Sonntag, 16. Januar 2022

Das Polenta-Abenteuer Teil 2: Verarbeitung und Zubereiten

Nachdem in Teil 1 des Polentaabenteuers Sorten und Anbau zur Sprache kamen, folgt nun in Teil 2 die Verarbeitung der Ernte und einige Zubereitungserfahrungen.

Trocknen

Hüllblätter entfernt

Die geernteten Kolben haben in unseren Breiten noch zu hohen Wassergehalt und müssen sofort von den Hüllblättern (den Lieschen) befreit, auf Schimmel geprüft und getrocknet werden, sonst schimmeln sie böse weiter. Ich habe das an einem grossen Südfenster auf einer Holzunterlage gemacht und trotz tagelang voller Sonne schimmelte es an manchen Unterseiten weiter. Wenn man das probiert, sollte man die Kolben nur einlagig legen und immer wieder umdrehen. Oder aufhängen. Ansonsten wäre auch ein Trockner gut, da geht es schneller und vor allem die Anfangszeit mit hohem Schimmelrisiko wird fix erledigt.

Was schimmelt, fliegt raus, bestenfalls wird fragliches zu Hühnerfutter. Teilweiser Befall kann meist entfernt werden, um den Rest des Kolbens zu retten. Der Schimmel ist gut zu sehen.

Trocknung in der Sonne. besser nicht mehrlagig wie hier!
An der Pflanze verschimmelter Kolben. Auch kein Hühnerfutter mehr.

Kerne von Kolben trennen

Abrebeln der Kolbem

Die Kerne lassen sich von Hand von den Kolben abrebeln. Dazu wird der Kolben leicht gedreht. Ausprobieren, dann hat man den Dreh schnell raus. Es gibt auch einfache gusseiserne Handgeräte, die aussehen wie in süamerikanischen Favelas gefertigt. Man findet sie unter den Suchbegriffen Maisentkörner, Maisrebler, Maisentkorngerät, Maisentkerner. Genutzt wird so etwas auch gerne für Jäger und Geflügelhalter, um billigen Futtermais zum verfüttern vorzubereiten.

Die leeren Kolben sind als Brennstoff brauchbar oder kleingehäckselt und sterilisiert auch als Substrat für Pilzbruten.  

Teilweise entkörnter Polentamaiskolben

 

Mahlen

Das teilverarbeitete Ernteergebnis

Die Maiskörner liegen jetzt im Eimer. Es sieht toll aus, solche vollen Eimer zu sehen, der Lohn der Mühe. In diesem Zustand sind die Körner lange haltbar, aber um Vorratsschädlinge zu verhindern muss man sie in dichtschliessenden Gefässen aufbewahren. Nun konnte ich auch den Ertrag messen. Umgerechnet auf den Quadratmeter Anbau kam ich auf respektable 700g Maiskörner. Für einen nicht ertragsoptimierten Hobbyanbau bei grenzwertigem Sommerwetter nicht schlecht. Jeder Quadratmeter brachte also eine Polentabeilage für 8 Personen. Insgesamt waren es 15 Kilo. Das ist ziemlich genau eine tägliche Beilagen-Polentaportion für ein halbes Jahr - 50000 Kalorien. Immerhin!

Mahlen erwies sich zunächst als schwierig. Die Getreidemühle mit Steinmahlwerk macht es nicht recht mit und das Ergebnis war stotternde Vermahlung und eine recht weite Streuung aus Mehl, Griess und groben Teilen. Steinmahlwerke sind an sich auch bei Polentamais nicht schlecht, aber da wären wohl grössere Dimensionen nötig gewesen. Also besorgte ich mir eine alte gebrauchte Mühle mit Keramikmahlwerk, lustigerweise genau das Modell der allerersten Mühle, die ich mal besessen habe. Keramikmahlwerke schneiden mehr statt wollig zu reiben und zu vermahlen, ähnlich machen es Stahlmahlwerke. Das Mahlergebnis war auf Anhieb viel besser, mehr Griessanteil, weniger wollig. Vielleicht hätte auch eine Handmühle gereicht.

Mahlversuch 1 mit Steinmahlwerkmühle.
Nur gelbe Körner verwendet.

Die kommerziellen Profis entfernen den Keimling mit eigenen Maisentkeimungsmaschinen, mahlen, sieben das Ergebnis mittels grosser Siebe in absteigender Maschengrösse oder Windsichtung aus. Grobe Teile und der Keimling sind hochwertige Futtermittel, das feine Mehl ist als Maisstärke für andere Verwendungen geschätzt. Der für Polenta verwendete Griessanteil liegt nur bei rund 50%. Ich habe nur das feinen Mehl mit einem feinmaschigen Küchensieb abgesiebt, damit die Polenta keinen zu gelatinösen Stärkebrei ergibt, die gröberen Teile blieben in den ersten Versuchen drin. Die Mengen: Aus 500g frisch gemahlener Polenta habe ich 100g feines Mehl abgesiebt, den Rest komplett verwendet. Vorsicht, wir haben jetzt im Gegensatz zur Supermarktware trotzdem das ganze Korn im Griess, also ein Vollkornprodukt! Darin enthalten ist auch der Keimling des Maiskorns mit seinem hohen Fettgehalt, insgesamt enthält Körnermais fast 5% Fett. Damit ist unser Mahlergebnis nicht lange haltbar, denn das Fett oxydiert an der Luft, wird ranzig, man sollte also nach dem mahlen gleich verkochen.

Mühle mit Keramikmahlwerk

Mahlergebnis Keramikmahlwerk, feine Teilchen abgesiebt

Abgesiebter feiner Maisgriess und -Mehl

Polenta zubereiten

In Deutschland kann man Polentagriess mittlerweile endlich auch in den Discountern kaufen, aber das Produkt wird immer in vorgegartem Zustand und dann erneut getrocknet angeboten, es ist immer eine Schnellpolenta. Optisch macht das keinen Unterschied, aber die Zubereitung wird wesentlich einfacher und schneller. Wasser / Milch / Tomatensaft kochen, Maisgriess einrühren, kurz aufkochen, ziehen lassen, fertig.

Griess, ungesiebt, vor dem Kochen

Unser eigener Polentagriess lässt sich natürlich mit Haushaltsmitteln nicht vorgaren. Ihn muss man nach klassischer Methode zubereiten. Die ist leider zeitaufwendig. Die Polenta wird mindestens eine Stunde in der mindestens dreifachen Menge Flüssigkeit gegart, dazu muss sie auch noch ständig umgerührt werden. Man kann auch eine Show draus machen, im offenen Kupferkessel auf Feuer. Tatsächlich muss man aber nur rühren, weil der dicke Brei sonst anbrennt. Mit einer guten Temperaturregelung ist diese Mühe überflüssig, auch wenn ein bisschen Röstaroma nicht schlecht ist. Es dauert zwar genauso lange, aber es brennt nichts an und muss nicht gerührt werden. Wer einen dicken Topf hat, einen Herd mit enger Temperaturregelung und mit Milch gart, kann 60-90 Minuten bei geringer Hitzezufuhr im Topf garen und muss nur gelegentlich, aber nicht dauernd rühren. Ansonsten wäre die Ofenmethode zu versuchen, die ich auch mit gutem Ergebnis ausprobiert habe. Die geht so:

Polenta im Ofen zubereitet aus 400g Rohgriess

Pro Person rechnet man mit 80g Polentagriess. Auf 100g Polentagriess werden 300 bis 400ml Wasser genommen, wieviel genau hängt vom Griess ab. Salz zugeben (ein Esslöffel auf 500g Polentagriess), Wasser kochen, Hitze ausschalten, Griess sofort einrühren. Ein paar Minuten stehen lassen und dann eine Stunde oder weniger bei Ober- und Unterhitze und 90°C garen. Keine Umluft, sonst trocknet die Oberfläche aus. Je grober der Griess geraten ist, desto länger die Garzeit, es kann auch länger als eine Stunde gehen. Das Ergebnis ist durch die Schalenanteile und die unterschiedlich grossen Griess-Stücke strukturierter als von gekaufter Ware, aber sehr viel aromatischer. Es schmeckt frischer, mehr nach Mais. Die ungewohnten Schalenanteile stören aber Manchen, sie bleiben immer fest. Noch besser wäre es, nicht nur den Feingriess, sondern auch Grobteile abzutrennen, unter denen sich die meisten Schalenstückchen befinden. Verkocht werden dann nur die mittleren Korngrössen. Raum für Experimente gibt es noch genügend.

Servierte Polenta mit roten Schalenanteilen

Es gibt massenhaft gute Gerichte mit Polenta. Toc' in braide ist so eine hochklassige Variation. Aber fast jede Weltgegend hat ihre Spezialitäten. Grits in den USA, Katschamak in weiten Teilen des Balkans, Mămăliga im ganzen Osten, Mealie-Pap in Namibia, Ugali in anderen Gegenden Afrikas, Puliszka oder Palukes in Rumänien, Rheintaler Ribel in Schweiz und Vorarlberg, die edle venezianische weisse Polenta...

Das Abenteuer hat sich jedenfalls gelohnt. Es erbrachte gute Erträge, keine unlösbaren Schwierigkeiten, ein gutes Ergebnis, viel Spass dabei gehabt.

Reste, leere Kolben

Freitag, 7. Januar 2022

Das Polenta-Abenteuer Teil 1: Polentamaisanbau

Frisch geerntete Polentamaiskolben Sorte "Malcantone"

In den meisten Nutzgärten werden Leckereien angebaut. Gutes Gemüse, leckeres Obst, Kräuter. Dinge, die auch satt machen sind dagegen selten im Anbau. Der häufigste Sattmacher dürfte Kartoffeln sein, aber die Fläche hat für tatsächliche Sattmachmengen fast niemand und der Aufwand für Kartoffelanbau ist in unserer Region derart hoch geworden und der Anbau so schwierig (zu wenig Wasser, Hitzeschäden ohne Ende, zu viele schlimmer gewordene Krankheiten, geringe Erträge) dass das nur noch für ein paar sehr frühe Frühkartoffeln Spass macht.

Getreide baut man im Garten eher nicht an. Wie soll man es auch verarbeiten, dreschen? Hirse, Reis, Buchweizen? Auch nicht im Haus zu verarbeiten. Lohnt sich sowieso nicht. Aber es gibt eine wichtige Ausnahme: Mais. Zuckermais ist ein etabliertes edles Gemüse, Popkornmais, manchmal auch Zahnmais für Hühnerfutter, alles geht. Und auch der Mais, der als Nährmittel für den Menschen geeignet ist geht, der Polentamais. Die Körner lassen sich ohne aufwendiges Mähen und dreschen von Hand ernten, von den Kolben trennen, lagern, mahlen und kochen. Das macht jedoch fast niemand. Samen, Sorten gibt es in Deutschland auch kaum zu kaufen, ertragsstarke sowieso nicht und wenn, dann unbegründet sehr teuer. Ich hatte grosses Glück, bekam das Saatgut ertauscht. Von einem freundlichen schweizer Tauschpartner Samen einer guten Sorte bekommen, wo Polentamais in einigen Gegenden im Anbau ist, Polenta seit langer Zeit in diversen regionalen Spezialitäten auftaucht. Polentamais ist ohnehin fast weltweit im Anbau. Der beste Polentamais soll "La Plata" Mais aus Argentinien sein mit einer recht kräftigen gelborangen Farbe.

Was ist Polentamais, was gibt es für Sorten?

Unreifer Kolben "Malcantone", wirkt noch milchig

Botanisch heisst dieser Maistyp Zea mays convar. indurata (=gehärtet). Es ist naheliegenderweise ein Körnermais, im Gegensatz zu Silo- oder Grünmaisarten, die auch zur Biogasproduktion in Deutschland angebaut werden. Polentamais ist ein Speisemais, wird eher hart (aber nicht so hart wie Popkornmais) und hat einen mässigen Stärkeanteil, dafür noch eine leichte Süsse und Aroma. Diese Eigenschaften sorgen für einen guten Griessanteil beim mahlen. Probiert man den häufig angebauten Futtermais aus einem landwirtschaftlichen Maisfeld, wird man daraus nur ein stärker mehliges, schmieriges Produkt mit wenig Aroma mahlen können.
Polentamaissorten, die man mit etwas Aufwand auch in Deutschland bekommt sind zum Beispiel Mergoscia, Abenaki, Rheintaler Riebel (ist auch ein Gericht, nicht nur eine Sorte), der rote Tessinermais. Die Sorte, die ich hatte war "Malcantone", ursprünglich ebenfalls aus dem schweizer Kanton Tessin, es ist der Namen einer Ortschaft. Die Körner fallen optisch sofort auf, etwa 60% der Kolben sind kräftig dunkelrot, der Rest knallig gelb. Um es gleich vorwegzunehmen: Malcantone hat sich bei mir absolut bewährt, in Anbau, Erträgen, Verarbeitung, Küchentauglichkeit.

Welche Bedingungen benötigt Polentamais?

Unser Maisfeld, davor Kürbisse, rechts Topinambur

Die Bedürfnisse von Polentamaissorten unterscheiden sich nicht grundlegend von denen anderer Maisarten. Zu beachten ist der hohe Nährstoffbedarf. Ein Punkt ist allerdings kritisch: Polentamais muss ganz ausreifen, das dauert. Wenn man ihn direkt aussät, reift er selbst in unserem Klima nicht immer ganz aus oder ein feuchter Herbst bringt ihm zum vorzeitigen schimmeln. Das ist der Grund, dass er in Deutschland nie populär geworden ist, Ernte und Qualität sind in den meisten Regionen Deutschlands zu unsicher. Bekannt war er aber sehr wohl sofort in Deutschland, nachdem er im 16. Jahrhundert nach Europa gebracht wurde. Während die Eurasischen Getreidearten wie Weizen bereits im Juli erntereif sind und danach noch Steckrüben in die Stoppeln gesät wurden, kann Polentamais frühestens Ende September geerntet werden. 

Gut bestockte Pflanze, oben bereits Vogelfrass

Ansonsten benötigt Polentamais gut versorgten Boden, grössere Pflanzabstände wie Futter- oder Zuckermais, sein Wasserbedürfnis entspricht dem anderer Maisarten. Das bedeutet, Mais benötigt insgesamt weit weniger Wasser wie Weizen. Das täuscht aber in der Praxis gewaltig, weil Mais eine sehr viel längere Vegetationszeit hat und ein deutlich späteres Wachstumsmaximum. Während Weizen, Gerste & Co noch Bodenfeuchte von Winter und Frühling haben und im Hochsommer bereits reif sind, will Mais das Wasser später, lange Trockenphasen im Sommer, vor allem zur Blütezeit und bis zur Kornfüllung senken die Erträge gewaltig. Ausgerechnet diese langen Trockenzeiten im Sommer wurden von einer Ausnahme zu Regel. Das hat 2018 vielfach zu Totalausfall geführt, auch bei uns, auch 2019 ging es schief, ebenso 2020, der Frühsommer war viel zu lange knochentrocken. Rollt der Mais die Blätter, muss also Wasser gegeben werden, eine pflegefreie Kultur im Garten ist er nicht. Umgekehrt kann er aber hohe Wassergehalte im Boden sehr gut nutzen und wächst deshalb auch dort, wo es für Getreide zu feucht ist. Als C4-Pflanze kann er ausserdem bei hoher Lichteinstrahlung und Temperatur in kürzerer Zeit mehr Biomasse aufbauen als C3-Pflanzen (das sind z.B. Weizen, Kartoffeln, Soja, Reis, alle Bäume) und ist damit an Standorte mit viel Sonne und Wärme angepasst. Dort holt er dann auch richtig was raus bei den Erträgen, sogar im Nutzgarten.

Landwirtschaftliches Maisfeld Spätsommer 2020 in der Region - vertrocknet, verzwergt.
Keine Kolben angesetzt.

 

Der Anbau

Vorgezogene Jungpflanzen Polentamais

Aus Angst vor zu kurzer Vegetationszeit und den in den letzten Jahren frustrierend harten Spätfrösten, die mir frühe (Zucker-)maisaussaaten auch schon zerstört haben bin ich zweigleisig vorgegangen: Für die Hälfte der 20qm-Fläche habe ich in Pflanzschalen im Gewächshaus Mais vorgekeimt und die etwa 5cm hohen Pflänzchen Anfang Mai ausgepflanzt. Die andere Hälfte habe ich zum selben Zeitpunkt wie die Pflanzung daneben direkt ausgesät. Das Keimergebnis war immer erstklassig. Abstand zwischen den Pflanzen 30-40cm (darf auch mehr sein), Abstand der Reihen ca. 60cm, Aussaattiefe 4-5cm.

Bis Ende Juni war Unkrautbekämpfung nötig, danach schliessen sich je nach Pflanzabstand die Reihen dicht und der Mais wird sehr hoch. Malcantone erreicht deutlich über 2m. Der Bestand wurde gut blickdicht, man könnte Mais auch als Sichtschutz pflanzen. Ist etwas Höhe erreicht, stört noch aufkommendes Unkraut nicht mehr, es wächst wegen Lichtmangel nicht mehr gut. Der Anbausommer war nach drei sehr trockenen Hitzjahren etwas sonnenarm und gottlob immer wieder feucht, was dem Mais bis auf erhöhte Schimmelneigung aber sehr gut gefallen hat. Ich musste auch nicht wässern. Die hohen Pflanzen erwiesen sich als hinreichend windstabil, so dass Gewitterböen fast nichts umgerissen haben - bei Zuckermais passiert das regelmässig. Vielleicht war das aber auch nur Glück.

Vogelfrass von oben her

Es war spannend, die Pflanzen zu beobachten. Man hat nach der Blüte gut gesehen, dass viele lange Kolben gebildet wurden, man auf guten Ertrag hoffen konnte. Glücklicherweise waren in der Nähe keine anderen Maisfelder, so dass ich darauf hoffen kann, wieder unverkreuztes Saatgut nehmen zu können. Dann die bange Frage: Wann ernten? Mitte September noch nicht, aber ab Ende September hatte man den Eindruck, die meisten Kolben wären reif. Habe dann eine erste Ladung Anfang Oktober geerntet, einfach die Kolben von den Pflanzen abgerissen. Der Mais war hart, etwas glasig, wirkte reif. Die zweite Ernte dann eine Woche später. Kein optischer Unterschied mehr, aber die Schimmelneigung hatte doch noch zugenommen. An mehreren Kolben hatten sich Vögel vergriffen. Sie reissen die Hüllblätter (beim Mais auch Lieschen genannt) ab und picken die Körner heraus. Der Schaden war aber mässig, da hatte ich bei Zuckermais und Popkornmais schon schlimmeres erlebt. "Malcantone" lässt zwar einige Körner an der Spitze herauslugen was die Vögel anzieht, macht es ihnen aber mit einem fest umhüllten und verschlossenen Kolbenbau schwer, alles sofort wegzuräubern.

Einige geerntete reife Kolben

Der Direktsaatmais blieb höchstens minimal niedriger wie der vorgezogene Mais. Der Ertrag war ähnlich, der Reifezustand nur leicht schlechter. Einen grösseren Unterschied machte die Besonnung. Die Randreihen hatten deutlich bessere Erträge und fettere Kolben. Mit mehr Pflanzabstand kann man offenbar auch schlechtere Verhältnisse ein bisschen kompensieren. Die Kolben habe ich eingepackt und mitgenommen.

Die weitere Verarbeitung der Kolben und dann der Körner folgt in Teil 2.

Abgeerntet

Dienstag, 28. Dezember 2021

Hagebutten: Hägenmark mit Qualität herstellen

Zeichnung frischer Hagebutten am Strauch
Hagebutten kennt jeder, das sind die roten Früchtchen aller Rosen. Wer sie will, muss sie nicht einmal im Garten haben, in jeder Feldhecke wachsen auch Hundsrosen und Ackerrosen (Rosa arvensis). Besonders viele Hagebutten haben Apfelrosen, Filzrosen, Kriechrosen und Weinrosen sowie mit später Reife die bereits genannte Hundsrose. Ergiebig sind auch nicht einheimische Rosen wie die Kartoffelrose, die sich hier an sandigen Orten von selbst verbreiten und die besonders dicke Hagebutten hat.

Entsprechend gerne wurde zu allen Zeiten immer auch versucht, die verhältnismässig leicht zu beschaffenden Hagebutten zu verwerten. Tee daraus ist bis heute äusserst beliebt und auch das eingekochte rote Hägenmark, Hagebuttenmark. Nur: Wie stellt man das eigentlich selber her? Hagebutten enthalten harte Kerne mit vielen unangenehm kratzenden Härchen, die sich kaum vom roten Mark trennen lassen. Hinweise und Verfahren, wie das zu bewerkstelligen ist gibt es viele, leider ist kaum etwas davon praktikabel weil es im Haushalt zu mühsam ist oder zu schlechte Qualität dabei herauskommt.

Hagebutten im Frühherbst in einer Feldhecke

So wie viele Wildobstfreunde habe ich damit ebenfalls herumexperimentiert. Und bin auf ein Verfahren verfallen, das sich wirklich gut im Haushalt durchführen lässt. Sicherlich haben das auch andere Leute schon früher herausbekommen und variiert, aber durchgesetzt hat sich das leider nie. Stattdessen werden weiter alte und stark nachteilige Methoden abgeschrieben und empfohlen. Darunter gibt es zwei beliebte Techniken: 

  1. Die Hagebutten werden einzeln aufgeschnitten und entkernt. Das ist eine extrem mühsame und unergiebige Arbeit, für die man einen Stall williger Kinder und Knechte braucht, wenn etwas zusammenkommen soll. Die roten Schalen mit dem Fruchtfleisch können dann gekocht und zu Marmelade verbreitet werden, Trotzdem bleiben oft unangenehme Härchen drin, Haut, Stücke vom Blütenboden. Von der Aroma- und Vitaminausbeute her aber ist das wenigstens eine gute Methode, denn es wird nur einmal erhitzt.
  2. Die Hagebutten werden gekocht und die weichen Früchte dann durch ein Sieb gestrichen. Je nach Siebgrösse bleiben ebenfalls Härchen drin oder es ist bei feinen Sieben sehr mühsam, die Masse hindurchzubekommen, ausserdem ist die Ausbeute schlecht. Mit dem Ergebnis wird dann Marmelade gekocht.


Mit wenig Aufwand geht es nicht. Aber einfacher als mit den klassischen Methoden und und qualitativ gut geht es. Der Kern des Tricks ist ganz einfach: Die Herstellung passiert zweistufig und zwar mit unterschiedlichen Küchengeräten. Erst wird aus den Hagebutten ein grobes Mark mit einer normalen Haushalts-Passiermühle hergestellt, das noch die Härchen, manchmal kleinere Kerne und dunkle Teile des vertrockneten Blütenbodens enthält. Das wird leicht mit Wasser oder Orangensaft verdünnt, um es flüssiger zu machen und dann durch einen Nylonhandpressbeutel gedrückt. Der ist sehr fein, feiner wie jedes Sieb, hält die Härchen perfekt zurück und es entsteht ein qualitativ hochwertiges, auf der Zunge weiches und hocharomatisches Hagebuttenmark.

Den Vorgang noch einmal mit allen nötigen Details geschildert:

 

Sammeln oder anbauen

Vor der Butte kommt die Blüte, eine Wildrose

Am Anfang stehen die Hagebutten, sammeln und ernten wir sie. Glücklich ist, wer in einer Gegend mit Feldhecken wohnt. Dort sind immer auch Hundsrosen vorhanden, ein Sammelbegriff, es gibt mehrere Arten und Formen, dazu noch viele Hybriden. Aber auch alle Hagebutten anderer Rosenarten sind brauchbar, vorausgesetzt man kann sie im richtigen Reifezustand sammeln. Verwertbar sind sie, wenn sie vollrot geworden sind, aber gerade noch nicht weich. Bei wilden Rosen kann das ab Mitte September bis in den November hinein der Fall sein. Weich gewordene Hagebutten lassen sich zwar sogar leicht roh "auszuzeln", befinden sich aber bereits im Abbau der Aromen und Vitaminen.

Typisches Feldheckenhabitat

Die wilden Hundsrosen ergeben ein sehr gut schmeckendes Hägenmark. Wer selbst Wildrosen im Garten hat, pflanzen will und gut brauchbare Hagebutten ernten, sollte heimische Arten wie Rosa dumalis (Vogesenrose) nehmen, die gute Erträge haben, leicht zu pflücken sind, dunkelrote Hagebutten für eine schöne Farbe. Weniger geeignet sind Heckenrosen (rosa corymbifera), sie bleiben mehr orange, Weinrosen (rosa rubiginosa) haben oft zusätzlich Borsten an den Hagebutten. Apfelrosen (rosa villose) sind auch gut, sie haben schon im Sommer Hagebutten guter Grösse. Die rotblättrige Rose (rosa glauca) hat nicht grosse, aber dafür extrem viele Hagebutten, die zudem leicht zu ernten sind weil sie in Büscheln stehen. Zimtosen (rosa majalis) haben den höchsten Vitamin - C Gehalt. Schliesslich Essigrosen (rosa gallica), sie bleiben niedriger und von ihnen gibt es auch Sorten mit schönen Blüten für den Garten. Die Strauchrose "Pillnitzer Vitaminrose Pi-Ro 3" habe ich auch, sie hat kaum Dornen, aber weder Ertrag noch Qualität begeistern mich. Sie wächst in einer Wildhecke und wurde oft abgefressen, eben gerade weil sie keine Dornen hat. Gut für die Ernte, aber nicht gut fürs Wachstum.

Am ergiebigsten ist jedoch die Kartoffelrose (rosa rugosa), sie wird auch von den Hägenmark-Herstellern verwendet, im Aroma bleibt sie jedoch leicht schwächer wie die Hundsrosen. Ihre Hagebutten sind sehr dick, die Pflückleistung ist ausgesprochen hoch. Diese Art kommt aus Ostasien, wird als Zierpflanze verwendet und ist leider in vielen Gegenden zu einem invasiven Neophyten geworden. Sie steht auch auf Verkehrsinseln, in Hecken, vielen Privatgärten, kommt mit armen Sandböden zurecht. Von ihr existieren Auslesen, die findige Händler als "Riesenhagebutte" verkaufen. Wichtiger als die Grösse der Hagebutten sind aber die Flächenerträge. 

Hagebutten frisch gepflückt
Gesammelt, gewaschen


Lagern und Vorbereiten

Hagebutten tiefgefroren

Aus 2kg Hagebutten kann man rund 1kg verwertbares Mus herstellen. Die genaue Zahl kann je nach Rosenart, konsequenter Verarbeitung und Wasserzugabe stark variieren. Diese Menge reicht auch in der Regel für einen Jahresbedarf einer kleineren Familie, wenn man noch andere Aufstriche und Marmeladen herstellt. Sammelt man in mehreren Tranchen, zum Beispiel weil ein Sammelort nicht viel gebracht hat, dann sollte man die bereits gesammelten Hagebutten eingetütet in den Tiefkühlschrank werfen, damit man später mit einer weiteren Sammlung an anderem Platz auf vernünftige Mengen kommt. Oder wenn man unterschiedliche Arten sammelt und die Reifezeiten differieren.

Die weitere Verbereitung besteht nur aus reinigen, gründlich waschen und ggf. etwas abreiben. Verunreinigungen bemerkt man aber auch schon beim Sammeln, Früchte mit Vogelkot wird man zum Beispiel gar nicht erst mitnehmen.

 

Kochen, erstes Sieb

Passiermühle im Einsatz. Feste kurbeln.

Es folgt der erste Kochvorgang. Die Hagebutten werden knapp mit Wasser bedeckt. Dann Wasser in einen anderen Topf abschütten, aufkochen, Hagebutten in sprudelnde Wasser hineingeben und mittels grosser Hitzezufuhr im Kochtopf schnell wieder aufkochen. Nicht lange kochen lassen, sonst verlieren sie Aroma und Vitamine. Wir kochen sie auch nicht durch, sondern wollen nur das aussenliegende Fruchtfleisch weich machen. Schliesslich sind sie weich, aber nicht matschig. Noch heiss kommen sie portionsweise in eine Passiermühle, auch "Flotte Lotte" genannt. Die Lochscheibe sollte eher klein sein, so dass die Kerne nicht mehr durchpassen. Durchpassieren, übrig bleibt Trester, Kerne und andere unbauchbare grössere Teilchen. Heisse Früchte passieren sich leichter durch wie abgekühlte. Alternativ kann man auch einen Passiervorsatz vor einer Küchenmaschine oder einem Fleischwolf verwenden. Allerdings klappt das selten so richtig gut, die Ausbeute ist schwächer und die anschliessende Reinigung des Geräts ist eine Qual. Oft quetscht es die Kerne erst gar nicht, dann zu leicht aus der Mühle. Vielleicht gibt es auch geniale Geräte, die das gut schaffen, kennengelernt habe ich noch keines. 

Tester der ersten Passage - hauptsächlich die Kerne

Kerne können auf den Kompost, da sie erhitzt wurden besteht keine Gefahr mehr, mit dem Kompost im Garten überall aufgehende Wildrosen zu erzeugen.

In der Schüssel liegt jetzt Hägenmark mit vielen sehr feinen aber unerwünschten Resten, hauptsächlich Härchen und Teile vom Blütenboden.

Versuch mit Passiervorsatz
Einmal durchpassiert, noch mit Härchen und Grobteilen


Zweite Filterung

Restlicher Trester der zweiten Filterung

Nun stellen wir aus dem Grobmus ein Feinmus her. Dazu wird zunächst der Wassergehalt eingestellt. Das Mus soll gerade so fest bleiben, dass es nicht zerläuft. Aber es soll sich auch durch das Feinsieb (dem Nylon-Pressbeutel) pressen lassen. Dazu mischen wir vorsichtig Wasser oder Orangen- oder Apfelsaft unter und rühren es ins Mus ein. Dann kommt der Nylon-Filterbeutel zum Einsatz, der schon in vielen Artikeln auftauchte, zum Beispiel zur Saftbereitung. Mus rein und quetschen, walken - mit der Hand. Ergebnis: Nochmal Trester innen mit Härchen und kleineren unerwünschten Resten und das geschätzte Feinmus aussen, abtropfend. Das ist der reine Stoff!


Zubereiten, Abfüllen

Hägenmark aufkochen, abfüllen, fertig

Der Rest ein Kinderspiel.  Gelierzucker (Vorschlag: 2:1) zugeben, kurz aufkochen, abfüllen, etikettieren. Das Mus klebt allerdings gut, man sollte während des Kochvorgangs permanent rühren. Es spritzt aber nicht sehr, Pflaumenmus oder gar Polenta ist da viel schlimmer. Heiss direkt aus dem Topf in Gläschen mit Drehdeckel randvoll abfüllen, sofort zuschrauben, abkühlen lassen - fertig. Dunkel und kühl gelagert hält sich das ein Jahr sehr gut und drei Jahre gut.

Wer im Herbst schon genug zu tun hat, kann auch die ganze Ernte eingefroren lassen und später erst einkochen, so habe ich das dieses Jahr auch gemacht, deshalb jetzt zum Jahreswechsel ein Hägenmark-Beitrag. Das funktioniert sehr gut, aber das Aroma lässt auch bei eingefrorenen Früchten mit der Zeit nach. Also nicht zu lange in der Gefriertruhe lassen.

Und wer sich nun wundert, warum so ein Produkt auch billig im Laden zu kaufen ist: 99% des verkauften Hägenmarks stammt aus dem Ausland, Hauptanbauländer beim kommerziellen Anbau sind Bulgarien, Rumänien, Türkei. Importiert wird der Rohstoff mit mässiger Qualität, abgefüllt wird in Deutschland. Die wenigen übrigen Flächen mit kommerziell angebauten Hagebutten befinden sich mehrheitlich auf der schwäbischen Alb. Die Produkte daraus haben dann aber auch ihren Preis, werden vor allem direkt vermarktet. 10-15 EUR pro Kilo fertiger Hagebuttenmarmelade sind üblich, Zuckergehalt satte 40%. Das können wir fruchtiger und besser.

Hägenmark, fertig abgefüllt


Pollen, Stempel, Blüte einer Wildrose


Noch einmal Wildrosenblüten

Donnerstag, 16. Dezember 2021

Der Saftladen

Apfelsaftpressung mit der Packpresse in Mosterei

Vor allem im Herbst kommt für alle, die gerne ihr Obst und Gemüse selber verwerten Jahr für Jahr die grosse Versaftung. Vieles in der Obstverwertung geht den Weg der Flüssigkeit. Am klassischen Beispiel Apfel ist das schön zu sehen: Apfelgelee, Apfelsaft, Apfelmost, Apfelessig, Apfelschnaps, Apfelkraut - alles basiert auf Apfelsaft als notwendigem Zwischenschritt. So gut wie jedes Obst und auch einige Gemüsearten können versaftet werden, um sie haltbar zu machen, leichter konsumierbar, für andere Produkte geeignet.

Vor allem wenn es um kleinere Mengen geht, halten sich jedoch seltsamerweise uralte, qualitativ minderwertige Methoden, die im Bekanntenkreis, Foren, Diskussionen nach wie vor verbreitet werden. Da werden die Quitten fürs Quittengelee in Stücke geschnitten, mit Wasser aufgegossen und ausgekocht. Die Johannisbeeren werden mit dem Dampfentsafter entsaftet. Die Schlehen kocht man nach vielen Rezepten sogar mehrmals auf und giesst den Kochsud zur weiteren Verwendung ab. Manchmal kommen elektrische Kleinentsafter zum Einsatz. Wie üblich heute gefertigt in China, peinlich-lächerlich auf Englisch bezeichnet, "Juicer", Tschuisser.

Saft gemacht haben wir dieses Jahr aus Äpfeln, Birnen, Nashi, Quitten, Ölweiden, Stachelbeeren, Trauben, in anderen Jahren noch aus viel mehr Arten. Wie gesagt, fast jedes Obst ist versaftbar. Aber die alten Methoden haben viele Nachteile:

  • die oft lange andauernde und manchmal häufigere Erhitzung zerstört viele Vitamine und Enzyme. Kalt gepresste Säfte enthalten die Inhaltsstoffe der Früchte fast unverändert.
  • Erhitzen zerstört auch Aromen. Kein Dampfentsafterprodukt erreicht das Aromaniveau eines kalt gepressten Safts.
  • Kondenswasser des Dampfentsafters, Kochwasser bei Schlehen, all das verdünnt das Produkt und sorgt zusätzlich für weniger Inhalt und Aroma.
  • Kleinentsafter ergeben oft einen trüben Saft mit Zellresten, gehen nicht für jedes Obst, haben Ausbeuteprobleme, Reinigungsaufwand, packen nicht viel. Die Langsamentsafter "slow juicer" sind billig, sind aber lächerlicher Mist für Obstsäfte. Sie funktionieren nach dem Fleischwolfprinzip mit einem Schneckengewinde, zermahlen das Pressgut. Für ein Glas trüben Saft zum Sofortkonsum aus einer Karotte mag das hinreichen, aber Quittensaft wird damit zum Beispiel trübe und flockig, oft sogar noch stärker später wenn er abgefüllt in der Flasche liegt. Diese Technik kombiniert die negativen Eigenschaften einer Bandpresse mit der von Kleinensaftern.
  • Dampfentsafter sorgen bei einigen Obstarten für viskosen Saft, der zäh wirkt, dunkel.

Die besseren Methoden hängen ganz wesentlich mit der Obstmenge zusammen, die man verarbeiten will. Jede Mengenkategorie hat ihre optimalen Verarbeitungsmethoden. Es sind die Grössenordnungen, die entscheiden wie man den Saft mit möglichst wenig zeitlichen, technischem und finanziellen Auwand auspresst.  


0,1 bis 5kg Obst: Handpressbeutel

Drei Handpressbeutel, oft benutzt

Für Kleinst- bis Kleinmengen ist die mit Abstand einfachste Methode ein Nylon-Handpressbeutel. Es gibt sie seit vielen Jahren im Zubehörhandel für Hobbysaftbereitung. Jüngst sind diese Beutel Dank der Vegan-Welle populärer geworden, man kann sie nämlich auch für die Herstellung von Nussmilch u.ä. nutzen. Das Prinzip ist sehr einfach: Obst zermanschen (von Hand oder Reibeaufsatz Küchenmaschine). Die Maische in den Beutel stopfen und von Hand ausquetschen. Fertig. Pektinreiche Maischen (Steinobst zum Beispiel) sollten zuerst mittels Pektinase verflüssigt werden. Die Reinigung des Beutels geht auch sehr schnell. Die Ausbeute ist zwar nicht gigantisch, aber hinreichend gut. Wer will, kann noch einen dünneren und weniger wertigen "Zweitsaft" produzieren, um wirklich alles auszunutzen. Dazu die bereits ausgepresste Maische nochmal mit Wasser ansetzen oder nach alter Methode auskochen. Bei sehr aromareichen Obstsorten wie Himbeeren ist das durchaus sinnvoll, das Ergebnis ist noch als Limonade tauglich.


5 bis 50kg: Korbpressen

Einfache, kleine Korbpresse

Hat man regelmässig in dieser Kategorie zu tun, lohnt sich die Anschaffung oder der Bau einer kleinen Korbpresse. Das ist schon etwas aufwendiger, man braucht die Presse selbst, ein Presstuch, aber bekommt auf einen Rutsch auch fünf bis fünfhundert Kilo Maische in den Presskorb. Die Ausbeute ist mittelmässig bis gut, Reinigung und Aufbewahrung etwas Aufwand. Der Pressvorgang dauert seine Zeit, man dreht und quetscht und sieht dem tröpfeln zu. Korbpressen gibt es auch in grösseren Dimensionen, sie werden dann aber zunehmend unwirtschaftlich. Man kann sie in dieser Grösse nicht mehr so einfach herumtragen und aufräumen, sie benötigen dann einen festen Platz.

Diese alte Presstechnik hat sich etwas überlebt, in Mostereien steht sie auch nicht mehr. Es gibt aber sehr simple, moderne Ganzmetall-Korbpressen, die für den Anfänger ein Einstieg sind. Deren Ausbeute ist allerdings nicht hoch und von den verarbeitbaren Mengen konkurriert sie eher mit dem Handpressbeutel, nicht mit richtigen Korbpressen.


50 bis 250kg: Hydropressen

Hydropresse, Saft, Trester, Obstmühle

Eine sehr elegante Presstechnik realisieren Hydropressen. Von aussen wirkt sie wie eine Korbpresse und sie benötigt auch ein Presstuch, aber im Innern steckt ein Gummiballon, der mit Leitungswasser gefüllt wird und dessen Druck die Maische auspresst. Kein Kurbeln, keine Latten, gute Ausbeute, schnell und sauber. Geräte mit 40 Liter - Presskorb sind optimal, wenn man die Presse nach Benutzung noch in einen Keller oder Dachboden schleppen muss. Die grösseren Modelle sind schwerer und unhandlicher, die kann man nur ebenerdig transportieren. Nach der Pressung lässt man das Wasser ab, entnimmt den Trester und schreitet zur nächsten Pressung. Mit dem abgelassenen Wasser reinigt man das Obst der nächsten Pressrunde. Die Kosten der Presse sind bei kleinen Pressen höher, bei grösseren Pressen etwa gleich wie bei Korbpressen.

Ach hier ist wie bei Korbpressen für Kernobst eine separate Obstmühle erforderlich, ein Obstmuser. Mit einer Küchenmaschine kann man die Maische nicht mehr herstellen. Die Herstellung von Quittensaft mit so einer Presse und Mühle: https://gartenzone.blogspot.com/2019/01/ein-winter-mit-quittensaft.html

 

250 bis 10000kg: Lohnmosterei

Mittelgrosse ältere Packpresse

Alles darüber ist ein Fall für eine Lohnmosterei, jedenfalls wenn es sich um Kernobst handelt: Äpfel, Birnen, Quitten, Mispeln, Speierling. In Süddeutschland sind die Betriebe häufig, im Norden muss man weiter fahren und die Preise sind höher. Die Ausbeute ist hoch, der Durchsatz ebenfalls. Der Saft kann meist gleich sterilisiert in Bag-in-Box-Verpackungen abgefüllt werden, wenn man das will - was erst bequem aussieht, aber viele Nachteile hat. Bei Quitten ist ganz davon abzuraten, Quittensaft bekommt oft hautartige Pektinschleier, die das Ventil nach etwas Lagerung verstopfen. Säfte altern zudem generell schnell in BiB.

Eine Zwischenform besitzen oft Obstbau- oder Kleingartenvereine, eine gemeinsam angeschaffte kleinere Profipresse für die Mitglieder, das sind hydraulische Korbpressen oder kleinere Packpressen oder Bandpressen.

Doch Vorsicht, auch die Presstechnik der Grossen hat deutliche Qualitätsunterschiede. Wenn möglich, sollte man Mostereien mit klassischen Packpressen bevorzugen, in der mehrere Lagen mit Maische auf einem Packtisch hydraulisch ausgepresst werden. Der Saft kommt recht klar aus der Presse und hat beste Qualität. Nur wer auf höchste Ausbeute und damit höchste Drücke setzt wie manche sehr geizigen Weinbauern die Maische "hart pressen", bekommt mehr unrunde und bitte Töne.

Die andere, billigere und kompaktere Presstechnik sind Bandpressen. Sie beanspruchen die Maische viel stärker, zerreissen viele Zellen. Das Ergebnis ist Maximalausbeute eines trüben, teils schleimigen Safts, der anschliessend durch eine Zentrifuge muss. Dort wird der Zellschlamm und nebenbei auch Aroma teilweise entfernt. Diese Presstechnik ist hoch effizient, kann kontinuierlich arbeiten, schafft mehrere Tonnen Obst pro Stunde, die Pressen benötigen wenig Platz. Und im Ergebnis produziert sie minderwertigen Saft. Wer wählen kann, sollte Mostereien mit solchen Pressen meiden. Leider setzen sie auch mobile Mostereien gerne ein. Fruchtsafthersteller können gar nicht anders als mit Bandpressen zu arbeiten, alle anderen Techniken sind weniger effizient und schaffen bei weitem nicht genug Durchsatz.

Wie zu sehen war, ist die beste Methode um guten Saft herzustellen vor allem eine Frage der Mengen, die man herstellen will. Alle Methoden haben Mengenoptima. Vermeiden sollte man nur die alten Hausmethoden wie Dampfentsafter, auskochen - die sind wirklich obsolet.

An der Packpresse, links Obstmühle


Presse, Saftwanne, Abfüllung in Bag-in-Box (Saftschlauch)

Sonntag, 21. November 2021

Obstwiesen gehen, Rindenbrand kommt

Rindenbrand, Diplodia Mutila

Letzte Woche habe ich viele Obstbäume auf meinen Obstwiesen umgesägt, zerlegt, Äste verbrannt. In zehn Jahren hat mehr als die Hälfte der Bäume schwere Probleme bekommen, viele der jahrhundertelang gängigen Sorten sind komplett verschwunden. Seit Jahren herrscht Endzeitstimmung bei denen, die noch Obstbaumwiesen pflegen und nicht in begünstigten Regionen leben.

Das dahinsiechen und sterben der Obstwiesen geht viel schneller wie gedacht. Zu den alten bekannten Problemen sind einige drastisch wirkende neue Probleme dazugekommen, die alles stark beschleunigen. Hier die Top-3, die in meiner und leider noch viel mehr anderen Regionen zuschlagen:

 

Trockenheit

Noch nie dagewesene Sommertrockenheit kombiniert mit weit überdurchschnittlichen Temperaturen. Schon längst sind Jahre mit durchschnittlichen Niederschlägen und Temperaturen die grosse Ausnahme geworden. Ein Rekord nach dem Anderen fällt, trockene Hitzejahre waren seit 2003 die Regel. Zuletzt schaffte es das Jahr 2018 sogar mit einer Jahrtausendtrockenheit. Obstwiesen, die nicht auf guten Keuperböden stehen, abseits von Gunstlagen wie z.B. am Alpenrand oder vor Mittelgebirgen wo noch mehr Niederschläge kommen werden gnadenlos ausgebrannt. Mühsam gekaufte, gepflanzte und gepäppelte Jungbäume vertrocknen, denn Bewässern kann der private Wiesenbewirtschafter nicht so, wie es nötig wäre. Auch an Altbäumen sterben schlecht versorgte grosse Äste, 2018 kam dann noch ein Schwung Sekundärprobleme, Herbststürme die das trockene unflexibel gewordene Holz abrissen.

 

Misteln

Misteln fressen sich regionenweise durch alle Apfelbäume. Aus irgendeinem Grund hat sich ihre Ausbreitung massiv beschleunigt. Die Bäumen hungern aus und gehen schliesslich ein. Bäume auf ungepflegten Wiesen sind in wenigen Jahren komplett durchseucht und wer seine Wiese noch pflegt, bekommt es mit starkem Befallsdruck zu tun. Dem er nicht einmal richtig begegnen kann, an einem Hochstamm kommt man nun einmal nicht an die meisten Äste ran. Dazu ist schon ein Beitrag erschienen: https://gartenzone.blogspot.com/2020/02/misteln-parasiten-obstbaumen-auf-dem.html

 

Rindenbrand, Krankheiten

Das schlimmste Problem ist meiner Ansicht nach die stark gestiegene Virulenz mehrerer Krankheiten, an erster Stelle steht bei Diplodia Mutila, der Rindenbrand. Am meisten Probleme macht sie in wärmeren und trockenere Gegenden, auf Wiesen mit Süd- und Südwestausrichtung. Je nach Region hat sich auch schon Marssonnina Coronaria, eine Blattkrankheit vorangefressen. Rindenbrand trat zum ersten Mal grossflächig nach dem extremen Hitzejahr 2003 auf. Danach häuften sich die heissen und trockenen Jahre und damit der Befall, ab 2018 fegte die Krankheit derart durch die Obstwiesen dass oft kein gesunder Baum mehr blieb.

Was ist das nun für ein Zeug, der Rindenbrand? Diplodia Mutila ist ein Pilz, ein Schwächeparasit. In letzte Detail gehen will ich da nicht zu sehr, nachzulesen ist bereits viel im Internet, ich bleibe bei der Praxis. Er befällt viele Obstbaumarten, am häufigsten Äpfel. An ihnen verursacht er absterbende Rindenpartien an Stamm und Ästen, verursacht Wunden die nur schwer oder gar nicht mehr heilen. In kommerziellen Plantagen interessiert das niemand, wo sowieso ständig Fungizide ausgebracht werden wird auch dieser Pilz (noch?) zurückgehalten, während er auf Obstwiesen seit Jahren bestandszerstörend wird. Das Anfangsstadium ist nur bei genauem Hinsehen zu erkennen, danach sind die Symptome eindeutig. Dazu einige Bilder:

Orleans Renette

Junger, eigentlich vitaler Baum einer Orleans Renette, eine 500 Jahre alte französische Sorte. Hochstamm. 2019 beginnende Rindennekrose, 2020 platzt sie auf. Ich schneide die infizierten Stellen heraus und bestreiche den Stamm mit einem Fungizid. 2021 beginnen die Ränder ganz langsam wieder zu wachsen, aber Diplodia weitet sich trotzdem den Stamm rauf und runter weiter aus. Mittlerweile auch eine zweite Befallsstelle.

 

Rebella

Sorte Rebella, Neuzüchtung, fünffachresistent und eigentlich sehr robust. Baum 12 Jahre alt. Mehrere Infektionen am Hauptstamm, die langsam wieder zuwachsen. Immerhin ist da noch Hoffnung.


Robuste Mostsorte

An borkigen Stämmen ist der Befall seltener, aber nicht ausgeschlossen. Dieses Apfelbäumchen hat seit 2018 Befall an allen Leitästen, die südseitigen Äste haben damit begonnen. Ein Totalschaden.

 

Goldparmäne

Jüngere Goldparmäne. Diese Sorte zeigte sich hochanfällig und war schon vor 2018 in der Gegend praktisch ausgestorben. Grossflächiger Befall an Hauptstamm und allen Ästen. Nachdem die Äste abgestorben sind, treibt der Baum durch den Saftstau viele Triebe unterhalb davon aus. Auch sie werden dann aber erfasst, der Baum stirbt. Entfernt man solche Sporenschleudern nicht schnell von der Wiese, haben die anderen Bäumen noch mehr Befallsdruck.


Ontario

Auch hier: Alle Leitäste befallen. Der Baum stirbt. 


Jonagold

Kronenbereich eines gefällten Jonagold. Das schwarze Russ und die Nekrosen: Rindenbrand.


Jonagold

Dünne Äste werden ebenso befallen. Hier das Anfangsstadium, bevor die Rinde abplatzt.

Jonagold

Ältere Befallsstelle tiefer am Stamm. Die Nekrosen sind zu gross, um wieder überwallt zu werden. Sekundäre Schäden entstehen, Käferfrass etwa.


Feuer, verbrennen eines vom schwarzen Rindenbrand schwer befallenen Baums

Das Ende. Das befallene Geäst der gefällten schwerkranken Bäume sollte verbrannt werden wenn möglich, der Pilz sport sonst weiter aus.

Deutlich mehr als die Hälfte meiner Bäume sind schon weg oder absehbar weg, darunter auch Birnen. Noch habe ich nicht aufgegeben und pflanze nach, dazu weiter unten mehr. Empfohlen wird auch ein Weissanstrich auf den Stamm, aber das könnte höchstens bei sehr jungen Bäumen etwas verzögern. Problem: Auch im Geäst oben findet Rindenbrandbefall statt. Man kann nicht jeden Ast weiss anpinseln. Und auch ältere Bäume erwischt es je nach Sorte.


Sorten

Sicher ist, dass die meisten alten Sorten Mittel- und Westeuropas anfällig sind, einige davon sehr stark. Es gibt viele Einzelbeobachtungen aus einer bestimmten Gegend, aber wenig bis keine allgemeine, verlässliche, fundierte Sortenlisten, die Anfälligkeiten auflisten. Einige Einzelbeobachtungen von mir, sortiert nach Befall:

  • Golden Delicious. Anfälligste Sorte, nicht überraschend. Starb schon nach der ersten Welle 2003. Diese Sorte hält ohnehin mehrere Rekorde bei Krankheitsanfälligkeiten. Reine Plantagenpflanze, völlig abhängig von intensivem Pflanzenschutz.
  • Goldparmäne. Taurig, das Ende einer uralten erstklassigen Sorte mitzuerleben. Bäume ab 2003 befallen, letzte Reste ab 2018 vernichtet. Nichts mehr da. Durchweg schwerer Befall.
  • Jonagold. Eigentlich gar nicht so empfindlich für eine kommerzielle Sorte, aber seit 2018 gründlich absterbend, Befall bis in feine Äste hinauf. Rodung nicht zu vermeiden. Viele Golden Delicious-Abkömmlinge sind hochproblematisch, somit stellt fast die gesamte Neuzüchtungsapfelriege eine Sackgasse voller katastrophaler Risiken dar, denn Golden Delicious ist in praktisch allen neuen Sorten als Elternsorte enthalten. Oft mehrfach eingekreuzt. Auch in die schorfresistenten Sorten. Überall. Den Züchtern sei gesagt: Ihr habt Riesenmist gebaut. Nicht unerwartet, Golden Delicious ist ist eine grundsätzlich für viele Krankheiten sehr anfällige Sorte, auch ihr Rindenbrandproblem war aus wärmeren Ländern schon lange bekannt.
  • Gala. Stibt eben, Befall schon als Jungbaum. Golden Delicious im Stammbaum...
  • Klarapfel. Ältere Sorte, aber leider auch sehr anfällig. Auch auf Trockenheit.
  • Berlepsch. Besonders die Jungäste in der Krone erwischte es bald. Dieser Apfel ist auch von den klimatischen Anforderungen nicht mehr geeignet, er kommt mit der Hitze nicht klar.
  • Zabergäu Renette. Wieder eine erstklassige Renette, die zunehmend Probleme bekommt.
  • Conference Birne. Die anfälligste Birne bei mir. Tote Leitäste, alle Bäume mussten trotz gutem Standort gefällt werden.
  • Orleans Renette, siehe Bild. Bitter.
  • Roter Bellefleur. Alte Sorte, trotzdem mit schnell fortschreitenden Schäden.
  • Gloster. Musste gefällt werden. 
  • Ontario. Musste gefällt werden.
  • Weisser Wintertaffetapfel. Gefällt. Leitäste befallen.

Sorten, die bis jetzt (!) etwas besser, wenn auch nicht gut dastehen sind der gute alte Brettacher, Idared, Glockenapfel, der Boskoop in allen Mutanten.

Bislang befallsfrei sind der Rote von Simonffi, Siebenkant, einige Birnen, alle Quitten. Zweifellos kommen in den nächsten Jahren noch weitere Erfahrungen zu mehr Sorten dazu.

 

Was pflanzen?


Die grosse Frage ist natürlich, was stattdessen an Äpfeln gepflanzt werden sollte. Wenn man sich überhaupt noch die Mühe macht, denn die anderen Obstwiesenprobleme mit Sommertrockenheit und Misteln bestehen ja weiter. 

Logisch wäre, Äpfel aus dem feuchten, atlantisch-gemässigten Klima Englands, weite Teile Frankreichs, der Nordsee zu meiden. Das heisst nicht, dass darunter keine Diplodia-festen Sorten sind, aber die Risiken sind höher, weil sie mit diesem Problem seltener konfrontiert waren, wenn sie keinen breiten Anbau ausserhalb ihrer ursprünglichen Verbreitungsgebiet erlebten. Stattdessen könnte man auf Sorten zu setzen, die in kontinentalem Klima mit trockenheissen Sommern eine Tradition im extensiven Anbau haben. Eine Tradition hätten sie dort nie bekommen, wenn sie mit solchen Verhältnissen nicht klargekommen wären. Sorten vom Balkan bis Ukraine, Sorten die ab dem pannonischen Teil Österreichs südostwärts populär waren. Dort sind die Sommer immer schon kontinentaler und damit heiss gewesen sowie längere Trockenphasen normal. Tatsächlich zeigt das, was ich von dort schon habe genau diese gesuchte Robustheit und gibt mir somit Hoffnung auf Bäume statt Kettensäge und tote Äste.

Roter von Simonffi, Siebenkant habe ich schon. Pflanzen will ich noch: Batullenapfel, Königin Olga (aus der Ukraine, nicht zu verwechseln mit Herzogin Olga), Kandil Sinap (von der Krim), Ulmer Polizeiapfel (eigentlich aus Rumänien).

Pflanzen wir und hoffen wir.