Dienstag, 17. Dezember 2024

Tafeltraubentest: Sorte Venus

Tafeltraube Venus, typische Traube

"Venus" haben viele Tafeltraubenfreunde, sie ist in Deutschland beliebt und wird gern gepflanzt. Anlass zum Tafeltraubentest geben die diesjährigen überraschenden neuen Erkenntnisse über sie. Tafeltrauben verhalten sich im gegenwärtigen Klima dynamischer als gedacht.

Sie ist eine amerikanische Züchtung von 1964 und wurde gekreuzt aus "Alden" und New "York 46000" (die wiederum aus Buffalo x New York 34006 abstammt) der staatlichen Arkansas Agricultural Experiment Station University of Arkansas, Züchter war James N. Moore. Ihr genetischer Anteil der amerikanischen Art vitis labrusca (die Fuchsrebe) ist somit hoch, was man auch an vielen Eigenschaften merkt, nicht immer positiv. In Europa verbreitete sie sich erst Jahrzehnte später, wurde dann aber ab etwa 2010 recht beliebt. Das ist ein häufiges Muster, es dauert oft sehr lange, bis eigentlich sehr gute US-Sorten in Deutschland Traktion bekommen, bei Sorten aus Osteuropa sind es maximal wenige Jahre - und die Meisten verschwinden wieder schnell, schnell rein, schnell raus.


Wuchs und Krankheiten

Venus am Spalier, typisch das randfarbige Laub

Auch Venus wächst stark, sehr stark. Für eine Pergola ist sie gut geeignet, sie überdacht gut, viel und schnell, denn auch ihre Blätter können sehr gross werden, bei guter Versorgung riesig. Zudem bekommen sie im Herbst eine kräftige, lange Färbung in Flammenrot, ein Erbstück der Labrusca-Reben. Wer wenig Platz hat, wird viel schneiden müssen. 

Lange Jahre zählte sie zu den pilzfestesten Sorten und lag in einer Gruppe mit anderen Gesund-Spitzenreitern wie Muskat Blau oder Lakemont, die ohne jede Behandlung trotzdem meistens recht gesund bleiben. Es hat sich schon angedeutet, aber dieses Jahr wurde dies besonders bei Venus durchbrochen - sie bekam teilweise kräftig Peronospora, den falschen Mehltau, was zu frühem Laubverlust führte. Bei echtem Mehltau sieht es nach wie vor gut aus. Die Situation bei falschem Mehltau muss beobachtet werden, ob sie nur auf eine besonders begünstigende Wetterlage zurückzuführen ist oder auf einen vollen Resistenzdurchbruch. In diesem Fall würden jetzt aus welchen Gründen auch immer verstärkt Pero-Stämme kursieren, die zu einer Infektion dieser Sorte in der Lage sind. Dann wäre sie ein Fall für Behandlungen, so wie sie bei weniger rebusten Sorten immer schon nötig sind.

Hitzeschaden an Venus

Der Wespenfrass an den Beeren ist mässig, Kirschessigfliegenbefall kommt stärker, was typisch für eine blaue Sorte ist. Abgestochen werden zuerst die Beeren unten an den Trauben. Sie sind weicher und kleiner. Sie hat noch eine weitere Auffälligkeit: In manchen Jahren bekommt sie Hitzeschäden am Laub. Das lappt sich dann vertrocknend zusammen, klar unterscheidbar von Peronospora. Weitere Auffälligkeiten sind mir nicht bekannt geworden - reicht ja auch.


Ertrag und Pflege

Meistens liegt der Fruchtansatz auf gutem Niveau, so dass in der Regel nicht ausgedünnt werden muss, ein grosser Vorteil. An grossen Trauben sind die unteren Beeren oft schlechter entwickelt und weicher, wenn man also den Ertrag reduziert, dann sollte man die Trauben halbieren statt ganze Trauben abzuschneiden. Die Kiloerträge pro Fläche sind nicht allzuhoch, das Traubengewicht bleibt mässig.


Trauben und Beeren

Venus, halbierte Beeren mit Kernrudimenten
Sie reift ab Ende August und gehört hier zur mittleren bis hinteren Reifegruppe. Frühe Tafelsorten schaffen es in der ersten Augustwoche, späte Sorten bis Mitte September. In kühler Gegend oder Höhenlagen könnte es manchmal Ausreifeprobleme geben. Die Beeren sind für eine kernlose Sorte gross, die Trauben klein. Leider ist sie entgegen der Verkäuferanpreisungen nicht richtig kernlos. Erstens hat sie Kernrudimente, die splittern zwar nicht, sind aber durchaus spürbar und zweitens kommen auch richtige Kerne immer wieder mal vor. Ich würde sie als "Kernarm, Kerne nicht störend" bezeichnen. Beim essen macht das keinen echten Unterschied, aber Rosinen aus Venus sind deshalb nicht ganz so gut brauchbar wie von echten kernlosen Sorten.

Die Beeren sind nicht fleischig, sondern etwas glibberig, sie lässt sich eher aussaugen wie kauen, zumal die Schale durchaus kräftig ist - etwas zäh, wirkt trotzdem weich statt prall, aber nicht knackig. Auch das ist typisch für eine Labrusca-Sorte. Kaut man auf der Schale schmeckt sie schnell sauer. Das Erntefenster ist nicht allzu gross, lange hängen sollte sie nicht, dazu unten noch mehr.
 
 

Inhaltsstoffe, Aroma und Verwendung

Beeren, lecker

Das Aroma von "Venus" ist zeitweise sehr markant. Zum Reifebeginn (da wird sie weicher und süsser, die Farbe ist schon vorher da) hat sie einen starken, fuchsigen Erdbeergeschmack und duftet auch so. Dieser Foxton ist vielen zu stark. Aber das ist kein Problem, wartet man ein paar Tage zu, wandelt sich das in einen Fruchtbonbon-Erdbeere-Stil, ein süssblumiger Erdbeergeschmack, von Tag zu Tag sich von kräftig zu mild wandelnd. Gegen Ende der relativ kurzen Reifephase wird sie fast neutral. Man kann sich also das Aroma ein bisschen aussuchen, muss sich dann aber mit dem Essen beeilen. Schneidet man Trauben ab und lagert sie bei Zimmertemperatur, geht das schneller. Schon nach einem Tag sind deutliche Aromaverluste zu bemerken. Dieses dynamische Verhalten kann sowohl Vor- als auch Nachteil sein, je nach den eigenen Geschmacksvorlieben. Die Schale kaut sich sauer, im langen Nachgeschmack auch etwas bitter. Ihre Zuckerwerte gingen bei mir bis 86° OE im Rekordjahr 2018 hinauf, bleiben sonst unter 80° OE. Lange haltbar ist sie nicht, eine typische "pflücken und sofort servieren" - Sorte. Venus ist ein Verkostungsknaller. Frisch zum richtigen Zeitpunkt verkostet begeistert sie Viele. Davor und danach nicht.

In der Regen nicht der fetteste Behang

In erster Linie taugt sie zum Frischgenuss. Für Saft sind die Beeren zu schleimig, die Pressung ohne Hilfsmittel wie Pektinase hat zu geringe Ausbeute. Rosinen sind auch nicht optimal, wie oben beschrieben. Traubengelee aus Venus kann begeistern oder abstossen - Geschmackssache, ausprobieren!


Hintergrundinformationen zum Standort

Verschiedene Standorte, erst an einem Balkon. Den besten Platz hat heute ein Bekannter, dort wächst sie an der Hauswand, wo sie selten abfriert, gesund bleibt, aber stärker zu Sonnenbrand neigt. Die Gegend hat milde Winter, aber manchmal harte Temperaturstürze. Früher Austrieb, deshalb immer Spätfrostgefahr. Keine oder wenig Düngung. Bei Venus bisher kein Einsatz von Pflanzenschutzmitteln.

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