Rindenbrand, Diplodia Mutila |
Letzte Woche habe ich viele Obstbäume auf meinen Obstwiesen umgesägt, zerlegt, Äste verbrannt. In zehn Jahren hat mehr als die Hälfte der Bäume schwere Probleme bekommen, viele der jahrhundertelang gängigen Sorten sind komplett verschwunden. Seit Jahren herrscht Endzeitstimmung bei denen, die noch Obstbaumwiesen pflegen und nicht in begünstigten Regionen leben.
Das dahinsiechen und sterben der Obstwiesen geht viel schneller wie gedacht. Zu den alten bekannten Problemen sind einige drastisch wirkende neue Probleme dazugekommen, die alles stark beschleunigen. Hier die Top-3, die in meiner und leider noch viel mehr anderen Regionen zuschlagen:
Trockenheit
Noch nie dagewesene Sommertrockenheit kombiniert mit weit überdurchschnittlichen Temperaturen. Schon längst sind Jahre mit durchschnittlichen Niederschlägen und Temperaturen die grosse Ausnahme geworden. Ein Rekord nach dem Anderen fällt, trockene Hitzejahre waren seit 2003 die Regel. Zuletzt schaffte es das Jahr 2018 sogar mit einer Jahrtausendtrockenheit. Obstwiesen, die nicht auf guten Keuperböden stehen, abseits von Gunstlagen wie z.B. am Alpenrand oder vor Mittelgebirgen wo noch mehr Niederschläge kommen werden gnadenlos ausgebrannt. Mühsam gekaufte, gepflanzte und gepäppelte Jungbäume vertrocknen, denn Bewässern kann der private Wiesenbewirtschafter nicht so, wie es nötig wäre. Auch an Altbäumen sterben schlecht versorgte grosse Äste, 2018 kam dann noch ein Schwung Sekundärprobleme, Herbststürme die das trockene unflexibel gewordene Holz abrissen.
Misteln
Misteln fressen sich regionenweise durch alle Apfelbäume. Aus irgendeinem Grund hat sich ihre Ausbreitung massiv beschleunigt. Die Bäumen hungern aus und gehen schliesslich ein. Bäume auf ungepflegten Wiesen sind in wenigen Jahren komplett durchseucht und wer seine Wiese noch pflegt, bekommt es mit starkem Befallsdruck zu tun. Dem er nicht einmal richtig begegnen kann, an einem Hochstamm kommt man nun einmal nicht an die meisten Äste ran. Dazu ist schon ein Beitrag erschienen: https://gartenzone.blogspot.com/2020/02/misteln-parasiten-obstbaumen-auf-dem.html
Rindenbrand, Krankheiten
Das schlimmste Problem ist meiner Ansicht nach die stark gestiegene Virulenz mehrerer Krankheiten, an erster Stelle steht bei Diplodia Mutila, der Rindenbrand. Am meisten Probleme macht sie in wärmeren und trockenere Gegenden, auf Wiesen mit Süd- und Südwestausrichtung. Je nach Region hat sich auch schon Marssonnina Coronaria, eine Blattkrankheit vorangefressen. Rindenbrand trat zum ersten Mal grossflächig nach dem extremen Hitzejahr 2003 auf. Danach häuften sich die heissen und trockenen Jahre und damit der Befall, ab 2018 fegte die Krankheit derart durch die Obstwiesen dass oft kein gesunder Baum mehr blieb.
Was ist das nun für ein Zeug, der Rindenbrand? Diplodia Mutila ist ein Pilz, ein Schwächeparasit. In letzte Detail gehen will ich da nicht zu sehr, nachzulesen ist bereits viel im Internet, ich bleibe bei der Praxis. Er befällt viele Obstbaumarten, am häufigsten Äpfel. An ihnen verursacht er absterbende Rindenpartien an Stamm und Ästen, verursacht Wunden die nur schwer oder gar nicht mehr heilen. In kommerziellen Plantagen interessiert das niemand, wo sowieso ständig Fungizide ausgebracht werden wird auch dieser Pilz (noch?) zurückgehalten, während er auf Obstwiesen seit Jahren bestandszerstörend wird. Das Anfangsstadium ist nur bei genauem Hinsehen zu erkennen, danach sind die Symptome eindeutig. Dazu einige Bilder:
Orleans Renette |
Junger, eigentlich vitaler Baum einer Orleans Renette, eine 500 Jahre alte französische Sorte. Hochstamm. 2019 beginnende Rindennekrose, 2020 platzt sie auf. Ich schneide die infizierten Stellen heraus und bestreiche den Stamm mit einem Fungizid. 2021 beginnen die Ränder ganz langsam wieder zu wachsen, aber Diplodia weitet sich trotzdem den Stamm rauf und runter weiter aus. Mittlerweile auch eine zweite Befallsstelle.
Rebella |
Sorte Rebella, Neuzüchtung, fünffachresistent und eigentlich sehr robust. Baum 12 Jahre alt. Mehrere Infektionen am Hauptstamm, die langsam wieder zuwachsen. Immerhin ist da noch Hoffnung.
Robuste Mostsorte |
An borkigen Stämmen ist der Befall seltener, aber nicht ausgeschlossen. Dieses Apfelbäumchen hat seit 2018 Befall an allen Leitästen, die südseitigen Äste haben damit begonnen. Ein Totalschaden.
Goldparmäne |
Jüngere Goldparmäne. Diese Sorte zeigte sich hochanfällig und war schon vor 2018 in der Gegend praktisch ausgestorben. Grossflächiger Befall an Hauptstamm und allen Ästen. Nachdem die Äste abgestorben sind, treibt der Baum durch den Saftstau viele Triebe unterhalb davon aus. Auch sie werden dann aber erfasst, der Baum stirbt. Entfernt man solche Sporenschleudern nicht schnell von der Wiese, haben die anderen Bäumen noch mehr Befallsdruck.
Ontario |
Auch hier: Alle Leitäste befallen. Der Baum stirbt.
Jonagold |
Kronenbereich eines gefällten Jonagold. Das schwarze Russ und die Nekrosen: Rindenbrand.
Jonagold |
Dünne Äste werden ebenso befallen. Hier das Anfangsstadium, bevor die Rinde abplatzt.
Jonagold |
Ältere Befallsstelle tiefer am Stamm. Die Nekrosen sind zu gross, um wieder überwallt zu werden. Sekundäre Schäden entstehen, Käferfrass etwa.
Feuer, verbrennen eines vom schwarzen Rindenbrand schwer befallenen Baums |
Das Ende. Das befallene Geäst der gefällten schwerkranken Bäume sollte verbrannt werden wenn möglich, der Pilz sport sonst weiter aus.
Deutlich mehr als die Hälfte meiner Bäume sind schon weg oder absehbar weg, darunter auch Birnen. Noch habe ich nicht aufgegeben und pflanze nach, dazu weiter unten mehr. Empfohlen wird auch ein Weissanstrich auf den Stamm, aber das könnte höchstens bei sehr jungen Bäumen etwas verzögern. Problem: Auch im Geäst oben findet Rindenbrandbefall statt. Man kann nicht jeden Ast weiss anpinseln. Und auch ältere Bäume erwischt es je nach Sorte.
Sorten
Sicher ist, dass die meisten alten Sorten Mittel- und Westeuropas anfällig sind, einige davon sehr stark. Es gibt viele Einzelbeobachtungen aus einer bestimmten Gegend, aber wenig bis keine allgemeine, verlässliche, fundierte Sortenlisten, die Anfälligkeiten auflisten. Einige Einzelbeobachtungen von mir, sortiert nach Befall:
- Golden Delicious. Anfälligste Sorte, nicht überraschend. Starb schon nach der ersten Welle 2003. Diese Sorte hält ohnehin mehrere Rekorde bei Krankheitsanfälligkeiten. Reine Plantagenpflanze, völlig abhängig von intensivem Pflanzenschutz.
- Goldparmäne. Taurig, das Ende einer uralten erstklassigen Sorte mitzuerleben. Bäume ab 2003 befallen, letzte Reste ab 2018 vernichtet. Nichts mehr da. Durchweg schwerer Befall.
- Jonagold. Eigentlich gar nicht so empfindlich für eine kommerzielle Sorte, aber seit 2018 gründlich absterbend, Befall bis in feine Äste hinauf. Rodung nicht zu vermeiden. Viele Golden Delicious-Abkömmlinge sind hochproblematisch, somit stellt fast die gesamte Neuzüchtungsapfelriege eine Sackgasse voller katastrophaler Risiken dar, denn Golden Delicious ist in praktisch allen neuen Sorten als Elternsorte enthalten. Oft mehrfach eingekreuzt. Auch in die schorfresistenten Sorten. Überall. Den Züchtern sei gesagt: Ihr habt Riesenmist gebaut. Nicht unerwartet, Golden Delicious ist ist eine grundsätzlich für viele Krankheiten sehr anfällige Sorte, auch ihr Rindenbrandproblem war aus wärmeren Ländern schon lange bekannt.
- Gala. Stibt eben, Befall schon als Jungbaum. Golden Delicious im Stammbaum...
- Klarapfel. Ältere Sorte, aber leider auch sehr anfällig. Auch auf Trockenheit.
- Berlepsch. Besonders die Jungäste in der Krone erwischte es bald. Dieser Apfel ist auch von den klimatischen Anforderungen nicht mehr geeignet, er kommt mit der Hitze nicht klar.
- Zabergäu Renette. Wieder eine erstklassige Renette, die zunehmend Probleme bekommt.
- Conference Birne. Die anfälligste Birne bei mir. Tote Leitäste, alle Bäume mussten trotz gutem Standort gefällt werden.
- Orleans Renette, siehe Bild. Bitter.
- Roter Bellefleur. Alte Sorte, trotzdem mit schnell fortschreitenden Schäden.
- Gloster. Musste gefällt werden.
- Ontario. Musste gefällt werden.
- Weisser Wintertaffetapfel. Gefällt. Leitäste befallen.
Sorten, die bis jetzt (!) etwas besser, wenn auch nicht gut dastehen sind der gute alte Brettacher, Idared, Glockenapfel, der Boskoop in allen Mutanten.
Bislang befallsfrei sind der Rote von Simonffi, Siebenkant, einige Birnen, alle Quitten. Zweifellos kommen in den nächsten Jahren noch weitere Erfahrungen zu mehr Sorten dazu.
Was pflanzen?
Die grosse Frage ist natürlich, was stattdessen an Äpfeln gepflanzt werden sollte. Wenn man sich überhaupt noch die Mühe macht, denn die anderen Obstwiesenprobleme mit Sommertrockenheit und Misteln bestehen ja weiter.
Logisch wäre, Äpfel aus dem feuchten, atlantisch-gemässigten Klima Englands, weite Teile Frankreichs, der Nordsee zu meiden. Das heisst nicht, dass darunter keine Diplodia-festen Sorten sind, aber die Risiken sind höher, weil sie mit diesem Problem seltener konfrontiert waren, wenn sie keinen breiten Anbau ausserhalb ihrer ursprünglichen Verbreitungsgebiet erlebten. Stattdessen könnte man auf Sorten zu setzen, die in kontinentalem Klima mit trockenheissen Sommern eine Tradition im extensiven Anbau haben. Eine Tradition hätten sie dort nie bekommen, wenn sie mit solchen Verhältnissen nicht klargekommen wären. Sorten vom Balkan bis Ukraine, Sorten die ab dem pannonischen Teil Österreichs südostwärts populär waren. Dort sind die Sommer immer schon kontinentaler und damit heiss gewesen sowie längere Trockenphasen normal. Tatsächlich zeigt das, was ich von dort schon habe genau diese gesuchte Robustheit und gibt mir somit Hoffnung auf Bäume statt Kettensäge und tote Äste.
Roter von Simonffi, Siebenkant habe ich schon. Pflanzen will ich noch: Batullenapfel, Königin Olga (aus der Ukraine, nicht zu verwechseln mit Herzogin Olga), Kandil Sinap (von der Krim), Ulmer Polizeiapfel (eigentlich aus Rumänien).
Pflanzen wir und hoffen wir.
Vielen Dank, über den Rindenbrand habe ich hier zuerst gelesen.
AntwortenLöschenDa ich immer dachte, es sei Obstbaumkrebs, habe ich Stamm und Äste meiner Apfelbäume (Hausgarten, nicht Obstwiese) mit einer Mischung aus Lehm und Holzasche eingestrichen, nach einem alten Obstbaubuch soll das gegen Obstbaumkrebs helfen. Es scheint zumindest das Absterben zu verzögern. Als erstes hatte es der Frühapfel, vermutlich Sorte Helios, im heißen Sommer 2003 bekam er Stammrisse. Nun, er kränkelt immer mehr, hat aber dieses Jahr wieder überreiche Ernte, mal sehen wie lange er durchhält oder ob dis Jahr ihm den Rest gibt.
Nun habe ich im Internet noch weiter herumgesucht und nach Meinung mancher ist der Pilz ubiqitär, d.h. es bringt nichts, aus Angst vor Ansteckung alle Bäume umzuhauen und zu verbrennen, sondern nur, die Pflanzen zu stärken oder eben auf resistentere Sorten auszuweichen.
Der Antonowka fehlt noch in der Liste. In weiten Teilen Russlands, auch nördlich und hinter dem Ural (nicht nur Südrussland) und in weiten Teilen Europas verbreitet; starkwüchsig ist er sowieso. Der ist überaus vital, einer der anpassungs- und entwicklungsfähigsten "Tausendsassas" unter den Apfelbäumen...
AntwortenLöschenAußerdem könnte, obwohl mit ihm nicht vergleichbar, auch der Charlamowsky mal wieder ausprobiert werden (wächst aber schwächer und reift im Sommer).
3. Tipp: Der sehr starkwüchsige Pommersche Krummstiel braucht jedenfalls wenig Humus in den Sandböden, als deren alte Regionalsorte er sich bewährt, und ist von daher _auszehrungsresistent_. Mehrere Pomologen, die in unserer Gegend mit ihm vertraut sind, finden ihn bemerkenswert. Es könnte aber sein, dass er Trockenheit nicht so gut verträgt, weil er jenseits seiner Ostsee-Region, z. B. auch im nördlichen Berlin-Brandenburg, bisher NICHT Fuß gefasst hat. Bisher ist er erstaunlich wenig ausprobiert worden. (Herkunft beachten: Reiser wurden mit 'Rheinischem Krummstiel' in Baumschulen vertauscht, sagt das Erhalternetz. Braucht 10 Jahre, bis er trägt.)
Antonowka ist auch Schorfresistenzquelle in der Züchtung, ein ziemlich gesunder Kandidat. Er hat leider wenig Zucker, wird mehlig, wenig Aroma. Hat auch das Problem in unserem Klima, dass er nur wenige Wochen haltbar ist und unter Stippe und Glasigkeit leidet. Wo es (noch?) kühler ist, ist das besser. Aber gut für leichten Saft und backen. In Russland und im Baltikum reift er im dortigen Klima anders und entwickelt auch Aroma, ist bis Januar lagerfähig.
AntwortenLöschenBei den Anderen: Muss in der Praxis ausprobiert werden. Bei Rindenbrand gibts viele negative und positive Überraschungen. So hat sich mittlerweile der sehr robuste Saftapfel und Unterlagensorte "Bittenfelder" als sehr anfällig gezeigt. Damit hätte niemand gerechnet. Viele gute alten Sorten haben Risenprobleme, so sterben zum Beispiel auch die Gewürzluiken, früher eine der wichtigsten Sorten in der Region.
Vielen Dank für den Blog und diese wertvollen Informationen!!! Mich würde es sehr interessieren, welche Birnen bisher gut dastehen und welche abgängig sind bzw. schon gefällt werden mussten. Ich meine, bei einer vor vier Jahren gepflanzten Josephine von Mecheln (Hochstamm auf Sämling) Rindenbrand am Leittrieb entdeckt zu haben und stehe nun vor der Entscheidung ob ich noch irgendetwas versuche oder lieber gleich ersetze.
AntwortenLöschenEin alter Baum von Gellerts Butterbirne steht bisher gut da. Bei den einem oder anderen Nachbarn stehen auch alte vitale Birnbäume, von einem habe ich Früchte, mal schauen ob es mir gelingt die Sorte zu bestimmen.
Bei Birnen ist der Prozentsatz der rindenbrandanfälligen Sorten seltener wie bei Äpfeln. Aber er kommt vor. Wie im Artikel geschrieben war "Conference" ein Totalausfall, an mehreren Bäumen. Das ist ungut, denn mit der Sorte wurde auch weitergezüchtet. Auch die neue Novembra/Xenia ist ziemlich anfällig, es wurden auch kommerzielle Anlagen damit schon befallen.
AntwortenLöschenDa Birnen seltener wie Äpfel gepflanzt werden fehlt mir dort die Erfahrung, die über anekdotische Erlebnisse mit Einzelbäumen hinausgeht. Ich habe ausserdem zwar viele Sorten (auch die Josefine von Mechelen), aber meist zu jung und ich versuche dann bereits vorzubeugen mit konsequentem Weissantrich und auch Stammschutz. Versuchsgelände für Rindenbrand zu sein ist zwar ehrenvoll, aber auch zu teuer...