Donnerstag, 16. Dezember 2021

Der Saftladen

Apfelsaftpressung mit der Packpresse in Mosterei

Vor allem im Herbst kommt für alle, die gerne ihr Obst und Gemüse selber verwerten Jahr für Jahr die grosse Versaftung. Vieles in der Obstverwertung geht den Weg der Flüssigkeit. Am klassischen Beispiel Apfel ist das schön zu sehen: Apfelgelee, Apfelsaft, Apfelmost, Apfelessig, Apfelschnaps, Apfelkraut - alles basiert auf Apfelsaft als notwendigem Zwischenschritt. So gut wie jedes Obst und auch einige Gemüsearten können versaftet werden, um sie haltbar zu machen, leichter konsumierbar, für andere Produkte geeignet.

Vor allem wenn es um kleinere Mengen geht, halten sich jedoch seltsamerweise uralte, qualitativ minderwertige Methoden, die im Bekanntenkreis, Foren, Diskussionen nach wie vor verbreitet werden. Da werden die Quitten fürs Quittengelee in Stücke geschnitten, mit Wasser aufgegossen und ausgekocht. Die Johannisbeeren werden mit dem Dampfentsafter entsaftet. Die Schlehen kocht man nach vielen Rezepten sogar mehrmals auf und giesst den Kochsud zur weiteren Verwendung ab. Manchmal kommen elektrische Kleinentsafter zum Einsatz. Wie üblich heute gefertigt in China, peinlich-lächerlich auf Englisch bezeichnet, "Juicer", Tschuisser.

Saft gemacht haben wir dieses Jahr aus Äpfeln, Birnen, Nashi, Quitten, Ölweiden, Stachelbeeren, Trauben, in anderen Jahren noch aus viel mehr Arten. Wie gesagt, fast jedes Obst ist versaftbar. Aber die alten Methoden haben viele Nachteile:

  • die oft lange andauernde und manchmal häufigere Erhitzung zerstört viele Vitamine und Enzyme. Kalt gepresste Säfte enthalten die Inhaltsstoffe der Früchte fast unverändert.
  • Erhitzen zerstört auch Aromen. Kein Dampfentsafterprodukt erreicht das Aromaniveau eines kalt gepressten Safts.
  • Kondenswasser des Dampfentsafters, Kochwasser bei Schlehen, all das verdünnt das Produkt und sorgt zusätzlich für weniger Inhalt und Aroma.
  • Kleinentsafter ergeben oft einen trüben Saft mit Zellresten, gehen nicht für jedes Obst, haben Ausbeuteprobleme, Reinigungsaufwand, packen nicht viel. Die Langsamentsafter "slow juicer" sind billig, sind aber lächerlicher Mist für Obstsäfte. Sie funktionieren nach dem Fleischwolfprinzip mit einem Schneckengewinde, zermahlen das Pressgut. Für ein Glas trüben Saft zum Sofortkonsum aus einer Karotte mag das hinreichen, aber Quittensaft wird damit zum Beispiel trübe und flockig, oft sogar noch stärker später wenn er abgefüllt in der Flasche liegt. Diese Technik kombiniert die negativen Eigenschaften einer Bandpresse mit der von Kleinensaftern.
  • Dampfentsafter sorgen bei einigen Obstarten für viskosen Saft, der zäh wirkt, dunkel.

Die besseren Methoden hängen ganz wesentlich mit der Obstmenge zusammen, die man verarbeiten will. Jede Mengenkategorie hat ihre optimalen Verarbeitungsmethoden. Es sind die Grössenordnungen, die entscheiden wie man den Saft mit möglichst wenig zeitlichen, technischem und finanziellen Auwand auspresst.  


0,1 bis 5kg Obst: Handpressbeutel

Drei Handpressbeutel, oft benutzt

Für Kleinst- bis Kleinmengen ist die mit Abstand einfachste Methode ein Nylon-Handpressbeutel. Es gibt sie seit vielen Jahren im Zubehörhandel für Hobbysaftbereitung. Jüngst sind diese Beutel Dank der Vegan-Welle populärer geworden, man kann sie nämlich auch für die Herstellung von Nussmilch u.ä. nutzen. Das Prinzip ist sehr einfach: Obst zermanschen (von Hand oder Reibeaufsatz Küchenmaschine). Die Maische in den Beutel stopfen und von Hand ausquetschen. Fertig. Pektinreiche Maischen (Steinobst zum Beispiel) sollten zuerst mittels Pektinase verflüssigt werden. Die Reinigung des Beutels geht auch sehr schnell. Die Ausbeute ist zwar nicht gigantisch, aber hinreichend gut. Wer will, kann noch einen dünneren und weniger wertigen "Zweitsaft" produzieren, um wirklich alles auszunutzen. Dazu die bereits ausgepresste Maische nochmal mit Wasser ansetzen oder nach alter Methode auskochen. Bei sehr aromareichen Obstsorten wie Himbeeren ist das durchaus sinnvoll, das Ergebnis ist noch als Limonade tauglich.


5 bis 50kg: Korbpressen

Einfache, kleine Korbpresse

Hat man regelmässig in dieser Kategorie zu tun, lohnt sich die Anschaffung oder der Bau einer kleinen Korbpresse. Das ist schon etwas aufwendiger, man braucht die Presse selbst, ein Presstuch, aber bekommt auf einen Rutsch auch fünf bis fünfhundert Kilo Maische in den Presskorb. Die Ausbeute ist mittelmässig bis gut, Reinigung und Aufbewahrung etwas Aufwand. Der Pressvorgang dauert seine Zeit, man dreht und quetscht und sieht dem tröpfeln zu. Korbpressen gibt es auch in grösseren Dimensionen, sie werden dann aber zunehmend unwirtschaftlich. Man kann sie in dieser Grösse nicht mehr so einfach herumtragen und aufräumen, sie benötigen dann einen festen Platz.

Diese alte Presstechnik hat sich etwas überlebt, in Mostereien steht sie auch nicht mehr. Es gibt aber sehr simple, moderne Ganzmetall-Korbpressen, die für den Anfänger ein Einstieg sind. Deren Ausbeute ist allerdings nicht hoch und von den verarbeitbaren Mengen konkurriert sie eher mit dem Handpressbeutel, nicht mit richtigen Korbpressen.


50 bis 250kg: Hydropressen

Hydropresse, Saft, Trester, Obstmühle

Eine sehr elegante Presstechnik realisieren Hydropressen. Von aussen wirkt sie wie eine Korbpresse und sie benötigt auch ein Presstuch, aber im Innern steckt ein Gummiballon, der mit Leitungswasser gefüllt wird und dessen Druck die Maische auspresst. Kein Kurbeln, keine Latten, gute Ausbeute, schnell und sauber. Geräte mit 40 Liter - Presskorb sind optimal, wenn man die Presse nach Benutzung noch in einen Keller oder Dachboden schleppen muss. Die grösseren Modelle sind schwerer und unhandlicher, die kann man nur ebenerdig transportieren. Nach der Pressung lässt man das Wasser ab, entnimmt den Trester und schreitet zur nächsten Pressung. Mit dem abgelassenen Wasser reinigt man das Obst der nächsten Pressrunde. Die Kosten der Presse sind bei kleinen Pressen höher, bei grösseren Pressen etwa gleich wie bei Korbpressen.

Ach hier ist wie bei Korbpressen für Kernobst eine separate Obstmühle erforderlich, ein Obstmuser. Mit einer Küchenmaschine kann man die Maische nicht mehr herstellen. Die Herstellung von Quittensaft mit so einer Presse und Mühle: https://gartenzone.blogspot.com/2019/01/ein-winter-mit-quittensaft.html

 

250 bis 10000kg: Lohnmosterei

Mittelgrosse ältere Packpresse

Alles darüber ist ein Fall für eine Lohnmosterei, jedenfalls wenn es sich um Kernobst handelt: Äpfel, Birnen, Quitten, Mispeln, Speierling. In Süddeutschland sind die Betriebe häufig, im Norden muss man weiter fahren und die Preise sind höher. Die Ausbeute ist hoch, der Durchsatz ebenfalls. Der Saft kann meist gleich sterilisiert in Bag-in-Box-Verpackungen abgefüllt werden, wenn man das will - was erst bequem aussieht, aber viele Nachteile hat. Bei Quitten ist ganz davon abzuraten, Quittensaft bekommt oft hautartige Pektinschleier, die das Ventil nach etwas Lagerung verstopfen. Säfte altern zudem generell schnell in BiB.

Eine Zwischenform besitzen oft Obstbau- oder Kleingartenvereine, eine gemeinsam angeschaffte kleinere Profipresse für die Mitglieder, das sind hydraulische Korbpressen oder kleinere Packpressen oder Bandpressen.

Doch Vorsicht, auch die Presstechnik der Grossen hat deutliche Qualitätsunterschiede. Wenn möglich, sollte man Mostereien mit klassischen Packpressen bevorzugen, in der mehrere Lagen mit Maische auf einem Packtisch hydraulisch ausgepresst werden. Der Saft kommt recht klar aus der Presse und hat beste Qualität. Nur wer auf höchste Ausbeute und damit höchste Drücke setzt wie manche sehr geizigen Weinbauern die Maische "hart pressen", bekommt mehr unrunde und bitte Töne.

Die andere, billigere und kompaktere Presstechnik sind Bandpressen. Sie beanspruchen die Maische viel stärker, zerreissen viele Zellen. Das Ergebnis ist Maximalausbeute eines trüben, teils schleimigen Safts, der anschliessend durch eine Zentrifuge muss. Dort wird der Zellschlamm und nebenbei auch Aroma teilweise entfernt. Diese Presstechnik ist hoch effizient, kann kontinuierlich arbeiten, schafft mehrere Tonnen Obst pro Stunde, die Pressen benötigen wenig Platz. Und im Ergebnis produziert sie minderwertigen Saft. Wer wählen kann, sollte Mostereien mit solchen Pressen meiden. Leider setzen sie auch mobile Mostereien gerne ein. Fruchtsafthersteller können gar nicht anders als mit Bandpressen zu arbeiten, alle anderen Techniken sind weniger effizient und schaffen bei weitem nicht genug Durchsatz.

Wie zu sehen war, ist die beste Methode um guten Saft herzustellen vor allem eine Frage der Mengen, die man herstellen will. Alle Methoden haben Mengenoptima. Vermeiden sollte man nur die alten Hausmethoden wie Dampfentsafter, auskochen - die sind wirklich obsolet.

An der Packpresse, links Obstmühle


Presse, Saftwanne, Abfüllung in Bag-in-Box (Saftschlauch)

3 Kommentare:

  1. Interessant mal hinter die Kulissen zu schauen;)

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  2. Sehr interessant, dein Blog. Da ich auch viel Obst presse, bin ich derzeit an der Überlegung eventuell eine Hydropresse zu kaufen. Da ich im Kreis Buchen(Odenwald) wohne und somit unweit von Dir, würde mich interessieren, in welcher Lohnmosterei du pressen lässt, die eine Packpresse einsetzt. Sehr interessant fand ich Deine Beiträge zu Quitten, da ich auf einer Obstwiese vor 3 Jahren 11 frische Quittenbäume gesetzt habe.

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  3. In meiner Umgebung gibts drei Packpressen, die grösste hat Kühner in Dahenfeld. Eine Kleine ist sogar vor Ort. Beeren Bauer in Hohenstadt hatte auch eine Packpresse. Ich kenne den aktuellen Status aber nicht, weil ich mittlerweile selber mit einer Hydropresse Saft presse. In Allfeld gabs eine Bandpresse (weiss nicht, ob es die noch gibt). Wo Wein abgebaut wurde, gibts noch ungezählte alte Keltern, die alle Packpressen hatten. Wenn man die Geräte bedienen kann, gibts Presstag oder man bekommt den Schlüssel von der Gemeinde.

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