuchtet wird)  oder ihn in anderen Produkten zu verarbeiten, zum Beispiel Honigwein. Reiner Frühlingsblütenhonig ohne Honigtau gefällt mir dafür aber aus Geschmacksgründen nicht, ein Übergangshonig von Frühling zu Sommer ist mir da lieber weil würziger.

Zarge mit Rähmchen für Wabenhonig.
Ein Rahmen gut ausgebaut.
Eine Kassette, teilweise verdeckelt
Also habe ich mich entschlossen, einen früheren Versuch in grösserem Massstab zu wiederholen, den Honig wieder einzufüttern und zu versuchen, damit Wabenhonig zu produzieren. Der Trick geht so: Man füttert die Bienen mit viel Honig, sie lagern ihn dann in ihren Lagerwaben erneut ein. Der etwas zu wasserreiche Honig wird bei dieser erneuten Umarbeitung durch die Bienen noch etwas trockener, reifer und enzymstärker, allerdings fressen sie auch eine Menge, aus 10kg zugefüttertem Honig wird höchsten 5kg wieder eingelagert. Dabei kommen sie in Stress, die Gier ist gross, der Platz im Lager reicht nicht. Man kann deshalb versuchen, den Lagerraum mit speziellen Formen auszustatten. In solche Formen würden sie normalerweise ungern ein Honiglager bauen, aber da im Moment so viel zu holen ist, nehmen sie auch diesen Raum an. In diesen Formen bauen die Bienen dann mangels anderem Platz notgedrungen Waben aus Wachs ein und lagern dort den Honig ein. Sind sie voll und verdeckelt, nimmt der Imker sie aus dem Honigraum und bricht sie entlang der vorgestanzten Linien in Stücke. Deckel drauf, Etikett drumrum, fertig ist der Wabenhonig zum Verkauf. Es hört sich einfacher an wie es leider ist.

Warum nimmt man stattdessen nicht einfach ganz normale Honigwaben, schneidet sie in Stücke und bietet sie so als Wabenhonig an? Einige Imker machen das, aber es hat Nachteile:
  • Honigwaben haben dicke Wachs-Mittelwände in der Mitte. Kaut man eine Honigwabe, hat man ausser dem Honig vor allem zähes Altwachs im Mund. Wabenhonig besteht nur aus Honig und ganz frisch erzeugten hellen, dünnen Wachszellen. Das Wachs spielt eine grosse Rolle beim Genuss, man sollte es lange kauen, es hat viele positive Wirkungen auf das Zahnfleisch und enthält frische Pollenöle. Das Wachs der Mittelwände stammt dagegen aus gegossenen, erhitzten Wachsplatten, Altwachs. Es soll die schweren Waben stabilisieren.
  • Honigwaben müssen zerschnitten werden, um etwas davon als Wabenhonig zu bekommen. Dabei läuft der Honig an allen angeschnittenen Waben aus. Das sieht nicht schön aus und tropft lange. Eventuell liegt das Wabenstück dann teilweise im ausgelaufenen Honig, das sieht optisch aus wie ein Waschbecken voller Gegenstände, halbvoll mit schwappender, klebriger Spüllauge bedeckt. Man kann ohne klebrige Tropferei auch nicht entnehmen.
  • Honigwaben sind dick, von beiden Seiten mit Honigzellen bestückt. das ist unhandlich, die Wabenhonigfächer sind dünner, man kann sie ohne Tropf bequem auslöffeln wie ein Dessert aus einer Schale.
  • Die transparente Wabenhonigform sieht toll aus: Man kann sich die Honigzellen auch von unten und der Seite ansehen und faszinierenden Wabenbau der Bienen von der Nähe betrachten. An Honigwaben sieht man ansonsten immer nur das übliche sechseckige Wabenmuster von oben.
Stapel mit Wabenhonigkassetten
Wabenhonig hat vor allem zwei Interessenten. Es sind einerseits die gesundheitsbewussten Geniesser, die einmal ein Naturprodukt ohne jede Umarbeitung haben wollen und von der Form fasziniert sind, andererseits Leute aus Russland, Türkei, Arabischen Staaten. Überall dort gilt Wabenhonig als der beste Honig. Das hat gute Gründe. Erstens sind dort bis heute Verfälschungen mit allerlei Sirup beliebt und fallen mangels Analytik und Kontrollwillen auch nicht so schnell auf. Wabenhonig hat die Aura des Naturprodukts behalten. Was heute leider nicht mehr stimmt, man kann auch mit Flüssigzucker zufüttern und so den Honig verfälschen. Zweitens standen in diesen Gegenden erst viele Jahrzehnte später die hochwertigen Honigschleudern aus rostfreiem Stahl zur Verfügung, die in Deutschland schon vor 90 Jahren erstmals aufkamen und die "Rostschleudern" ablösten, die jedes Jahr neu lackiert werden mussten. Stattdessen wurde dort der Honig lange wie im Mittelalter ausgekocht (ergibt den minderwertigen Seimhonig) oder gepresst. Nur der Wabenhonig war der saubere, rohe Honig und entsprechend geschätzt. Dieses Image hat Wabenhonig dort heute noch. In Russland wurden zudem die gesundheitlichen Wirkungen des lang gekauten frischen Wachses geschätzt.

Honigwabenränder vom Baurahmen
Gruppe 1, die Geniesser, stehen auf den kleineren Formen mit unberührtem Wabenhonig und löffeln ihn langsam aus. Gruppe 2 isst alles, Hauptsache süss, billig und so viel wie möglich. Diese Leute wollen auch ganze Waben haben, was zwar aus obengenannten Gründen widersinnig ist, aber der Kunde hat bekanntlich immer recht. Eine volle Honigwabe enthält 2-2,5kg Honig. An Bekannte, die aus Russland eingewandert sind verschenke ich ausgeschnittene Honigwaben aus den Baurahmen, das ist noch der beste und hochwertigste Kompromiss zwischen Masse und Klasse. Der Baurahmen ist der Ort im Bienenstock, an dem die Bienen bevorzugt Drohnen ziehen. Zur Versorgung der Drohnenbrut werden dort mehr oder weniger grosse Honigränder angebaut. In der Drohnenbrut entwickelt sich auch die für Bienen schädliche Varroamilbe bevorzugt. Der Imker entnimmt diese Baurahmen als biotechnische Massnahme gegen Varroamilben regelmässig im Frühling - den Honigteil darauf kann man herausschneiden und essen. Er hat keine feste Mittelwand, sondern besteht ausschliesslich ganz neu erzeugtes Bienenwachs, auch Pollenzellen sind oft zu finden.

Wer den Wabenhonig dieses Jahres probieren will, kann ihn bei mir bekommen, auch in der Veranstaltung "Winterglühen an der Jagst" wird er angeboten.

Eben entnommener Wabenhonigrahmen. Längst nicht alle
Kassetten sind gut ausgebaut.