Mittwoch, 25. September 2024

Der neue Dauererfolg: Ölweiden

Wie jeden Sommer war es auch diesmal ruhig im Blog. Massenhafte Ideen, Erfahrungen, Ereignisse jagen sich, aber noch mehr Arbeit steht an, kein Nutzgartensüchtiger schafft es da, noch viel zu schreiben. Aber jetzt gehts weiter und gleich mal mit erfreulichen Erfahrungen:

Reiche Ernte bei der beschirmten Ölweide
Blüten, die duften und Bienen lieben

Zu den Dingen, die dieses Jahr viel Spass gemacht haben, gehören die Ölweiden der Gattung Elaeagnus, die schon länger im Blog ein grösseres Thema sind. Ölweiden sind meiner Ansicht nach unterschätztes Wildobst an der Grenze zum Gartenobst und vor allem sind es Pflanzen, die so hart und anpassungsfähig sind wie keine andere Obstart. Es ist eine der ganz wenigen Obstarten, die mit der stattfindenden Wetterveränderungen klar kommen, während sich ringsum Ausfälle und gigantische Probleme häufen, bis hin zum Wegfall ganzer Obstarten, die nicht mehr ungeschützt anbaufähig sind. Ölweiden tragen dagegen beständig gut, bleiben gesund und sind herrlich zuverlässig. Sie kommen mit jedem Boden zurecht, holen sich Stickstoff über Symbiontenbakterien selbst aus der Luft, breiten sich nicht unkontrolliert aus, sind schnittverträglich, die Früchte lassen sich gut verarbeiten, wenn man weiss wie. Es sind Bienen- und Insektenpflanzen, sie duften, sind streusalzverträglich, hitzeverträglich, trockentolerant und wie dieses Jahr zeigt auch völlig nässetolerant. Das einzige heimische Ölweidengewächs, der Sanddorn, hat diese Vorteile leider nicht, zudem hat er die letzten Jahre durch Absterbeerscheinungen wegen einer noch nicht ganz geklärten Pilzkrankheit von sich reden gemacht. Die endemisch amerikanische Ölweidenart sind die Büffelbeeren, damit habe ich keine Erfahrungen. Sie sind aber stachelig und bilden Ausläufer, Horste, das klingt erst einmal nicht sehr angenehm.

Die Sträucher der vielblütigen Ölweide Elaeagnus Multiflora mit ihren verhältnismässig grossen und frühreifenden Beeren im Frühsommer tragen mittlerweile gut, allerdings zeigt sich auch, dass sie in unserer Gegend zwingend vor Vögeln geschützt werden müssen, die sonst schnell alles wegfressen. Der Hit dieses Jahr war aber wieder die Schirm-Ölweide Elaeagnus Umbellata, sie hat keine Vogelprobleme, aber ihre Früchte sind kleiner und spät, sie werden erst im Herbst richtig reif, rot sind sie schon vorher.

Vielblütige Ölweide mit normalem Fruchtbehang


Ernte von Schirm-Ölweiden

Ältere Sträucher haben grössere Beeren

Mittlerweile sind hängende Äste der älteren Sträucher so gut mit Früchten besetzt, dass man mit einer schnellen Erntetechnik sehr erfolgreich ist. Wartet man bis zur Vollreife (dieses Jahr 22.9.) und wird nicht nervös, weil scheinbar schon viele Beeren herabfallen (das beginnt schon Wochen vorher), kann man mit Eimer und simplem abstreifen eine enorme Pflückleistung erreichen. Ich brauchte damit für fünf Kilo keine halbe Stunde mehr. Das schafft man bei keiner Johannisbeere und auch die viel grösseren vielblütigen Ölweiden kann man nur langsamer pflücken. Eimer ans Handgelenk hängen, eine Hand hält den Ast fest, die andere streift die Früchte ab und in den Eimer. Oder alles abstreifen und mit einem Vlies auf dem Boden nachher alles zusammenschütten. Die Zeit, anschliessend Ästchen und Blätter auszusortieren, kommt aber noch hinzu, mit einem groben Stieb geht es schneller sofern man hat. Ein grösserer Einzelstrauch hatte gut und gerne zehn Kilo Fruchtbehang netto, dabei hatte ich ihn immer wieder zurückgeschnitten, frei wachsende Sträucher können noch weit mehr tragen. Mit Einzelbeeren pflücken habe ich mich dann nicht mehr abgegeben, es hängen sicher noch ein paar Kilo oben.


Verarbeitung von Ölweiden

Ein Teil der Rohware

Nach dem Durchprobieren mehrerer Ideen läuft das nun ebenfalls mittels verschiedener Methoden sehr effizient. Die kleinen Beeren sind kein Nachteil mehr, sondern haben sogar Vorteile. Dieses Jahr konzentrierte ich mich auf Saft und Gelee daraus. Dafür gibts es einen tollen Trick. Ich habe die Früchte einfach in einem grösseren Mixbecher eines Pürierstabes zur Maische verarbeitet. Der Pürierstab hat nämlich eine Geschwindigkeitseinstellung und die steht auf niedrig, sodass sofort eine herrliche rote Maische entsteht, aber die Kerne nicht mit zermust werden. Bei hoher Geschwindigkeit würden sie vom Messer zerschlagen. Alles bleibt flüssig genug, um bei leichter Schräghaltung in Bewegung zu bleiben und homogen zu werden, ohne Zellschlamm zu produzieren. Diese Maische hat die ideale Konsistenz zur Sofortpressung, ohne weitere Zwischenschritte. Mit dem Handpressbeutel bekommt man eine Ausbeute von 60-70% hin, die Maische lässt sich leicht und schnell abpressen. Grössere Mengen gehen problemlos auch in anderen Pressen, etwa einer Hydropresse. Der Saft wird rosa, bleibt er stehen, trennt er sich in eine rote und in eine beige Phase. Das ist bei Ölweiden immer so. Der natürliche Zuckergehalt liegt bei >70°OE, maximal 80°, wenn sie reif waren schmeckt der Saft im Mund kräftig, hat noch Gerbstoffe unter Rotweinniveau, angenehme Säure, das Aroma geht frisch Richtung roter Johannisbeere, wirkt aber voller, satt machender. Gelee daraus entwickelt sich geschmacklich mit Lagerung immer mehr Richtung Sanddorn, so kräftig wird es natürlich nie, aber die Aromarichtung stimmt. Eis aus Ölweiden aus der Eismaschine ist auch angenehm, gefriert aber spät.

Den Saft habe ich heisssteril in Flaschen gefüllt. Zweifellos lassen sich daraus noch weitere interessante Produkte herstellen, diesmal ging es mir jedoch um eine Effizienzsteigerung und Vereinfachung in der Herstellung. Aufgrund der grossen Erntemenge war das sehr geboten.

Der Mixbecher mit Messer des Pürierstabmotors
Beeren im Mixbecher
Nach zwei Minuten püriert, Kerne ganz geblieben
Das rohe Püree mit Kernen
Saft pressen mit dem Pressbeutel
Saft zur Abfüllung abkochen

Ausgepresster Trester. Kerne unbeschädigt.

Ölweidengelee im Durchlicht - hat was von Blutplasma. Geliert gut ohne weitere Säurezugabe.

Fast unvermeidliche Phasentrennung des Safts

Alternativwege habe ich auch beschritten, zum Beispiel die Beeren eingefroren, um so wie bei Schlehen vielleicht damit Gerbstoffe zu senken, um damit leichter eine Maische herstellen zu können weil sie nach dem Auftauen dann weich werden und schliesslich, um nach der Ernte nicht gezwungen zu sein, alles sofort zu verarbeiten. Tatsächlich werden die wieder aufgetauten Früchte sehr weich, man kann sie mit der Hand mühelos zerquetschen. Der Gerbstoffgehalt liess sich nicht weiter senken, störte auch nicht. Schlimmer war aber die Konsistenz der Maische; sie bekam eine schlammigere Struktur, die sich nicht mehr gut pressen liess. Erst nachdem ich sie einen Tag mit dem pektinabbauenden Enzym Pektinase stehen liess, klappt es problemlos. Was Schwachsinn ist, wenn ich mit dem Mixbecher eine erstklassig pressbare Maische herstellen kann, ohne vorher einzufrieren. Nicht Schwachsinn ist, die Maische statt sie zu pressen durch ein Sieb oder eine flotte Lotte (=Passiermühle) zu streichen, um die Kerne zu entfernen. Hier zeigt die Gefrierversion ein stabiles rotes Mus, das sich nicht so leicht trennen lässt, das optisch mehr hermacht wie das Mixer-Mus. 

Fassen wir zusammen: Für Saft sofort mit Mixer zermusen und pressen, für Mus/Pürree einfrieren, mixen und durch passieren. Das Mus hat auch ein etwas anderes Aroma. Mir persönlich schmeckt das Gelee besser als die Marmelade aus Mus, das noch Nebenaromen hat. In Gebäck, für Müsli und Dessert ist Fruchtmus brauchbarer.

Simpler Fruchtquark mit Ölweidenmus und Zwetschgenstücken

Ölweiden-Joghurt

Ölweideneis

 

Aussaat

Sämling, Zufallsaufgang

Direkte Aussaatexperimente habe ich noch nicht gemacht. Es tauchen aber gelegentlich einzelne Ölweidensämlinge im Garten abseits der Sträucher auf. Eher selten. Interessanterweise gibt es aber keinerlei Sämlinge um die Sträucher herum. Direkt herabgefallene und auch mit Erde bedeckte Samen keimten nie. Das beweist, dass es von grossem Vorteil ist, wenn Ölweidensamen erst durch einen Vogel hindurch gehen, um dann zu keimen. Man könnte das mit Vergären und Auswaschen teilweise simulieren, wie es auch bei anderen Pflanzen manchmal hilft. Ausserdem beweist es, dass der hiesige Winter gegenwärtig nicht zur Zerstörung der Keimfähigkeit führt, Frost also ein Stück weit ausgehalten wird, vielleicht ebenfalls nötig ist - Stratifikation.

 

Weitere Arten

Möglicherweise rückt auch die schmalblättrige Ölweide Elaeagnus Angustifolia in den Anbaubereich. Sie wächst zwar immer schon gut in Deutschland, ist eine grössere Art wie die anderen Ölweiden, aber trägt bisher selten Früchte. Allerdings ist das schon ein kleiner Baum. Weiter im Süden ist es dagegen auch eine Obstpflanze, deren Früchte gerne getrocknet werden und geschätzt sind. Noch mehr Arten warten auf ihre Entdeckung: Die grossblättrige Ölweide Elaeagnus Macrophylla und Elaeagnus glabra könnten auch in unserem Klima wachsen. Beide blühen im Herbst mit duftenden Blüten und haben im Frühjahr rote Früchte bis 2 cm Länge. Die schon lange hier vermehrte "Wintergrüne Ölweide" ist dagegen eine Hybride mit Macrophylla-Beteiligung; wenn sie Früchte hat, sind sie nicht sehr attraktiv.

So oder so: Bereits die schon länger etablierten Ölweiden-Arten sind absolut anbauwürdig. Interessante Fruchtsorten der Vielblütigen Ölweide aus Südkorea sind noch nicht einmal in Europa verfügbar. Und wenn man mit den Früchten nichts am Hut hat, so sie sind immer noch als schöne, gesunde Hecken- und Zierpflanzen voll tauglich.

Ölweidensaft. Wer will, kann vorher dekantieren.


Ölweidensaft aus gefrorenen Früchten, mit Pektinase behandelt. Sieht aus wie Apfelsaft.



Donnerstag, 4. Juli 2024

Gesetzlich verbotenes Unkraut im Nutzgarten

Seit Jahren kämpfe ich mit einem speziellen Unkraut, sowohl im Hausgarten als auch im Aussengarten. Soweit nichts Besonderes, ausser bei einem Punkt: Der deutsche Staat hat dieses Unkraut verboten. Aber eigentlich ist es eine verwilderte wertvolle Nutzpflanze für den Nutzgarten und fürs Feld, eine der Ältesten, die die Menschheit hat, auch in Europa schon seit 6000 Jahren in Kultur. Vor allem in Süddeutschland werden jetzt Viele wissen, um welche Pflanze es geht. Um Schlafmohn, papaver somniferum.

Schlafmohn, offensichtlicher Zufallsaufgang vor Jahren in einem Garten (nicht meiner)


Schlafmohn im Nutzgarten

Den kennt jeder. Klatschmohn.
Im Pollensammelrausch

Schlafmohnpflanzen wachsen in vielen Gärten wild und auch oft auf Ruderalflächen. Ich habe sie schon überall gesehen. Sie sind absolut anspruchslos, ausserordentlich gesund und gedeihen auf jedem Boden. Unkraut. Eine Menge Leute kennen ihn nicht einmal, irgendein Mohn eben, es gibt ja endlos viel davon. Klatschmohn mit seinen leuchtend roten dünnen Blüten kennt man noch eher und im Garten auch bunte Ziermohnarten, manche im Westen der USA heimisch, manche in Eurasien. Der Schlafmohn fällt da gar nicht auf. Im Frühling geht er unscheinbar von selbst auf, strebt schnell bis auf durchschnittlich einen Meter in die Höhe, dabei erzeugt er mehrere Blütenstände. Im Frühsommer erscheinen die Blütenknospen, dann blüht er, meist blassviolett (es gibt weisse, gelbe, rote Varianten) mit dunklem Blütenblattfleck - jede Blüte ist nur ein paar Stunden offen, bevor sie verblüht. In dieser Zeit bietet Mohn den Insekten sehr viel wertvolle graue Pollen, aber keinen Nektar. Auf die Pollen fliegen Viele, vormittags summt und brummt es in den Blüten, Bienen, Hummeln, grosse und sehr kleine Wildbienenarten, ja sogar die fetten Holzbienen holen sich dankbar die Pollen, denn um diese Jahreszeit herrscht bereits wachsender Pollenmangel. Pollen enthält Proteine, die als wichtigste Nahrung für Wachstum und Vermehrung der Insekten dienen. Reine Nektarsucher wie zum Beispiel Schmetterlinge besuchen die Blüten dagegen nicht.

Knospen, Blüten, Kapseln

Die Herrlichkeit einer Blüte ist schnell vorbei, aber durch die vielen Blütenknospen blüht immer Mohn, fast den ganzen Sommer lang. Nach der Blüte verbleiben die bekannten grünen Kapseln mit den Samen drin, sie reifen ab Mitte Juli, können dann geerntet werden, wenn sie nicht schon durch Wind und Bewegung von selbst ausgestreut wurden, denn es sind nur Wildlinge. Alle kommerziell angebauten Sorten haben Kapseln, die die unerwünschte Selbstaussaat verhindern. Die Mohnkapseln sind sehr dekorativ und die Samen sind Grundlage für das hochwertige Mohnöl oder erstklassigen Backmohn. Die Körner sind viele Monate haltbar, vor der Verwendung müssen sie noch gequetscht oder gemahlen werden und dann sofort verwendet. Für die Backmohnverwendung sind auch Wildlinge absolut tauglich. Eine mittelgrosse Kapsel der Wildlinge enthält rund zwei Gramm Samen. Mit 100 Kapseln bekommt man also 200 Gramm Samen zusammen. Eine Pflanze hat mehrere Blüten und Kapseln, schon mit 10-20 Pflanzen berkommt man brauchbare Mengen für diew Küche. Opiate enthalten die Samen nur in unwirksamen Spuren, sofern keine anderen Pflanzenteile mit dabei sind, sie also gut gerntet und gereinigt wurden. Für eine Backmohn-Eigenzubereitung können sie einfach ausgesiebt werden. Samenkapseln, andere Pflanzenteile, der milchige Pflanzensaft können dagegen auch Opiate enthalten. Das gilt generell für alle Grau- und Weissmohnsorten und Wildlinge, während das starke Zeug, die Opiumsorten in Südasien auch Alkaloide in den Samenkörnern haben kann. Die wachsen im hiesigen Klima aber gar nicht, bringen hier nichts.

Mohnsamen von ein paar Kapseln


Aufmachen, Polizei

Es gibt ihn auch wild in stärkeren Farben
Kapsel mit unreifen Samen. Rund 1000 pro Kapsel.

Aber, ach. Wie auch in anderen Dingen herrscht bei Mohn in Deutschland ein aufgeregter, herrschsüchtiger Verbots- und Kontrollzwang, der sich und vor allem seine Vertreter selbst lächerlich macht. Am Mohn ist alles verboten, nicht einmal trockene Kapseln dürfen gehandelt werden. Die Pickelhauben-Oberlehrer-Besserwisserei existiert hingegen in England, Österreich, der Schweiz und den meisten anderen europäischen Ländern nicht, dort ist ist der Anbau von Schlafmohn sehr wohl zulässig, manchmal beschränkt auf Mengen und Sorten. In Simbach verboten, hinter der Grenze in Braunau legal. Felix Austria. Auf wundersame Weise herrscht dort deswegen keineswegs mehr Missbrauch und Abhängigkeit durch bösen Mohn im Hausgarten. Verboten ist dort überall nicht der Anbau, sondern die Suchtstoffherstellung. In Deutschland benötigt dagegen sogar der Hobbygärtner für eine einzige Pflanze im Hausgarten eine behördliche Genehmigung. Genehmigt wird ausschliesslich eine Kultur bis zu 10 Quadratmetern, sie gilt für drei Jahre und kostet satte 95 EUR Gebühren (dafür kann man fast 20kg importierten Mohn kaufen), denn wie alle Bürokraten will diese unproduktive Kaste für ihren ungefragt verordneten Mist auch noch bezahlt werden. Genehmigt wird ausserdem aussschliesslich die Sorte "Mieszko"oder "Zeno Morphex". Hübsche Sorten, Ziersorten, wie sie in England sehr beliebt sind oder all die schönen gefüllten Sorten werden nicht genehmigt. Und sogar noch mehr: Findet jemand wild aufgegangenen Schlafmohn in seinem Garten, ist er verpflichtet, ihn mit Stumpf und Stiel auszurotten, wer jetzt ein knackig rollendes "r" im Befehlston hört, der hört korrekt.

Riesiges Schlafmohnfeld zur Samenproduktion
in der Provinz Seeland / Niederlande

Grundlage ist das Betäubungsmittelgesetz § 29 und §29a, Höchststrafe für derlei Verbrechen 15 Jahre. Hat man den mit ein paar Pflanzen im Garten, wird es sehr schwierig, einem Richter klarzumachen, dass es sich nicht um Anbau handelt, sondern um nicht angebauten Wildwuchs. Beschäftigt sind damit neben der hochbezahlen Juristenkaste allerlei Bundesämter, die stetig irgendwelche Risikobewertungen und viel weiteres Gelaber hinauspumpen und sich damit selbst als wichtig erhöhen, während gleichzeitig ringsum in Europa kaum einer Probleme mit ein paar Pflanzen im Garten hat. Seltsamerweise wurde gleichzeitig jahrelang ein riesiger Bohei um Hanf gemacht, dann mit Pauken und Trompeten sage und schreibe drei Pflanzen erlaubt, vom im Nutzgarten viel nützlicheren Mohn redete kein Mensch, obwohl dort die Rechtslage in Europa immer schon viel eindeutiger pro Pflanze ist und das wohlbegründet.

Narbenrest an der Kapsel

Dabei enthalten diese Mohn-Gartenwildlinge keineswegs nennenswerte Opiatmengen. Die kommerziellen Graumohn- und auch die Alkaloidsorten haben viel grössere Samenkapseln, die die Samen zudem nicht oder nur schwer von selbst ausstreuen oder bei der Ernte aussamen, denn das wäre ein gewaltiger Verlust für den Anbauer. Das "Argument", man könne schliesslich Opiatsorten unter die opiatfreien Sorten schmuggeln, ist eine dreiste Lüge, denn an diesem Kapselbau ist sofort zu erkennen, ob es ein Wildling ist. Der Opiummohn hat ausserdem helle Blüten, die Kapseln sind dreimal so gross wie unsere ungezüchteten Wildlinge, die zudem wie in allen nördlichen Gebieten sowieso nur geringe Alkaloidgehalte erreichen. Auch bei importiertem Mohn (der heimische Anbau wird und wurde ja trotz langer Tradition mit aller Staatsgewalt weitgehend blockiert) ist die Streubreite gross, ständig wird Backmohn teuer analysiert, dabei hatte mal Ware aus Australien den höchsten Alkaloidgehalt, die aus Österreich, Tschechien den Niedrigsten. Erwiesen wurde in der Arbeit von BAJPAI et al. (2000), dass grosse Kapseln, weisse Blüten, wenig Samen in Zusammenhang mit einem hohen Alkaloidgehalt stehen. Unsere Wildlinge haben keine dieser Eigenschaften. Interessant auch die Arbeit von Dittbrenner über die hohe intraspezifische Diversität von Schlafmohn. Mohn = Droge und zu hohe Risiken ist ganz einfach falsch.

Wie wird man zum Verbrecher?

Mitkommen, sie sind verhaftet

Wer zum Straftäter werden will und mal sehen wie das geht mit der Opiumherstellung, jätet kein Unkaut. Und noch mehr kann man leicht probieren, auch wenn dabei nichts Verwertbares und schon gar keine Mengen entstehen, die irgendeinen Wert haben. Die klassische Methode fürs Opium ist, unreife Kapseln schräg von oben nach unten anzuritzen und einen Tag später den ausgetretenen und angetrockneten Milchsaft mit dem Messer abzuschaben. Damit können ein paar Milligramm der schwarzbraunen Kruste gewonnen werden, die nachfolgenden Reinigungsschritte sind aber aufwendiger. Wie hoch der Alkaloidgehalt ist und wie er sich zusammensetzt, ist dabei zu keinem Zeitpunkt mit Hausmitteln festzustellen, man weiss nicht was man eigentlich bekommt. Neuzeitlicher werden einfach die trockenen ganzen Pflanzen gehäckselt und dann mit einem organischem Lösungsmittel (zum Beispiel Alkohol) ausgelaugt. Die entstehende Lösung wird dann konzentriert. In Wasser sind die Alkaloide schwer löslich. Generell haben aber synthetisch hergestellte Opiate und andere synthetische Rauschmittel das "Naturprodukt" schon sehr lange sehr gründlich überflügelt. Drogenküche schlägt Acker um Längen. Und Garten sowieso.

Und wem zufällig Unkrautsamen in eine löchrige Tasche hüpfen, der sollte keine Spaziergänge machen, vor allem nicht an Verkehrsinseln, Polizeistationen, Gerichten, bei Wichtig-Wichtig Majestäten vorbei. Nicht, dass dann Samen dieser streng verbotenen Höllenpflanze auf die Erde rieseln, Deutschland würde im Opium-Drogenrausch versinken, eine Insel der Unglückseligen.

Der traurige Rest in der Landwirtschaft

Mohnblätter mit Nanobeschichtung

Der landwirtschaftliche Anbau in Deutschland ist wie gesagt trotz der alkaloidarmen Sorten mehr als bescheiden aufgrund der Bürokratenlast durchgekallter Behörden. Aber die Pflanzen sind als Feldfrucht vor allem zur Blütezeit Anfang Juni herrlich anzusehen und fallen aufgrund ihrer hiesigen Seltenheit auf. Mohnfelder bringen es sogar zu Zeitungsartikeln. Als dieses Jahr ein Landwirt unserer Region wieder ein genehmigtes Feld hatte (für das gesunde und wohlschmeckende Mohnöl und Backmohn), sprach sich das herum, ganze Scharen kamen angefahren, um sich dort im Mohn fotografieren zu lassen und zertrampelten dabei Pflanzen, so dass der Landwirt eigens eine Stelle für gute Fotos einrichtete, um die Menge zu lenken. Mohn ist als Feldfrucht nicht nur lecker, sondern auch hübsch und zusammen mit Raps eine der ganz wenigen heimischen Kulturen auf den Feldern, deren Blüten Insekten viel Nahrung bieten. Jedenfalls nach positiv beschiedener behördlicher kostenpflichtiger Genehmigung.


Insekten lieben Mohn

...auch bei Regen hochattraktiv


Samstag, 1. Juni 2024

Obsternte an der Nordwand

Die Gewinnerpflanze ist...

Nutzgärtnern sind ihre Gärten meistens viel zu klein. Meiner auf jeden Fall. Zu den verschiedenen Tricks, noch Platz für leckere Dinge herauszuschinden (siehe https://gartenzone.blogspot.com/2019/08/nutzgarten-zu-klein-was-tun.html), gehört auch die Nutzung ungünstig gelegener Bereiche, zum Beispiel unvermeidliche Wände Richtung Süden, Richtung Sonne. Vor der Wand, also auf der Nordseite dann logischerweise: Starke Verschattung. Nachbars Garage, ein Gartenhaus, das Wohnhaus, die Mauer - nordseitig lassen sich zwar oft noch ein paar Kräuter und manchmal die wenigen dafür geeigneten Gemüsesorten anbauen (gibt es aber, Erfahrungen damit in einem eigenen Beitrag), Blumen sowieso, aber was ist mit Obst? Essbares? Geht das nur, wenn das Gehölz so hoch wird, dass es die Nordwand überragt? Kommt es überhaupt hoch? Gehen wir ein paar Arten durch:

Stachelbeeren

Schattenstachelbeeren, sauer und kleiner

In Büchern werden Stachelbeeren als die Obstart beschrieben, die am wenigsten Sonne braucht, sie würde auch im Halbschatten noch wachsen. Nach vielen Jahren mit Stachelbeeren unter lichten Bäumen, im Halbschatten einer Mauer ist zu sehen: Die Aussage ist richtig, aber so sinnentstellend, dass sie wertlos wird. Tatsächlich zeigen Stachelbeeren Wachstum in schattigen Bereichen, sie gedeihen so halbwegs, aber bereits Teilverschattung führt zu schwachen Erträgen und mieser Beerenqualität. Der Fruchtansatz ist gering, die Beeren bleiben klein, reifen spät, behalten grüne Töne, sie bleiben zu sauer und aromaarm. Wozu also? Bestenfalls sind sie noch etwas für einen Anbau im Topf auf einem Nordwest oder Nordostbalkon.

Akebien

Auch diese Schlingpflanzen sollen mit Schatten klarkommen. Es gibt zwei Arten, beide habe ich ausprobiert, die fingerblättrige Akebie (Akebia quinata) und die kleeblättrige Akebie (Akebia trifoliata). Letztere hat meiner Ansicht nach leicht schönere, grössere und besser schmeckende Früchte, so richtig brauchbar sind sie aber auch nicht. Auf einer verschatteten Pergola gezogen soll es klappen, aber bei mir kamen die Pflanzen im Schatten nicht hoch. Deshalb auch kein Foto, obwohl ich beide Arten ausprobiert habe. Sie brauchen eine Rankmöglichkeit und mehr Licht, bis sie wenigstens etwas Höhe erreichen.

Kiwi

Amur-Strahlengriffel, eine der dekorativsten Arten

Jetzt wird es interessanter. Drei Kiwiarten können auch in Deutschland kultiviert werden. Actinidia deliziosa in Gegenden mit langem Herbst, die bringen hühnereigrosse, behaarte, grünfleischige Früchte, bekannt aus dem Supermarkt. Am beliebtesten im Garten sind Actinidia Arguta, die kleineren, glattschaligen Kiwibeeren. Weniger bekannt und manchmal als seltene Zierpflanze gesetzt ist die dritte Art: Actinidia kolomikta, der Amur-Strahlengriffel oder der "bunte Strahlengriffel". Dieser Art hat auch glatte Beeren, die sind aber noch kleiner als die der bekannten Kiwibeeren, ansonsten gleich aussehrend. Und sie sind früher reif, nämlich schon ab Ende August. Sie fallen von selbst von der Pflanze, wenn sie ganz reif sind. Das Aroma ist okay, aber nicht weltbewegend, ähnlich der Kiwibeere, auch die Nutzung ist ähnlich - frisch essen, Mamelade. Ihr Vitamin-C Gehalt ist sehr hoch. Nachteile hat sie auch, sie ist in Winterruhe zwar absolut frosthart, aber fast noch spätfrostempfindlicher wie die Kiwibeere, der Fruchtansatz ist auch deutlich geringer. Wie alle anderen Strahlengriffel ist sie nicht selbstfruchtbar, man benötigt mindestens zwei Pflanzen, eine männliche und eine weibliche Pflanze. Eine Befruchtung durch Actinidia arguta - Kiwibeeren funktioniert nicht, schon die Blütezeiten sind unterschiedlich, Kiwibeeren treiben zwar ebenso früh, aber blühen später, oft erst im Juni. Gegen Frost hilft das weder bei der einen, noch bei der anderen Art nichts, da die empfindlichen Knospen und der weiche, saftige Austrieb schon früh im April erscheinen.

Weibliche Blüten von Actinidia kolomikta

Und sie ist die schattenverträglichste Obstart, die ich je hatte und habe. Als besonderen Bonus zeigen viele Sorten ein herrliches und buntes Laub: Grün, weiss, rötlich. Damit klappt es zudem endlich, der optisch sehr negativen nachbarlichen Garagenwand auf der Grundstücksgrenze exakt Richtung Süden ein hübsches, pflanzliches Kleid zu geben und dazu noch etwas zu ernten.

Frostschaden an Kiwi

Der Weg dorthin ist allerdings nicht so einfach. Alle Kiwis sind Schlinger, man benötigt ein Gitter, an dem sie hochranken können. Das ist an einer Mauer aber zu machen. Sie sind spätfrostempfindlich, glücklicherweise kann man sie an einer Wand vor Frostnächten leichter zuhängen. Die Nordseite bewahrt sie nicht vor frühem Austrieb, eine Verzögerung ist deshalb nicht festzustellen. Das wäre ein schöner Bonus gewesen. Und speziell der Amur-Strahlengriffel braucht auch noch konsequent feuchten Boden, erst ältere Pflanzen sind trockenverträglicher. Sie wurzelt flach, da deshalb die oberen Bodenschichten nicht austrocken sollten, ist permanentes mulchen rund um den Trieb angebracht. Man darf die Geduld nicht verlieren, nach dem einpflanzen kann es Jahre dauern, bis sie schliesslich in die Höhe will. Bei mir schafft sie insgesamt drei bis vier Meter, zwei Meter rauf und zwei seitlich, weiter will sie hier nicht wachsen. Sie spriesst wirr wie Knöterich, Kiwibeeren sind genauso, aber grösser.

Die schlimmste Wand wird schöner

Ihre Blätter haben hohen Zierwert. Iegendwo steht, männliche Pflanzen wären schöner, kann ich nicht bestätigen. Die schönste Sorte bei mir ist "Dr.Szymanowsky", die ist weiblich. Andere Sorten mit gewisser Verbreitung sind "Sentyabraskaya" (=September Sun), Pautske aus Litauen und die neuere "Vitakola", die ich auch habe. Dazu das Männchen in der Mitte - Sorte "Adam" und auch hübsch. Die schönsten Farben kommen erst bei älteren Pflanzen, also nach der Pflanzung nicht ungeduldig werden.

Weitere Arten

Vorgeschlagen werden auch Schattenmorellen, Erdbeeren oder Johannisbeeren. Schattenmorellen werden ohne Sonne noch moniliaanfälliger als sie ohnehin schon sind. Erdbeeren und Johannisbeeren bleiben sauer und haben kaum Aroma, wenn überhaupt ein Fruchtansatz da ist. Mindestens lichter Halbschatten wird verlangt. Generell sind aber alle Bäume möglich, wenn sie über den Schatten nach oben hinauswachsen können. Das ist dann aber keine Schattenverträglichkeit, sondern die Fähigkeit, mit Höhenwachstum dem Schatten zu entkommen.

Freitag, 3. Mai 2024

Maibeeren, Lonicera kamtschatica, frühe Strauchbeeren im Garten

Maibeere, junger Busch nach dem Austrieb

Zu den mässig erfolgreichen und erst spät eingeführten Beerenobstpflanzen gehört die Maibeere oder Kamtschatka-Heckenkirsche. Andere Namen sind blaue Heckenkirsche oder Honigbeere, Honeyberry. Das ist ein Geissblattgewächs, das zur Lonicera caerulea - Familie gehört, die weltweit verbreitet ist. Heute zur Beerenobstnutzung verkaufte Gartenpflanzen sind gezüchtete Hybriden, die von verschiedenen Lonicera caerulea Varietäten oder sogar Arten abstammen, die in Nordostasien heimisch sind. In Japan habe ich davon auf der nördlichen Insel Hokkaido fächendeckend wildwachsende Matten gesehen, die dort verbreitete Art ist etwas niedriger wie die Sibirischen Arten und nennt sich nach einem Wort der Ainu-Ureinwohner "Haskap". Sie ist als Obst in Nordjapan allgemein seit Jahrhunderten bekannt und beerntet, man kann daraus hergestellte Marmelade und andere Produkte kaufen. Die Varietäten Ostsibiriens reifen später, werden grösser und verlieren auch die Blätter später. In ihren Ursprungsgebieten bevorzugt sie leichten Boden, neutrales Bodenmilieu, Vollsonne bis Halbschatten. Man könnte glauben, dass sie ähnliche ökologische Lücken wie Heidelbeeren besetzt, aber Maibeeren sind im Gegensatz zu Heidelbeeren Flachwurzler, benötigen mehr Licht und wollen sauren Boden nicht zwingend - sie gedeihen aber darauf besser.

Maibeerenbusch mit Fruchtbehang unter Netz, ansonsten keine Früchte


Hinsichtlich ihrer Qualitäten als Beerenopstpflanze wird sie züchterisch bearbeitet vor allem in Russland, Kanada (University of Saskatchewan hauptsächlich), Polen und Japan. Weltweit gibt es 3000 Hektar Plantagen, was im Vergleich zu anderen Beerenobstpflanzen sehr wenig ist. In Europa und Deutschland blieb sie lange ziemlich unbekannt. Die ersten Pflanzen bekam ich vor einigen Jahren und konnte Erfahrungen damit sammeln, nun habe ich an die zehn Sorten.

Wie sieht sie aus?


Blattwerk der Maibeere
Die Pflanze wächst buschartig, bleibt wenig ausladend und erreicht maximal 1,5m Höhe, aber wohl nur unter sehr guten Bedingungen - meine blieben aber mit sehr wenigen Ausnahmen bei einem oder unter einem Meter. Ihr Erscheinungsbild ist etwas sparrig, die Blätter haben einen charakteristischen Blaustich und wirken samtig, so wie amerikanische Blaubeeren. Sie treibt sehr zeitig aus, man kann schon oft im Februar grüne Teile sehen. Die Blütenansätze sind ebenso früh, die weissliche Blüte folgt Ende März oder im April (manchmal gehen sogar schon im Spätherbst ein paar Blüten auf) . Die Blüten sind sagenhaft frosthaft bis -8°C, der Busch ist damit gut garniert. Oft leider nicht schon im Mai, sondern erst im Juni oder sogar erst im Juli werden die länglichen, tiefblauben Früchte reif. Dass sie ein sehr frühes Beerenobst wäre, ist teilweise eine Marketinglüge. Der Farbumschlag von grün nach blau passiert schon viel eher, in manchen Jahren schon im April und suggeriert frühe Reife, aber man muss die Früchte noch wochenlang länger hängen lassen, ehe sie auch Süsse und wenigstens ein bisschen Aroma entwickeln. Kultursorten haben einige Zentimeter lange blaue Beeren, oft krumm geformt und teilweise hohl, in der Wildnis bleiben die Beeren viel kleiner.
Blüten im März oder April, darunter sehr junge grüne Früchte

Wie schmecken die Beeren?


Junge, unreife Beeren, April

Die Beere ist saftreich, blau beduftet und schmeckt anfangs beim Farbumschlag zu blau neutralsauer. Nach einigen weiteren Wochen, erst kurz bevor sie von selbst abfällt hat sie auch ihren Geschmackshöhepunkt. Dann ist sie süsssäuerlich bis süss (je nach Sorte und Standort), aus der Haut lassen sich etwas Gerbstoffe herauskauen, eigene Aromen bleiben dagegen nur im Hintergrund. Manche Leute schmecken bei manchen Sorten Bittertöne heraus und lieben oder hassen das, je nach eigenem Geschmack. Konsistenz, Farbe und Saftreichtum erinnern an Heidelbeeren, aber die Aromen haben nicht wirklich etwas miteinander zu tun. Maibeeren sind deutlich neutraler, Viele sagen langweilig. So empfinde ich das auch. Trotzdem oder gerade deshalb sind sie ein Naschobst, das zu allem passt, weil es nichts übertönt. Der Saft ist ausgesprochen kräftig eingefärbt, die Farbe ist ein dunkles Braurot. Die Art der Säure ist angenehm, nicht spitz. Grosse Sortenunterschiede kann ich nicht feststellen. Es gibt Sorten, bei denen Verkäufer behaupten, sie hätten Eigenaromen, zum Beispiel "Fianit". Da ich angesichts der Pseudosortenflut nicht alles ausprobieren kann, ist das möglich, aber zweifelhaft, weil die bisherigen Sorten alle so aromaschwach sind, ein Sprung in mehr Eigenaromen hinein wäre ein grosser Fortschritt.

Reife Maibeeren, geerntet
Halbierte Maibeeren - teils hohl, teils eine Doppelkammer

  

Wie gelingt der Anbau, wie sind ihre Bedürfnisse?


Die Blätter lassen Wasser stark abperlen

Der Anbau gelingt scheinbar leichter wie der von Heidelbeeren, weil sind nicht ganz so zickig mit einem Bedürfnis nach einem sauren Boden sind. Aber auch Maibeeren haben ihre Grenzen, oberhalb von ph 7 sollte man nur mit Regenwasser giessen, einpflanzen in Rhododendronerde ist dann auch besser. Aber gut angewachsen klappt es auch mit höheren ph Werten. Ein erster Nachteil ist die Befruchtung: Sie ist nicht selbstfruchtbar, man benötigt verschiedene Sorten gleichzeitig blühender Büsche, damit der Fruchtansatz  gelingt.

Typischer Hitzeschaden an Maibeere

Frost verträgt sie ganz erstklassig, Sommerhitze mag sie nicht. Ihre Lichtbedürfnisse sind bei mir deutlich höher als die von Heidelbeeren, im Schatten wird sie nichts, im Halbschatten bleibt sie dünn. Das ist hierzulande schwierig, gleichzeitig Sonne und keine Hitze. Trockenheit verträgt sich auch nicht gut, grössere Pflanzen schaffen es besser. Als Flachwurzler nicht verwunderlich. Bei Hitzestress gibt es Blattverbrennungen. In den deutschen Versuchspflanzungen (z.B. das Versuchszentrum Köln-Auweiler) wird grundsätzlich bewässert. Das war auch anfangs mein Problem. Die Pflanzen wuchsen kaum und dauernd starben Triebe ab. Unser trockener, kalkreicher Boden und das Klima war tödlich. Ausserdem benötigt sie Boden mit viel organischem Material sowie gute Düngung. Gerne wird die Meinung verbreitet, sie eigne sich als Unterpflanzung unter andere lichte Gehölze, sie vertrage Halbschatten und andere Wurzeln. Nichts davon bewahrheitete sich bei mir, solche Pflanzen mickerten besonders und gingen sogar ein. Hinzu kommt bei Unterpflanzungen das Problem der Wurzelkonkurrenz.

Tote Äste im Frühjahr an Maibeere

Gefällt es ihr, wird sie sehr alt. Leider dauert es auch lange, bis sie richtig trägt. Erst nach etwa fünf Jahren erreichen die Erträge ein gutes Niveau, das dann viele Jahre lang anhält. Schneiden braucht man sie kaum. Immer wieder wird von Kiloerträgen pro Pflanze berichtet. Das habe ich noch nie erreicht, auch nach Jahren nicht, nicht einmal annähernd. Ausserdem ist die Pflückleistung schlecht. Die Beeren hängen einzeln, innen und nach unten, man sucht zu lange im Busch herum. Ist sie wirklich reif, fallen sie von selbst ab. Das ist noch einmal Mehraufwand beim ernten.

Krankheiten und Schädlinge sind selten. Läuse können vorkommen, diverse Raupen, Spinnmilben, Mehltau. Die Reife findet zudem zu einer Zeit ab, zu der die Importkatastrophe Kirschessigfliege noch nicht massenhaft auftritt und dunkle Früchte absticht, das ist also ein Pluspunkt.

Fegeschaden an Maibeere

Ein grosses Problem in den Versuchspflanzungen und ebenso bei mir sind jedoch Vögel, der Vogelschutz mit Netzen ist teuer aber unumgänglich. Meiner Erfahrung nach geht es eine Zeitlang gut und man wiegt sich in Sicherheit. Die Vögel merken lange nicht, dass unter den grünen Blättern auch Beeren sind, jedenfalls bei mässigem Behang. Und plötzlich geht es schlagartig los, schon vor der Vollreife, wer dann erst das Vogelnetz herauskramt hat schon lange nichts mehr, was er schützen könnte.

Ein eher kurios klingendes Problem sind Fegeschäden. Auf meinen Aussengrundstück ist das aber durchaus ein grosses Problem. Hirsche und Rehböcke fegen sich den Bast nachwachsendes Geweihs mit Hilfe von peitschenartigen Trieben ab. Aus irgend einem Grund bevorzugen sie bei mir dazu jährlich Maibeerensträucher. Die Rinde wird dabei abgeraspelt, der betroffene Ast strbt. Dagegen hilft nur Zugangskontrolle, Zaunschutz. Schwierig, wenn keine Zäune erlaubt sind.

Das Problem mit dem Klima

Austrieb schon im Januar

Tatsächlich ist kaum eine Sorte bei mir wirklich etwas geworden, weder am Haus, noch im Aussengarten, nicht auf gutem Boden, nicht auf flachgründigem Boden. Sortenempfehlungen kann ich deshalb mit gutem Gewissen nicht geben. Die beste Sorte war noch Docz Velikana, warum auch immer.  Das kann auch reiner Zufall sein. Unter anderem habe oder hatte ich schon die Sorten Kalinka, Wojtek, Czulymskaia, Aurora, Boreal Beauty, Amfora, Zoluschka, Morena. Die ersten Sorten in Deutschkand waren "Mailon", "Maistar" und "blue Velvet", alle nicht mehr zu empfehlen. Jüngst gibts wieder einen Schwung bisher nicht verbreiteter kanadischer Sorten. Die Sortenexplosion ist riesig, man hat den Eindruck jeder Hinterhofgärtner versucht, jeden Sämling als neue Sorte zu verkaufen. Knallhart gesagt: Die meisten Sorten haben sehr niedrigen Neuheitswert mit ständig neuen Etiketten. Bis sich das bereinigt, wird es lange dauern. Auffallend waren bei mir immer viele tote Triebe an den Pflanzen, die Pflanzen wuchsen "rückwärts". Gut wuchsen sie nur in einem feuchten und kühleren Jahr, was die gleichmässige Wasserverfügbarkeit als wichtigen Punkt nahelegt. Bei genauer Beobachtung zeigte sich auch ein Grund für die toten Äste: In den hiesigen und normal gewordenen dauernden Wärmephasen im Winter mit ganze Januarwochen über 10° C zogen Triebe Saft, sie verlor ihre hohe Frostfestigkeit, der übliche kräftige Kälterückschlag danach brachte sie um. In kontinentalerem Klima übersteht sie den Winter wesentlich besser. Hinzu kommen Sonnenbrand- und Hitzeschäden bis zum kompletten Ausfall in (den nun regelmässig auftretenden) heissen Sommern. Die Blätter verbrennen regelrecht, werden braun. Sprühregner sind mir zu viel Aufwand, das Wasser habe ich auch gar nicht.

Maibeeren zwischen anderem Beerenobst

Maibeerentaugliche Bedingungen habe ich somit nicht und damit ist sie für mich und Teile Deutschlands noch kein richtiges Frühobst. Schade! Aber die Züchtung geht weiter, die Wildbestände und damit Genressourcen sind gross, es könnte gut sein dass neuere Sorten immer interessanter werden. Potential hat sie, auch wenn sie noch lange nicht dort ist, wo sie auch in meiner Gegend Spass macht. Im Moment würde ich sie nur in Gegenden mit weniger Sommerhitzespitzen (dazu gehört auch das Rheintal, das zwar warm ist aber niemals die sehr negativen Hitzespitzen zeigt, wie wir sie haben), mehr Niederschlägen und ohne Kalkboden anpflanzen. Naschobst für feuchte Höhenlagen und mildfeuchte Gegenden mit saurem oder neutralem Boden.