Dienstag, 18. Februar 2025

Nutzgarten in der Politik?


LKW-"Wirtschaft" - Qualität?
Bald sind Wahlen. Wie vor anderen Wahlen wird gewichtig auf die Pauke geschlagen mit grossen, furchtbar wichtigen Themen von globaler Bedeutung, obwohl die Zuständigkeit der jeweils gewählten Gremien immer nur eng begrenzte Bereiche hat. Gibt es auch etwas, das für uns interessant ist, für Leute mit diesem winzig kleinen, nicht ernstzunehmenden Hobby, den Obstbäumchen, dem Garten, der Leben und Lebensmittel liefert? Sogar in der untergegangenen DDR war das ein wichtiges Thema, der Garten lieferte damals ein sagenhaftes Drittel des landesweiten Gemüsebedarfs, Erträge wurden sogar von Läden aufgekauft, die Gärten wurden gefördert mit Wasseranschlüssen, ein Verband war auch sehr stark in der Kommunalpolitik. Aber heute, in welchen Parteien zeigen sich Spuren davon? Was wollen wir, was wollen Leute überhaupt, die den Planeten im eigenen Garten retten, ihr Leben und ihre Lebensmittel mehr um sich haben wollen statt ausschliesslich plastikverpackt und aus Plantagen herangekarrt? Ich würde die Wünsche von Nutzgärtnern so sehen:

  • Qualitatives statt quantitatives Wachstum. Ein Wachstum, das unsere Landschaft mit Blechhallen, Asphalt, Freiflächensolaranlagen (während gleichzeitig die Blechhallendächer daneben leer bleiben) fetten Baugebieten zukotzt, verbessert bestenfalls die Lebensqualität von Besitzern und erstickt jeden Anderen einschliesslich unserer Gärten nur. Quantitatives Wachstum bedeutet, das Gaspedal auf dem Weg in die Sackgasse noch weiter zu treten, denn alle Systeme dieser Erde sind konstant, wachsen nicht mit. Jedes Wachstum, das von konstanten Ressourcen frisst läuft zwingend gegen eine harte Wand. Wachsen soll die Qualität unseres Lebens, unserer Lebenswelt, nicht die Quantität, der Verbrauch endlicher Ressourcen. Mehr Gesundheit statt mehr Fett; Besser statt Mehr!
  • Nutzgärtner leben in der komplett falschen Zeit. Menschen, die selbst Ressourcen schaffen und wenig benötigen sind in dieser Welt für fehl am Platze erklärt worden. Flächen dafür können sie sich nicht leisten, ihr wirtschaften wird belächelt, abgedrängt und sogar reglementiert. Mittlerweile sind die bürgerlichen Kleingartenanlagen in vielen Städten unter Druck geraten und werden zu Bauland für teure Gebäude. Förderung der eigenen Wohnung: Gut so. Förderung von Methoden und Leuten, die selber anpacken und erzeugen: Gut so. Aber Bürgerpalast-Schottergärten ausweisen? Sobald das Baugebiet verkauft ist, unternehmen die meisten Bewohner sofort alles, um den lästigen Garten auf dem zugebauten Restgrundstück wieder loszuwerden und umzunutzen. Man füllt mit Schotter auf und nennt das Steingarten, pflastert den Boden tot, baut Doppel- und Dreifachgaragen für Krempel und Blech, hält zugeteerte Abstellflächen die grösser wie die Wohnflächen sind für unbedingt nötig. Am besten noch Gebäude mit Klimaanlagen, weil sich diese Steinwüsten im Sommer gnadenlos aufheizen. Für den Staat scheint die Hauptsache zu sein, dass die Mehrwertsteuer für Zucchini aus Spanien und Grillfleisch aus Argentinien stimmt, hergekannt über die Schneisen der energieversoffenen Verkehrsmittel. Zu fordern wäre der Fokus auf das Leben!
  • Wahnwitzige Reformen wie die neue Grundsteuer zerstören unseren Raum. Ein Garten, der die Lebensmittel- und Erholungsquelle vor der Haustür ist, abartig zu besteuern wie wenn das eine Villa mit Pool wäre, zeugt von bodenloser Dummheit und Ignoranz der Mächtigen. Ergebnis: Planiert und vermietet als Wohnmobil-Stellplatz, um Umsatz zu machen, damit die Steuern bezahlt werden können. Denn Gärten machen keinen Umsatz, sie liefern kein Geld, sondern beste Lebensmittel für den Eigenverbrauch. Gärten zu berücksichtigen wäre sehr leicht gewesen, dass das nicht passiert ist, kann nur auf Absicht der Politfiguren zurückgehen, auf ein System das beweisbar kaputter Schrott ist, aber mit voller Absicht beibehalten wird. Keine Zerstörungsprämien!

In den Parteien kommen wir nicht vor oder werden nur als Gartenzwerge lächerlich gemacht.

In der CDU existieren wir nicht, nur der "ländliche Raum" soll gefördert werden - vermutlich durch Ausweisung von mehr Baugebieten. Totalausfall. Die SPD hat sich auf kommunaler Ebene in Großstädten für den Schutz von Kleingartenanlagen eingesetzt, sie seien die "grüne Lunge" von Städten, in anderen Städten beteiligte sie sich an Zerstörungen. Immerhin kein Totalausfall. Die AfD fordert Schutz und Neuausweisung von Kleingartenanlagen auf kommunaler Ebene und will die Rechte der Gärtner stärken. Sie fordert die Stärkung der Rechtssicherheit für Kleingärten und den Abbau von Regularien, um es breiten Bevölkerungsschichten zu ermöglichen, Lebensmittel selbst zu erzeugen und so die genetische Vielfalt zu erhalten sowie einen Beitrag zur Krisenvorsorge zu leisten. Das ist erstaunlich weitsichtig und fundierter wie die Politkonkurrenz. Die Grünen wollen wie in Hamburg kommunal "abwägen", ob Wohnungen oder Kleingärten. Sie sehen "ökologischen und sozialen Wert" in Gärten, aber stimmen dann dagegen. Die FDP ist kommunal für die Bebauung von Gärten und will sie lieber irgendwoandershin verlegen. Doppel-Totalausfall.

Wer wie ich Obstwiesen und Reststücke bewirtschaftet, bekommt noch ganz andere Seiten der Parteien und Kommunnen zu spüren. So ist in meinem Bundesland unter einer Regierungsführung der GRÜNEN der Flächenfrass maximiert worden, die Obstwiesen sind am stärksten verkommen, die unwirksamste Förderung wurde gefahren, man hat generell den Eindruck, vollgefressene Sekttrinker würden das Thema aus Sicht von Spaziergängern betrachten, die ihren Hund in einem städtischen Speckgürtel ausführen und Obstwiesen nur von da her kennen. Von aussen, losgelöst von der Realität, nie selbst etwas getan, keine Ahnung von den Problemen, nur "schön grün und öko" Wünsche. Dazu kommt eine vollkommen realitätslosgelöste und kontraproduktive Regelungsflut. Probleme? Die erste Reaktion ist immer eine eifrige Verantwortungsverschiebung.

Das Thema ist für viele der tätigen Leute aber sehr wichtig, entsprechend der miesen Behandlung in der Politik gibt es sogar eine Gartenpartei, auch wenn kaum jemand davon gehört hat: https://gartenpartei.eu

Sonntag, 9. Februar 2025

Bekämpfung von Rindenbrand im Winter

So ziemlich das Endstadium.
Das wird nichts mehr.

Rindenbrand (Erreger: Der Pilz diplodia mutila) an Apfel und weniger an ein paar Birnensorten in Obstwiesen und auch Hausgärten ist leider ein Megathema geworden. Das neue Wetter führte ab 2003 zu einer Rindenbrandkatastrophe. Die Symptome wurden erst jahrelang un- und missverstanden (erst 2013 wurde der Erreger identifiziert). Die Schäden gehen mittlerweile bis hin zum Ende vieler Sorten in den trockeneren sommerwarmen Gegenden. Dazu gehört die Rhein-Main Region etwa und leider auch hier, besonders auf den weniger guten Hangböden um das Heilbronner Becken, einem traditionellen Raum der Obstwiesen seit fast 200 Jahren. Die Probleme haben sich räumlich stetig ausgeweitet, wer gestern noch grinste und von Ausnahmen in sowieso schwierigen Gegenden sprach, zersägt heute seine Goldparmäne, weil die Krone teilweise abgestorben ist und die Rinde in Fetzen herunterhängt. Rindenbrand ist in allen süddeutschen Obstgebieten nachgewiesen. Und ist auch als Schadpilz vor allem an Buchen mit katastrophaler Auswirkung auf ihre Vitalität ein neues grosses Problem geworden.

Ast 2024 in Heilung und Vernarbung begriffen

2024 war seit Jahren das erste Jahr mit einer Atempause bei Neuinfektionen, weil der Sommer feucht war. Die Rinde blieb elastischer, die Bäume hatten Wasser. Da sich Infektionen erst im Folgejahr richtig zeigen, waren Probleme trotzdem sichtbar, sie stammten von Infektionen der Jahre vorher. Aber 2024 heilten dafür alte Wunden ein Stück weit besser zurück. Letzten Samstag war dann das Wetter ideal, um eine Runde Vorbeugung an den Bäumen zu starten: Sonnig, trocken, leichter Wind, 10°C warm.

Baumanstrich gegen Rindenbrand

Hier nutzte der Anstrich ohne Kupfer
nach der Erstinfektion nichts mehr

Klar erwiesen ist leider nichts, aber in dieser Situation muss man angesichts sterbender Bäume vieles ausprobieren und jede Chance für Verbesserungen nutzen. Ein haltbarer Weissanstrich ist so eine Chance, verstärkt mit einem Fungizid direkt auf der Rinde. Die damit verbundene Hoffnung ist, vor allem bei Jungbäumen Rindeninfektionen zu bremsen, damit die Bäumchen hochkommen, überleben, vital starten. An alten Bäumen ist meistens ohnehin nicht mehr viel zu machen, die enorme Lebensverkürzung ist offensichtlich. Sortenanfälligkeiten und Standortkombination lassen dann den Fall hoffnungslos erscheinen. Die Altergrenze für den Anstrich liegt beim Beginn der Rissigkeit der Baumborke. Lieber gleich auf andere hoffnungsvolle Sorten setzen und die dann gut hochbringen. Zu den Sorten mit Hoffnungen und hoffnungslosen Sorten ist im Blog schon ein ausführlicher Beitrag: https://gartenzone.blogspot.com/2021/11/obstwiesen-gehen-rindenbrand-kommt.html
Der Nutzen, den man sich von einem Schutzanstrich verspricht:

  • Der thixotrop eingestellte Weissanstrich verfugt Rindenrisse und verwehrt generell Pilzsporen den Zugang zum Wirt.
  • Die Rinde bleibt elastischer, das Neuauftreten von Rissen wird vermindert. Rindenbrand benötigt für den Befall zwingend Rindenverletzungen. Die gilt es unter allen Umständen zu verhindern.
  • Im Hochsommer bildet der Anstrich eine Verdunstungsbremse.
  • Als Nebeneffekt meiden Kleinnager Stämmchen mit Weissanstrich.
  • Weisse Rinde erhitzt sich möglicherweise langsamer und/oder weniger stark in der Sonne, damit weniger Hitzeeinwirkung auf die weiss bestrichenen Flächen und weniger Sonnenbrandnekrosen.
  • Streicht man den Stamm zuerst mit einer stark fungizid wirkenden Kupferverbindung ein und lässt den trocknen, wird sie mit einem Weissanstrich am Stamm wirksam fixiert. Damit ist Kupfer genau dort, wo das Rindenbrandproblem beginnt, erwischt bereits vorhandene Sporen und senkt vielleicht die Infektionsrisiken.

Neu ist nichts an dieser Idee des Vorgehens. Alte Methoden gegen Rindenkrankheiten wie Kragenfäule beinhalteten nach Ausschneiden des Herds auch Bepinseln mit Fungiziden. Weissanstriche gegen Rindenrisse sind auch uralt, früher eben Hauptsächlich wegen Frost.

Rechtliches

Rechts erlaubt, links verboten

Traurig genug, darüber ein eigenes Kapitel schreiben zu müssen. Kupfermittel werden seit 1885 im Weinbau weltweit eingesetzt und sind wohl das älteste Fungizid im breiten Einsatz, extrem gut erforscht und bewährt. Bis heute werden Kupfermittel im Bioanbau eingesetzt, bis vor ein paar Jahren war das auch Privatanwendern erlaubt und im Ausland bis heute. Jetzt sind sie in Deutschland Privatanwendern verboten. Ich sehe die behaupteten Gründe nicht annähernd ein, aber das soll hier nicht Thema sein. Auch die hier genannten Kupferverbindungen sind nicht für einen Baumanstrich erlaubt, es sind im rechtlichen Sinne keine Pflanzenschutzmittel, keine Grundstoffe, keine Pflanzenstärkungsmittel. Wenn es nach den leitenden Figuren des streng ideologisch ausgerichteten und besetzten Umweltbundesamtes geht, ist auch Wasser zum giessen verboten, weil nicht zugelassen. Damit beschreibt dieser Text hier ausschliesslich eine Technik des Möglichen, nicht des Erlaubten. Eventuell nachweisbare Mittel wurden also nicht von mir, sondern von Dritten gegen mein Wissen und unerlaubt auf der öffentlich zugänglichen Fläche aufgebracht, um mir etwas unterzuschieben. Es gibt eben Dinge, die so übel sind wie Rindenbrand.

Anstrich, Mischung, Technik

Fleissig pinseln gegen den Rindenbrand

Gute vorformulierte Mittel wie Cuprofor flow, die auch regenbeständige Haftmittel enthalten sind für uns in Deutschland nicht käuflich zu erwerben, dafür müsste man nach Österreich oder Schweiz. Wer sie dort bekommt, darf sie hier nicht anwenden. Eine Selbstanmischung könnte so aussehen: Max. 4g Kupferoxychlorid (nicht gehäufter Teelöffel) in einem Schraubglas mit 200ml Wasser und etwas reiner Kalischmierseife als Netz- und Haftmittel mit dem Deckel verschliessen und schütteln, damit sich alles löst. Andere Mittel wären Kupferhydoxid oder Kupfersulfat. Mit dem Pinsel tropffrei auf die Rinde auftragen, von Stammbeginn bis ein Stück weit in die Leitäste hinauf. Die 200ml reichen für eine gut zweistellige Anzahl junger Bäume, je nach Baumgrösse auch deutlich weniger.

Gut abtrocknen lassen, deshalb nicht erst abends damit beginnen, sondern bei trockenem Wetter und trockenen weiteren Aussichten tagsüber. Etwas Wind ist auch gut. Wenn alles wirklich trocken ist, den Weissanstrich gemäss Packungshinweisen aufbringen. Auch das ist einfach. Den Anstrich mit Kalk oder Wandfarbe selbst anzurühren ist nicht zu empfehlen, das wäscht sich viel zu schnell wieder herunter. Der Witz ist ja gerade, die Schutzwirkung im gesamten Sommer zu haben und auch das Kupfer drunter möglichst lange auf der Rinde zu halten. Auch die Idee, Kupfer direkt in den Weissanstrich zu rühren und erst dann zu verstreichen klappt nicht. Der bröckelt dann, die Stoffe vertragen sich nicht mit dem kolloiden Charakter des Anstrichs.

Andere Methoden?

Immer dort, wo Wassermangel und Hitze zusammentreffen, potenziert sich das Rindenbrand-Problem, er ist ein Parasit der geschwächte Bäume befällt. Leider sind beide Faktoren sehr häufig geworden. Ich habe auch versucht, Bäume zu sanieren oder bei hoffnunglosen Fälle die Krone zu kürzen, um damit die Wundheilung zu beschleunigen, absichtlich einen starken Neutrieb zu provozieren, der aus den Wasserschossern eine dichtere und junge Krone mit mehr Schatten bringt. Letztlich ist das aber nie Sanierung, sondern bestenfalls Lebensverlängerung.

Toten Stammberfeich abgesägt, neu aufgebaut

Das klappte zunächst erstaunlich gut, aber löste die Sortenprobleme nicht und die grosse offene Stammstelle. So habe ich einge Bäume, darunter eine relativ junge Goldparmäne und Jonagold auf 1,8m Höhe abgesägt, die Leitäste waren alle stark befallen, viel abgestorben, der Baum fing deshalb bereits tiefer wieder an, chaotisch Äste zu schieben, Nottriebe. Der untere Stammteil hatte Schäden, aber sah lebensfähig aus.

Im Jahr eins nach der Säge kamen wie erwartet massenhaft Wasserschosser an der Sägestelle. Es war viel Arbeit, dort etwas auszulichten. Ich liess absichtlich deutlich mehr stehen als die Lehrbuchratschläge meinen, um das Wachstum zu beruhigen und eine dichte selbstbeschattende Laubwand zu bekommen. Im Jahr zwei war der Zuwachs ebenso stark, wofür aber die gute Wasserversorgung mitverantwortlich war. Und es zeigten sich auch bereits wieder ein paar Äpfel. Mal sehen, was passiert wenn die Äste wieder älter werden. Ein Nebeneffekt war eine subjektiv verstärkte Wundheilung bestehender Rindenläsionen durch den starken Rückschnitt.

Die Sporen zu bekämpfen ist kaum möglich. Sie sind überall. Diploidia befällt auch Apfelfrüchte, dringt dort durch kleinste Verletzungen genau wie Monilia frutigena ein, der Apfel fault, was auch optisch zunächst sehr dem typischen Fruchtmoniliabefall ähnelt. Das Fallobst oder die Fruchtmumien wird dadurch für Monate und Jahre zum Sporenproduzenten, denn dort werden die meisten Konidien gebildet. Vielleicht hilft extreme Feldhygiene, aber auf einem Gartengrundstück, einer Obstwiese ist das unmöglich.

Die Profis

Sichtbar seit 2019, Einige zugewachsen,
aber auch seit 6 Jahren offene Läsionen

Wie macht es eigentlich der kommerzielle Obstbau? Da sterben die Zwergbäume doch auch nicht, obwohl es meist sehr anfällige Sorten sind? Tja, der macht es so:

  • Immer häufiger wird bewässert. Mit Bewässerung hat der Baum immer gleichmässig genug Wasser und der wichtigste Faktor, anhaltender Trockenstress, entfällt komplett. Bei unseren Obstwiesen völlig unmöglich, sogar im Hausgarten wird es schon oft schwierig.
  • Es wird sowieso sehr oft mit Fungiziden behandelt, 10-20 Behandlungen pro Jahr sind normal. Auch in der blattlosen Zeit kann behandelt werden. Winterbehandlungen sind natürlich seltener als in der Hauptwachstumszeit, aber sie spielen eine wichtige Rolle in der Strategie zur Krankheitsvorbeugung. Das alles verringert nebenbei auch Rindenbrandsporendruck, denn es erwischt Fallaub, Fruchtmumien, Fallobstreste. Wo das weniger passiert, etwa im integrierten Anbau und Bioanbau, da gibt es Befall bis hin zur Vollrodung.
  • Niedrige, kleine Baumformen in den Plantagen sind etwas weniger anfällig, vermutlich kommen auch da eine Reihe von Faktoren zusammen. Generell gute Pflege, niedriges Baumalter, schwaches Wachstum, so dass weniger Risse entstehen, dichter Stand mit etwas Beschattung, heute oft Hagelschutznetze mit 15-25% Strahlungsminderung und vor allem: Plantagen stehen auf guten Böden, während sich unsere Obstwiesen und auch der Hausgarten meistens auf weit schlechterem Grund befinden.

Trotzdem hatten auch schon kommerzielle Anlagen (seit 2018 verstärkt) mit Rindenbrand zu kämpfen, stehen dort doch hochanfällige Sorten, auch die dauerempfohlene Birne Xenia/Novembra. Einige kommerzielle Sorten hatte ich auch auf der Wiese ausprobiert. Sie sind bisher ausnahmslos stark rindenbrandgeschädigt geworden. Vielleicht gibt es Ausnahmen, ich kenne sie nur nicht. Vor allem Golden Delicious ist eine der schlimmsten Sorten und die Genetik dieser Sorte ist in fast allen Neuzüchtungen mehrfach vorhanden. Das merkt man leider...

Bepinselt in der Hoffnung, dass es nutzt
Noch ein Lebensverlängerungsversuch

Sonntag, 26. Januar 2025

Die letzten Gärten

So wars zuletzt, bereits geschrumpft

...sind weg. Kürzlich schrieb ich über die aufsummierten Kleinigkeiten gegen Insekten, Natur, ökologischen Wert, die die Gemeinden selber vollbringen. Nun ist eine Großigkeit dran: Mittlerweile wurde der letzte Rest eines Gartengebietes mit Nutzgärten (keine unsäglichen "Freizeitgrundstücke"!) auf fruchtbarem, gut gelegenem Gebiet zwischen zwei Flüssen durch die Gemeinde radikal abgebaggert und vernichtet. Dort entstehen anschliessend massive Bauwerke mit einer Flächenversiegelungsquote von de facto 95%.

Dann so

Es war das letzte kleine Gartengebiet der Gemeinde, an dem vorher schon unter Regie der Gemeinde stetig gefressen wurde und nun überbaut wird. Andere Gärten flussabwärts entlang dem Tal wurden bereits bis auf einen winzigen, fast zugemauerten Rest Stück für Stück, Garten für Garten über zwei Jahrzehnte zugebaut, oder zubetoniert. Sie lagen ebenfalls in der erweiterten Hochwasserzone. Heute ist das Flusstal mit Flutmauern verengt. Flächen versiegelt, so dass weniger versickert und Niederschläge weniger aufgenommen werden. Das nennen die Verantwortlichen "Entwicklung". Ihr bekommt geliefert, was ihr bestellt habt - das sollten wir antworten, wenn Bürgermeister und Bürger über Überflutungen plärren.

Ausgeräumt, abgebaggert.

Die neue Grundsteuer macht solche Ortsgärten übrigens seit diesem Jahr auch teuer. Es spielt keine Rolle, ob Garten oder Hochhaus, es zählt nur ein einheitlicher Bodenrichtwert für einen grossen Bereich, Quadratmeter und der einheitliche Hebesatz. Damit nimmt der Baubauungsdruck weiter zu. Wer keinen Umsatz mit Fläche macht, bekommt um so mehr Druck, Einnahmen zu erzeugen. Mit Hühnern, Gras und Kürbissen ist das nicht zu erreichen - nur mit Beton.



Fehlen noch 10000 Tonnen Beton, die kommen noch.


Freitag, 3. Januar 2025

Regenfleckenkrankheit am Kernobst, unvermeidlich?


Apfel am Baum mit Russtaukrankheiten

Wer Apfelbäume hat, kennt sie höchstwahrscheinlich gut und sie verfolgt uns auch durch die gesamte Lagerdauer - also auch jetzt mitten im Winter. Wer Äpfel nur kauft, kennt sie nicht: Die Regenfleckenkrankheit oder Russfleckenkrankheit und die Fliegenschmutzkrankheit. Es sind Schalenkrankheiten von Apfel und Birne, sehr einfach zu beschreiben und zu sehen. Die Früchte sehen schmutzig und russig aus, dunkle Wolken sitzen auf der Schale, schwarze Sprenkel. Das alles lässt sich anders als Russ oder Schmutz nicht so einfach flott mit kaltem Wasser abwaschen, die Äpfel werden so nicht sauber. Besonders stark sind die Flecken an grün- und gelbschaligen Sorten zu sehen. Berostete und rotschalige Sorten sind optisch weniger befallen. All diesen Wolken ist gemein, dass sie nur auf der Schale sitzen, sie dringen nicht durch die Schale ins Fruchtfleisch ein. In feuchten Jahren können auch Äpfeln und Birnen aus guten Lagen befallen sein, ansonsten trifft es vor allem Tallagen, nicht ganz windoffene Lagen, Frühnebellagen, Senken, Bäume die hinter zeitweiligen Schattenwerfern stehen oder dicht beieinander. Die Grundregel: Je luftiger und je trockener, desto weniger Regenflecken.

So leicht man die Krankheit sieht und erkennt, so schwierig ist die Biologie dahinter. Vieles wurde lange nicht verstanden und bis heute gibts es neue Erkenntnisse.

Biologie der Erreger

Kräftiger Befall Fliegenschmutzkrankheit

Die ist komplex und sehr breit. Der Haupterreger wurde erst in den letzten Jahren identifiziert: Der Pilz "Peltaster cerophilus" ist hauptverantwortlich für Regenflecken und "Schizothyrium pomi" für die Fliegenschmutzkrankheit. Aber nur in Mitteleuropa, anderswo geben andere Pilze den Ton an. Leider gibt es noch hunderte weitere Erregerpilze, die bei Regenflecken mitmischen, es handelt sich immer um einen Pilzkomplex. Die Infektion kann zwischen Blüte und Ernte immer passieren. Es gibt keine Hauptinfektionszeiträume, es reicht eine bestimmte Zahl von Studen mit feuchter Schale und mässige Temperaturen. Sichtbar wird der Befall aber erst viel später. Man hat also lange noch optisch schöne Äpfel, die aber längst befallen sind. Die Pilze überwintern auf anderen Wirtspflanzen, je nach Pilzart bevorzugt werden Brombeerblätter, Hundsrose, Schlehe sowie 40 weitere Pflanzen. Stark zur Überwinterung genutzt werden auch Fruchtmumien. Aber auch bereits befallene Früchte sporen aus und sind infektiös, damit können die Pilze mehrfach im Jahr das Obst infizieren.

Makroaufnahme der Fliegenschmutzkrankheit

Gibts das auch in Obstplantagen?

Mässiger Befall im Makro: Die Pilzstrukturen sind sichtbar

Im konventionellen Obstbau existiert so gut wie keine Regenflecken oder Fliegenschmutzkrankheit. Es interessiert sich auch niemand dafür. 20-40mal wird mit Pestiziden jede Saison durch die Plantage gefahren, im Extremfall 50mal - das war zum Beispiel im Vinschgau der Fall, nachgewiesen 2017 über Betriebshefte von 681 Bauern. Darunter sind auch viele Fungizidspritzungen und die meisten der Profifungizide haben eine Nebenwirkung auf die Schalenpilze, sorgen so dafür dass sie gar nicht erst Fuss fassen.

Anders im Bioanbau, vor allem in eigentlich wenig geeigneten Regionen wie dem Bodensee. Dort und anderswo kommt es vermehrt zur Regenflecken. Auch dort gibt es Mittel für den Profieinsatz gegen allerlei Pilzkrankeiten, vor allem Apfelschorf, die Wirksamkeit der im Ökolandbau zugelassenen Stoffe und Methoden ist weniger breit und stark. 

Starker Befall im Makro, mehre Pilzarten mischen sich

 

Folgen von Regenflecken oder Fliegenschmutzkrankheit

Optische Mischformen zwischen Regenflecken und Fliegenschmutz.
Es gibt alles und es wechselt von Jahr zu Jahr.

Die wichtigsten negativen Folgen sind:

  • Wer Äpfel oder Birnen verkaufen will, kann das bei befallenem Obst vergessen. Deutlich mit Regenflecken besetztes Obst ist nicht vermarktungsfähig. Im Gegensatz zu inneren Problemen wie mangelnder Reife, Kernhausschimmel, Kavernen wegen Lagerfehlern etc. erkennt der Kunde Regenflecken optisch schon von weitem und sofort. Ein sehr gut schmeckender Apfel mit Regenflecken wird nicht gekauft, Obst das wie Müll schmeckt aber gut aussieht wird gekauft. Man ärgert sich vielleicht hinterher, aber der Kauf ist schon getätigt, das Geld geflossen.
  • Die meisten Leute lehnen derartiges Obst auch privat ab. Kinder wollen es nicht. Es sieht einfach schmutzig aus, russig, ungesund. Man muss sich die Mühe machen, es stückweise zu reichen, geschält oder verarbeitet zu Kuchen, Apfelmus, Apfelküchle etc.
  • Meiner eigenen Erfahrung nach hat es durchaus negativen Einfluss auf Eigenschaften des Obsts, nämlich seine Lagerfähigkeit. Die glattschaligen Sorten, die besonders gerne befallen werden bilden alle eine mehr oder wenige kräftige natürlich Wachsschicht aus, die meist erst bei Reife und Lagerung deutlich spürbar wird. Die gleichmässige Bildung von Apfelschalenwachs wird aber durch die Schalenkrankheiten behindert, in der Folge fehlt die Schutzschicht, trocknen die Äpfel schneller aus, werden weich und bauen schneller ab. In einem Profilager mit perfekter Temperatur und Luftfeuchte wäre das egal, aber in unseren Hobbylagern, Garagen, Kellern, Lichtschächten, Holzsteigen in der negative Einfluss deutlich.
  • Früh sichtbarer Befall am Baum erhöht auch das Sonnenbrandrisiko - schwärzliche Äpfel heizen sich stärker auf als rein grüne Äpfel. Auch Ausfärbung und Ausreife sind gestört, wenn die Schale wegen der Pilzauflage schlechter belichtet ist.

Was tun dagegen?

Für uns Nutzgärtner die wichtigste Frage - was können wir gegen Regenflecken und Fliegenschmutzkrankheit tun? Dazu können wir uns am Bioanbau orientieren, dessen Methoden teilweise auch im Hausgarten und der Obstwiese umsetzbar sind, wenn auch nicht der technische Aufwand möglich ist, den der Profianbau treiben kann.

Behandeln. Die Hoffnung auf "spritzen" trügt bei Regenflecken. Höhere Bäume kann man sowieso nicht gut behandeln, das ist etwas für Zwergbäume und sorgfältig durch Schnitte höhenbegrenzte Bäume und ein gutes Handspritzgerät. Mittel der Wahl bei behandelbaren Bäumen wäre Kaliumbikarbonat, der altbekannte Bruder von Küchenbackpulver, Natriumbikarbonat. Das wird auch gegen Apfelschorf verwendet, fast schon ein mildes Breitbandfungizid. Ein bekanntes kommerzielles Produkt ist "Kumar", das enthält neben Kaliumbikarbonat auch Netz- und Haftmittel und es vermindert im Profianbau tatsächlich auch nachweisbar Regenflecken, aber trotz optimaler Formulierung nur teilweise. In der Praxis des Hobbygärtners ist reines Kaliumbikarbonat wenig wert. Bei jedem Regen und sogar stärkerem Nachttau wird es sofort abgewaschen, aufgrund der Verschiedenheit der riesigen Pilzfamilie die unter dem Namen "Regenfleckenkrankheit" läuft gibt es ständig Infektionstage in der Vegetationszeit für irgend eine Version der Pilze. Die Sporen fliegen ganzjährig, man müsste dauernd behandeln. Ich bin damit nicht klar gekommen und auch im Bioanbau schafft Kumar nur eine Verbesserung, aber keine zuverlässige Verhinderung.

Apfel, frisch gewaschen

Waschen nach Ernte. Dazu gibts viele Versuche im Bioanbau und das ist auch die Methode, die beim Nutzgärtner einige negative Folgen zumindest verbessert, die ich auch mache. Und so geht es: Äpfel in einen Eimer mit Wasser füllen, das auf 40°C erwärmt wurde. Durch die hineingelegten Äpfel kühlt es sich auf unter 30°C ab, also lauwarm. Zehn Minuten stehen lassen, das ist wichtig. Äpfel einzeln herausnehmen und den "Schmutz" mit einem Schwamm abreiben. Ideal geeignet sind dafür Küchenschwämme mit fester Unterseite, kratzfreie Topfschwämme. Mit etwas Übung verletzt man die Schale nicht und beseitigt 80% der Regenfleckenpilze, jedoch nur 20% der (weniger störenden) Fliegenschmutzpunkte. In die Stielgrube kommt man leider nicht und in die Wellen einer Kelchgrube nicht immer. Für die Profis gibt es dafür direkt nach der Ernte Waschstrassen mit Bürsten, das Wasser ist heisser und die Temperatur wird exakt gehalten. Damit verbessert man gleichzeitig auch das Problemrisiko einiger anderer Lagerkrankheiten, wodurch sich der Kostenaufwand wieder mehr lohnt. Ich lagere Äpfel und Birnen ungewaschen und reinige immer nur einen Wochenbedarf, da ich bei der Ernte nicht kistenweise Äpfel abbürsten kann, sondern voll mit der Ernte beschäftigt bin. Infiziert werden können Äpfel übrigens auch nach der Ernte. Niemals Kisten offen stehen lassen, so dass Tau oder gar Regen die Äpfel benetzen können. Sichtbar wird auch das erst später im Lager, dann aber drastisch.

Standort. Siehe oben. Windoffen, luftig, sonnig. Dies ist ein weitgehend theoretischer Ratschlag und typisches Ratgebergeschwätz, denn man kann mit seinen Bäumen weder umziehen noch sich in diesem erstickend engen und vernutzten Land ein passendes Grundstück heraussuchen. Was besser geht, ist luftiger Schnitt, Beseitigung von nahen Windhemmern und Schattenwerfern, auch Unterwuchs sollte kurz gehalten werden. Das sind keine leeren Allerweltsratschläge, sondern hilft tatsächlich ein Stück weit. Die Profis überdachen in Kombination mit Hagelschutz, unten Bewässerung, damit sind die Äpfel trocken, Problem gelöst, Invetitionen aber hoch.

Gelbe Sorten - optisch stärkster Befall

Sorten. Neupflanzungen an Problemstandorten sollten rote Äpfel und vor allem Äpfel mit Berostung berücksichtigen. Regenflecken sind auch ein guter Grund, sich endlich wieder an die erstklassigen berosteten "goldenen" Sorten zu wagen, die schon sehr lange aus dem kommerziellen Anbau geflogen sind, weil man sie dem Kunden nicht zutraute. Das sind Sorten wie Parkers Pepping, auch die alten Klone von Boskoop, Zabergäu Renette, graue Herbstrenette, Osnabrücker Renette, graue französische Renette. Schorfwiderstandsfähige Sorten, insbesondere Neuzüchtungen haben keinerlei Vorteile. Einer der anfälligsten Sorten ist die schorfresistente Neuzüchtung "Topaz".

Hygiene. Wie oben genannt spielen Zwischenwirte und sporenverbreitende Formen der Pilze eine grosse Rolle. Wichtig ist, Fruchtmumien zu beseitigen. Bei Brombeerblättern geht jedoch nicht viel, die habe ich auch massiv in der Nähe, aber ich kann nicht das Gestrüpp in der der Nähe in Grasland umwandeln oder Steinriegel regelmässig mähen. Die Fruchtmumien verursachen jedoch am meisten Schaden, bei ihnen sollte man konsequent sein, weil sie auch für viele anderen Katastrophen wichtige Initialkeimverbreiter darstellen, Schorf, Monilia, Marssonina etwa. Sie befinden sich bereits sehr nahe dort, wo die Sporen sowieso hinwollen, an neue Früchte, an neues Laub. Eine Hygienemassnahme an anderer Stelle ist Eintüten von Früchten. Das lohnt sich nur bei sehr exklusiven Sorten an kleinen Bäumen. Das hat man früher tatsächlich gemacht - an Sorten, deren Äpfel einzeln verkauft wurden und weit exportiert, etwas dem weissen Winterkalvill.

Und so bleiben all diese Russtau- und Regelfleckenpilze Dinge, die wir verbessern, aber nicht mit vernünftigem Aufwand verhindern können.

Dienstag, 17. Dezember 2024

Tafeltraubentest: Sorte Venus

Tafeltraube Venus, typische Traube

"Venus" haben viele Tafeltraubenfreunde, sie ist in Deutschland beliebt und wird gern gepflanzt. Anlass zum Tafeltraubentest geben die diesjährigen überraschenden neuen Erkenntnisse über sie. Tafeltrauben verhalten sich im gegenwärtigen Klima dynamischer als gedacht.

Sie ist eine amerikanische Züchtung von 1964 und wurde gekreuzt aus "Alden" und New "York 46000" (die wiederum aus Buffalo x New York 34006 abstammt) der staatlichen Arkansas Agricultural Experiment Station University of Arkansas, Züchter war James N. Moore. Ihr genetischer Anteil der amerikanischen Art vitis labrusca (die Fuchsrebe) ist somit hoch, was man auch an vielen Eigenschaften merkt, nicht immer positiv. In Europa verbreitete sie sich erst Jahrzehnte später, wurde dann aber ab etwa 2010 recht beliebt. Das ist ein häufiges Muster, es dauert oft sehr lange, bis eigentlich sehr gute US-Sorten in Deutschland Traktion bekommen, bei Sorten aus Osteuropa sind es maximal wenige Jahre - und die Meisten verschwinden wieder schnell, schnell rein, schnell raus.


Wuchs und Krankheiten

Venus am Spalier, typisch das randfarbige Laub

Auch Venus wächst stark, sehr stark. Für eine Pergola ist sie gut geeignet, sie überdacht gut, viel und schnell, denn auch ihre Blätter können sehr gross werden, bei guter Versorgung riesig. Zudem bekommen sie im Herbst eine kräftige, lange Färbung in Flammenrot, ein Erbstück der Labrusca-Reben. Wer wenig Platz hat, wird viel schneiden müssen. 

Lange Jahre zählte sie zu den pilzfestesten Sorten und lag in einer Gruppe mit anderen Gesund-Spitzenreitern wie Muskat Blau oder Lakemont, die ohne jede Behandlung trotzdem meistens recht gesund bleiben. Es hat sich schon angedeutet, aber dieses Jahr wurde dies besonders bei Venus durchbrochen - sie bekam teilweise kräftig Peronospora, den falschen Mehltau, was zu frühem Laubverlust führte. Bei echtem Mehltau sieht es nach wie vor gut aus. Die Situation bei falschem Mehltau muss beobachtet werden, ob sie nur auf eine besonders begünstigende Wetterlage zurückzuführen ist oder auf einen vollen Resistenzdurchbruch. In diesem Fall würden jetzt aus welchen Gründen auch immer verstärkt Pero-Stämme kursieren, die zu einer Infektion dieser Sorte in der Lage sind. Dann wäre sie ein Fall für Behandlungen, so wie sie bei weniger rebusten Sorten immer schon nötig sind.

Hitzeschaden an Venus

Der Wespenfrass an den Beeren ist mässig, Kirschessigfliegenbefall kommt stärker, was typisch für eine blaue Sorte ist. Abgestochen werden zuerst die Beeren unten an den Trauben. Sie sind weicher und kleiner. Sie hat noch eine weitere Auffälligkeit: In manchen Jahren bekommt sie Hitzeschäden am Laub. Das lappt sich dann vertrocknend zusammen, klar unterscheidbar von Peronospora. Weitere Auffälligkeiten sind mir nicht bekannt geworden - reicht ja auch.


Ertrag und Pflege

Meistens liegt der Fruchtansatz auf gutem Niveau, so dass in der Regel nicht ausgedünnt werden muss, ein grosser Vorteil. An grossen Trauben sind die unteren Beeren oft schlechter entwickelt und weicher, wenn man also den Ertrag reduziert, dann sollte man die Trauben halbieren statt ganze Trauben abzuschneiden. Die Kiloerträge pro Fläche sind nicht allzuhoch, das Traubengewicht bleibt mässig.


Trauben und Beeren

Venus, halbierte Beeren mit Kernrudimenten
Sie reift ab Ende August und gehört hier zur mittleren bis hinteren Reifegruppe. Frühe Tafelsorten schaffen es in der ersten Augustwoche, späte Sorten bis Mitte September. In kühler Gegend oder Höhenlagen könnte es manchmal Ausreifeprobleme geben. Die Beeren sind für eine kernlose Sorte gross, die Trauben klein. Leider ist sie entgegen der Verkäuferanpreisungen nicht richtig kernlos. Erstens hat sie Kernrudimente, die splittern zwar nicht, sind aber durchaus spürbar und zweitens kommen auch richtige Kerne immer wieder mal vor. Ich würde sie als "Kernarm, Kerne nicht störend" bezeichnen. Beim essen macht das keinen echten Unterschied, aber Rosinen aus Venus sind deshalb nicht ganz so gut brauchbar wie von echten kernlosen Sorten.

Die Beeren sind nicht fleischig, sondern etwas glibberig, sie lässt sich eher aussaugen wie kauen, zumal die Schale durchaus kräftig ist - etwas zäh, wirkt trotzdem weich statt prall, aber nicht knackig. Auch das ist typisch für eine Labrusca-Sorte. Kaut man auf der Schale schmeckt sie schnell sauer. Das Erntefenster ist nicht allzu gross, lange hängen sollte sie nicht, dazu unten noch mehr.
 
 

Inhaltsstoffe, Aroma und Verwendung

Beeren, lecker

Das Aroma von "Venus" ist zeitweise sehr markant. Zum Reifebeginn (da wird sie weicher und süsser, die Farbe ist schon vorher da) hat sie einen starken, fuchsigen Erdbeergeschmack und duftet auch so. Dieser Foxton ist vielen zu stark. Aber das ist kein Problem, wartet man ein paar Tage zu, wandelt sich das in einen Fruchtbonbon-Erdbeere-Stil, ein süssblumiger Erdbeergeschmack, von Tag zu Tag sich von kräftig zu mild wandelnd. Gegen Ende der relativ kurzen Reifephase wird sie fast neutral. Man kann sich also das Aroma ein bisschen aussuchen, muss sich dann aber mit dem Essen beeilen. Schneidet man Trauben ab und lagert sie bei Zimmertemperatur, geht das schneller. Schon nach einem Tag sind deutliche Aromaverluste zu bemerken. Dieses dynamische Verhalten kann sowohl Vor- als auch Nachteil sein, je nach den eigenen Geschmacksvorlieben. Die Schale kaut sich sauer, im langen Nachgeschmack auch etwas bitter. Ihre Zuckerwerte gingen bei mir bis 86° OE im Rekordjahr 2018 hinauf, bleiben sonst unter 80° OE. Lange haltbar ist sie nicht, eine typische "pflücken und sofort servieren" - Sorte. Venus ist ein Verkostungsknaller. Frisch zum richtigen Zeitpunkt verkostet begeistert sie Viele. Davor und danach nicht.

In der Regen nicht der fetteste Behang

In erster Linie taugt sie zum Frischgenuss. Für Saft sind die Beeren zu schleimig, die Pressung ohne Hilfsmittel wie Pektinase hat zu geringe Ausbeute. Rosinen sind auch nicht optimal, wie oben beschrieben. Traubengelee aus Venus kann begeistern oder abstossen - Geschmackssache, ausprobieren!


Hintergrundinformationen zum Standort

Verschiedene Standorte, erst an einem Balkon. Den besten Platz hat heute ein Bekannter, dort wächst sie an der Hauswand, wo sie selten abfriert, gesund bleibt, aber stärker zu Sonnenbrand neigt. Die Gegend hat milde Winter, aber manchmal harte Temperaturstürze. Früher Austrieb, deshalb immer Spätfrostgefahr. Keine oder wenig Düngung. Bei Venus bisher kein Einsatz von Pflanzenschutzmitteln.

Montag, 9. Dezember 2024

Kraut aus dem Krautgarten


Typische Krautgärten am Ortsrand in den 1960er Jahren
Das, was früher Krautgarten genannt wurde, war früher ein Aussengarten und ein Teil einer Garten-Dreifaltigkeit: Am Haus hatte man wenig Platz, dort standen Blumen, besseres Gemüse wie Salat, Kräuter, Dinge wie Erdbeeren oder Beerensträucher. Der Krautgarten hatte dagegen mehr Platz, er lag am Ortsrand, dort zog man für den Eigenbedarf das weniger feine und platzbedürftigere Gemüse wie eben Kraut - fürs Sauerkraut. Typisch waren auch Kartoffeln, Rüben, Einlegegurken, Zwiebeln. In unserer Region lagen Krautgärten der Talgemeinden immer im feuchtem Schemmland der Flüsse, auf Niveau des mittleren Hochwassers, so dass sie im Schnitt alle fünf Jahre einen Tag lang überflutet waren, meist im Winter wo das nicht störte. Kennzeichnend waren guter Boden, Wasser vorhanden, keine hohen Bäume. Dann war da noch der Baumgarten, die Obstwiesen. Der Baumgarten lieferte Hutzeln, Obst, Most, Saft, er lag auch am Ortstand, aber trockener, gerne auf weniger guten Flächen, auch an Hängen. Danach war nur noch Landwirtschaft, dann Wald. Ein Hausgarten war früher Frauensache, der Krautgarten Frauen- und Männersache, der Baumgarten, Felder, Waldarbeit Männersache.

Heute ist das natürlich ferne Vergangenheit, die Hausgärten sind jetzt Doppelgaragen, Trampolin und zugepflastert, die Krautgärten mit Dämmen flutsicher gemacht und dann mit Discountern, Getränkemärkten, Autohäusern, Lagern, Hallen bebaut, die Obstwiesen sind Baugebieten, Umgehungsstrassen, Freizeitkrempel gewichen, die Obstwiesen an Hängen zu vermülltem Sukzessionswald geworden. Der Begriff "Krautgarten" hat einen Bedeutungswandel erfahren, sofern er noch verwendet wird, er bezeichnet heute den Versuch, sehr kleine Parzellen, eigentlich nur Beete mit typischerweise 30-60qm für Gemüseanbau aller Art zu meist saftigen Preisen zu verpachten, meist verbunden mit einem zur Schau getragenen durchdringenden Ökoduft. Oft gibt es viel Wechsel und auch kräftig Ärger samt Regelaufstellung, wenn verschiedene Stile und Wünsche auf den engen Flächen zusammenprallen. Die Meisten, die so etwas pachten, werfen nach wenigen Jahren wieder hin. Aus gutem Grund pachtet man immer nur für ein Jahr.

Aussengarten mit Kürbisbepflanzung
Einen Aussengarten mit mehr Fäche (rund 300qm) habe ich auch schon länger, dort wachsen Dinge die relativ wenig Pflege benötigen, die Hälfte der Fläche verwende ich als Kürbisfeld. Dieses Jahr kam noch ein weiterer derartiger Garten temporär dazu - er gehört jemand, der ihn im Moment nicht nutzt. Man kann zwar nicht direkt heranfahren, um zum Beispiel Pferdemist abzuladen, aber der Boden ist grundsätzlich gut, also habe ich versucht, dort Spitzkraut zu ziehen, um endlich mal genug eigenes Kraut für Sauerkraut zu haben. Ein wortwörtlicher Krautgarten also. Denn Sauerkraut machen und essen wir sehr viel, haben mehrere Krautstanden, nur die Krautproduktion ist das Problem, das misslingt meistens. Zu trocken, zu heiss, Schädlinge, Köpfe geplatzt - es kommt auch mit viel Mühe nicht viel brauchbares Kraut aus den Gärten. Die Möglichkeiten und Pflanzenschutzmittel des kommerziellen Anbaus sind natürlich nicht drin, selbst wenn man wollte. Dann kann ich das Kraut auch gleich kaufen.

In so einem Aussengarten sollte man generell nur Dinge pflanzen, die trotz unbeaufsichtigter Phasen gute Chancen haben, eine Ernte zu bringen. Denn der Weg ist zu weit, um mal eben oder oft vorbeizusehen, man kann dort nicht ständig hin, um herumzupfriemeln, zu giessen (mit welchem Wasser? Tank? Wie weit reicht das?), zu jäten, zu kontrollieren. Also sollte man Dinge pflanzen, die wenig Aufsicht benötigen, wechselnde Wasserverfügbarkeit nicht zu übel nehmen. Die auch mit etwas Unkraut wachsen oder es unterdrücken. Ferner kann man das Platzangebot nutzen, um Dinge zu ziehen die im einem Hausgarten viel zu viel Platz benötigen. Was geht also konkret in so einem Ausssengarten, was geht nicht? Was lohnt sich? Hier die eigenen Kurzerfahrungen mit verschiedenen Kulturen der letzten Jahre:

  • Kürbisse - erstklassig, wenn man sie auf Kompost oder Tiermist pflanzt, der mit Vlies überdeckt wird. So überstehen sie lange Trockenphasen, wachsen in langen Ranken, die man geeignet führen kann. Das ist meine Hauptkultur seit Jahren. Mit vielen, vielen Sorten. Die grossen Blätter bremsen Unkraut und wenn es doch spriesst, störte es wenig. Hauptroblem bei mir ist ausserhalb des Vlies die Ackerwinde und Kompasslattich. Muss man Aushacken. Zweites Problem ist der Standort in enger Tallage. Ab Ende Juli kommen anfällige Sorten dort stark Mehltau.
  • Mais - Popkornmais, Polentamais, Bratmais. Aber kein Zuckermais, denn da muss die Reife kontrolliert werden und dann schnell geerntet. Mais benötigt volle Sonne, keine schattenwerfenden Bäume sollten in der Nähe sein. Wird schön hoch, unterdrückt Unkraut sehr gut, auch zur Unkrautsanierung geeignet wenn dichter gepflanzt. Übermengen oder Qualitätsprobleme stören uns nicht, das bekommen die Hühner. Laugt den Boden etwas aus. Bei guter Verwurzelung recht trockenfest.
  • Kartoffeln - früher gut, heute ein Dauerfehlschlag, jedenfalls in unserer Region. Mühsam aufzuhäufeln im schweren Boden, schnelle Probleme bei Trockenheit, hohes Durchtriebsrisiko im heutigen Sommerwetter, Kartoffelkäfer der innerhalb kurzer Zeit zu Totalschaden führen kann, viele schlimmer gewordene Krankheiten (Drahtwürmer, Alternaria, Braunfäule, Kartoffelschorf), nicht gut im neuen Klima. Viel Bodenarbeit für bescheidene Erträge, viel Unkraut. Habe ich jahrelang mit vielen Sorten und Techniken probiert und vollständig aufgegeben. Die Mühe steht nicht mehr annähernd im Verhältnis zu den erzielten und brauchbaren Erträgen.
  • Süsskartoffeln - bei richtiger Anbautechnik eine sehr gute Kultur. Sie unterdrücken aber Unkraut nicht. Auf Vlies gepflanzt an Stellen, wo im Vorjahr Kürbisse waren (also alter Kompost / Pferdemist) entstehen Riesenpflanzen mit bis zu 4kg Wurzelknollen pro Pflanze.
  • Steckzwiebeln - okay, aber nicht berauschend. Sauber in Reihen gepflanzt lässt sich das Unkraut mit Mühe Dank Werkzeugen wie der schweizer Pendelhacke beherrrschen, aber die Erträge sind immer gering und Schosser normal. Nur auf passendem Standort. Den hab ich nicht. Immerhin ist die Kultur gut trockenfest.
  • Tomaten - Ja! Kaum zu glauben, aber wahr. Tomaten sind wieder eine erstklassige extensive Kultur geworden. Aber nur die braunfäuleresistenten Sorten. Im Aussengarten lasse ich sie wenig geführt durcheinanderwachsen, komme alle zwei Wochen und hole die reifen Früchte ab. Die meisten sind für die Verarbeitung, Ketchup, Sugo, Tomatenpürree, Trockentomaten. Es spielt keine Rolle, wenn Pflanzen am Boden kriechen, dieselbe Anbautechnik wird in Italien auf Feldern praktiziert, deren Tomaten werden maschinell geerntet und eingedost. Gut eingewurzelt halten sie Dank grossem Wurzelwerk auch Trockenperioden ohne Giessen aus.
  • Wurzelgemüse - geringe Anbausicherheit im extensiven Anbau. Ein grosser Nachteil ist, dass man säen muss und dann das Saatbeet feucht halten, also fast täglich hinfahren. Später dann zu oft hacken, um Unkraut zu bekämpfen. Nur in Reihen pflanzen, um hacken zu erleichtern. Ist eher nichts.
  • Kohlgemüse. Schwieriges Thema im neuen Wetter. Viele Schädlinge. Auch im Hausgarten schwierig geworden. Gut gehen noch Broccoli, Grünkohl, beides aber nicht so richtig in einen Krautgarten passend. Zum Kraut, genauergesagt Spitzkraut später noch mehr.

Zum Schluss noch der Bericht, was mit dem diesjährigen Spitzkraut passierte. Man sollte das nicht zu gewichtig werten, denn für echte Fundiertheit fehlen die langjährigen Erfahrungen, dieser spezielle "Krautgarten" ist noch neu für mich.

Der Krautgarten

März - Anzucht Spitzkraut, "Filderkraut" aus Samen im Haus.

April - Bodenvorbereitung mit der Motorhacke, Unkraut rausklauben, Jungpflanzen setzen. Pflanzung nach dem letzten kräftigen Nachtfrost in der letzten Aprilwoche. Grunddüngung mit Stickstoff und etwas tierischem Dünger. Hätte ich den Garten auf lange Sicht, hätte ich zuerst eine Bodenuntersuchung gemacht. Das ist immer sinnvoll, aber kostet auch.

Mai - Nicht verwunderlich und schon im Winter gesehen: Massiver Schneckenbefall zeigt sich, die Hälfte der Pflanzen ist schon wieder aufgefressen. Schneckenkorn verwendet, anders geht es nicht. Nachpflanzung. Das geht so in Wellen, zum Schluss pflanze ich einige Rundkrautjungpflanzen nach, die kürzere Entwicklungszeit haben wie das behäbige Spitzkraut, das möglichst früh gesetzt werden sollte.

Juni - Zweimal hacken. Das Unkraut spriesst massiv, auch die Schnecken sind wieder da.

Juli - Hacken, hacken, hacken, Jetzt sind auch allerlei Raupen da, einige Köpfe faulen oder verzwergen, kommen nicht in die Gänge. Kohldreherzmückenbefall, hatte ich schon erwartet, zum Glück nicht massiv.

August - Jetzt sieht man, welche Köpfe etwas werden. Viele sind es nicht. Noch eine Runde hacken gegen das Unkraut, dann lässt der Druck nach.

September - Das Kraut steht jetzt gut da, legt an Gewicht zu. Erfreulicherweise keine geplatzen Köpfe. Und auch kein Bewässerungsaufwand Dank viel Regen dieses Jahr - zum ersten Mal seit 2017. Dafür aber Schnecken ohne Pause. So ist das im Garten, es gilt das Mantra "Irgendwas ist immer".

Oktober - Ab Mitte Oktober Ernte. Einiges wird verschenkt, der Rest reicht für drei Fässer voll Sauerkraut, das diesmal selten gut gelingt. Unterm Strich ist die Ernte pro Flächeneinheit aber gering, trotzdem: Es hat funktioniert, das Spitzkraut fürs eigene Sauerkraut. Jetzt geniessen wir Krautkrapfen, ein Lieblingsgericht, oft gemacht von meiner Allgäuer Mutter. Und Schupfnudeln mit Sauerkraut. Und einiges mehr.

Die Bildergeschichte dazu:


Die Nachbarn. Und ja das Tor konsequent zumachen, sonst ist man das Kraut los!
   
Alt, aber läuft (meistens): Die Motorhacke. Scharfes Teil.
Alles vorbereitet.
Jungpflanzen Anfang Mai. Unkraut will schon wieder.
Hacken, hacken, hacken...
Harte Arbeit in der Sonnenglut.
Und trotzdem siehts reichlich zerfleddert und hoffnungslos aus.
Abfaulende Pflanzen.
Schon besser. Letzte Unkrauthackaktion.
Der sieht mal verhältnismässig gut aus.
Kurz vor der Ernte.

Die Schnecken geben keine Ruhe, war eben auch ein feuchtes Jahr.
Einige Köpfe faulen einfach.
Abgeerntet
Der Abfallhaufen, weit grösser wie der Haufen schöner Köpfe.
Erster Schwung fürs Krautfass.
Hobeln, Finger dran lassen, salzen, stampfen. Das bestmögliche Sauerkraut.