Donnerstag, 26. Oktober 2023

Fehlschläge, frisch geliefert

Der Sommer war wieder Garten und mehr - draussen, nicht am Bildschirm mit schweissigen Fingern. Nach der Blog-Sommerpause nun mitten im Herbst der erste neue Beitrag, dessen Thema schon fast Tradition hat: Was lief besonders krass schief dieses Jahr? Man verkündet ja immer gerne kleine und grosse Erfolge im Garten. Verschweigen wir aber auch ganz freimütig die Fehlschläge dieses Jahres nicht, zumal man viel daraus lernen kann.

Pak Choi, geschossen in Frühlingshitze


Knollenziest, Crosne, Stachys affinis

Viel unscheinbares Grün, wenig dahinter...

So lecker die Knöllchen dieses Lippenblütlers sind und obwohl er sogar als invasive Art geführt wird: Es war fast schon zu erwarten, dass es nichts wird. Wurzelgemüse hat es meistens schwer hier. Auch der Knollenziest, der lieber sandigen Boden will und viel Wasser, dazu Temperaturen um 23°C. Hoffnungsvoll gepflanzt, wuchs er mässig, von den 50cm Höhe keine Spur, es blieb bei 20cm. Jetzt ausgegraben und nachgesehen, was unten dran ist. Und die Knollen sind: Lächerlich. Eigentlich nicht vorhanden. Die Grösste hatte 3mm Durchmesser. Das wird nichts mehr. Kompletter Fehlschlag.

Wo sind die Knollen am Knollenziest?!

 

Pak Choi und die Gartenschnecke

Abgefressener Pak Choi, nicht gefressenes Schneckenkorn

Pak Choi ist eine Art glatter Chinakohl, kleiner, hat ähnliche Bedürfnisse wie dieser, ist eine tolle Zutat für schnelles Bratgemüse. Er wächst nur im Herbst, die Frühlingspflanzungen sind mir noch nie gelungen, auch dieses Jahr nicht. Jedes einzelne Pflänzchen ist wieder einmal geschossen und bildete sehr bald einen dünnen Blütenstengel mit Blüten aus, anstatt Blattwachstum zu zeigen. Tagsüber Hitze, kalte Nächte, das klappt nicht, auch Chinakohl geht im Frühling nur in einem anderen, weniger extremen Klima.

Kohlerdflöhe am Pak Choi

Zweiter Versuch im Frühherbst, nachdem die Kohlerdflöhe endlich verschwunden sind, die alle jungen Kohlgemüse ziemlich schnell fertigmachen. Diesmal ist es die Sorte Tatsoi, die kleinbleibende Minipflanzen ausbilden soll. Mühsam in einer Pflanzplatte vorgezogen, dann ausgepflanzt. 80% wurden in den kommenden Tagen von Gartenschnecken gefressen, Arion Hortensis. Diese Art sind schwarze, kleine Schnecken, die ganzjährig ihr Unwesen treiben und sowohl im Blog als auch im Garten häufig anzutreffen sind. Dieses Jahr war es eine absolute Katastrophe. Zwei feuchte Wochen Ende Juli reichten dafür aus. Das reichte, um eine Massenvermehrung zu ermöglichen. Man sieht sie nicht, auch nachts nur selten, sie sitzen im Boden, bevorzugt an Wurzeln, kommen hoch wenn es feucht genug ist, kriechen nicht weit umher, sondern fressen die nächstliegende Pflanzen ab. In meiner Not streute ich dann Schneckenkorn. Ergebnis waren sehr viele Schleimspuren und tote Minischnecken, aber der Frass ging weiter. Weiteres Schneckenkorn bewirkte dann nichts mehr. Alle meine Herbstpflanzungen waren schwer unter Druck.

Arion Hortensis, Gartenschnecke. Klein und tödlich.

Und die überlebenden estlichen 20% der Pak Choi Pflanzen: Begannen sofort zu schiessen. Nette gelbe Blüten, wie im Frühling. Denn der Herbst hatte endlose Hitzetage, die Pflanze will aber gemässigte Temperaturen.


Samenkauf als Glückssache: Chinakohl Scarlette

Auch der Herbst-Chinakohl stand unter keinem glücklichen Stern. Ich wollte wieder die violette Mutation pflanzen, davon gibt es einige Sorten, zum Beispiel Scarlette oder Scarvita. Den hatte ich schon einmal, speziell für Salate ist sein Aroma und seine Optik sehr schön. Chinakohl ist ebenfalls eine empfindliche Kultur, diesmal habe ich ihn unter ein Gemüseschutznetz gepflanzt, um die vielfältigen tierischen Schädlinge zu vermeiden, Kohlfliege, Raupen, Kohldrehherzmücke, Erdflöhe. Allerdings kann man damit Pilzerkrankungen verstärken, denn es bleibt länger feucht unterm feinmaschigen Netz. Schnecken, Unkraut sind auch nicht leicht zu bekämpfen.

Jedenfalls wuchsen die Pflänzchen nach etwas trockenbedingter Bremse und wurden grösser - leider aber rein grün. Keine Spur von violett. Auch später nicht. Die Chinakohl-Köpfe wurden mittelgross bis klein. Das Aroma war nicht sehr lecker, etwas grob-kohlig. Viel Mühe, Ziel verfehlt, diesmal nicht wegen Anbaufehlern, sondern Samenhändlerfehlern.

Bei Sichtung des Samentütchens fiel mir dann ein, dass ich bei derselben Firma vor zwei Jahren schon einmal kräftig reingefallen bin: Lügende Rüben: Teltower Rübchen gefälscht.

Also Samentüte fotografiert mit Chargennummer drauf, Pflanzen fotografiert, an Dürr geschickt, geschrieben dass die Pflanzen der vermeintlichen Sorte Scarlette nicht violett wurden. Auch Wochen später keine Antwort, Firma Dürr schweigt. Ich denke, das ist das Ende meiner Käuferbeziehung zu Dürr. Fehler passieren, aber dort eindeutig zu oft.


Abschied von Äpfeln

Gut gepflegt und doch abgestorben: Roter Bellefleur

Steinobst gibt es schon seit einschliesslich 2017 nicht mehr, das neue Wetter sorgt mit bisher undenkbaren Warmphasen mitten im Winter für sehr frühen Austrieb, der dann von Nachtfrösten regelmässig zerstört wird. Neue Krankheiten, virulentere Krankheiten, immer mehr importierte Katastrophen, extreme Trockenheit mit Hitze sorgen dafür, dass der privat Nutzgärtner in der ganzen Gegend nur noch wenig bis nichts erntet.

Das Kernobst leidet auch. Trockenheit, Sonnenbrand, Krankheiten wie Rindenbrand, die so schlimme Katasatrophen verursachen, dass die Mehrheit der bekannten Sorten gar nicht mehr anbaufähig sind. Dieses Jahr war nicht einmal besonders schlimm, aber Schäden der letzten Jahre wüteten weiter in den gestressten Bäumen. Und dieses Jahr starben Bäume auch komplett ab. Ein wunderschöner roter Bellefleur etwa, sechs Jahre alt, gut gepflegt und im Ertragsbeginn. Schlagartig tot. Auch andere Äpfel, zwei ältere Säulenapfelbäume etwa - abgestorben. Auf der Wiese steht kaum noch ein Baum im Ertragsalter, die älteren Bäume sind fast alle so schwer geschädigt dass sie entfernt werden mussten und von den Neupflanzungen zeigen sich nur manche Sorten dem neuen Wetter gewachsen. Bisher.

Die Wiese kostet viel Zeit und Mühe. Früher haben wir regelmässig zwei Tonnen und mehr Äpfel bekommen plus massenhaft Steinobst, heute bin ich froh, wenn es noch zwei Kisten Äpfel werden, Steinost gibt es gar nicht mehr. Der Hobbyobstbau ist noch mühevoller und traurig gewordem und dies nicht nur in Einzeljahren so, sondern jedes einzelne Jahr der gesamten letzten sieben Jahre war sehr schlecht.

Gewisse Mitmenschen aus dem benachbarten Möckmühl-Züttlingen sind da schon weiter: Nach den Steinen letztes Jahr hat man mir diesmal am Sonntag Mittag, den 8.10.2023 Gartenabfall, irgendwelche Blumentopfrest angefahren und auf die Wiese gekippt. Obstwiesen als kostenlose Auffüllplätze, immerhin dafür scheinen sie für einige Zeitgenossen nützlich zu sein.

Sonntag vormittag mir auf die Obstwiese geworfen

 

Gute Geister nötig, Unsere Kürbisgeister im Herbst

Freitag, 14. April 2023

Tafeltrauben - Planung von Neupflanzungen und Verkäuferprosa

Öffentliche Sortenverkostung Tafeltrauben

Im April war früher die Pflanzzeit für Reben im Weinbau. Nach dem Ende der deutlicheren Nachtfröste hat man sie gesetzt. Heute ist das nicht mehr so wichtig, Herbstpflanzung ist sogar vorzuziehen, denn beim heutigen Winterwetter mit seinen langen Warmphasen wachsen die Wurzeln bereits im Winter und es wird selten so kalt, dass der Jungpflanze Frostschäden drohen.

Auch dieses Jahr haben ich neue Sorten gepflanzt und ein paar Sorten gerodet. Hinausgeflogen sind unter anderem die sehr gut schmeckende aber stark für Stiellähme und Mehltau anfällige Suffolk Red, die auch permanent gigantisches Wachstum zeigte und damit sehr viel Arbeit für wenig Kiloertrag machte. Auch "Straschinski" ist Vergangenheit, sie wuchs an einem Premiumplatz aber blieb geschmacklich deutlich hinter anderen Sorten zurück, generell hat sie einen sehr einfachen Stil. Die untere Hälfte der Trauben bleib trotz kräftiger Ertragsreduzierung weich, klein, sauer, oben waren dafür dicke Schaubeeren. Auch zwei russische Sorten mit unterirdischer Geschmacksqualität sind gerodet.  All diese Sorten hatten zudem ein kurzes Erntefenster, nur zwei Wochen auf dem Höhepunkt, dann zerfallen sie.

Neu gepflanzt sind "Ontario" und "Einset seedless". Das mag verwundern und wie ein Rückschritt aussehen, sind das doch relativ alte Sorten, die nicht mehr so populär sind. Um das zu erklären muss man etwas ausholen. Die meisten Tafeltraubenzüchtungen, die an Privatleute verkauft werden kamen die letzten Jahre aus der Ukraine, Russland, in zweiter Linie aus Moldavien und anderen Ländern Osteuropas. Auch die Mehrheit meiner Sorten kommt daher. Diese Züchtungen bevorzugen meist (es gibt Ausnahmen) einen bestimmten Stil. Kernpunkte davon sind:

  • grosse Beerengrössen und Optik ist wichtigster Faktor, erwünscht sind auch grosse Trauben. Viele Kunden für die Reben sind kleine Nebenerwerbsanbauer, die ihre Ernte auf dem Markt verkaufen. Deshalb gab es auch lange nur wenig kernlose Sorten, weil kernlose Sorten kleinbeeriger sind.
  • die Aromen und ihre Bandbreite spielen eine geringere Rolle - möglichst süss müssen sie sein, das reicht. Ein paar werden unter "Muskat" abgehandelt. Bereits die Geschmacksbeschreibungen sind wenig differenziert.
  • lange spielte Krankheitsfestigkeit keine so wichtig Rolle, denn in dem kontinentalen Klima und angesichts der sehr leichten Verfügbarkeit von allerlei Pflanzenschutzmitteln (die dort Jeder kaufen und ohne Hemmungen anwenden darf, ganz im Gegensatz zu Deutschland) war das nicht oberste Priorität.
  • die genetische Bandbreite ist gering. Es sind immer wieder dieselben Eltern in den Stammbäumen. Es gibt zum Beispiel endlos viele Abkömmlinge von "Wostorg" und "Talisman".
  • eine grosse Sortenschwemme existiert, jeder versucht etwas vorzustellen und sofort zu verkaufen. Das reift dann beim Kunden, die meisten Sorten verschwinden schliesslich wieder, weil sich später herausstellt, dass trotz Verkäufersäuselns doch irgendwelche Punkte problematische k.o. Faktoren sind. Diese Inflation ist sehr ärgerlich für Leute mit wenig Platz wie es im engen Deutschland üblich ist, man kann hier nicht einfach zwanzig Sorten setzen, abwarten was rauskommt und dann halt achtzehn wieder roden. Hier hat man von vornherein häufiger nur Platz für zwei Reben und wenn die nichts sind, hat man jahrelang gar nichts was man will.
  • positive Eigenschaften sind: Es gibt auch viele sehr frühe Sorten und einige, die sehr frostfest sind, also für Grenzlagen geeignet. Hohe Frosthärte schaffen auch nordamerikanische Züchtung, übertreffen es sogar, aber die sind in Europa gar nicht zu haben und sie sind auch geschmacklich nicht der Hit. Beispiele dafür sind Valiant, die -40°C aushält oder Swenson, Edelweiss, Minnesota 78, Bluebell, Beta, Baltica, Atcan, St. Croix, Zilga.
Viel Arbeit nötig, Schnitt und Ausdünnen

Ältere Sorten haben bereits unter vielen unterschiedlichen Umständen ihre Qualitäten gezeigt. Man kann sich auch leichter in Natura ansehen, was sie bringen und sie probieren. Von "Ontario" und "Einset" weiss ich aufgrund von älteren Pflanzungen in der Nachbarschaft bereits, dass sie trotz unseres schwierigen Wetters ein unglaublich langes Erntefenster haben, weil die Beeren erstklassig haltbar sind ohne zu verderben, dass sich Einset gut für Rosinen eignet und der anfangs vielleicht zu kräftige Erdbeergeschmack mit der Zeit eben wird und dass sie sehr krankheitsfest sind. Mich störte nämlich an meinen jetzigen später reifenden Sorten, dass es spätestens Mitte Oktober immer schon vorbei war mit Tafeltrauben. Sorten, die sich lange gesund am Stock halten sind selten. Im November noch Trauben auf dem Tisch zu haben ist herrlich.

Speziell amerikanische Sorten spielen auch oft gekonnt mit den genetischen Anteilen der in Nordamerika heimischen Wildreben, die Aromenvielfalt und Varianz ist gross, die erdbeerartigen Töne häufig. Beispiele dafür sind die auch in Europa sehr populären Sorten "Venus", "Jupiter", "New York Muskat". Sie sind oft (aber nicht immer!) unkompliziert bei hoher Ertragssicherheit, bringen aber nicht die Riesenbeeren an Riesentrauben (die man dann doch wieder ausdünnen muss) wie es viele russische Sorten tun.


Wo kaufen?

 

All die schönen Sorten, die man gerne hätte - woher bekommt man sie?

  • Gartenmarkt. Dort eher nicht. Dort sind viel häufiger einfache Reben unter Phantasienamen zu haben, die Auswahl ist generell sehr klein. Ein paar grössere Märkte haben manchmal ein leicht besseres Angebot, aber meistens sind es die üblichen Standardsorten, die angeboten werden: Muskat Blau, Lakemont, Vanessa, Venus, oft auch Züchtungen von Wolf Reben, von denen ich nicht viel halte. Preise manchmal gut, aber nie billig.
  • Rebschule Schmidt, https://www.rebschule-schmidt.de. Ein nur auf Tafeltrauben spezialisierter Betrieb mit einer relativ grossen, guten Auswahl, breites Sortenspektrum und gut aufgebauten Internetseiten, ideal für Anfängerkäufer. Einige Sorten sind recht teuer geworden. Die neuesten Sachen bekommet man nicht, aber die Pflanzware hat gute Qualität, wird sauber verpackt verschickt. Hier kaufe ich auch manchmal. Einmal stimmte allerdings die Sorte nicht und einmal bekam ich Monate nach einer sofort bezahlten Rechnung eine Mahnung. Der Betrieb ist sicher gut, die Buchhaltung und Ordnung dahinter hat noch Luft nach oben. Preise leicht über Gartenmarkt. Andere Versender in Deutschland: "Heidis Tafeltrauben", https://www.heidis-tafeltrauben.de, "Pillnitzer Tafelreben" https://pillnitzer-tafelreben.de
  • eBay. Die Anbieter dort betreiben manchmal Wucher, manchmal sind sie absoluter Preiskönig. Dann aber meist mit weniger guten Ursachen. Weil der eigentlich vorgeschriebene Pflanzenpass fehlt zum Beispiel oder weil es eigentlich illegale Direktträgerware (also bewurzelte Stecklinge) ist. Wer Bescheid weiss, die Angebote verfolgt, nicht an einen Betrüger gerät, der bekommt konkurrenzlos günstige und oft sehr neue Sorten. Für den etwas abenteuerlustigeren Kunden. Ich hatte schon Glück und Pech damit, auf jeden Fall muss man wissen was man will und viel Zeit in die Suche stecken, auch wegen der unterschiedlichen Schreibweisen der Sorten.
  • Direktversender aus Osteuropa. Häufig aus Polen, Slowakei oder Slowenien. Dank Internet und Übersetzungssoftware heute ein normaler Einkauf. Dort sind dann auch die ganz grossen Vermehrer mit dem ganz grossen Sortenspektrum und vielen ganz neuen Sorten zu finden. Die Preise sind zum Zeit noch (2023) sehr niedrig. Beispiele: http://www.winorosl.pl (nach der Liste suchen, bieten Edelreiser und bewurzelte Reiser an) oder https://www.shop.zahradnictvolimbach.sk (oft aber leergekauft), es gibt noch mehr.

 

Die Verkäuferprosa

 

Grosse Beeren, kleines Aroma

Ein eigenes Kapitel sind die Sortenbeschreibungen. Klar, dass alles immer super klingt, es soll ja gekauft werden. Osteuropa-Seiten haben oft ein Zahlensystem für die Krankheitsfestigkeit und andere Parameter. Das ist in Deutschland dann nicht immer nachvollziehbar, die Situation, der Kontext ist eben anders. Man sollte sich also nicht zu sehr auf die scheinbare Solidität von Zahlen und Noten verlassen.

Geschmacksbeschreibungen sind schwierig, Verkäufer verzichten darauf meistens und verwenden nur wenige formelhafte Ausdrücke. Die muss man lesen wie ein Arbeitszeugnis, das auch immer gut klingt, aber eine zweite Ebene enthält, die eigentliche Information. Einige Beispiele habe ich gesammelt und liste das mal auf, hier das kleine 


Lexikon der Verkäufersprache

 

Angenehmes Aroma: Überhaupt kein Aroma.
Feines Muskataroma: Muskataroma nur zu erahnen, aber nicht zu schmecken.
Erdbeerton: Der Geschmack nach nassem Fuchsfell bei Einkreuzung amerikanischer Rebarten, der sogenannte "Foxton".
Angenehmer Erdbeerton: Alle möglichen untypischen Aromen zwischen angenehm und penetrant.
Sehr schmackhaft: Keine differenzierten Aromen, sondern nur süsssauer.
Sehr saftig: Hat kein oder schlabberiges Fruchtfleisch, mehr Kelter- als Esstraube.
Angenehm knackig: Unangenehm dicke Beerenschale.
Geschmack fruchtig–süß: Leer, etwas Zucker, etwas Säure, nichts mehr.
Feinfruchtig: Oft nicht besonders süss.
Fleischige Beeren: Inclusive Sorten mit gallertartig-schleimigem Fruchtfleisch.
Hoher Ertrag: Muss zwingend mit viel Arbeit ausgedünnt werden, sonst mangelnde Ausreife, schlechte Qualität und sterbende Fruchtruten im Winter durch die sommerliche Überlastung und dadurch bedingte unzureichende Holzreife.
Gute Krankheitsfestigkeit: Behandlung gegen die typischen Mehltau-Pilzkrankheiten nötig, ansonsten immer Ernte-Totalausfall.
Sehr gute Krankheitsfestigkeit: Behandlung gegen die typischen Mehltau-Pilzkrankheiten nötig, ansonsten meistens Ernteausfall.
Hervorragende Krankheitsfestigkeit: Behandlung gegen Pilzkrankheiten nicht immer nötig.
Mittelfrühe Reife: Reift oft nicht in Mitteleuropa aus.
Späte Reife: Reift in Mitteleuropa nur in allerbesten Lagen oder gar nicht aus.
Wunderschöne Trauben: Ein Blender ohne innere Qualitäten.
Liebt geschützten Standort: Nicht im Freien, nur unter Dachüberstand pflanzen, ansonsten bleibt sie sauer und krank.
Schöner, starker Wuchs: Gibt ein Monster, das stark geschnitten und geführt werden muss. Viel Holz- und Blattproduktion, wenig gute Frucht.
Sehr grosse Beeren: Platzempfindlich bei Niederschlägen.
Kernarm: "Nur" ein bis zwei Kerne pro Beere, aber im Mund trotzdem kernig, im Biss splitternd und bitter.

Alle Eigenschaften, die nicht genannt werden: Negativ. Fehlen zum Beispiel Angaben zu den Kernen, dann hat die Sorte besonders viele, grosse, unangenehme Kerne.

 

Pflanzung

 

Querschnitt Rebholz - 5cm Durchmesser in 5 Jahren

Das ist noch der einfachste Teil. Dabei kann man sich die Vorschläge der Verkäufer halten. Die Erde um die Rebe herum bewuchsfrei halten, beispielsweise mulchen. Giessen bei wenig Niederschlag, nicht zu oft aber gute Mengen. Der Wuchsbeginn kann sich extrem stark unterschieden, ich hatte schon "verschnupfte" Reben, die erst Mitte Juni ausgetrieben haben oder im ersten Jahr ein aus unerfindlichen Gründen sehr schwaches Wachstum. Das sieht dann aus wie ein scheinbar totes Edelreis. Dann wieder eine, die im ersten Jahr eine vier-Meter Ranke machte. Viel Wasser und wenig Stress (auch Hitzestress ist schlecht!) spielt dabei eine Rolle, das können aber nicht einzigen Faktoren gewesen sein.

Wenn Düngung, dann nur wenig und früh im Jahr, die Gefahr ist gross dass man damit nur die Holzreife verdirbt, weil sie durch den Düngerschub zu lange wächst, dann sterben Zweigpartien im folgenden Winter gleich wieder ab.

Wichtig noch: Gescheine, also Blüte sollte man die ersten beiden Jahre entfernen. Ist sie gut gewachsen, kann man im zweiten Jahr einen kleinen oder halbierten Blütenstand steehen lassen, um die Sortenechtheit zu verifizieren. Und dann, ab dem dritten Jahr beginnt die ersehnte Erntephase mit hoffentlich erwartungsgemässen Ergebnissen!

Montag, 27. März 2023

Nutzgarten zu klein - was tun?

Wer gerne nutzgärtnert, träumt früher oder später von "Selbstversorgung" in den meisten Monaten des Jahres. Wirkliche Selbstversorgung mit Lebensmitteln ist natürlich ein völlig utopischer Traum, für Grundstoffe wie Getreide, Öl und tierische Produkte wie Butter oder Milch, benötigt man wenigstens eine Kleinlandwirtschaft und viel, viel Zeit, dazu viele solide Kenntnisse jenseits von Smartphone-Tipperei. Selbst die Versorgung mit Kartoffeln und Obst stossen in 400-800qm grossen Hausgrundstücken schnell an enge Grenzen. Aber Gemüse und Obst von Juni bis Dezember, Hühnereier, das geht wenn die Familie nicht zu gross ist.

Tricks und Methoden für gute Nutzung

Zentral plazierte eingeschossige Verwinkelungen oder grundstücks-
orientierte Optimierung - ein Riesenunterschied für den Garten

Auch unser Garten ist mir viel, viel zu klein. Das Grundstück ist ca. 700 Quadratmeter gross, das Wohnhaus stammt aus den frühen 1970er Jahren und wurde weder sinnvoll im Grundstück plaziert (wofür ein gemeindetypisch peinlich-vollidiotischer städtischer Bebauungsplan mitverantwortlich war) noch mit Verstand geplant. Es verbraucht viel wertvolle Fläche für wenig Wohnraum, weil ein Dach-Halbgeschoss zwar gebaut werden musste, aber trotz grosser Baumasse wegen zu niedriger Decken nicht bewohnbar sein kann - das wurde vom Bebauungsplan erzwungen. Das Dachgeschoss ist 30cm zu niedrig, Schuld ist die Gemeinde, dazu noch Architektenfehler. Bei allen Nachbarhäusern war man ein bisschen schlauer, wenn auch nicht schlau, wenigstens missachtete man dort einige Bebauungsplanvorschriften gerade so, dass die Gebäude immerhin besser nutzbar wurden. Aber so ist es nun einmal geworden, Umbau wäre im Prinzip ein Abriss - ist Gartenfläche einmal zerstört und zubetoniert, ist sie für immer kaputt. Ich versuche, das Beste aus den Resten zu machen. Wir haben das so getan:

  • Gartenwege nur im nicht anders nutzbaren Traufbereich
    des Hauses, Holzbretter im Nutzgarten
    Keinen Krempel im Garten, keine festen Wege ausserhalb der Traufe des Hauses, kein Beton, keine Hüttchenbauerei. Das benötigt alles Platz, schafft neue dunkle Ecken, zerteilt Kleines in sehr Kleines. Um durch die Beete zu gehen, legen wir simple schmale Holzbretter im Abstand von 2m auf, Überreste der Renovierung. Die lassen sich leicht wieder wegnehmen und ersetzen. Der Abstand beträgt deshalb 2m, weil man etwa einen Meter weit ins Beet greifen kann. Da man das von zwei Seiten her tun kann, ist mit 2m also alles hinreichend bequem pflanz- und erntbar.
  • Auch weniger gut besonnte Bereiche konsequent nutzen. So wachsen bei uns auch auf der Nordseite des Hauses Nutzpflanzen, sogar Gemüse. Entweder es verträgt artbedingt Halbschatten wie zum Beispiel Mangold, Pflücksalate oder es hat eine kurze Vegetationszeit und wächst in den drei Sommermonaten mit hochstehender Sonne, die auch die Nordseite ganz besonnt. Kräuter wie Minze, Melisse, Sauerampfer, Rauke ziehen sogar Halbschatten vor. Man kann dort auch in die Höhe gehen: An Drähten gespannt wachsen Minikiwis, an der Rückwand des nachbarlichen Schuppens werden Tafeltrauben bis 3m hochgezogen, an der Koniferenhecke des anderen Nachbarn streben zwei Pawpaws hoch. Die leichte Beschattung wird von den Nachbarn akzeptiert, wachsen doch bei ihnen sowieso nur sterbenslangweilige Koniferen, Gebäude oder Architektenpetersilie wie Forsytien und ähnliche biologische Wüsten mit Neophyten.
  • Auch sehr kleine Bereiche sind ungeheuer wertvoll, wenn sie gut liegen. Auf einem nur 30cm breiten freien Reststreifen zwischen unserer und der Garageneinfahrt des Nachbarn wachsen zwei Tafeltrauben. Es ist schmal, dafür herrscht dort volle Sonne und leichte Erreichbarkeit. Unten am Boden gedeihen eine Stachelbeere und eine weitere essbare Ribes-Art. Vier reichtragende Obstpflanzen auf winziger Fläche.
  • Zierende Nutzpflanzen statt nutzlose Zierpflanzen! Reine Zierpflanzen und ein ungenutzter Vorgarten müssen nicht sein. Unter den Obstgehölzen gibt es äusserst schöne, zierende Arten, die auch von der Grösse her sehr gut in Vorgärten passen. Beispiele: Mispeln mit ihrem herrlichen Blüten- und Fruchtschmuck sowie tropisch wirkenden grossen Blättern oder Quitten, Nanking-Kirschen (Prunus tomentosa) als niedriger Busch, Pfirsiche, Ölweiden als Hochbusch, Kornelkirschen, Duft-Johannisbeere, praktisch das gesamte Wildobst und vieles mehr.
  • Den Boden in gutem Zustand halten. Flächenversiegelung gleich welcher Art ist tabu. Regenwasser muss überall in den Boden kommen können statt zur Kläranlage abgeleitet zu werden. Das Obstgehölz daneben mit seinen Wurzeln unter Rasensteinen statt Betonplatten wird es danken. Eine Bodenuntersuchung machen lassen, entsprechend den Ergebnissen düngen. Auf kleiner Fläche kann man sich keine Böden leisten, die aus dem Gleichgewicht sind. Bewässerung ist ein Thema, das von Jahr zu Jahr wichtiger wird, weil die häufiger gewordenen Wetterextreme für immer mehr Ernteausfälle sorgen. Immerhin kann man bei anhaltenden Trockenphasen in einem Hausgarten gegensteuern. Wir haben einen Regenwassertank - unter der Terrasse, so dass kein Platz verschwendet wird.
  • Kleinbleibende Obstbäume (wir haben Dank dem Vorbesitzer eine alte Reihe mit Birnen auf schwachwachsender Unterlage), Nutzung von Fassaden für hochleitbare Pflanzen wie Akebien, Wein, Kiwis, das sind altbekannte Taktiken. Grosse Bäume stehen lassen (wir haben eine alte Kirsche), aber keinesfalls solches Obst nachpflanzen. Baumobst freistehender Bäume ist etwas für Obstwiesen. Beerenobst und Obstspaliere passen besser in den Hausgarten.
  • Ebenso altbekannt bei Gemüse sind gute Fruchtfolgen. Nach den Radieschen Frühkartoffeln, danach Radicchiosalate. Ein Beet, drei Ernten. Die in den letzten Jahren verlängerte Vegetationszeit kommt uns dabei entgegen. Eine interessante Erweiterung dieses Prinzips ist, überlappende Kulturen zu pflanzen. So werden im zeitigen Frühling Salat, Radies, Kohlrabi & Co aufs Beet gesetzt / gesät, dann kommen Anfang Mai vorgezogene Paprika oder Tomaten dazwischen. Der Salat wächst weiter, kann noch gross werden bis die Tomaten im Juni gross und schattenwerfend geworden sind. Auch Winteranbau nutzen!
  • Kürbisranken aufs Garagendach
  • Der Kürbis rankt aufs Garagendach hoch, die Chili, die Gurke, Aubergine steht im Kübel auf der Terrasse - man kann auch nutzen, was bereits versiegelt wurde. Vor allem eine Südterrasse, die von Sonne und Wärme überläuft verträgt wärmebedürftige Kübelpflanzen. Am Terrassenrand wachsen Feigen, am Haus Auberginen und Tomaten im Kübel - ohne Braunfäule Dank Dachüberstand.
  • Auf Dinge verzichten, die man in hoher Qualität auch kaufen kann. So sind gelbe Rüben / Karotten im Garten nett, benötigen aber eine lange Vegetationsdauer und sind in durchaus guter Qualität auch käuflich zu erwerben. Bei aromatischen Freilandtomaten oder ausgereiften Melonen sieht es dagegen anders aus, da lohnt sich der Eigenanbau auf den wertvollen Gartenflächen viel mehr, weil der Unterschied zur Kaufware riesig ist.

 

Mehr Fläche?


Der Rest des Hausgartens.
Am schwierigsten ist die direkte Lösung, nämlich einen grösseren Garten in Wohnortnähe zu bekommen. Bauland kaufen wäre in unserer und fast allen anderen Gemeinden dagegen zwar teuer, aber kein Problem, dafür werden Flächen mit grossem Eifer ausgewiesen. Flächen zubetonieren ist Usus, erlaubt, gewünscht, befürwortet, einen Garten anlegen nicht. In unserem sehr engen und dicht besiedelten Bundesland mit permanent hohem Bevölkerungswachstum durch Zuzug (es passiert seit 50 Jahren genau das Gegenteil aller Prognosen der letzten 50 Jahre, nämlich extremes Wachstum mit einer Hochdruckbetankung statt Schrumpfung), dem überall existierenden endlosen Häuser- und Strassenbrei sind Nutzgartenflächen selbst in Landgemeinden die Ausnahme. Das Gegenteil ist der Fall, es wird überall nachverdichtet, zugebaut, überplant - die Gärten werden immer kleiner, immer kaputter, immer verschotterter, immer unnützer. Ganz besonders stark ist der Zerstörungsdruck ausgerechnet in klimatisch bevorzugten Gegenden mit gutem Boden. Dort war die Bevölkerungsdichte auch früher schon höher und heute quetscht sich dort alles noch enger. Oder anders gesagt: Wo nichts wuchs, wohnte auch keiner. Heute wohnt man immer noch dort, hat aber die guten Böden und Lebensgrundlagen duch Überbauung äusserst "nachhaltig" vernichtet. An diesem absolut irren und widersinnigen permanenten Baumasse- und Menschenquetschwachstum können wir Nutzgärtner aber nichts ändern.
Ehemalige Schwemmland-Gärten beim "Umbau"...

Am Haus hatte man auch früher oft wenig Platz, dort hat man sich auf empfindlichere Kulturen und Küchenkräuter konzentriert. Standard für das "gröbere" Gemüse und Kartoffeln für den Eigenbedarf war der sogenannte Krautgarten, am Ortschaftsrand gelegen, oft auch nahe einem Fliessgewässer auf gutem Schwemmland, an der Grenze der Überschwemmungszone. Diese Gärten sind heute zu 99% verschwunden. Hier in Möckmühl wurden sie in den Hochwasserschutz einbezogen und sogleich weitgehend zugebaut, teilweise regelrecht brutal vernichtet (einfach zubetoniert, nicht weiter genutzt) der Rest als Flächenreserve für weitere Vorhaben betrachtet. Auch wenn ein solcher Garten verwildert, bekommt man ihn nicht: Die Besitzer haben zwar keine Lust auf seine Bewirtschaftung, hoffen aber alle darauf, dass ihnen jemand in Zukunft den fetten Hintern damit vergoldet, weil, vielleicht, wer weiss, es könnte ja Bauland draus werden. Ist einmal etwas verbaut, ist damit ein statischer Endpunkt erreicht, Pflanzen, Garten, Natur werden dort nie wieder wachsen können. Es ist vorbei, tot.
 
Schwemmlandgärten Möckmühls nach dem "Umbau"

Patentlösungen, um an einen Garten zu kommen gibt es nicht. Auch in ländlichen Gegenden ist das Vergangenheit. 

Obstwiesen

 
Am ehesten gelingt es noch, eine Obstwiese in benachteiligter Lage oder sonst eine wildgefallene Fläche zu bekommen, deren Vernichtung nicht nicht so leicht vergoldet werden kann. Auch ich habe mangels Alternativen diesen Weg beschritten und einige Abenteuer erlebt, darüber gibt es noch viel unterhaltsames zu schreiben. Dort kann man versuchen, extensiv robuste Obstsorten anzubauen, muss aber sehr viel Arbeit und je nach Zustand auch Technik hinein investieren. Mit einer Handsäge und einem Spaten kommt man auf überwuchertem Grund nicht weiter. Es kann auch komplett schiefgehen, schlechte Böden, Krankheiten und knochentrockene Sommer machen die Anstrengungen zunichte.
 
Obstwiesen sind für Gemüseanbau ungeeignet. Es klingt zwar einfach, wird ab und zu gerne und engagiert probiert, hält sich aber nie. Zäune um ein umgegrabenes Gartenstück sind im Aussenbereich sowieso grundsätzlich nicht erlaubt, Rehe, Hasen, Wildschweine freuen sich darüber. Wasserverfügbarkeit ist immer ein Problem. Offener Boden inmitten einer Wiese leidet immer unter hohen Unkrautdruck, Schnecken wandern permanent zu. Am wichtigsten sind vielleicht die Böden selbst: Obstwiesen stehen fast immer auf schlechten Böden, ungünstigen Hanglagen, ansonsten hätte man keine Obstwiese gepflanzt, sondern einen Acker draus gemacht, der bringt Geld, eine Obstwiese vor allem Arbeit. Sie waren immer eine landwirtschaftliche Nutzungsform für schwierige, acker- und gartenbaulich weniger gute Lagen.
 
Nutzen wir also so gut wie möglich, was noch geht und vergiessen nicht zu viel Tränen über die vielen Dinge, die nicht mehr gehen.
Hausgarten heute. Nachbarschaft.

Dienstag, 28. Februar 2023

Schnapsige Quittenverwertung

Unser grösster Quittenbaum

Unsere Quitten tragen jedes Jahr besser, weil die Bäume mehrerer Sorten stetig wachsen. Sie gedeihen, und es ist wirklich die einzige Obstart hier, die trotz der brutalen Wetterveränderungen mit Hitze, durchgängiger Sommertrockenheit, Spätfrösten und ständigem Import neuer Krankheiten auf der Obstwiese überlebt, Zuwachs hat und verwertbare Ernten bringt. Quitten werden immer wichtiger. 

Auch 2022 war es die einzige Obstart, die eine gute Ernte brachte. Oft verschenken wir einen guten Teil davon, der Rest wird selber verwertet, als Saft, Gärmost, Quittenspeck, Desserts, Gelee, was man eben so macht und schon in früheren Beiträgen genannt und gezeigt wurde. Dieses Jahr wollte aber keiner Quitten. Das war die Chance, mal ein ganz anderes Ziel anzusteuern: ein eigener Quittenschnaps. Der gehört zwar zu den schwierig herzustellenden Schnäpsen und wir trinken Hochprozentiges ohnehin nur selten. Wenn, dann wenig und als Digestif nach einem ausgiebigen Sonntagsessen, aber mal einen Brand aus den eigenen Quitten machen bringt auch Spass und Erlebnis. Das Endprodukt ist haltbar, man kann es also erst einmal stehenlassen (wird dann sogar besser) und der Druck einer sofortigen Verwertung schwebt dadurch nicht über uns.

Wie fängt man sowas an, was benötigt man? 
  • Zunächst mal muss man die Mengen kalkulieren, prüfen, ob man überhaupt genug gute, reife Quitten zusammenbekommt. Gefordert sind 90 bis 140 Liter Maische, mindestens so viele einwandfreie Quitten sollte man also zusammenbekommen. Aus Gründen, die später noch detaillierter beschrieben werden, ist weniger Maische nicht zu empfehlen. Hat man mehr, sollten es Vielfache von 140 Liter sein - also 280 Liter oder 420 und so weiter.
  • HDPE-Fass 100 Liter für den Ansatz
    Benötigt werden dieselben Geräte wie für eine Saftherstellung, Obstmühle, Presse, zusätzlich ein Gär- und Transportgefäss, Reinzuchthefe. Beliebt dafür sind die bekannten blauen Chemikalienfässer ab 100 Liter Fassungsvermögen mit Deckel und Spannring. Oder eben passende Maischefässer aus dem Hausmosterei-Handel. Bekannte Firmen sind beispielsweise Speidel und Rink. Die Chemikalienfässer sind bereits sehr gut, sie sind sehr robust und bruchfest, bestehen aus HDPE (High-Density Polyethylen) und sind voll lebensmittelecht, transportfähig.
  • Das Fass benötigt einen Standplatz, wo die Maische in Ruhe gären kann. Dieser Standplatz sollte kühl aber nicht kalt sein, das schwere Fass muss man dorthin- und wieder wegbringen können, womit ein Keller über eine Treppe oft ein Problem sein wird. Eine robuste Sackkarre ist sehr von Vorteil. Gut geeignet sind Gartenhütten, leere Aussengaragen, Scheunen.
  • Man benötigt eine Abfindungsbrennerei in der Nähe und muss das schwere Fass hintransportieren können. In unserem Fall klappte das nur mit einem Anhänger, nicht im Kofferraum. Eine Brennerei ist kein Laden mit Öffnungszeiten, bevor man mit dem Fass ankommt, erst mit der Brennerei die Details vereinbaren.
  • Wirklich viel Geld benötigt man nicht. Zu zahlen ist der Brennlohn und die Alkoholsteuer.
  • Will man den Brand anschliessend noch lagern, ist dafür ein Glasballon gut geeignet. Für den Transport der Ergebnisse sind Kanister gut. Zum Abfüllen Glasflaschen nach Wunsch.

 

Maische aus Quitten herstellen

Mit der Obstmühle die Früchte zerkleinern

Am Wichtigsten für die Qualität des Brandes ist eine gute Maische. Die Quitten dafür pflückt man, wenn sie vollreif sind, wenn sie "quittengelb" beginnen, von selbst zu fallen. Danach werden sie möglichst sofort und komplett verarbeitet. Wer keine Presse und Obstmühle hat, kann sie auch in einer Lohnmosterei pressen lassen, bekommt dann aber nur Saft und keine Maische mit Fruchtfleisch. Nur den Saft vergären geht, aber mit dem Fruchtfleisch zu vergären, ergibt mehr und besseres Aroma.

Sorten mit hohem Zuckergehalt sind zu bevorzugen. Je mehr Zucker, desto mehr Ausbeute. Unsere Hauptsorte ist da leider nur mittelmässig und erreicht 50-60° OE (12,6 bis 14,7 Grad Brix). Ein billiges Refraktometer klärt den Zuckergehalt schnell. Die anderen Sorten erreichen teils deutlich mehr, 70° OE (17,1° Brix) sind keine Seltenheit, die Rekordwerte bei schwachem Behang und starkem Sommer liegen noch höher. In anderen Regionen mag das weniger oder mehr sein, aber generell lohnt es sich kaum, bei unter 50° OE einzumaischen und zu brennen. Ausbeute und Aromen sind dann zu gering.

Quitten waschen, Flaum abreiben!
Für die Maischeherstellung sollte man sie waschen und Flaum auf der Schalenoberfläche gut abreiben. Der enthält ein Öl, das dem Brand geschmacklich schadet. Bei dieser Gelegenheit sehr genau nach Faulstellen sehen, vor allem um den Nabel herum, zweifelhafte Früchte wegwerfen. Die Guten in die Obstmühle werfen, eimerweise das Fass mit der Maische füllen. Die Maische enthält auch Luftbläschen, für 90 Liter Maische muss der Füllstand also etwas höher liegen.

Quittenmaische verflüssigt sich während der Gärung nicht gut, zusätzlich sollte man bis etwa 20% Quittensaft zugeben, um den Saftanteil sachte zu erhöhen. Also nach der Obstmühle nicht alles ins Fass kippen, sondern auch eine gewisse Menge ganz normal abpressen. Früher hat man gerne etwas Wasser und Zucker zugegeben. Zuckerzugabe ist aber logischerweise wegen der Alkoholsteuer nicht erlaubt und das hätte ohnehin nur den Alkoholgehalt, nicht das Aroma erhöht, also sein lassen! Wir wollen beste Qualität, nicht beste Quantität.
Quittenmaische frisch gemust. Bazig, nicht fliessfähig

Die Maische in Gärung im Fass

Das Fass kommt an den Ort, an dem es ein paar Monate kühl stehen kann. Vorab vermehrte Reinzuchthefe (Sorte: Kaltgärhefe) rein, mit einer sauberen Stange rühren, Deckel darauf, Gärspund. Wir hatten ein blaues Chemikalienfass und einfach den Deckel mit Dichtung locker aufgesetzt, ohne den Spannring zu verriegeln. Dann eine Apfelkiste auf den Deckel gestellt, sodass durch die Gärung ein dauernder leichter CO₂-Überdruck im Fass herrschte und kein Sauerstoff eindringen kann. Anfangs muss man das Maischefass noch gelegentlich öffnen und mit einem Stock umrühren, sonst sammeln sich alle Feststoffe durch die Gärung oben und quellen eventuell aus dem Fass. Also auch genug Raum lassen, etwa ein 120 Liter Fall für 100 Liter Maische nehmen. Nach zwei bis höchstens drei Monaten ist die Maische normalerweise komplett vergoren, auch Fruchtstücke sind musig weich, lassen sich mit der Hand leicht zerdrücken. Mit einer Kelle holt man sich etwas aus dem Fass und prüft, ob das Ergebnis wirklich zuckerfrei und damit ganz durchgegoren ist. Bitte so wenig wie möglich öffnen, nicht "gucken", Luftzutritt ist schädlich.

In der Literatur wird gerne geraten, die Maische anzusäuern, um Fehlgärungen zu verhindern, dafür wird Schwefel-, Milch- oder Phosphorsäure genutzt. Darauf verzichten wir. Wichtiger ist es, gut vermehrte Reinzuchthefe für Gärung in kühlen Räumen zuzugeben. Vorher alles langsam auf gleiche Temperatur bringen, damit die Hefe keinen Kälteschock bekommt. Geht die Gärung schnell und kräftig los und taugt die Maische etwas, ist das ein guter Schutz gegen Fehler wie Essigstich.

Noch etwas Saft ohne Feststoffe dazu

 

Anmelden, Steuern bezahlen

Der Steuerbescheid

Man kann, aber sollte die Maische nicht lange lagern. Vor allem nicht in die warme Jahreszeit hinein. Die Hefe zersetzt sich und das gilbige Aroma eines Proteinabbaus kommt, Fruchtaromen werden schwächer. Also ab zum Brenner, der einem auch dabei hilft, den Brand anzumelden. Kein Schnaps ohne Gesetz, Bürokratie, Behörden, Steuern zahlen. So läuft das:

  1. Der Brenner meldet den Brand auf einem Formular beim Zoll an. 
  2. Dann dauert es mehre Tage bis Wochen. Irgendwann schickt der Zoll eine Rechnung an euch, die sogenannten "Stoffbesitzer". Ihr habt Steuern zu bezahlen - rund 10 EUR pro Liter unverdünntem Alkohol. Die entstehende Alkoholmenge wird vom Zoll nur geschätzt und richtet sich nach einer Tabelle, dem sogenannten Ausbeutesatz. Bei Quitten lag der 2022 bei 2,6. Dieser Wert entspricht der Alkoholmenge in Litern reinen Alkohols (lA), die bei mehligen Stoffen aus 100 kg und bei nichtmehligen Stoffen aus 1 hl der Stoffe gewonnen wird. Hier: Richtlinien und Tabelle. Wir zahlten für unsere 90 Liter Maische etwa 25 EUR Alkoholsteuer.
  3. Der Brenner erhält gleichzeitig vom Zoll die Genehmigung für den Brand und einen Brenntermin, an dem der die Maische brennen muss. Ohne amtliche Genehmigung geht nichts.

 

Der Brand

Die Brennerei. Sauber, aufgeräumt, funktional, gut.

Einige Brenner lassen einen zusehen, wie sie brennen. Der Vorgang erfordert viel Erfahrung und vor allem muss der Brenner seine Destille sehr gut kennen. Die typischen Kleinbrennerdestillen haben alle eine Brennblase mit einem Fassungsvermögen von 140 bis 150 Litern. So löst sich auch das Rätsel, wieso der Ansatz maximal diese Menge haben sollte. Man zahlt immer für den Brandvorgang, egal ob man 50 oder 140 Liter bringt. Im einen Fall ist die Brennblase dann halt voll, im anderen nur teilweise. Pro Liter ist der Brand also um so teurer, je mehr man unter den 140 Litern bleibt. Der Aufwand für den Brenner ist auch derselbe.

Beim Brand entsteht erst Vorlauf, dann Mittellauf, schliesslich Nachlauf und die leergebrannte Maische, auch Plempe genannt - sie wandert meist direkt ins Abwasser, wird also verplempert. Der Vorlauf enthält unter anderem Methanol, ist nicht geniessbar, ja sogar giftig. Er hat auch kein Aroma. Man kann ihn mitnehmen und als Desinfektionsmittel nutzen. Wir bekamen einen Liter Vorlauf. Der Mittellauf ist das gute Zeug. Wir haben ihn gleich vom Brenner mit etwas demineralisiertem Wasser auf Trinkstärke von 42% verdünnen lassen und ihn im mitgebrachten Kanister bekommen. Es waren sieben Liter. Der Nachlauf hat etwas Aroma, aber viele unangenehme Fuselöle. Den haben wir dem Brenner gelassen. Er sammelt den Nachlauf aller Brände der vergangenen Monate und brennt sie am Ende der Saison noch einmal, das gibt noch einige verwertbare Liter Obstler. Anschliessend wird der Brennlohn gezahlt - 45 EUR bei uns, etwas billiger wäre es gewesen, wenn wir das Holz zum Maische kochen in der holzbefeuerten Destille mitgebracht hätten. 

"Schwarz brennen", also selber, illegal ohne den Zoll, das kam für uns nie in Frage. Kleinere Brenngeräte aus dem Urlaub in Osteuropa kaufen und einschmuggeln geht zwar, aber wozu? Beste Qualität ist mit diesen einfachen Destillen nicht zu erreichen. Die Kenntnisse eines erfahrenen Brenners haben wir auch nicht. Teurer Krempel für etwas, das man einmal im Jahr nutzt für ein Produkt, das man wenig konsumiert plus Strafbarkeit, das wäre hirnrissig.

Natürlich bleibt auch so mit Steuern, Brennlohn, herumfahren, dem sonstigen Aufwand alles eine finanziell tief im Minus bleibende Liebhabersache. Man bekommt die Essenz der eigenen mühevoll angebauten Früchte, das ist es auf jeden Fall wert, aber wer glaubt, er kann die Kosten durch Weiterverkauf des Brands wieder hereinholen, wird das nicht schaffen. So ist das eben bei fast allen Hobbys, wer etwas verdienen will muss Händler für Zubehör werden oder Angestellter beim Zoll.

 

Abholen, mischen, lagern, trinken

Brennergebnis - unspektakulär

Schliesslich waren wir auf dem Heimweg, mit unserem leeren Fass und zwei Alkoholkanistern. Zu Hause kann man es natürlich nicht abwarten, das Ergebnis zu probieren. Wir schraubten den Kanister auf und wunderten uns sofort: Der Duft nach Quitten erfüllte das Zimmer. Das hatte ich nicht erwartet. Erwartet hatte ich etwas mehr Obstlerartiges, dass das leichtflüchtige Quittenaroma so stark sein würde, das überraschte. Dann im Glas und im Mund: Intensiv blumig quittig, aus dem Spektrum des Quittenfruchtaromas rollte eine überraschende Fruchtsüsse über die Zunge, die nicht durch Zucker, sondern Aromen entstand. Der Brand war einerseits weich, aber auch noch in der Mitte etwas unrund, was sich durch Lagerung einebnen wird. Dass aber das Kaleidoskop des Quittenspiels mit Lagerung auch so intensiv bleibt, kann ich mir nicht vorstellen. Sicher ist: Der Brenner verstand sein Handwerk meisterhaft und unsere Maische war hochwertig. Auf jeden Fall ein Erfolg für uns, dieser erste Versuch.

Abfüllung in 5l Ballon

Wir haben dann fünf Liter in einen Glasballon getrichtert, gut verschlossen und in den Keller gestellt. In ein paar Monaten füllen wir den Inhalt in Flaschen ab. Kommerzielle Hersteller lagern bis zu zwei Jahre im Edelstahltank vor der Abfüllung. Die restlichen zwei Liter kamen in schmale, schöne 100ml Fläschchen, Korken darauf, Schrumpffolie drüber, Etikett drauf. Dazu zwei Halbliter-Apothekerflaschen, ebenso verschlossen. Die kleinen Flaschen sind ideale Geschenke, grössere Flaschen sollten bei einem halben Liter bleiben. So schnell trinkt man den Sprit nicht und in halbleer getrunkenen Flaschen verliert der Brand an Aroma. Wer trinkt schon einen halben Liter Schnaps auf einmal? Wir jedenfalls nicht.

 

Quittenbrand - das Endergebnis

Getrunken wird bei Zimmertemperatur, nicht aus dem Keller. Beliebt ist Quittenbrand nach dem Essen, pur, laut Büchern besonders nach einem Wildgericht, das ich als Vegetarier eher nicht auf dem Tisch habe. Wenn er aber derartig aromakräftig bleibt, werden wir ihn aber auch als Zutat für Desserts verwenden. Wohl bekomms.

Samstag, 21. Januar 2023

Klimawandel und neue Obstarten

Feigen, reif. Madeleine de deux saisons.

Draussen ist gerade Winter, jedenfalls im Kalender. Zeit für einen etwas textlastigeren, längeren Beitrag.

Wir Nutzgärter erleben es unmittelbar: Die Wettermuster ändern sich grundlegend im Vergleich zu früheren Jahren. Wir erleben serienweise ganz neue Extreme, früher nie erlebte lange Hitze- und Trockenphasen, wochenlang zweistellige Temperaturen im Januar, dann wieder Starkniederschläge, vieles davon früher in diesem Ausmass undenkbar. Die Rekorde purzeln auf allen Ebenen. Aber nicht zum Guten: Gärtnern ist nicht einfacher, sondern deutlich schwieriger geworden.

Häufig hört man von Leuten, die die fortschreitenden Klimaveränderungen in Europa zwar anerkennen, aber nicht tragisch sehen, man könne sich ja anpassen. Viele sehen das neue Wetter als ein "es wird wärmer" Ding an, somit wird suggeriert, immer mehr Gegenden würden in die Anbauzone leckerer Mittelmeergenüsse rücken, die es früher nur südlich der Alpen gab. Man meint, wenn der Apfel wegen Hitze nicht mehr wächst, bauen wir halt irgendwann Bananen, Orangen, Avocados an.

Leute, die auch einen Garten haben, probieren das zur grossen Freude der Verkäufer auch gerne exzessiv aus. Der Kunde und Hobbygärtner hat ein Hoffnungsschema, eine Erwartungshaltung, der Verkäufer bedient das. Hinzu kommt der ewige Wunsch "was neues probieren". Es wird ja wärmer, also könnte es klappen, denkt man. Und fühlt sich als Pionier, der das ausprobiert. Eifrig wird gepflanzt, diskutiert, gehegt und gepflegt. Es gibt eine Reihe von Obstarten, die früher nördlich der Alpen knapp jenseits der Anbaugrenze lagen, die gerade knapp nichts wurden, aber bei mehr Wärme jetzt vielleicht doch etwas werden? Mittlerweile wird stellenweise viel mehr über solche Arten diskutiert wie über den Anbau der Obstarten und -sorten, die erwiesen wachsen und Erträge bringen. Genug Versuche habe ich natürlich auch betrieben und möchte über einige der Erfahrungen berichten. In Wirklichkeit ist das auch kein Phänomen der Gegenwart, sondern ein ewiges Thema, in jeder Warmzeit der Vergangenheit haben die Leute immer wieder dasselbe versucht und glaubten meist, sie wären die Ersten, das das jetzt schaffen. Reste von Mittelmeerobstarten finden sich nördlich der Alpen immer wieder, in Abortgruben des Mittelalters etwa mit Nachweisen von Granatapfelkernen und Feigen. Man hat es immer schon ausprobiert. Gehen wir die typischen Arten durch:


Kaki, Persimone, Diospyros kaki

Kakiblüten an meinem Baum

Bekannt aus dem Supermarkt, meist als Früchte der Sorte "Rojo brillante" oder "Tipo" aus Spanien. Sie hält auch Frost aus, in etwa wie ein Feigenbaum zwischen -8 bis kurzfristig -14°C, wenn sie wirklich  in Winterruhe ist. Theoretisch reichen die Grenzen mittlerweile für ein paar mehr Regionen Mitteleuropas. An dieser Obstart zeigen sich sehr anschaulich alle Chancen und Probleme mit Subtropenobst in Mitteleuropa. Die Verkäufer haben sich schnell auf die Ausprobierwünsche der Kundschaft eingestellt, in jedem Gartenmarkt stehen auch getopfte Kakibäumchen, fertig zum Auspflanzen. Meistens sind das reine Diospyros kaki mit bekannten Sortennamen, manchmal auch Hybriden mit der kleinfrüchtigen und immer stark gerbstoffhaltigen amerikanischen Art, Diospyros virginiana. Es gibt noch die frostharte Diospyros lotus, die Lotuspflaume, die taugt aber geschmacklich nichts. Spezialistenverkäufer haben sich herausgebildet, die viele Sorten haben und versenden, die tolle frostharte und frühe japanische Sorte, die nicht adstringierende schönfarbige Sorte, die besonders robuste Hybride. In die Sorten- und Qualitätsdiskussion und die Versionen der Adringenz will ich aber nur am Rande einsteigen. Ich hatte schon mehrere Sorten verschiedener Typen.

Manche wuchsen super, blühten sogar und hatten Fruchtansatz. Und starben irgendwann alle bis auf eine. Die Ursache war: Spätfrost brachte sie um, hinzu kamen noch einige ungünstig wirkenden weiteren Faktoren. Das neue Klima ist zwar im Schnitt wärmer, aber eines wird fast immer ausgeblendet: Auch die Extreme ins Minus haben zugenommen oder bestehen einfach fort. Und so kommt es, dass wir beispielsweise im Januar heutzutage wochenlang zweistellige Plustemperaturen haben, aber die härtesten Frosttage im April erleben oder sogar Dezember. Im Winter 21/22 gab es nur an einem Tag Schnee - im April. Dafür Anfang Juni 22 noch Bodenfrost. Die winterliche Wärme hilft überhaupt nichts, sondern wirkt sogar tödlich, denn die Bäume ziehen Saft weil es warm ist, beenden die bei subtropischen Arten ohnehin schwache Winterruhe, treiben - und dann kommt viel später eine Nacht mit -8°C wie zum Beispiel am 20.4.2017 und es ist vorbei, weil die Bäume längst voll im Saft stehen. So passiert bei mir. Tückisch dabei ist, dass es auch jahrelang gut gehen kann und man so tun kann, als scheine die Sonne des Erfolgs, aber früher oder später kommt so ein Ereignis und damit der Tod. 

In Gartenforen häufen sich Beiträge von Leuten, die erfolgreich Kakis anbauen. Alles immer super. Das suggeriert, es könnte damit jetzt in ganz Deutschland klappen. Klappt auch, manchmal viele Jahre. Erfolg, stolz und laut verkündet! Aber plötzlich ist Ruhe, Stille. War war los? Spätfrost war los und die Bäume wie die Forenbeiträge werden "sehr schlank". Dieser Zyklus wiederholt sich - zu Freude der Verkäufer. Wenn es besser klappt, dann immer in sehr urbanen Zonen, Stadtgärten, vor Mauern. Die zugebaute zerstörte Landschaft, die Stadt war und ist weiterhin das Geheimnis und nicht das Gesamtklima. Stadtklima schwächt die Minusextreme ab und kennt viele Kleinstklimazonen mit schwächeren Tiefextremen. Aber bereits das gesamte Stadtgebiet von Grossstädten liegt meist zwei Winterhärtestufen über der Umgebung. Derselbe Effekt war schon immer an Feigen ausserhalb bester Gunstlagen zu sehen. Vor der Stadt sterben sie, in der Stadt wachsen sie, gerade so wie wenn es Dank "Klimawandel" keine Probleme mehr geben würde. In Wirklichkeit ist es die krebsartig ausgeweitete Verwandlung des Landes in eine urbane Zone voller Stein, beheizter Gebäude, Strassen, zubetonierter Flächen. Es ist der Siedlungs- und Zerstörungsdruck, der mehr besser geeignete Bereichsinseln erschafft. Ausserhalb davon ist der Traum schon wieder zu Ende. Die Klimakarten beweisen diese urbanen Wärmeinseln sehr gut, wenn man ehrlich genug ist, sie sich mal anzusehen statt nur an wärmeres Gesamtklima oder die eigene gärtnerische Genialität oder gar an pseudowissenschaftliche Theorien des Lyssenkoismus, irgendeiner "Abhärtung" zu glauben.

Noch ein Punkt: Kaki werden als gut trockenfest beschrieben. Das ist schlichtweg eine Lüge, immer abgeschrieben aber nicht gewusst. In ihrem Ursprungsgebiet in Asien haben sie 1200-1500mm Niederschlag, viel davon im Sommer. In Spanien wird massiv bewässert. Anders geht es gar nicht. Die Kaki-Plantagen bei Valencia bekommen den ganzen Sommer über Flusswasser vom Fluss Xúquer. Auch ich musste lernen, dass der deutsche Sommer jetzt in zwei von drei Jahren in unserer Region keine nennenswerten Niederschläge mehr hat und Pflanzen wie Kakis damit verhocken, vertrocknen, stehenbleiben, ausser man schafft kräftig Wasser herbei. Von wegen "Subtropenpflanze, trockentolerant", das ist eine weitere Fehlannahme.


Granatapfel, Punica granatum

Der Anbau des Granatapfels wurde in allen Warmzeiten der Vergangenheit bereits in Mitteleuropa versucht. Er hat in etwa dieselben Frostgrenzen wie Kakis, tendentiell etwas schlechter. Ständig wurde versucht, ihn zu pflanzen, dauerhaft gelang die Einbürgerung nie. Auswahlzüchtung und alle greifbaren Sorten schafften es 2000 Jahre lang nicht, ihn nördlich der Alpen zu etablieren. Für ihn gilt dasselbe Problem wie für Kakis mit schnell beendeter Winterruhe und Spätfrostproblematik. Er ist zwar etwas trockenfester, hat dafür mehr Probleme mit Kaltphasen im Frühjahr. Dann stirbt er oder die Blüten erscheinen erst sehr, sehr verzögert, weil der erste Blütenknospensatz erfriert. Ein Fruchtansatz wird so nicht mehr reif. Wer ihn pflanzt, erlebt dasselbe wie bei Kakis: Erfolg, Erfolg, Misserfolg, Erfolg, Spätfrosttod. Über die Erfolgsjahre spricht man viel und laut, zum Tod viel weniger, das ist eher peinlich, angenehmer ist das Bild, Granatapfelanbau würde heute gelingen und man selber wäre ein Pionier dabei, zumindest wäre man aber offen, experimentierfreudig, modern oder hätte eine supertolle Gartenlage.

Meine leben noch, sind aber auch schon in einem Winter mit schwachen Frost von -8°C kräftig zurückgefroren. Das tun sie mehr oder weniger alle, auch in milden Wintern. Eine ist die Sorte "Granatapfel Sorte 1" aus Bulgarien, eine kleiner bleibende Ostblockzüchtung die ohne Pflege lange Jahre überlebt hat und sehr frosthart sein soll. Die Andere "Hermione", auch sehr robust. Leider ganz eindeutig nicht bei mir. Lustig ist die wundersame Steigerung der Frosthärte - Granatäpfeln sagt man -10°C Härte nach, im bulgarischen Datenblatt wird die Sorte mit -11°C aufgeführt, deutsche Verkäufer machen -18°C daraus. Ebay-Verkäufer gehen auf -20°C rauf. Das sind schlichtweg Verkäuferlügen und auch die üblichen Märchen der Wundersorten aus Kasachstan, Usbekistan oder sonstwo bringen das nicht. Die ferne Herkunft aus angeblich kalter Gegend ist auch ein typisches Verkäuferrequisit bei all diesen Pflanzenarten und gehört dazu wie der Prinz zum Märchen.

Bekannte weitere Sorten, die mit überdurchschnittlicher Frosthärte in Verbindung gebacht werden sind Salavatski, Sotschi, Russian, Provence, Agat, Kazake. Manche sind nur für Saft tauglich. Wer es ernsthaft probieren will, sollte eine der kleinbleibenden Sorten nehmen und in einer Stadt direkt an eine Hauswand pflanzen. Niemals freistehend. Er soll sich freuen, wenn sie im Sommer wächst und nicht ärgern, wenn sie jeden oder jeden zweiten Winter wieder zurückfriert.


Loquat 

Nespoli, Nisperos, japanische Wollmispel, Eriobotrya japonica. Auch eine der Dauer-Wunschfrüchte für den eigenen Garten. Kleiner Baum oder Busch. Empfindlicher wie eine Kaki. Ihr eigentliches Problem sind aber die Blüten, sie blüht nämlich im Herbst, Früchte im Spätfrühling. Bereits ab mittleren Frösten im Winter erfrieren die kleinen Fruchtansätze. Die Pflanze überlebt also deutlich mehr Frost wie die Früchte. Die Jungfrüchte im Winter sterben unter -3°C. Der Baum schafft -10°C. Aber was bringt neues Obst, das nicht trägt? Am Bodensee und Rheinebene kannte ich Bäumchen, die aussehen als würde es klappen. Sie überlebten und wuchsen schön, endeten dann nach obigem Muster. Exitus nach einem ungünstigen Winter. Mein eigener Baum schaffte zwei Jahre. Grösser und selten mit Früchten schaffen sie es ausschliesslich an Küstennähe, einzelne Bäumchen sind auch aus städtischem Gebiet vor Mauern und am Rhein bekannt. Dort bestätigt sich das Mantra als universell gültig, dass es nur ganz spezielle Gunstlagen sind, in denen Hoffnung auf einige Jahre Wachstum besteht.

Wer es probieren will: Nicht aus einem Kern einer gekauften Frucht ziehen. Es gibt blassere tropfenförmigere japanische Sorten, kräftigere chinesische Sorten und am Mittelmeer populäre Sorten. Die japanischen Sorten sind oft leicht frostfester (aber nicht die bekannte "Tanaka", die auch bei gehandelten Früchten sehr verbreitet ist), aber das sind nicht die Sorten deren Früchte manchmal hier käuflich sind. Einige Hybriden sind vielleicht anbauwürdiger, etwa "Coppertone" oder "Rose Anne". Das sind Hybriden mit Glanzmispeln und zwar nicht frostfester, aber die blühen im Frühling statt im Herbst. Auch "Piera" schafft das, eine alte Mutante von "Algerie" die plötzlich lautstark von einem Händler vermarktet wird. Damit steigt die Chance auf Früchte, da sie im Sommer wachsen statt über den Winter. Ihre Sommerfrüchte sind jedoch leider schlecht, unter anderem der Zuckerhalt ist gering und die Fruchtgrösse ist lächerlich klein, sie haben weniger Fruchtfleisch wie eine Kirsche.


Morus Australis

Die koreanische Maulbeere, um auch etwas zu nennen das es öfter schafft. Bekannteste Sorte ist "Mojo Berry". Es gibt noch mehr Sorten, einige bleiben angenehm klein. Ähnelt anderen Maulbeeren, auch die Früchte, die aber kleiner sind und bei morus australis reif immer schwarze Farbe haben. Tatsächlich ist das eine Art, auch mittlerweile hier gelingt, wenn sie als Jungpflanze geschützt wird. Sie schafft nach zwei Jahren einwachsen -14°C, bleibt aber spätfrostempfindlich, mir ist schon öfter der Austrieb abgefroren. Hauptvorteil gegenüber anderen Maulbeeren ist, dass Morus Australis kein Riesenbaum wird wie es andere Morus werden, sondern ein Busch bleibt. Die Früchte erreichen zwar nicht das Niveau von morus nigra (der in Deutschland nicht wächst), aber sind besser als die meisten morus alba, stilistisch kaum zu unterscheiden. Sehr klein, nur 1cm-Früchte. Nicht viel Eigenaroma, aber saftig und süss.

Auch andere Maulbeerarten werden probiert. Leider ist nur die riesig werdende Morus Alba zuverlässig winterhart sowie Hybriden aus ihr mit Morus rubra ("Illinois Everbearing"). Die echte Morus Nigra mit den rauhen Blättern geht nicht und leider auch Morus macroura mit ihren grossen Früchten nicht. Morus kagayamae wird gross, wenn sie nicht zurückfriert, was sie leider immer wieder tut.


Winterharte Passionblumen

Blüte

Leider nicht wirklich winterhart. Passionsblumen sind eine sehr vielfältige Gattung, aber keine davon ist in in Mitteleuropa heimisch. Viele Arten werden der sehr schönen Blüten wegen im Topf angebaut. Etwas frostfester sind passiflora caerulea (Blaue Passionsblume) aus Südamerika; Passiflora lutea (Gelbe Passionsblume) und passiflora incarnata aus Nordamerika. Letztere hat vielleicht die interessanteren Früchte und ist auch eine alte Arzneipflanze. Eine Fruchtsorte ist "Eia popeia". Die Maracuja, passiflora edulis ist leider überhaupt nicht frosttolerant, sie hat die besten Früchte. Dann gibt es noch eine unübersehbare Anzahl von Versuchen mit Hybriden und weiteren Arten wie passiflora iridescence (Früchte taugen aber nichts). Alle Arten haben hierzulande Probleme mit der Ausreife, wenn sie denn Früchte ansetzen. Die Winterhärte beruht darauf, dass sie zwar oberirdisch abfrieren, aber wieder gut aus der Wurzel austreiben. Blüten erscheinen sowieso an neuen Trieben. Das bedeutet aber eben leider auch, dass sie erst spät blühen können und dann die Früchte selten noch reif werden. Eigentlich müssen sie von selbst abfallen, etwas Nachreife ist auch nötig.

Die Früchte haben alle wenig Inhalt, aber viele Kerne, dazu mehr oder weniger leckere glibberige Saftschläuche, verwertbar ist der Inhalt nur im Grammbereich.

Meine Freilandversuche waren nur kurz erfolgreich. Als Pflanze schön, als Fruchtsorte wenig Gewinn.

Reife Früchte - innen aber nicht viel drin


Feige

"Dottato" Früchte

Ficus carica, Mittelmeerfeigen gehören wirklich zu den wenigen Gewinnern, die es in einigen Zonen Mitteleuropas im Gegensatz zu anderen Mittelmeearten ab und zu schaffen. Ausserhalb der Städte bleibt das aber auf ein paar Regionen beschränkt. Eine Feige statt einem Apfelbaum auf der Obstwiese ist nicht drin. Und noch etwas bleibt schlecht: Die Ertragshoffnungen. Das bei den anderen Arten ständig wiederholte Mantra gilt auch für Feigen. Winterfrost ist seltener Todesgrund, aber lange Wärmewochen im Winter, Austrieb und dann doch noch Spätfröste machen die Schäden, also genau der Wetterstil der uns neuerdings quält. Friert Holz an älteren Pflanzen ab, wächst es leicht nach, sie regeneriert gut.

Über Feigen wird vermutlich am meisten geschrieben, deshalb möchte ich mich kurzfassen und nur ein paar eigene Sortenerfahrungen fürs Freiland geben, fünf Sorten habe ich. "Negronne" war zwar sehr frosthart aber ein totaler Reinfall, da viel zu späte Reife. Wer Chancen auf eine Ernte haben will, muss Ende August pinzieren, die Triebspitzen abschneiden. Eine Feige für Topfkultur, "Dottato" hat manchmal unansehnliche Früchten, ist aber zusammen mit der schöneren aber hoch wachsenden "Ronde de Bordeaux" ein sicherer, ausreifender Träger. "Madeleine de deux saisons" zeigt sich als Schönheitskönigin, aber nur die seltenen Sommerfeigen reifen sicher. Aromatisch sind sie alle, wenn sie Sonne haben. Gut frosthart sind noch ein paar mehr Sorten, meistens aber mit Abstrichen an den Früchten. Trotzdem können sie sehr gut werden - in besonderen Jahren mit einer Kombination von glücklichen Umständen. In drei von vier Jahren werden sie bei mir suboptimal, Aprilfrost zerstört die erste Ernte fast immer und bis die Zweite in die Nähe von Reife kommt, ist es Herbst, ein guter Teil der Ernte wird je nach Sorte nicht mehr reif. Leute, die regelmässig von guten Sorten ausgepflanzter Bäume ernten haben sie in Innenhöfen stehen, direkt an Hauswänden, Mauern, ab März abgedeckt vor Frostnächten., in Gunstlagen. Der Aufwand ist erheblich, von "wächst jetzt bei uns" deutlich entfernt. Gunstlagen sind z.B. die Pfalz, Teile des Rheintals, die erwähnten Grossstädte - dort ist es keine Kunst, Feigen zu ziehen, aber 5% der Landesfläche sind eben kein "das geht jetzt auch hier".

An Mauern wuchsen Feigen immer schon recht gross

 

Zitrus

Zitrusblüte. Die meisten Arten duften.

Sie sind der absolute Wunschtraum der Mitteleuropäer seit Jahrhunderten, seit Zitrus im Mittelmeerraum wachsen. Mit absurdem Aufwand wurden sie in Mitteleuropa bereits in der Renaissance gepflegt, Fürsten liessen Orangerien bauen, abschlagbare Hütten mit Ofen um ausgepflanzte Bäume im Winter herum aufstellen, es gibt eine eifrige Züchtung, man hat viel versucht. Jeder will Zitrus, Jeder versucht es. Übrigens auch in China, Korea, Japan und das dort schon sehr viel länger, immer ging es um Ausweitung der Wuchsorte. Die Grenzen konnten ein klein wenig in kühlere Gebiete hinein verschoben werden, aber mehr nicht.

Zitrus Poncius Trifoliata... hübsch.

Und ebensolange ist man auf Dauer in den meisten gemässigten Zonen erfolglos. Jedenfalls, um gute Früchte zu bekommen. Denn tatsächlich wächst sogar eine Zitrusart im Freiland Mitteleuropas: Die weitgehend ungeniessbare und auch sonst kaum nutzbare dreiblättrige Orange, Poncirus trifoliata, sie ist leider ein hässlicher Stachelstrauch. Hat man Glück, bekommt man einen Sämling, dessen generell kernreiche Früchte ein paar Teelöffel voll sauren Saft schaffen, alles andere ist terpentinartig gewürzt und ungeniessbar. Weitere Sorten und Arten sind Hirngespinste geblieben, auch alles aus dem steten Strom der Wunderhybriden. Die geheimnisvolle japanische Yuzu (die ich hatte und von deren Qualitäten ich sehr enttäuscht war), die Emorange (ihre behauptete Frosthärte geht auf einen Fehler mit Fahrenheit und Celsius zurück, trotzdem anhaltend grosse Hoffnung), die Poncirus-Hybriden (entweder frostfest oder ungeniessbar, aber nie beides), die Citsuma Prag Chimäre, die Citrumelo, die Citrange Morton oder Carrzio, Citrus ichangensis...  Namen werden erfunden ohne Ende und gekreuzt wird eifrigst, jedes Jahr neue "Erfolge" vermeldet. Aber es bleibt dabei: Nördlich der Alpen im Freiland schwierig bis unmöglich. Am ehesten wachsen Zitrus noch an den Küsten. Dann haben sie aber Probleme mit der Ausreife. Zitrus - nur kein Problem wenn als Topfkultur oder mit aufwendigen Anbausystemen, Pflanzung in tiefen Gräben, dann im Winter abdecken und ähnliche "Tricks".

Bei den essbaren Sorten reichen schon geringe Minusgrade aus, um schwere Schäden oder Totalausfall zu verursachen. Kurze Fröste in einzelnen Nächten werden besser vertragen. Bei mir schaffte es nur eine Poncirus im Freiland, kein sehr obstattraktives Gewächs, am brauchbarsten für die Unterlagenproduktion, wenn man Zitrussorten selbst veredelt.

 

Oliven

Auch das haben viele probiert. In mehreren Gegenden haben in den letzten zehn Jahren Fans Olivenhaine gepflanzt. Engagiert Hobbyisten probieren es so wie bei anderen Fruchtarten auch, manchmal sehr gut dokumentiert wie beispielsweise "Olivenhain Kraichgau". Es gibt sogar schon eine Firma mit klug gewähltem Namen "Ein Olivenhain zum Selbermachen", die ganze Olivenhaine in Österreich nach Auftrag verkauft. Oft auch als lokale Attraktion und in den Medien verkündet. In Österreich im vermeintlich warmen Burgenland und der Steiermark ist das gerade ganz besonders Mode mit massenhaft Versuchen. In Deutschland gibt es jedes Jahr ein paar Meldungen von neuen Olivenhainen. Der Grösste ist wohl in Pulheim-Stommeln bei Köln. Beliebte Sorten sind Empeltre, Arbequina und Lecchino. Auch hier geht es immer eine Zeitlang gut und dann kommt ein Unglücksjahr mit Frost zur Unzeit oder Tiefsttemperaturen zur Unzeit. Danach - Schweigen.


Erdbeerbaum

Der westliche Erdbeerbaum (Arbutus unedo) wächst rund um das Mittelmeer wie Unkraut, deshalb kennt man ihn aus einem Urlaub. Er ist schön, seine kirschgrossen Früchte auch, deshalb will man ihn auch in Mitteleuropa. Die Früchte taugen leider nichts, sie haben kaum Aroma. Er blüht immer weiter, während schon Früchte da sind. Funktioniert in Gunstlagen in Städten, friert oft zurück, ausserhalb davon nicht lange überlebensfähig.

 

Pistazien

Hätte man gerne, Bäumchen sind aber kaum zu bekommen. Einige Verkäufer betrügen oder wissen es nicht besser. Per eBay kommen ähnliche verwandte Arten wie der Mastixstrauch oder Pistacia chinensis (nicht essbar). Echte Pistazien halten höchsten -10°C aus, vorausgesetzt das dauert nur wenige Stunden nachts und wird tagsüber wieder warm. Der Mastixbaum hält ein klein wenig mehr aus und in den Botanischen Gärten steht der noch frosthärtere Pistacia chinensis, er suggeriert Besuchern, es wären echte Pistazien, aber das stimmt nicht.


Brasilianische Guave, Feijoa

Die Art heisst Acca sellowiana und hält die berühmten -10°C aus, wie sie in der langen Listen bei vielen anderen Gewächsen auch behauptet wird. Frost plus Sonne mögen sie gar nicht. Die Blüten im Frühjahr sind hübsch und sogar essbar. Die Frucht ist ein grüner, Einlegegurken- oder kartoffelförmiger Bollen, die Konsistenz ist relativ weich und saftig, das Aroma wie eine säuerliche Birne mit etwas Banane. Sie ist nicht süss. Kaufen kann man die Pflanzen in italienischen Baumschulen, bekannte Sorten sind Gemini, Apollo, Grossa de Sicilia, Mammoth, Triumph, Cooldige, Marian. Dann noch die Wundersorten aus Neusseeland, Kakariki etwa. Ich hatte sie selber noch nicht, weiss aber von innerstädtischen Pflanzen im Rheintal. Die Früchte enttäuschten auf Dauer immer. Viel Aufwand, Ergebnis witzlos.

 

Weitere Spezialitäten

Die Liste der Hoffnungen, die mittlerweile hierzulande im Freiland probiert werden geht noch sehr viel weiter. Dazu gehört noch die Ugni, die Chilenische Guave (Ugni molinae), Frosttolerante Avocados (Sorten wie Poncho oder Mexicola), die schwarze Maulbeere Morus Nigra (die echte und NICHT schwarzfrüchtige morus alba), gelbe und rote grossfrüchtige Kiwis (actinidia deliciosa, grüne Sorten reifen eher aus), Che (Cudrania tricuspidata, Seidenraupenbaum), Jujuben und noch einiges mehr. Auch die Endlosgeschichte mit Prunus Salicina, der chinesischen Pfaume und ihrer ebenso endlosen Hybridenzahl gehören dazu. Seit 150 Jahren jedes Jahr als Neuheit gefunden, teuer besorgt, gepflanzt da "winterhart" und aufgrund der frühen und empfindlichen Blüte sehr zuverlässig ohne Ertrag. Zierpflanzen, bis sie von Monilia dahingerafft werden.

 

Zusammenfassend kann man hinsichtlich des Ziels, mehr Fruchtsorten anzubauen feststellen:

  • Spätfröste sind häufiger das Problem wie mangelnde Winterhärte. Spätfrostprobleme sind nachweislich sogar weit schlimmer geworden, nicht besser.
  • Bei ihrer Winterhärte sind weniger die absoluten Temperaturen das Problem, sondern das stark wechselnde Wetter mit langen Wärmephasen, das die Winterhärte herabsetzt und nachfolgenden Frost viel problematischer macht. Mitteleuropa kombiniert aufgrund der sehr ungünstigen Lage die problematischen Elemente von atlantischem und kontinentalem Klima. Feuchte lauwarme Luft vom Meer satt, dann wieder der Kaltluftvorstoss direkt aus Sibirien.
  • Wachsende Gehölze bedeuten nicht, auch zu ernten. Was immer wieder wegen Frost nachwachsen muss, fruchtet schlecht oder zu spät im Jahr. Die mögliche jährliche Vegetationsdauer ist für fast alle Arten ein Problem.
  • Der Wasserbedarf wird fast immer unterschätzt. Die Mehrheit der Arten benötigt nicht nur Wärme, sondern auch feuchten Boden, die letzten zehn deutschen Sommer zeigten, dass das die Ausnahme geworden ist.
  • Die Fruchtqualität hält in vielen Fällen nicht, was man sich erhofft. Ausreifeprobleme, fehlendes Licht ab dem Äquinoktium bremsen die Qualität, eine Menge Arten haben schon von Anfang an nichts drauf. Erst probieren, dann pflanzen! Eine Minderheit anderer Arten sind ein echter Gewinn, wenn sie denn mal gelingen, Feigen etwa oder Kakis.
  • Die kälterobusten Sorten innerhalb der Arten sind selten die mit guter Fruchtqualität. Das zeigt sich besonders bei Kakis, Jujuben, Zitrus.
  • Als Hobbys und zum Spass kann und sollte man natürlich alles pflanzen, alles ist möglich, man sollte sich nur nicht zu viele Wunschphantasien machen, sonst wird man zu oft enttäuscht. Wir wollen Spass und Erträge, nicht die Kassen der Verkäufer füllen und dann das Ergebnis tot abräumen. Über den Exoten sollte man nicht die bewährten Arten vergessen, die einem auch gute Erträge bringen. Eine edle Birne mit schmelzendem Fruchtfleisch und müskiertem Wohlgeschmack und ein paar Eimern Ernte macht Spass, vor allem wenn die Qualitäten weit besser wie die schlechte Kommerzware aus dem Supermarkt sind.