Dienstag, 17. Oktober 2017

Unser Kohlrübenwinter

Steckrübe Wilhelmsburger, Gewicht
der Knolle 1kg - ideal
Heute haben wir die Erste "gezogen". Eines der wenigen Kohlgemüse, die noch in unserem Nutzgarten gelingen sind die einst vielgehassten Kohlrüben oder auch Steckrüben, Erdkohlrabi, schwedische Rübe, Wruke, Butterrübe, Unterkohlrübe oder Unterkohlrabi genannt. Legendär wurde der "Kohlrübenwinter" 1916/17, in dem die eigentlich für Tierfutter vorgesehene Kohlrübenernte aus geschmacklich minderwertigen Sorten in einer Notmassnahme beschlagnahmt wurde, geschnitzelt und getrocknet als Ersatzlebensmittel aufgrund des Kartoffelmangels verteilt wurde. Dann gab es den gesamten Winter und Frühling lang täglich Kohlrübensuppe, Kohlrübenmarmelade, Kohlrübenschnitzel, Ersatzmarzipan aus Kohlrüben und die armen Futter-Kohlrüben wurden zum meistgehassten Lebensmittel Deutschlands. In bitterem Humor wurde sie "ostpreussische Ananas" genannt. Sie ist kalorienarm, hilft nur gegen das Hungergefühl aber bringt wenig Energie, nicht einmal die Hälfte von Kartoffeln. Um den Tagesbedarf an Kalorien zu decken, müsste man täglich mindestens sieben Kilo davon essen. Nicht zuletzt deshalb hat sie nicht über den Hungerwinter geholfen, damals starben fast eine Million der geschwächten Menschen an Unterernährung. Positiv vermarktet wird sie heute als "Schlankheitsgemüse", angesichts ihrer Geschichte in Hungerzeiten ebenfalls nicht ohne Ironie.

Wo sie beliebt blieben

In Deutschland brach der Anbau sofort zusammen, als es wieder mehr Lebensmittel gab, die meisten Sorten sind verloren und erloschen, auch in der Literatur als sehr gut beschriebene Sorten. Durchgängig populär geblieben sind sie aber in Grossbritannien und Skandinavien mit Zentrum Schweden, sogar in den USA war sie früh bekannt. Das drückt sich auch im englischen Wort für die grosse gelbe Variante aus: "swede" oder "rutabaga", entlehnt aus einem alten schwedischen Dialektwort. Um 1620 wurde sie in Schweden als wild vorkommend bezeichnet, botanisch ist sie eine vielleicht zufällige Kreuzung aus Brassica rapa (Rübsen, Herkunft Südeuropa) und Brassica oleracea (Gemüsekohl, Wildkohl, wächst an Küsten), entstanden vermutlich in Skandinavien. Genetisch stehen sie somit dem Raps (ebenfalls eine rapa und oleracera - Kreuzung) näher wie anderem Kohlgemüse.
Steckrüben heissen sie in Deutschland nach ihrem beliebtesten Anbausystem. Man hat die Futtersorten früher ab Mai oder Juni gesät und im Juli auf abgeerntete Frühkartoffelfelder verpflanzt, sie "gesteckt". Im Herbst hat man die Schweine aufs Feld getrieben, die sie abgefressen haben oder sie wurde aus der Erde gezogen, geerntet und im Stall verfüttert.

Heute tauchen sie wie alle zeitweilig unpopulär gewordenen alten Sorten auch in der Gourmetküche auf, liegen im Spezialitätenregal und werden auf edlen Marktständen feilgeboten, vor allem in Norddeutschland. Weiter südlich wächst sie aber ebenso gut. Bereitet man gute Sorten richtig zu, schmecken sie zart, voll und süss mit einer leichten Senfölschärfe, ein Genuss den man ihnen nicht zugetraut hätte. Gelbe Sorten schmecken besser, am häufigsten wird in Deutschland die langsam wachsende aber gross werdende "Wilhelmsburger" angebaut. Sie ist von gelber Fruchtfleischfarbe mit leicht grünlicher Schale oder nur ein Kragen, wird recht gross, hat ausladende Blätter von blaugrauer Farbe, eine lange Vegetationsdauer. Sie wird bereits im Frühling ausgesät und erst ab Herbst gegessen. Um gut zu werden, benötigt sie Zeit und Sonne. Ich habe sie auch jährlich im Anbau, ausserdem mit wechselndem Erfolg verschiedene schneller wachsende verwandte Mairüben, gelbe wie weisse mit und ohne violettem Kragen. Die sind etwas für eigene Beiträge, diesmal will ich mich nur auf Steckrüben konzentrieren.

Sorten

Saatgut ist meistens nur für "Wilhelmsburger" zu haben - eine wirklich gute und robuste Sorte, aber mit etwas Aufwand bekommt man noch "Best of All", die mit ihrem optisch attraktiven lila Kragen im Supermarkt häufiger ist; weiterhin "Magress" und die helle "Tyne", eine F1-Hybride. Auch mein Favorit ist ganz klar "Wilhelmsburger", sie bringt die schönste Süsse, hat Aroma ohne wirklich kohlig zu werden, wird wenig von Krankheiten befallen. Die violettschaligen Varietäten mögen besser aussehen, sind aber neutraler im Geschmack. Wer auf besonders "mild" steht, wird damit auch glücklich sein. Die Konsistenz der Sorten ist ähnlich. Roh wie Kohlrabi, aber mit höherer Dichte. Gekocht wie eine Kartoffel, wird bald weich und lässt sich dann leicht zerdrücken.

Der Anbau

Steckrübenreihe
Bislang habe ich "Wilhelmsburger" nicht "gesteckt", sondern immer gleich an dem Ort ausgesät, an dem sie auch später reif wurden und höchstens zu dicht stehende Pflanzen beseitigt. Ich traue der Verpflanzung im Juli nicht. Das Klima ist anders als in Ostpreussen, im Juli ist es oft brüllend heiss und umgepflanzte Jungpflanzen verbrennen innerhalb kürzester Zeit. Ihr Wuchsabstand sollte mit 30cm, besser 40cm relativ gross sein, zu eng stehende Pflanzen entwickeln aus Sonnenmangel keine grossen Knollen und bekommen weniger Süsse. Für ein Kohlgemüse zeigt sich die Pflanze aber robust und klimatisch anpassungsfähiger wie Gemüsekohl. Sie keimt auch unter relativ trockenen Bedingungen, ich habe einmal überlagerten Samen in eine trockene Ecke geworfen und wunderte mich anschliessend, wie gut viele Pflanzen trotzdem aufgingen, Knollen bildeten, besser noch als auf meinem vorbereiteten Beet. Für einige typische Geisseln des Kohls ist sie weniger anfällig, die Kohldrehherzmücke war zum Beispiel noch kein Problem. Sie schosst nicht, die weisse Fliege kommt vor aber schädigt nichts wirklich, Kohlerdflöhe sind zwar für Jungpflanzen sehr schädlich aber älteres Laub können sie nicht mehr schädigen, ganz im Gegensatz zu Kohlpflanzen wie Chinakohl. Steckrüben entwickeln arttypische blaugraue (an der Farbe kann man kleine Pflänzchen bereits identifizieren) Blätter mit Wachsüberzug, der einen Schutz gegen Kohlerdflöhe darstellt. Leider kann der Schädling die Keimblätter und ersten Jungblätter noch angreifen. Ein Problem sind Windböen (Gewitter!) an Jungpflanzen. Sie knicken an der Nahtstelle von Wurzel und Stengel. Später droht Raupenfrass, Fäulnis im Herz der Blattrosette.
Genetzte Ackerschnecke, tagsüber zwischen
Steckrübenblättern versteckt
Faulende Kohlrüben lösen sich von innen her in Schleim auf und stinken erbärmlich, man riecht sie bereits aus der Entfernung. Schnecken fressen an den Blättern, vor allem die weisse Gartenschnecke vergreift sich sogar noch im Spätherbst daran und zieht gerne komplett zu den Blättern hoch. Sieht man den typischen Lochfrass, sollte man die Unterseite der Blätter absuchen, dort kleben die Schädlinge tagsüber zwischen zwei übereinanderliegenden Blättern.

Insgesamt ist ihre Anbausicherheit im Vergleich zu fast allen anderen Kohlgemüsearten hoch. Nur Broccoli geht ähnlich gut. Der Rest des Kohls hat im trockenwarmen, flachgründigen Nutzgarten und bei der Klimarealität der Gegenwart weit grösserere Probleme und Ausfälle.

Ernte 

Faulende Kohlrübe
Ab Oktober geht es an die Ernte. Wir essen sie kontinuierlich, lassen noch nicht geerntete Rüben meist bis Dezember auf dem Beet, sie vertragen leichten Frost. Bei -4°C würde ich die Grenze ansetzen, eine Nacht mit -8°C führte zu Totalschaden, der Bereich dazwischen führt zu verfrühter Verholzung. Spätestens Dezember werden sie gezogen, oberflächlich gesäubert und kommen in eine Kiste mit feuchtem Sand, die in der kühlen Aussengarage steht. Bis März schmeckt sie gut, dann wird sie holzig. Ein richtiges Wintergemüse. Leider keines, das die Kinder mögen. Wahrscheinlich, weil Papa davon zu sehr geschwärmt hat. Knapp zugeteilt und nicht angepriesen wären sie sicher beliebter.

 

Zubereitung

Halbierte Knolle. Oberen Teil grosszügig abschneiden.
Blanchiert, paniert und in Fett ausgebacken mag ich sie am liebsten. Auch als einfache Beilage sind sie gut, nur gesalzen. Man kann sie in Streifen hobeln und wie Rösti zubereiten. Oder gekocht pürieren. Gewürze wie Kreuzkümmel oder Curry passen, frische Gewürze wie Dill, Blattkoriander und weitere. In Finnland ist ein gut gewürztes Weihnachtsgericht aus Kohlrüben Tradition. Aufpassen sollte man nur, dass Steckrüben nicht zu lange gekocht werden, sondern nur bis sie gerade weich sind. Zu lange gekocht wird die Süsse schwächer, der kohlige Ton stärker. Wohl bekomms. Gute Steckrüben im Winter zu haben ist heute erfreulich und glücklicherweise kein Zeichen für eine Hungersnot mehr.

Freitag, 13. Oktober 2017

Ölkürbisgeister

Über Ölkürbissanbau habe ich schon hier geschrieben. Nun haben wir aus einigen Früchten Kürbisgeister geschnitzt und erfreuen damit abendliche Passanten.


Schnitzen von Ölkürbissen ist anstrengend, geht aber gut. Die äussere Schale ist bei ausgereiften, orangefarbenen Früchten recht fest und manchmal ist das Fruchtfleisch auch ziemlich dick. Etwas mehr Kraft als bei den als "Halloween-Kürbissen" in der Saison verkauften Schnitzkürbissen  muss man schon aufwenden.

Die dickere Wand hat ihre Vorteile. Der Strahleneffekt der Beleuchtung von innen wirkt viel stärker:


Oder hier:


Besonders haltbar sind sie leider auch nicht, nach drei Tagen schimmelts.


Bis zum nächsten Jahr!

Mittwoch, 11. Oktober 2017

Indianerbanane Pawpaw, Teil 3: Früchte und Fruchtqualität


Die erste Frage, die die meisten Leute stellen wenn sie von der Indianerbanane hören lautet "Wie schmeckt die denn?"

Aroma


Reife Früchte, schwarze Punkte bilden sich
Ja, wie schmeckt sie? Anders. Ihr Aroma ist weit entfernt von Aromen aller Früchte, die in Mitteleuropa wachsen. Man liest häufig von einer Mischung aus Banane, Vanille, Mango. Diese Mischung aus tropisch wirkenden Aromen stimmt und trifft es gut, aber keines der Teilaromen ist stark. Die Frucht erzeugt keinen wirklichen Überraschungseffekt für den, der schon mal andere tropische Früchte gegessen hat und das dürfte in Europa jeder sein. Die Aromatik ist deutlich, aber nicht stark und eindeutig wie zum Beispiel bei einer Mango. Säure ist kaum schmeckbar, aber eine deutliche zuckerige Süsse. Die Aromaunterschiede zwischen den Sorten sind nicht sehr gross, man muss sie schon parallel verkosten um Unterschiede festzustellen. Eine viel grössere Rolle für das Aroma in Deutschland spielt die optimale Ausreife, die in kühleren Gegenden zum Problem wird. Man fällt leicht auf Pseudounterschiede herein, beurteilt eine Sorte schlechter, obwohl sie nach zwei Tagen mehr Reife besseres Aroma bekommen wäre.
Notreife und unreife Früchte sind oft bitter, kratzig, die guten Aromen entwickeln sind erst bei Vollreife. Wie schon öfter erwähnt gibt es kaum Nachreifevorgänge, erst wenn die Frucht bereits weich ist kommen auch nach der Pflücken noch etwas Aroma dazu. Wer bittere Töne schmeckt, hat oft eine Frucht gegessen, die nicht ganz reif wurde, weil das Wetter nicht mehr mitmachte.

Fruchtfleisch, Konsistenz


Pawpawfrucht halbiert
Das Fruchtfleisch ist ebenso ungewöhnlich und trägt viel zur Aromawirkung bei, weil es cremig weich ist und sich deshalb ohne viel kauen gut im Mund verteilt. Es liegt in der Konsistenz etwa zwischen reifer Banane und Avocado. Saftig ist die Frucht nicht, klebrig und schmierig auch nicht, höchstens bei Überreife. Manche Sorten sind zur Schale hin ganz leicht faserig, das stört aber zu keinem Zeitpunkt. Die Farbe entspricht reif einem grünlichem Gelb, bei Überreife wird es noch etwas kräftiger.
Gegessen wird die Frucht, indem sie längs halbiert, die Hälften durch eine Scherbewegung voneinander getrennt werden, die Kerne herausgelöst und dann ausgelöffelt.

Insgesamt sind die Früchte im Schnitt gut 100g schwer und apfelgross, etwas kleiner wie Mangos. Kleine Früchte enthalten oft Kerne, die nicht ausgebildet sind. Grosse Früchte können bis zu 500g schwer werden und darüber. Die Fruchtgrösse variiert viel stärker als bei Kernobst.

Duft


Erstaunlich selten taucht der Duft in den Beschreibungen auf, aber wer Pawpaws hat, ist davon fasziniert. Der Duft ist ausgesprochen stark, mehrere reife Früchte können das ganze Zimmer intensiv durchduften. Vorsicht, im Kühlschrank aufbewahrt schmecken auch die darin gelagerten Milchprodukte bald danach. Nicht jeder findet die Wirkung auf die Nase uneingeschränkt angenehm. Der Geruch ist zwar fruchtig, tropisch, süsslich, hat aber auch eine tierische, käsige Komponente und kann auf Dauer penetrant werden, es kann sogar an eine Durian erinnern, wahrscheinlich sind auch Dithiohalbacetale enthalten. Das hört sich schlimmer an als es ist, denn die angenehmen Noten überwiegen für die meisten Menschen, überraschend ist er allemal. Manche Leute kommen aber überhaupt nicht damit klar und empfinden ihn als übelkeitserregenden Aasgeruch.

Nicht nur die reifen Früchte duften. Schon die Blüten beginnen damit, schwach zwar aber vorhanden und auch in dieser Geschmacksnote. Das Blattwerk kann in heisser Sonne danach riechen. Zerriebene Blätter duften. Die Früchte beginnen etwa eine Woche vor Fruchtfall zu duften. Ein Baum mit reifen Früchten ist bei Windstille schon aus einiger Entfernung auszumachen.

Kerne


Pawpawkerne, Grösse und Form unterschiedlich
Normal entwickelte Früchte enthalten mehrere grosse, harte, dunkle Kerne, die zwischen 3 und 10% der Fruchtmasse ausmachen. Sie erinnern optisch an Litschikerne. Sehr kleine Früchte enthalten meist nur Kernrudimente. Die Kerne lassen sich leicht aus dem weichen Fruchtfleisch lösen. Viel mehr als im Freien einpflanzen und auf Keimung hoffen kann man damit aber nicht anfangen.

Schale


Die Schale ist grün, dünn und weich. Löffelt man die Frucht aus, zerreisst die Schale leicht. Während die Frucht wächst, bleibt sie grasgrün, etwa eine Woche vor Reife beginnt die Farbe, ins Grüngelb umzuschlagen. Wird die Schale irgendwann im Verlauf des Wachstums berührt, etwa durch Zweige oder Blätter, bekommt sie leicht schwarze Flecken. Die Frucht verdirbt aber nicht. Zur Reife hin erscheinen auf besonnter Seite viele gesprenkelte schwarze Punkte, etwa wie bei einer reifenden Banane. Schale und Kerne sollen nicht gegessen werden. Fallen Früchte auf den Boden, platzt die Schale nicht auf, aber es entstehen Druckstellen, gefolgt von schnellem Verderb.

Optimaler Reifezeitpunkt


Fruchtcluster mit vier Früchten 17. September
2 Wochen bis zur Vollreife

Der dauert nur kurz an. Die Frucht muss sich von selbst vom Baum lösen, erntet man sie vorher reift sie nicht mehr aus und das Aroma leidet. Da sich die Früchte beim herunterfallen beschädigen können, wird eine weiche Unterlage oder ein Gemüsenetz empfohlen, wie es für die Verpackung von Zitrusfrüchten verwendet wird. Damit netzt man einen Fruchtcluster ein, die reifen Früchte fallen ins Netz, anstatt auf den Boden zu knallen.

Die Lagerfähigkeit ist begrenzt. Unbeschädigte Früchte halten auch gekühlt bei 2° höchstens eine Woche. Dann gammeln sie und schmecken auch so. Wer also zu viele Früchte hat, sollte Übermengen ohne zögern verschenken oder verarbeiten. Das Fruchtmus lässt sich gut einfrieren. Lagerung, auch bei 0°C bringt bei Pawpaws nichts, es sind keine haltbaren und keine klimakterischen Früchte.

Aktuelle Ergänzung: Im knochentrockenen Hitzejahr 2018 gab es wieder einmal vorzeitigen Fruchtfall Mitte September. Die Bäume standen unter starkem Stress, die Früchte fielen einige Wochen vor der eigentlichen Reife ab. Sie waren weich und innen gelb, schmeckten aber bitter. Wer in solchen Jahren nicht beschatten, kräftig und regelmässig bewässern kann, verliert die Ernte bzw. wundert sich, warum die Früchte so mies schmecken. Das wiederholte sich 2020 und auch 2022.

Verwendung


Das Aroma der Frucht wird beim Erhitzen sehr geschwächt. Aromatisch ist nur der Rohgenuss. Konservieren ist möglich durch einfrieren des Fruchtfleischs. Saft lässt sich aufgrund der avocado- und bananenähnlichen Konsistenz schlecht pressen. Schade, dann liesse sich auch der Zuckergehalt leichter per Refraktometer feststellen. Fruchteis herstellen geht gut, ist aber auch aromaschwächer wie erwartet. Eine Säurezugabe ist wichtig.

Eine Menge Ideen habe ich aber noch nicht ausprobiert, weil bisher noch keine Übermengen vorhanden waren. Wir haben die Ernte immer frisch vertilgt. Alle Kinder lieben die Früchte, es sind immer zu wenig davon da. Wenn ich mal die Mengen habe, um Dinge wie kaltgerührte Marmelade auszuprobieren werde ich darüber berichten.


Teil 1: Indianerbanane Pawpaw, der ewige Star von morgen
Teil 2: Indianerbanane Pawpaw: Anbau
Teil 3: Indianerbanane Pawpaw: Früchte und Fruchtqualität
Teil 4: Indianerbanane Pawpaw: Befruchtungsfragen

Sonntag, 8. Oktober 2017

Indianerbanane Pawpaw, Teil 2: Anbau

In Teil 1 des Beitrags über Pawpaws ging es darum, diese ziemlich einzigartige Obstart vorzustellen. Nun in Teil 2 wird es um den Anbau in Mitteleuropa gehen. Teil 3 dreht sich um die Früchte, Teil 4 geht Befruchtungsproblemen und ihrer Lösung nach. Der erste Schritt zur eigenen Pawpaw besteht darin, sich Pflanzware zu besorgen und einen Platz für die Pflanzung zu suchen.

Woher nehmen?


Pawpaw Büten, Ende April bis Ende Mai
Meine Erstpflanzen waren 40cm hohe veredelte Pflänzchen und stammen aus einer Baumschule, die sie eine Zeitlang aus Italien importiert hat. Man muss also nicht unbedingt Internetrecherchen anstellen und Versender bemühen, sondern kann sie unter Umständen mittlerweile auch in Baumschulen oder Gartenmärkten bekommen. Der Riesenvorteil ist, dass man sich Pflanzen ansehen kann. Verwachsene, zu lange im Topf gestandene Pflänzchen kann man so vermeiden.

Die Versender im Internet mit der besten Suchmaschinenplazierung sind vor allem eines: Sehr, sehr teuer. Fast alle sind nur Wiederverkäufer, angezogen und veredelt wird meistens in Osteuropa oder Italien. In Österreich und Deutschland gezogene Pflanzen sind die Ausnahme. Auch grössere Pflanzen sind zu noch heftigeren Preisen oft zu haben. Davon ist abzuraten, Pawpaws haben eine Pfahlwurzel und je grösser sie sind, desto weniger vertragen sie aus- und verpflanzen. Immerhin gibt es auch zunehmend Verkäufer, die neuere oder seltenere Sorten haben, interessant sind darunter vor allem frühreifende Sorten. Dazu später mehr.

Wer Samen und sehr viel Zeit hat (Vorsicht, nie trocken aufbewahren, verlieren innerhalb weniger Tage sofort ihre Keimfähigkeit, nur in Plastiktüte mit Moos drin im Kühlschrank lagern), kann sie aussäen, Saattiefe 3cm im Herbst, Halbschatten. Keimlinge sieht man meist erst im darauffolgenden Juli. Bald an den vorgesehenen Ort verpflanzen. Diese Pflanzen bringen fast so gute Fruchtqualitäten wie die Sorten, aus denen sie entstanden sind. Zumindest aber bringen sie taugliche Unterlagen, wenn man mit Edelreisern selbst Sorten veredeln will.

Andere Methoden wie z.B. Abmoosen, Wurzelschösslinge sind nicht erfolgreich.

Welche Sorte?


Befruchtete Blüte, Fruchtcluster bildet sich im Mai/Juni
Empfohlen und leicht zu bekommen werden die selbstfruchtbaren Sorten "Prima 1216" und "Sunflower". Beide Sorten sind gut, werden in den meisten Jahren Anfang Oktober reif (bei mir auch), in anderen Jahren und kühlen Gegenden wird die Reife nicht immer erreicht. Andere Sorten sind nicht oder nur sehr schwach selbstfruchtbar. Man benötigt dann mindestens zwei unterschiedliche Sortenbäume direkt nebeneinander. Die Bestäubung bewerkstelligen Käfer und Fliegen, man kann also nicht wie bei bienenbestäubten Pflanzen grosse Abstände zwischen den Bäumen lassen.

Zu den Reifezeiten der Sorten gibt es sich völlig widersprechende Angaben, da sollte man sich nicht kirre machen lassen. Einige Verkäufer übernehmen die Angaben ihrer italienischen Lieferanten, was für deutsche Verhältnisse ganz einfach nicht stimmt. Fakt ist: Alle älteren Sorten reifen zu ähnlichen Zeiten, frühestens Mitte/Ende September im Rheintal und Pfalz, Mitte Oktober in kühlem Klima mit kurzer Vegetationszeit. Das bestätigen auch die ersten Versuchspflanzungen mit einigen Sorten in Veitshöchheim und der Pfalz. Es soll zwar noch frühreifendere neue Sorten geben, ich kenne aber niemand der das tatsächlich in der Praxis bestätigen kann. Eine Bekanntere davon ist NC-10. Bei Indianerbananen wird viel abgeschrieben, es gibt zu wenig tatsächliche eigene Erfahrungen. Solange es wirklich keine verlässliche Angaben zum Reifezeitpunkt gibt, bleibt es sinnlos sich eine "früh reifende" Sorte auszusuchen.

Im Bezug auf den Wuchs unterscheiden sich die Sorten ebenfalls kaum. Prima 1216 soll etwas schwächer wachsen, aber bei mir ist das nicht so. Mir ist nur aufgefallen, dass ihre Blüten etwas kleiner wirken, der Fruchtansatz und -Grösse wirken dagegen normal.

Unterschiede gibt es bei der durchschnittlichen Fruchtgrösse, dem prozentualen Anteil der Kerne an den Früchten. Ältere Sorten und Wildlinge liegen bei 8% Kernanteil, einige neuere Sorten behaupten, bei 3% zu liegen. Der Geschmack ist nur zu unterscheiden, wenn man Früchte parallel verkosten kann, das Aroma liegt nahe beieinander. Optimale Reife hat mehr Einfluss darauf.

Mein Rat ist, sich nicht zu viel auf blumige Beschreibungen der Sorten zu verlassen und auch nicht auf angeblich ganz neue, noch interessantere Sorten. Bei allen neueren Obstarten entsteht der Effekt, dass "Sortensäue" durchs Dorf getrieben werden, die nach wenigen Jahren Keinen mehr interessieren, weil sie sich als nichts besonderes entpuppen. Ganz neu importiert, ganz neu vermarktet, schnell vergessen. Speziell bei Pawpaws waren die Sorten, die ich bisher kennengelernt habe so wenig zu unterschieden, dass schon sehr viel passieren muss, bevor neue Sorten auch einen Mehrwert bringen. Am interessantesten wäre die bereits erwähnte frühere Reifezeit, um bei der Ausreife in Deutschland auf der sicheren Seite zu bleiben und ggf. die Saison zu verlängern.

Wohin pflanzen?


Blütenknospe, Blattknospe Anfang März
Besser nicht im kleinen Nutzgarten. Sie wächst mit 10-25cm Zuwachs pro Jahr zwar nicht schnell, wird aber auch in Deutschland höher wie die gerne behaupteten 3 Meter. 6m bei 4m Kronendurchmesser ist realistischer, wenn auch erst nach vielen Jahren. Wenn man sie nicht schneiden will (was aber kein Problem derstellt, sie verträgt das gut) um sie zu begrenzen, ist es eigentlich eine Obstwiesenpflanze. In ihrem Ursprungsgebiet wächst sie gerne auf tiefgründigem Schwemmland an Wasserläufen. Junge Pflanzen wollen Halbschatten, frisch aufgegangene Sämlinge gehen in praller Sonne ein. Optimal ist: Tiefgründiger Boden, feucht, halbschattig solange die Indianerbanane klein ist, ph-Wert unter 7. Allerdings ist sie anpassungfähig. Bei mir wächst sie auf flachgründigem, trockenen und schweren Boden mit ph 7,2, noch dazu ist das Klima von langen Trockenphasen geprägt und ausgesprochen Sommerheiss. Das Wachstum ist langsamer, aber stetig und die Bäumchen fruchten. Ich halte die Baumscheibe frei, giesse bei Trockenheit kräftig. Einzig Sonnenbrand an einigen Blättern in kann ich nicht verhindern.

Düngen solltem man sie wie andere Obstgehölze auch, je nach Bodenzustand. Guten Einfluss hatte bei mir mulchen der Baumscheibe, auch eine Pferdemistauflage hat das Wachstum bescheunigt.

Probleme: Schnecken, "verhockt", Trockenheit


Schneckenfrass im Sommer an Pawpawblättern
Auf der extensiven Wiese und sogar am Rande des gepflegten Nutzgartens habe ich grösste Probleme mit Schnecken. Die gefrässigen Gastropoden schleimen den Stamm hinauf, fressen die Blätter ab, fressen Früchte an, vor allem zur Reife. Blätter werden nicht nur abgefressen, solange sie jung sind, das passiert auch noch im Herbst vor dem Blattfall. Indianerbananen üben eine hohe Anziehungskraft auf Schnecken aus. Schneckenbekämpfung ist also mindestens bei Jungpflanzen ein wichtiger Punkt.
Andere Schädlinge sind bisher noch nicht aufgetaucht. Es gibt eine Motte, die die Blüten frisst, die aber gottseidank noch nicht in Europa angekommen ist.

Lochfrass im Herbst durch Kleinschnecken
Manche Pflanzen verhocken aus unbekannten oder bekannten Gründen. Das äussert sich in einer dauerhaften Wachstumsdepression. Sie wachsen einfach nicht richtig. Ein bekannter Grund ist Umpflanzung,  manchmal vertragen sie das einfach schlecht, auch wenn die Wurzel nicht sichtbar beschädigt ist. Wenn nach drei Jahren das Wachstum immer noch bei <10cm Zuwachs liegt, stimmt etwas nicht. Viel machen kann man nicht. Nicht ewig warten, sondern roden und eine neue Pflanze setzen. Starker Rückschnitt wie bei anderen Obstgehölzen, um das Wachstum anzuregen funktioniert nicht.

In kontinentalerem und sommertrockenen Klima sollte man zudem Wasser liefern können. Jungpflanzen sind dabei wieder besonders bedürftig. In ihrem Ursprungsgebiet haben sie über 1000mm Niederschlag und feuchten Boden.

Wenig Probleme


Auch die Früchte werden von Schnecken angefressen
...machen Frost, Wind, Pilzkrankheiten, Verletzungen am Stamm oder Geäst. Die Pflanze ist in Deutschland absolut frosthart, Frost zur Blütezeit schadet zwar, aber es kommt selten zum Totalausfall, auch deshalb weil die Büte spät und stark folgernd über zwei oder sogar drei Wochen erscheint. So hatten wir 2017 einen Totalausfall bei fast allen Obstsorten durch tiefe Nachtfröste Ende April, aber einige Pawpaws fruchteten trotzdem. Eine jüngere Pflanze ist einmal von einem schweren Gitter umgeknickt worden, das ein Sturm umgeblasen hat. Sie hat sich nach unten bis zum Boden gebogen, ich habe sie wieder aufgerichtet, sie wuchs ungerührt weiter und legte sogar noch stärker als je zuvor zu. Windlagen machen ihr ebenfalls nichts aus. Die Früchte hängen bis zur Reife fest.

Dicke Rinde, biegsames Holz
Jüngere Äste scheinen anfällig für Schildläuse zu sein. Inwieweit das Schäden verursacht, ist aber noch nicht klar. Man kann die Schilde aber leicht auf der glatten Rinde entdecken und dann abstreifen. Bei mir sind es gemeine Napfschildläuse (Parthenolecanium corni).

Napfschildlaus an Pawpawästchen


Teil 1: Indianerbanane Pawpaw, der ewige Star von morgen
Teil 2: Indianerbanane Pawpaw: Anbau
Teil 3: Indianerbanane Pawpaw: Früchte und Fruchtqualität
Teil 4: Indianerbanane Pawpaw: Befruchtungsfragen

Mittwoch, 4. Oktober 2017

Indianerbanane Pawpaw, Teil 1: Der ewige Star von morgen

Sorte "Prolific" im Sommer
Manche Obst- und Gemüsearten stehen immer ganz kurz vor dem Durchbruch. Man versteht nicht, wieso sie eigentlich nicht schon längst sehr populär geworden sind. Manche Andere schaffen den Durchbruch dagegen rasend schnell. Zucchini wurden etwa vor ein paar Jahrzehnten innerhalb weniger Jahre sehr populär, Kürbisse ebenso. Beim Obst schafften es zum Beispiel amerikanische Blaubeeren. Plötzlich gibt es sie in jedem Supermarkt, heimische Plantagen entstehen, der Markt vergrössert sich.

Wer es nicht geschafft hat


Pawpaw Blattwerk Frühherbst Sorte "Prima 1216"
Den Durchbruch nicht geschafft haben z.B. Obstsorten wie die Duftjohannisbeere (ribes odoratum) mit ihren gut schmeckenden Selektionen, Goji Beeren trotz aller Gesundheitswerbung, Minikiwis haben einen Teildurchbruch in Zeitlupentempo erlebt, Maibeeren trotz interessanter Züchtungen Keinen. Beim Gemüse harren Arten wie z.B. die schon seit Jahrhunderten in Europa bekannte Topinambur ihres Durchbruchs.

Pawpaws (botanischer Name Asimina Triloba) könnten sicher als Musterkandidaten für einen "kurz vor dem Durchbruch" Dauerzustand stehen. Es sind mässig grosse Bäume aus dem Osten der USA bis nach Kanada, dort immer schon genutzt aber selten in Plantagen angebaut. Botanisch gehört sie zu den Annonengewächsen, zu denen auch Cherimoyas, Netzannonen, Stachelannonen, Ilamas, Zimtäpfel oder Ylang-Ylang gehören und weitere tropische Obstsorten. Die Eigenschaften klingen geradezu traumhaft: Absolut frostfest, schöne Belaubung mit grossen Blättern und kräftiger Herbstfärbung in Gelb, keine Krankheiten, Früchte mit einem einzigartigen Aroma aus Mango, Banane, Vanille, Avocado. Einzigartig nicht in der ganzen Welt, aber einzigartig in nördlichen Breiten, wo sie tatsächlich das einzige Obst sind, das es schafft, tropische Aromen zu produzieren. Auch in Deutschland. Klasse, oder?

Versagt. Aber warum?


Pawpaw Herbstfärbung
Man kann die Früchte trotzdem nirgends kaufen und als Gartenpflanze sind sie selten bis unbekannt. Warum das so ist? Nun kommen wir zu den dunklen Seiten dieser Obstart. Hauptgrund für das fehlende kommerzielle Interesse ist die schlechte Transportfähigkeit der Früchte (zu weich) und die kurze Haltbarkeit, schlechter noch wie frische Erdbeeren, die folgernde Reife. Da es ein nicht-klimakterisches Obst ist, reifen sie auch fast nicht nach, man kann sie nicht hartreif ernten und dann im Laden nachreifen lassen und auch nicht gekühlt einlagern. Man kann schon, aber das Aroma leidet sehr darunter und macht sie uninteressant.

Reife Früchte eines Clusters mit knapp 400g
Die Pflanzen sind teuer, lassen sich nicht immer gut verpflanzen. Bis auf zwei Sorten (die mittelspäte "Prima" und die späte "Sunflower") ist sie nicht selbstfruchtbar. Sie wachsen langsam. Sorten mit früher Reifezeit gibt es, sind aber kaum zu bekommen, die meisten verkauften Sorten werden in nördlichen Gegenden Deutschlands spät, manchmal zu spät reif und sind dann aromaschwach. Über Reifezeiten und Ausreifung gibt es unterschiedliche Angaben. Meine Sorten unterschieden sich kaum darin.

Wie man schnell erkennt, sind einige der Nachteile im Hausgarten keine. Vom Baum frisch auf den Tisch? Kein Problem. Folgernde Reife? Super. Hoher Pflanzenpreis? Kann man verschmerzen, wenn man dafür den Gegenwert eines einzigartigen Geschmackserlebnisses bekommt. Und natürlich, man kann es sich denken, musste ich es auch ausprobieren und habe mir einige Sorten besorgt, konnte auch schon Früchte ernten und essen. In Teil 2 wird es um die Pflanzen und den Anbau gehen, in Teil 3 um die Früchte und ihre Verwendung, in Teil 4 dreht sich alles um Befruchtungsfragen.

Teil 1: Indianerbanane Pawpaw, der ewige Star von morgen
Teil 2: Indianerbanane Pawpaw: Anbau
Teil 3: Indianerbanane Pawpaw: Früchte und Fruchtqualität
Teil 4: Indianerbanane Pawpaw: Befruchtungsfragen

Weitere Bilder:
Frisch geöffnete Blüte, Pollenstände noch nicht offen - der gelbgrüne Knubbel in der Mitte ist die Narbe

Pollenkappen sind abgesprengt, Pollenstände sind zu sehen. Falls die Befruchtung gelingt, werden aus den grünen Hörnchen Früchte

Büten - durchaus auch dekorativ

Ab etwa vier Jahren wird der Blütenansatz sehr reichlich



Blüten in unterschiedlichen Stadien


Sonntag, 1. Oktober 2017

Tafeltrauben für jedermann

Gesunde Hausweinrebe am 1. Oktober
Schon seit Anfang August essen wir sie aus unserem Garten, das wird bis Anfang November so weitergehen. Jetzt Anfang Oktober ist der Höhepunkt eben überschritten: Tafeltrauben. Sie gehören zu den dankbarsten Obstsorten für jeden Garten, sei er auch noch so klein. Tafeltrauben passen wirklich überall hin, weil sie so wachsen wie man sie wachsen lässt: Im Vorgarten die Hauswand hinauf, in der dunklen Ecke gepflanzt und ins Licht nach oben geführt, an der Balkonbrüstung oder der Zaunkrone entlang, über der Terrasse als Rebenlaube... wer sonst nichts essbares im Garten hat, Tafeltrauben sollte er haben. Es gibt keine Entschuldigung, Keine zu haben.


Wenig Ärger mit späten Frösten


Weinblätter, in der Küche ebenfalls beliebt
Nicht einmal der Extremfrost Ende April dieses Jahres, der fast sämtliche andere Obstsortenblüten zerstört hat brachte Totalausfälle, nur Ernteeinbussen. Sogar ganz abgefrorene neue Tafeltraubentriebe können aus Reserveknospen noch einmal kleinere Gescheine (=Blüten) schieben, so dass es auch in schlimmsten Katastrophenjahren noch eine kleine Ernte gibt. Manche Sorten schaffen das ganz gut, zum Beispiel "Garant" oder auch "Druschba".


Enorm vielseitig


Kaum ein Obst ist so vielfältig verwendbar wie Tafeltrauben. Frisch gegessen kennt sie jeder, dass man leckeren Saft damit machen kann weiss man auch, wie leicht dies auch ohne Presse zu bewerkstelligen ist schon weniger und auch wie gut Rosinen aus kernlosen Sorten schmecken. Der Saft schmeckt pur, kann aber auch eine Zwischenstufe für Gelee, Wein, Weinessig, eingekochtem Sirup sein. Kaum mehr bekannt und leider völlig zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist ein Produkt aus unreifen grünen Trauben: Agrest oder Verjus, ein saurer Würzsaft über den es mittlerweile einen eigenen Beitrag gibt, weil ich damit schon sehr gute Erfahrungen gemacht habe. Verwendbar ist von der Rebe noch mehr, vor allem die Blätter und junge Triebe.


Sorten und Züchtungsarbeit


Boskoop Glory - meine Erste
Eine Tafeltraube war das erste Obst, das ich gepflanzt habe, noch als Stundent in Mietwohnungen. Die Rebe wuchs zwei Stockwerke hoch zu meinem WG-Zimmer und dann am Dachtrauf entlang, es war die Sorte "Boskoop Glory". Damals gut, heute gibt es Besseres. Überall wo ich danach wohnte hinterliess ich gepflanzte Tafeltraubenstöcke, einige existieren noch. Bei den Sorten tut sich enorm viel, es gibt sehr frostfeste Züchtungen die bis 800m Höhe wachsen, immer besser schmeckende aber wenig krankheitsanfällige interspezifische Züchtungen aus Vitis-Arten verschiedener Kontinente, sehr grossbeerige Sorten, eine Vielzahl kernloser Sorten. Für Privatgärten interessante Sorten werden in den letzten Jahren vor allem in Russland, der Ukraine, Moldavien gezüchtet. Mittlerweile stehen wir in der dritten Generation wenig anfälliger Tafeltrauben, die die Robustheit einiger Vitis-Arten gegen die im 19. Jahrhundert eingeschleppten fatalen Pilzkrankheiten (man fürchtete zeitweise, der gesamte europäische Weinbau wäre komplett am Ende) mit dem guten Geschmack der Europäerreben Vitis vinifera kombiniert.

Viele Sorten habe und hatte ich selber, eine sehr vielfältige Mischung aus älteren und ganz neuen Sorten: Besagte Boskoop Glory, Lakemont, Sirius, Johanniter, Olimpiada, Venus, Kodrianka, Frumoasa Alba, Palatina, Ramtes, Theresa, Charli, Druschba, Jakobsberger, Muskat Blau, Vera, Canadice, Suffolk Red, Elegant Sverhranny, Straschinski, Galahad, Kischmisch Zitroni, AmetNow, Solotoi Don, Rote Victoria, Galbena Nou, Pleven Ustojcivij, Lilla. Sicher habe ich ein paar vergessen.

...oder reicht kaufen?


Schlagzeile Rückstände Tafeltrauben
Für eigenen Anbau gibt es mehrere gute primäre und sekundäre Gründe. Im Supermarkt liegt nur Importware, die bestenfalls süsslich schmeckt, nie ganz reif ist, häufig überlagert, kein Aroma hat. Zudem gehören Tafeltrauben aus kommerziellem Anbau zu den am meisten belasteten Obstarten überhaupt. In jährlichen Untersuchungen finden sich eine Vielzahl von Pflanzenschutzmitteln, Mehrfachbelastungen,  auch Grenzwertüberschreitungen. Auch mehr als Hälfte von Bio-Trauben weisen Rückstände auf. Auf solche "Cocktails" sollte man verzichten. Lange Transportwege sind die Regel: Heimischen kommerziellen Anbau in Deutschland hat die EU jahrzehntelang verunmöglicht und so haben heimische Produzenten einen hohen Kenntnisrückstand. Geeigente Anbausysteme und Sorten sind wenig bekannt, Tafeltrauben gibt es bestenfalls von Weinbauern als Nebenhobby, die auf diese Weise schlechtere Flächen verwerten und Wochenmärkte beliefern. In der Schweiz, die sich bei Tafeltrauben nichts von einer EU-Bürokratie vorschreiben lassen muss konnte man früher beginnen, den eigenen Anbau zu entwickeln. Dort liegt der Marktanteil von Trauben aus dem Land bei über 50%. Die Meisten als Bioware.

Leckere Sorten gibt es im Supermarkt nicht zu kaufen, nur neutralen Einheitsschliff. Gute blaue Sorten sind zum Beispiel nie zu finden, nur mit heruntergedimmtem Inhalt - die Gerbstoffe aus der Schale könnten stören, sagt das Marketing. Sorten mit Muskat- oder anderen Aromen kommen nicht vor oder das schwache Aroma ist veratmet, bis die Trauben im heimischen Obstteller liegen. Stattdessen werden mittels Pflanzenhormonen die prinzipiell kleinbeerigen kernlose Sorten zu grossen wässrigen Beeren aufgebläht. Viel Kilo, viel Einnahme.

Das brauchen wir nicht. Die für den häuslichen Nutzgarten im mitteleuropäischen Klima besonders geeigneten Sorten werden Stück für Stück bebildert in der Gartenzone vorgestellt, so dass man abschätzen kann ob man die auch selbst pflanzen könnte. Die Erfahrungen beruhen auf eigenem Anbau, nicht abgeschrieben, kein Bücherwissen. Pflanzt Tafeltrauben!