Freitag, 13. Dezember 2019

Wabenhonig, von Menschenhand unberührt

Wabenhonig im Durchlicht. Das Bild sieht aus wie
editiert, ist aber echt.
Nachdem dieses Jahr wie so oft Sommer im April und Winter im Mai war, gab es in der ganzen Region keinen, wenig oder zu wasserreichen Frühlingsblütenhonig. Die Bienen konnten trotz reicher Blüte aufgrund von Kälte, Regen (einmal sogar Schneefall) und Wind im wichtigen Wonnemonat kaum fliegen und was sie sammelten, verbrauchten sie an den vielen Tagen ohne Flugbetrieb gleich wieder. Im Mai blühen nicht nur die meisten Trachtpflanzen, auch die Bienen haben einen Rekordhochstand an Nachwuchs, der viel Futter benötigt. Der Honig im Honigraum wurde jedenfalls nicht trocken, nicht richtig reif.

In meiner Imkerei lief es nicht besser. Einmal habe ich geschleudert, aber der wenige Honig hatte wie befürchtet hohe Wassergehalte. Was soll man damit machen? In China ist Trocknung Standard, dort wird absichtlich unreifer Honig geerntet, um die Erträge bis über jeden Anschlag hinaus gnadenlos zu maximieren. Das enzymschwache, sehr flüssige Zeug wird anschliessend maschinell getrocknet. Aufgrund solcher Methoden liegen die Weltmarktpreise für Honig so niedrig, dass Imker weltweit damit nicht konkurrieren können.

Die deutschen Imker haben nur die Möglichkeit, den Honig wieder einzufüttern, ihn als Backhonig zu verwenden (wo er sowieso erhitzt und befeuchtet wird)  oder ihn in anderen Produkten zu verarbeiten, zum Beispiel Honigwein. Reiner Frühlingsblütenhonig ohne Honigtau gefällt mir dafür aber aus Geschmacksgründen nicht, ein Übergangshonig von Frühling zu Sommer ist mir da lieber weil würziger.

Zarge mit Rähmchen für Wabenhonig.
Ein Rahmen gut ausgebaut.
Eine Kassette, teilweise verdeckelt
Also habe ich mich entschlossen, einen früheren Versuch in grösserem Massstab zu wiederholen, den Honig wieder einzufüttern und zu versuchen, damit Wabenhonig zu produzieren. Der Trick geht so: Man füttert die Bienen mit viel Honig, sie lagern ihn dann in ihren Lagerwaben erneut ein. Der etwas zu wasserreiche Honig wird bei dieser erneuten Umarbeitung durch die Bienen noch etwas trockener, reifer und enzymstärker, allerdings fressen sie auch eine Menge, aus 10kg zugefüttertem Honig wird höchsten 5kg wieder eingelagert. Dabei kommen sie in Stress, die Gier ist gross, der Platz im Lager reicht nicht. Man kann deshalb versuchen, den Lagerraum mit speziellen Formen auszustatten. In solche Formen würden sie normalerweise ungern ein Honiglager bauen, aber da im Moment so viel zu holen ist, nehmen sie auch diesen Raum an. In diesen Formen bauen die Bienen dann mangels anderem Platz notgedrungen Waben aus Wachs ein und lagern dort den Honig ein. Sind sie voll und verdeckelt, nimmt der Imker sie aus dem Honigraum und bricht sie entlang der vorgestanzten Linien in Stücke. Deckel drauf, Etikett drumrum, fertig ist der Wabenhonig zum Verkauf. Es hört sich einfacher an wie es leider ist.

Warum nimmt man stattdessen nicht einfach ganz normale Honigwaben, schneidet sie in Stücke und bietet sie so als Wabenhonig an? Einige Imker machen das, aber es hat Nachteile:
  • Honigwaben haben dicke Wachs-Mittelwände in der Mitte. Kaut man eine Honigwabe, hat man ausser dem Honig vor allem zähes Altwachs im Mund. Wabenhonig besteht nur aus Honig und ganz frisch erzeugten hellen, dünnen Wachszellen. Das Wachs spielt eine grosse Rolle beim Genuss, man sollte es lange kauen, es hat viele positive Wirkungen auf das Zahnfleisch und enthält frische Pollenöle. Das Wachs der Mittelwände stammt dagegen aus gegossenen, erhitzten Wachsplatten, Altwachs. Es soll die schweren Waben stabilisieren.
  • Honigwaben müssen zerschnitten werden, um etwas davon als Wabenhonig zu bekommen. Dabei läuft der Honig an allen angeschnittenen Waben aus. Das sieht nicht schön aus und tropft lange. Eventuell liegt das Wabenstück dann teilweise im ausgelaufenen Honig, das sieht optisch aus wie ein Waschbecken voller Gegenstände, halbvoll mit schwappender, klebriger Spüllauge bedeckt. Man kann ohne klebrige Tropferei auch nicht entnehmen.
  • Honigwaben sind dick, von beiden Seiten mit Honigzellen bestückt. das ist unhandlich, die Wabenhonigfächer sind dünner, man kann sie ohne Tropf bequem auslöffeln wie ein Dessert aus einer Schale.
  • Die transparente Wabenhonigform sieht toll aus: Man kann sich die Honigzellen auch von unten und der Seite ansehen und faszinierenden Wabenbau der Bienen von der Nähe betrachten. An Honigwaben sieht man ansonsten immer nur das übliche sechseckige Wabenmuster von oben.
Stapel mit Wabenhonigkassetten
Wabenhonig hat vor allem zwei Interessenten. Es sind einerseits die gesundheitsbewussten Geniesser, die einmal ein Naturprodukt ohne jede Umarbeitung haben wollen und von der Form fasziniert sind, andererseits Leute aus Russland, Türkei, Arabischen Staaten. Überall dort gilt Wabenhonig als der beste Honig. Das hat gute Gründe. Erstens sind dort bis heute Verfälschungen mit allerlei Sirup beliebt und fallen mangels Analytik und Kontrollwillen auch nicht so schnell auf. Wabenhonig hat die Aura des Naturprodukts behalten. Was heute leider nicht mehr stimmt, man kann auch mit Flüssigzucker zufüttern und so den Honig verfälschen. Zweitens standen in diesen Gegenden erst viele Jahrzehnte später die hochwertigen Honigschleudern aus rostfreiem Stahl zur Verfügung, die in Deutschland schon vor 90 Jahren erstmals aufkamen und die "Rostschleudern" ablösten, die jedes Jahr neu lackiert werden mussten. Stattdessen wurde dort der Honig lange wie im Mittelalter ausgekocht (ergibt den minderwertigen Seimhonig) oder gepresst. Nur der Wabenhonig war der saubere, rohe Honig und entsprechend geschätzt. Dieses Image hat Wabenhonig dort heute noch. In Russland wurden zudem die gesundheitlichen Wirkungen des lang gekauten frischen Wachses geschätzt.

Honigwabenränder vom Baurahmen
Gruppe 1, die Geniesser, stehen auf den kleineren Formen mit unberührtem Wabenhonig und löffeln ihn langsam aus. Gruppe 2 isst alles, Hauptsache süss, billig und so viel wie möglich. Diese Leute wollen auch ganze Waben haben, was zwar aus obengenannten Gründen widersinnig ist, aber der Kunde hat bekanntlich immer recht. Eine volle Honigwabe enthält 2-2,5kg Honig. An Bekannte, die aus Russland eingewandert sind verschenke ich ausgeschnittene Honigwaben aus den Baurahmen, das ist noch der beste und hochwertigste Kompromiss zwischen Masse und Klasse. Der Baurahmen ist der Ort im Bienenstock, an dem die Bienen bevorzugt Drohnen ziehen. Zur Versorgung der Drohnenbrut werden dort mehr oder weniger grosse Honigränder angebaut. In der Drohnenbrut entwickelt sich auch die für Bienen schädliche Varroamilbe bevorzugt. Der Imker entnimmt diese Baurahmen als biotechnische Massnahme gegen Varroamilben regelmässig im Frühling - den Honigteil darauf kann man herausschneiden und essen. Er hat keine feste Mittelwand, sondern besteht ausschliesslich ganz neu erzeugtes Bienenwachs, auch Pollenzellen sind oft zu finden.

Wer den Wabenhonig dieses Jahres probieren will, kann ihn bei mir bekommen, auch in der Veranstaltung "Winterglühen an der Jagst" wird er angeboten.

Eben entnommener Wabenhonigrahmen. Längst nicht alle
Kassetten sind gut ausgebaut.


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