Freitag, 7. Januar 2022

Das Polenta-Abenteuer Teil 1: Polentamaisanbau

Frisch geerntete Polentamaiskolben Sorte "Malcantone"

In den meisten Nutzgärten werden Leckereien angebaut. Gutes Gemüse, leckeres Obst, Kräuter. Dinge, die auch satt machen sind dagegen selten im Anbau. Der häufigste Sattmacher dürfte Kartoffeln sein, aber die Fläche hat für tatsächliche Sattmachmengen fast niemand und der Aufwand für Kartoffelanbau ist in unserer Region derart hoch geworden und der Anbau so schwierig (zu wenig Wasser, Hitzeschäden ohne Ende, zu viele schlimmer gewordene Krankheiten, geringe Erträge) dass das nur noch für ein paar sehr frühe Frühkartoffeln Spass macht.

Getreide baut man im Garten eher nicht an. Wie soll man es auch verarbeiten, dreschen? Hirse, Reis, Buchweizen? Auch nicht im Haus zu verarbeiten. Lohnt sich sowieso nicht. Aber es gibt eine wichtige Ausnahme: Mais. Zuckermais ist ein etabliertes edles Gemüse, Popkornmais, manchmal auch Zahnmais für Hühnerfutter, alles geht. Und auch der Mais, der als Nährmittel für den Menschen geeignet ist geht, der Polentamais. Die Körner lassen sich ohne aufwendiges Mähen und dreschen von Hand ernten, von den Kolben trennen, lagern, mahlen und kochen. Das macht jedoch fast niemand. Samen, Sorten gibt es in Deutschland auch kaum zu kaufen, ertragsstarke sowieso nicht und wenn, dann unbegründet sehr teuer. Ich hatte grosses Glück, bekam das Saatgut ertauscht. Von einem freundlichen schweizer Tauschpartner Samen einer guten Sorte bekommen, wo Polentamais in einigen Gegenden im Anbau ist, Polenta seit langer Zeit in diversen regionalen Spezialitäten auftaucht. Polentamais ist ohnehin fast weltweit im Anbau. Der beste Polentamais soll "La Plata" Mais aus Argentinien sein mit einer recht kräftigen gelborangen Farbe.

Was ist Polentamais, was gibt es für Sorten?

Unreifer Kolben "Malcantone", wirkt noch milchig

Botanisch heisst dieser Maistyp Zea mays convar. indurata (=gehärtet). Es ist naheliegenderweise ein Körnermais, im Gegensatz zu Silo- oder Grünmaisarten, die auch zur Biogasproduktion in Deutschland angebaut werden. Polentamais ist ein Speisemais, wird eher hart (aber nicht so hart wie Popkornmais) und hat einen mässigen Stärkeanteil, dafür noch eine leichte Süsse und Aroma. Diese Eigenschaften sorgen für einen guten Griessanteil beim mahlen. Probiert man den häufig angebauten Futtermais aus einem landwirtschaftlichen Maisfeld, wird man daraus nur ein stärker mehliges, schmieriges Produkt mit wenig Aroma mahlen können.
Polentamaissorten, die man mit etwas Aufwand auch in Deutschland bekommt sind zum Beispiel Mergoscia, Abenaki, Rheintaler Riebel (ist auch ein Gericht, nicht nur eine Sorte), der rote Tessinermais. Die Sorte, die ich hatte war "Malcantone", ursprünglich ebenfalls aus dem schweizer Kanton Tessin, es ist der Namen einer Ortschaft. Die Körner fallen optisch sofort auf, etwa 60% der Kolben sind kräftig dunkelrot, der Rest knallig gelb. Um es gleich vorwegzunehmen: Malcantone hat sich bei mir absolut bewährt, in Anbau, Erträgen, Verarbeitung, Küchentauglichkeit.

Welche Bedingungen benötigt Polentamais?

Unser Maisfeld, davor Kürbisse, rechts Topinambur

Die Bedürfnisse von Polentamaissorten unterscheiden sich nicht grundlegend von denen anderer Maisarten. Zu beachten ist der hohe Nährstoffbedarf. Ein Punkt ist allerdings kritisch: Polentamais muss ganz ausreifen, das dauert. Wenn man ihn direkt aussät, reift er selbst in unserem Klima nicht immer ganz aus oder ein feuchter Herbst bringt ihm zum vorzeitigen schimmeln. Das ist der Grund, dass er in Deutschland nie populär geworden ist, Ernte und Qualität sind in den meisten Regionen Deutschlands zu unsicher. Bekannt war er aber sehr wohl sofort in Deutschland, nachdem er im 16. Jahrhundert nach Europa gebracht wurde. Während die Eurasischen Getreidearten wie Weizen bereits im Juli erntereif sind und danach noch Steckrüben in die Stoppeln gesät wurden, kann Polentamais frühestens Ende September geerntet werden. 

Gut bestockte Pflanze, oben bereits Vogelfrass

Ansonsten benötigt Polentamais gut versorgten Boden, grössere Pflanzabstände wie Futter- oder Zuckermais, sein Wasserbedürfnis entspricht dem anderer Maisarten. Das bedeutet, Mais benötigt insgesamt weit weniger Wasser wie Weizen. Das täuscht aber in der Praxis gewaltig, weil Mais eine sehr viel längere Vegetationszeit hat und ein deutlich späteres Wachstumsmaximum. Während Weizen, Gerste & Co noch Bodenfeuchte von Winter und Frühling haben und im Hochsommer bereits reif sind, will Mais das Wasser später, lange Trockenphasen im Sommer, vor allem zur Blütezeit und bis zur Kornfüllung senken die Erträge gewaltig. Ausgerechnet diese langen Trockenzeiten im Sommer wurden von einer Ausnahme zu Regel. Das hat 2018 vielfach zu Totalausfall geführt, auch bei uns, auch 2019 ging es schief, ebenso 2020, der Frühsommer war viel zu lange knochentrocken. Rollt der Mais die Blätter, muss also Wasser gegeben werden, eine pflegefreie Kultur im Garten ist er nicht. Umgekehrt kann er aber hohe Wassergehalte im Boden sehr gut nutzen und wächst deshalb auch dort, wo es für Getreide zu feucht ist. Als C4-Pflanze kann er ausserdem bei hoher Lichteinstrahlung und Temperatur in kürzerer Zeit mehr Biomasse aufbauen als C3-Pflanzen (das sind z.B. Weizen, Kartoffeln, Soja, Reis, alle Bäume) und ist damit an Standorte mit viel Sonne und Wärme angepasst. Dort holt er dann auch richtig was raus bei den Erträgen, sogar im Nutzgarten.

Landwirtschaftliches Maisfeld Spätsommer 2020 in der Region - vertrocknet, verzwergt.
Keine Kolben angesetzt.

 

Der Anbau

Vorgezogene Jungpflanzen Polentamais

Aus Angst vor zu kurzer Vegetationszeit und den in den letzten Jahren frustrierend harten Spätfrösten, die mir frühe (Zucker-)maisaussaaten auch schon zerstört haben bin ich zweigleisig vorgegangen: Für die Hälfte der 20qm-Fläche habe ich in Pflanzschalen im Gewächshaus Mais vorgekeimt und die etwa 5cm hohen Pflänzchen Anfang Mai ausgepflanzt. Die andere Hälfte habe ich zum selben Zeitpunkt wie die Pflanzung daneben direkt ausgesät. Das Keimergebnis war immer erstklassig. Abstand zwischen den Pflanzen 30-40cm (darf auch mehr sein), Abstand der Reihen ca. 60cm, Aussaattiefe 4-5cm.

Bis Ende Juni war Unkrautbekämpfung nötig, danach schliessen sich je nach Pflanzabstand die Reihen dicht und der Mais wird sehr hoch. Malcantone erreicht deutlich über 2m. Der Bestand wurde gut blickdicht, man könnte Mais auch als Sichtschutz pflanzen. Ist etwas Höhe erreicht, stört noch aufkommendes Unkraut nicht mehr, es wächst wegen Lichtmangel nicht mehr gut. Der Anbausommer war nach drei sehr trockenen Hitzjahren etwas sonnenarm und gottlob immer wieder feucht, was dem Mais bis auf erhöhte Schimmelneigung aber sehr gut gefallen hat. Ich musste auch nicht wässern. Die hohen Pflanzen erwiesen sich als hinreichend windstabil, so dass Gewitterböen fast nichts umgerissen haben - bei Zuckermais passiert das regelmässig. Vielleicht war das aber auch nur Glück.

Vogelfrass von oben her

Es war spannend, die Pflanzen zu beobachten. Man hat nach der Blüte gut gesehen, dass viele lange Kolben gebildet wurden, man auf guten Ertrag hoffen konnte. Glücklicherweise waren in der Nähe keine anderen Maisfelder, so dass ich darauf hoffen kann, wieder unverkreuztes Saatgut nehmen zu können. Dann die bange Frage: Wann ernten? Mitte September noch nicht, aber ab Ende September hatte man den Eindruck, die meisten Kolben wären reif. Habe dann eine erste Ladung Anfang Oktober geerntet, einfach die Kolben von den Pflanzen abgerissen. Der Mais war hart, etwas glasig, wirkte reif. Die zweite Ernte dann eine Woche später. Kein optischer Unterschied mehr, aber die Schimmelneigung hatte doch noch zugenommen. An mehreren Kolben hatten sich Vögel vergriffen. Sie reissen die Hüllblätter (beim Mais auch Lieschen genannt) ab und picken die Körner heraus. Der Schaden war aber mässig, da hatte ich bei Zuckermais und Popkornmais schon schlimmeres erlebt. "Malcantone" lässt zwar einige Körner an der Spitze herauslugen was die Vögel anzieht, macht es ihnen aber mit einem fest umhüllten und verschlossenen Kolbenbau schwer, alles sofort wegzuräubern.

Einige geerntete reife Kolben

Der Direktsaatmais blieb höchstens minimal niedriger wie der vorgezogene Mais. Der Ertrag war ähnlich, der Reifezustand nur leicht schlechter. Einen grösseren Unterschied machte die Besonnung. Die Randreihen hatten deutlich bessere Erträge und fettere Kolben. Mit mehr Pflanzabstand kann man offenbar auch schlechtere Verhältnisse ein bisschen kompensieren. Die Kolben habe ich eingepackt und mitgenommen.

Die weitere Verarbeitung der Kolben und dann der Körner folgt in Teil 2.

Abgeerntet

2 Kommentare:

  1. Hallo,
    Ich habe deine Berichte grad verschlungen, weil ich mich selber grad übers Thema Polentamais im Garten schlau mache. Wie du schreibst, Kartoffeln sind ja bekannte Sattmacher aus dem Garten, aber es gibt ja auch noch anderes.
    Du schreibst, dass du mehrere Maissorten im Garten hast. Wie sieht es dabei mit verkreuzen aus? Die lange Anbauperiode ist auch etwas, das mich aufs Vorziehen brachte. Scheint bei dir allerdings nicht unbedingt nötig zu sein.
    Wir sind auf 1000m haben aber gewöhnlich warm und trocken im Herbst. Da bin ich guter Dinge, dass es was wird. Was ist deine bevorzugte Sorte?
    Beste Grüsse und gut Polenta,
    Sibylle

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  2. Den Polentamais hatte ich in einem entfernten Aussengarten angebaut, ohne weitere andere Maissorten drumrum, auch keine landwirtschaftlichen Maisfelder. Sonst hätte sich vielleicht tatsächlich was verkreuzt. Will ihn aber möglichst sortenrein weiter vermehren.

    Warmer und trockener Herbst ist schon mal gut, das verringert auch das Schimmelrisiko. Die wenigen für Deutschland in frage kommenden Sorten sollen recht ähnlich sein in ihren Bedürfnissen, neben dem "Malcantone" ist nördlich der Alpen "Mergoscia" im Anbau. Sativa Rheinau hat Saatgut. Der ist rein gelb, kleinere Kolben aber dafür mehr pro Pflanze.

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