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Montag, 14. September 2020

Tafeltraubentest: Muskat Bleu

Traube Muskat Blau

Eine Tafeltraubensorte, die längst ein Klassiker ist und bis heute in die Spitzengruppe der Aromakönige gehört ist die Sorte Muskat Bleu oder Muskat Blau oder Muscat Bleu. Sie ist wahrscheinlich auch die in Deutschland am meisten angebotene Tafeltraube, wenn man Pflanzware kauft. Das schlägt sich im Preis nieder: Man bekommt sie sehr preisgünstig. Sortenschutz besteht schon lange nicht mehr. Auch für den Tafeltraubenanbau von Direktvermarktern in der Schweiz und teilweise Deutschland und Belgien ist sie beliebt. Man kann auch Wein aus ihr herstellen sowie Sekt und Brände. Entstanden ist sie in der Schweiz, im kleinen Weinort Peissy, Kanton Genf in den 1930er Jahren durch den privaten Züchter Charles Garnier, der noch viele weitere Sorten züchtete.

Gepflanzt habe ich sie schon oft, man findet sie generell häufig in Gärten, in denen Tafeltrauben stehen. Alle Leute, die sie haben sind in der Regel mit ihr zufrieden. Die Kurzübersicht der Testwertung:


 

Wuchs und Krankheiten

Blattwerk

Muskat Blau wächst mittelstark, auf schwierigen Standorten sogar nur schwach. Die Blätter haben oft  kein sattes Grün, sondern einen hellgrünen Ton und sind auch nur unterdurchschnittlich gross. Auf gute Nährstoffversorgung ist zu achten, möglicherweise ist auch ihre Kalktoleranz nicht allzu hoch. Ihre Frostfestigkeit im Winter ist gut. Aber sie ist spätfrostanfällig, nach einem warmen Winter kommt sie früh in Saft, dann sterben bei Spätfrostereignissen viele Ranken weit ab. Ihre Bestandssicherheit ist nicht so hoch wie bei anderen Sorten, es ist die einzige Rebe die mir auch einmal ganz abgestorben ist.

Dafür ist ihre Krankheitsfestigkeit legendär. Die Anforderungen des Züchters waren hoch, denn im Kanton Genf herrschen feuchtwarme Sommer, die Krankheiten begünstigen. Bereits beide Eltern sind sehr robuste interspezifische Reben, Garnier 15/6 und Perle Noire, ihre Eltern stammen von vier verschiedenen Rebenarten ab. Gegen falschen Mehltau ist sie hypersensibel, Infektionsstellen sterben schnell kleinräumig ab (man sieht kleine Löcher in den Blättern) anstatt sich weiter zu verbreiten. Nur manchmal sieht man Symptome, wenn dann erst spät im Jahr. Die Trauben werden nicht befallen.
Festes, gesundes und dickes Stielgerüst

Gegen echten Mehltau ist sie fast resistent, ich habe nie einen Befall erlebt. Das ist ziemlich einzigartig in der Tafeltraubenwelt. Damit kann man sie auch in windgeschlossenen Lagen pflanzen, in Hausecken zum Beispiel. Und man kann sich Pflanzenschutzmassnahmen sparen.

Erstklassig ist auch ihr gesundes Stielgerüst, keine Stiellähme, die Beeren hängen fest und werden bis zur Vollreife gut versorgt. Leider ist aber die Kirschessigfliege sehr scharf auf sie, angezogen von Duft und Beerenfarbe. Also wieder einmal: Eintüten mit Organza-Beuteln. Auch die Vögel mögen sie, Wespen etwas, aber deren Flughöhepunkt liegt etwas früher wie die Reifezeit. Die fest hängenden Beeren lassen sich von Vögeln nicht so leicht abreissen, deshalb hacken sie hinein, die Trauben sehen dann schnell mies aus. 

Sogar die jungen Triebe bleiben mehltaufrei. Blattstengel sind oft rötlich.


Ertrag und Pflege

Ihre Ertragssicherheit ist hoch. Wenn es mit der Ernte schiefgeht, dann wegen Spätfrost oder Hagel. Ihr Fruchtansatz ist mässig, so dass man nicht ausdünnen muss. Die Trauben können variieren, gut gepflegte Stöcke können grosse, schöne Trauben bekommen, meist sind aber klein und ziemlich locker, denn die Blüten verrieseln leicht. Wind und Kälte begünstigen das. Für kühle, windige Lagen ist sie nichts. Man kann sie also nicht nur wegen ihrer Krankheitsfestigkeit an windarmen Stellen pflanzen, sondern auch weil sie dann weniger verrieselt. Der Ertrag ist mittelhoch. Sie schafft bis zu 1kg/qm berankte Fläche Ernte. Die Rebe ist schön pflegeleicht, ideal auch für Anfänger.

 

Trauben und Beeren

Halbierte Beeren mit kräftig entwickelten Kernen

Die Trauben sind locker mit tiefblauen Beeren besetzt. Die bleiben mittelgross, an jungen oder weniger gut versorgten Stöcken nur klein. Wer kleine Beeren bekommt, muss dem Stock bessere Bedingungen verschaffen. Essreife liegt ab Mitte September, je nach Lage auch deutlich später. Die Beeren zeigen eine fleischige Konsistenz, die mit der Reife weicher wird. Nicht weich, sondern knackig ist die Schale. Sie kaut sich aber gut. Reife Früchte halten sich gut am Stock, ihre typischen Geschmackseigenschaften hat sie aber nicht lange, die Aromen veratmen sich im Reifeprozess. Das kommt bei würzigen Tafeltrauben oft vor.

Tja, und ihre grösster Nachteil liegt ebenfalls in den Beeren: Grosse, dicke, fette Kerne. Und viele. Jeder, für den Kerne ein Übel sind wird sie hassen. Um die Kerne kommt man bei Muskat Blau nicht herum, das ist ihr ewiger Pferdefuss. Vielleicht ist sie ja für Traubenkernölproduktion interessant. Genug Kerne hat sie jedenfalls.

 

Inhaltsstoffe, Aroma und Verwendung


Reife Beeren von Muskat Blau
Die Beeren zeigen eine interessante Aromakurve. Essreif werden sie, nachdem sie etwa 70° OE erreicht haben. Am Ende der Reife kommen sie auf über 100°. Am Anfang ist sie lecker süssauer, dann zeigt sie eine herrliche blumig-süsse Note, nicht nur Muskat, sondern auch nach Mandarinenschale, Orangeat, Gewürzen, besonders wenn man die Schale kaut. Danach wird die Mandarine schwächer und zum Schluss auch das Muskat. Sie wird dann zu einer sehr süssen Traube. Die Aromen vorher schmecken fast Jedem, sie sind deutlich, harmonisch, übersättigen nicht.

Auch nach der Ernte veratmen sich die Aromen schnell. Frisch vom Stock sind sie stark, schon wenige Stunden nach dem Schnitt wirken sie schwächer. Nach zwei Tagen sind sie fast verschwunden. Man sollte sie also immer erst kurz vor dem Essen abschneiden, nie lagern sofern man ihre besondere Aromenkomposition liebt. Kauft man sie bei Tafeltraubenanbauern, hat sie nicht mehr volle Qualität weil tags zuvor oder morgens geerntet wurde, gegessen dann erst einen Tag später. Der Presssaft aus ihr wird gut, dafür nicht zu spät ernten, besser schon bei Reifebeginn. So ist sie auch gut für Traubengelee geeignet. Das starke Aroma im Frischzustand erscheint aber nicht in dieser Kraft im fertigen Produkt, auch Erhitzen schwächt es.

In guter Lage können Trauben und Beeren recht gross werden.
Bereits mit Vogelschäden.

 

Hintergrundinformationen zum Standort

Habe sie an mehreren Standorten im Weinbauklima. Auf flachgründigem, schweren Boden kommt sie nicht recht voran. An einer Pergola in Reihenhauszeilen bringt sie gute Ernten mit dicken Trauben. Keine Behandlung mit Pflanzenschutzmitteln, Düngung unregelmässig.

Dienstag, 8. September 2020

Tafeltraubentest: Sorte Elegant Sverhranny

Tafeltraube Elegant Sverhranny

Tafeltrauben werden immer früher reif, dieses Jahr war schon im Juli die erste frühe Sorte essbar. Das war "Elegant Sverhranny". Die Traube mit dem sperrigen Namen stammt wie viele neue Züchtungen aus Russland und ist einer der vielen "Wostorg" Abkömmlinge, gekreuzt mit Frumoasa Alba. Das Aromaniveau ihrer Eltern hat sie bei weitem nicht, aber auch nicht Empfindlichkeit von Frumoasa Alba. Ausserdem ist sie ausgesprochen früh. Erste reife Trauben Ende Juli sind in frühen Jahren warmer Gegenden bei ihr keine Seltenheit. Beworben wird sie mit guter Eignung auch für ungünstige Standorte.

Das habe ich genutzt und sie an einer problematischen Stelle gepflanzt: An der Nordseite von Nachbars Garage, die Richtung Süden an der Grundstücksgrenze steht und mir dort alles verschattet. In 2m Höhe wird sie aber an einem Draht in sonnigere Gefilde geführt. Das funktioniert recht gut. Die übliche Kurzübersicht meiner Testbewertung:


 

 

Wuchs und Krankheiten

Die Sorte wächst mittelstark und ist damit auch für begrenzten Raum geeignet. Im Verlauf des Vegetationsjahres ist sie gut in Form zu halten. Bei Frühsorten sind kleinere Standräume sinnvoll, wenn noch bessere spätere Sorten nachfolgen. Kommt die ins essfähige Stadium, hat man keine Lust mehr auf den immer noch gut bestockten Trauben-Erstling.

Laub meist gesund

In Punkto Krankheitsanfälligkeit steht Elegant Sverhranny gut da. Oidium (echter Mehltau) wird eher zum Problem wie Peronosphona (falscher Mehltau), gegen Oidium sollte man präventiv behandeln, bis hin zum Ernteausfall sie sie aber bei mir nie krank geworden. Das Laub ist nicht allzulange gesund, was aber nicht wirklich stört, weil die Trauben da längst ausgereift sind. Die Kirschessigfliege ist kein Problem, aber Wespen. Zu ihrer Reifezeit gibt es besonders viele Wespen und Wespenflug, weil es noch sehr warm ist. Da die Beeren zwar keine wirklich dünne, aber relativ weiche Haut haben, werden viele Beeren schnell angefressen, was weitere Wespen anlockt. Am Anfang ist das noch okay, weil zuerst die Beeren mit Mehltaukratzern dran sind, deren Haut noch dünner ist. Doch dann geht es auch an alle anderen Beeren. Abhilfe sind wieder einmal die bereits in den anderen Tafeltraubentests genannten Organzabeutel. Verrieselte Beeren bleiben in den Trauben, klein uns sehr süss. Auf sie haben es die Wespen auch stark abgesehen.

Frost hält sie mässig aus, sie friert oft weit zurück. Für Stiellähme habe ich keine besondere Anfälligkeit beobachtet.


Ertrag und Pflege

Der Fruchtansatz ist hoch, zu hoch. Es muss also ausgedünnt werden, ansonsten wird die Rebe überlastet, trägt verspätet und schafft nur schlechte Zuckergehalte, kleine Beeren. Die Trauben zeigen sich recht unterschiedlich gross, man kann im Juni zunächst alle kleinen Trauben wegschneiden und erhält dann einige grosse, schwere und gut ausgebildete Trauben. Muss man sie mit Organzabeuteln schützen, sind weniger grosse Trauben besser wie viele Kleine.


Trauben und Beeren

Halbierte Beere mit Kernen

War der Stock nicht überlastet, werden die Beeren in unserem Klima ab Anfang bis Mitte August essreif, dieses Jahr ausnahmsweise schon in den letzten Julitagen. Die Beeren sind grün und behalten auch bei Reife einen Grünton, hellen nur ein bisschen ins Gelb auf, gehen dann bei Überreife in Brauntöne. Beeren im unteren Teil der Traube sind meist kleiner und gehaltloser, werden nicht so süss. Die Trauben hängen fest, lassen sich aber gerade so mit der Hand vom Stock brechen. Der Traubenaufbau ist locker, fault eine Beere steckt sie Andere nicht an. Die ovalen klein bis mittleren Beeren haben (Beerengrösse bis max. 3,5cm Länge, zugespitzt oval. Im Schnitt 5g schwer) eine mässig knackige Haut, ihre innere Struktur ist weich, breiig, aber nicht gallertartig oder nur aus Saft bestehend. Kerne gibt es leider viele, ausserdem sind sie dick und ärgerlich für Beeren dieser Grösse. Die Kerne sind ein Hauptnachteil. Positiv ist ihre gute Platzfestigkeit. Und wenn etwas platzt, knuspern die Wespen solche Beeren sofort weg. Bei ihrer frühen Reifezeit sind immer viele Wespen unterwegs.

Elegant Sverhranny überreif

 

Inhaltsstoffe, Geschmack, Aromen und Verwendung

Reste für Saft

Hat man die Sorte nicht überlastet, kann sie Zuckerwert um die 100° OE erreichen. Lässt man sie länger hängen, wird sie stetig süsser. Während sie am Reifeanfang auf der ausgeglichenen Süssfruchtigen Seite liegt, wird sie dann ausgesprochen süssschmeckend. Die Säure ist von einfacher Struktur. Aromareich ist sie nicht, sondern ziemlich neutralaromatisch. Leider hat sie keine Aromatik von ihrer würzigen Elternsorte Frumoasa Alba mitbekommen, auch wenn das einige Verkäufer immer wieder behaupten. 

Saft als gärender Federweisser ist gut, für Wein hat sie zu wenig Säure. Ein grosser Vorteil ist ihr langes Erntefenster, das bei mir sechs bis acht Wochen anhält, sonfern man die Trauben gut gegen Wespen geschützt hat.

Für viele Jahre war sie mir eine zuverlässige und dankbare Frühsorte. Gerade im sehr frühen Reifebereich hat sich aber enorm viel getan. Neuere Sorten wie Galahad (ebenfalls ein Wostorg-Abkömmling), Arni oder Monblan machen ihr starke Konkurren.

 

Hintergrundinformationen zum Standort

Nordseite Garagenmauer, die Triebe freistehend weggeführt. Das Klima ist sehr warm und trocken, was echten Mehltau begünstigt. Der Boden ist schwer und flachgründig, aber an dieser Stelle gut versorgt. Milde Winter, aber manchmal harte Temperaturstürze. Früher Austrieb, deshalb immer Spätfrostgefahr. Pflanzenschutzmassnahmen gegen echten Mehltau.

Grosse Trauben von Elegant Sverhranny


Donnerstag, 18. Oktober 2018

Tafeltraubentest: Sorte Vera

Heute soll die erste blaue Sorte im Tafeltraubentest beschrieben werden. Es ist auch die letzte, die wir gerade noch Mitte Oktober essen: Vera. Sie ist eine amerikanische Züchtung und wird als "kernarm" vermarktet.

Tafeltraube Sorte Vera

Sie wächst an einem Zaun, den sie überranken sollte, was sie auch locker schafft. Ihre Beeren, Blätter und Wuchs machen sie dekorativ, auch die Herbstfärbung ist schön. Hier die Kurzübersicht meiner Testbewertung:



Wuchs und Krankheiten


"Vera" wächst kräftig, sie ist deshalb auch gut für eine Pergola oder zum durchranken eines Zauns geeignet. Sie ist recht gesund, echten Mehltau habe ich noch nie beobachtet, Peronosphora (falscher Mehltau) existiert in feuchten Jahren, aber der Befall ist meistens tolerierbar. Das Laub ist leider etwas sonnenbrandempfindlich.
Wie alle blauen Sorten wird die von der Kirschessigfliege befallen, da hilft nur Eintüten mit Organza-Beuteln. Da die Schale mässig dick ist, schaffen es Wespen nicht, bei ihr starke Schäden zu verursachen. Nachteilig sind weit zurückgefrorene Ruten im Winter, die Frostfestigkeit scheint nicht besonders hoch zu sein, vor allem nachdem sie hohe Erträge hatte. Insgesamt aber eine sehr robuste Sorte, von der man auch ohne Pflanzenschutz fast immer etwas ernten kann.

Ein leichtes Problem hat sie auch mit Stiellähme. Das Traubengerüst ist zwar stabil, aber trotzdem sterben in den Trauben immer einzelne Beerenstiele ab. Die Beeren werden dann natürlich nicht mehr versorgt und bleiben halbreif, säuerlich.
Stiellähme, betrifft einzelne Beeren

Ertrag und Pflege


Der Fruchtansatz ist hoch, fast immer zu hoch. Dann sind Ausdünnungsarbeiten bis spätestens Juli fällig, ansonsten wird die Rebe überlastet und vor allem die unten hängenden Beeren an den Trauben schrumpfen statt reif zu werden, Beerengrössen und Aroma leiden. 50% der Gescheine wegzuschneiden oder sie zu halbieren ist bei Vollbehang nicht zu wenig. Die Erträge sind trotzdem hoch, "Vera" liefert viel. Den Rebschnitt sollte man bei ihr erst im Frühling durchführen, wenn man sieht welche Ruten den Frost überstanden haben.

Trauben und Beeren

 

Eine, zwei selten drei kleine Kerne in "Vera"
Die Umfärbung der Beeren beginnt noch im Juli und geht dann langsam vor sich. Lange behalten viele Beeren in einer Trauben noch Rottöne, bevor sie schliesslich erst bei Vollreife frühestens Ende August (je nach Klima) tiefblau werden. Hat man korrekt ausgedünnt, werden Trauben und Beeren etwas grösser, aber nie riesig. Der Traubenaufbau ist locker, fault eine Beere steckt sie Andere nicht an. Die ovalen Beeren haben eine knackige Haut, ihre innere Struktur ist weicher, aber genügend fleischig, um nicht als "Saftbeutel" abgekanzelt zu werden. Fest ist sie aber nicht, mit zunehmender Reife wirkt die Beere schlaffer. Beworben wird sie mit der Eigenschaft "kernarm". Das stimmt, sie hat ein bis zwei kleine Kerne, die zu zerbeissen trotzdem kein grosses Vergnügen ist. Unterm Strich stören die Kerne aber nur etwas und sind bei weitem nicht so schlimm wie bei vielen anderen Sorten. Wer aber kernlose Beeren will und gewöhnt ist, wird mit ihr nicht glücklich.

Inhaltsstoffe, Aroma und Verwendung


Der Zuckergehalt liegt etwas unterdurchschnittlich. Normal belastete Stöcke bringen ab Reifebeginn 60° OE, dann langsam auf 70° ansteigend. Richtig süss wird sie erst mit der Zeit. Die Säurestruktur ist aber nicht unangenehm, sondern recht lecker, weil sie angenehm breit statt spitz im Mund wirkt, sie erinnert mich immer an einen Apfel, vor allem wenn man die Schale etwas kaut. Vera ist auch wegen ihres langen Erntefensters meine "Apfeltraube". Durch die heissen Sommer hat sich das allerdings verkürzt, alles geht schneller. Wird sie in einem kühlen Sommer erst ab Ende September reif, kann man die Trauben durchaus im Oktober abschneiden und an einem kühlen trockenen Ort aufhängen, noch mehrere Wochen davon essen.

Die Aromatik ist eher einfach. Zucker, Säure und ein bisschen Gerbstoffe von der Schale bestimmen, sonstige Aromen sind erst bei Vollreife zu bemerken, haben Anklänge von Veilchen und Kirschen. In der Verkäufersprache steht sie unter "feinfruchtig". Man kann aber viel von ihr essen, sie macht nicht so leicht satt. Auch für Saft ist sie geeignet, der Farbe wegen sollte man die Maische 24 Stunden stehen lassen bevor man sie abpresst. Vergoren oder getrocknet kann man sich sparen.

Alles in allem sehe ich sie als eine gut zu essende nette Schautraube für Beeren und Wuchs, aber nicht als Aromakönigin. Sie bringt Masse und sorgt zuverlässig für blaue Trauben auf unserem täglichen Obstteller von frühestens Ende August (heisses Jahr) oder Mitte September bis in den Oktober hinein.

Hintergrundinformationen zum Standort


Freistehend, sehr warm und trocken, was echten Mehltau begünstigt. Der Boden ist schwer und flachgründig. Milde Winter, aber manchmal harte Temperaturstürze. Früher Austrieb, deshalb immer Spätfrostgefahr. Keine oder wenig Düngung, Pflanzenschutzmassnahmen mache ich an "Vera" in der Regel nicht.

Laubwand von Vera mit Sonnenbrandschäden

Dienstag, 18. September 2018

Tafeltraubentest: Sorte Druschba

Heute im Tafeltraubentest, da wir gerade die Letzten verspeisen: Die gelbe Sorte "Druschba" (=Freundschaft). Angeblich ist sie eine Kreuzung aus Muskat Hamburg (Muskattrollinger) und Madeleine Angevine. Das halte ich für zweifelhaft, denn dann hätte sie keine Resistenzgene aus anderen Vitis-Arten.

Tafeltraube Druschba, knapp vor Vollreife

Ich habe sie seit ein paar Jahren und bin im Grossen und Ganzen zufrieden mit ihr. Vor kurzem (Mitte September) erntete ich die letzten Beeren ab. Hier die Kurzübersicht meiner Testbewertung:




Wuchs und Krankheiten


Druschba, Laub immer etwas hell
Der Wuchs dieser Sorte zeigt sich mittelstark. Sie hat bei mir Jahr für Jahr auffallend helles Laub, danebenstehende Sorten nicht - es liegt nicht an Boden, Nährstoffen, Unterlage. An Stiellähme und falschem Mehltau leidet sie nicht, aber in warmen Jahren an echtem Mehltau. Das Laub stirbt schnell im Frühherbst. Die Beeren werden stellenweise auch leicht Mehltaubefallen, bleiben aber essbar. Botrytis an den Beeren kommt bei Vollreife, entwickelt sich aber so langsam dass sie kein Problem darstellt. Wespenfrass durchschnittlich, Kirschessigfliegenbefall vorhanden obwohl es eine helle Sorte ist. Insgesamt mässig gesunde Sorte mit mehreren Abstrichen. Aber nichts davon ist wirklich kritisch oder ein Spielverderber.

Mitte September, Laub wird krank

Ertrag und Pflege


Überreife Traube, Botrytis und Reste leichten Mehltaubefalls
Frostschäden kann Druschba ein bisschen kompensieren, indem sie kleinere Ersatzgescheine ausbildet. So kann man trotz Spätfrostschäden noch etwas ernten. Ist es zur Blütezeit heiss, verrieselt sie leider kräftig. Bei normalem Wetter bilden sich viele relativ kleine, lockere Trauben. Wer grosse, schwere, optisch beeindruckende Trauben sehen will ist mit dieser Sorte falsch bedient. Der Vorteil ist, dass sie wenig ausgedünnt werden muss. Zweckmässigerweise halbiert man die Trauben dann nicht wie bei grosstraubigen Sorten, sondern schneidet alle Fruchtansätze an einem Trieb ab, die nach den ersten oder zweiten Trauben kommen. Der Gesamtertrag von Druschba bleibt mässig.

Traube und Beeren


Druschba, halbierte Beeren mit Kernen
Sie werden meistens Anfang September reif (der Rekord liegt bei Mitte August), bleiben zwei bis drei Wochen auf dem Höhepunkt und bauen dann langsam ab. Die Beeren bleiben mittelgross, sind in der Grösse variabel, Form rund, selten etwas ovaler. Gewicht bis 7g. Ihre Farbe ist blasses Grüngold, ganz ansprechend wenn sie nicht zu locker in der Traube hängen. Die Haut ist fest, prall, knackig. Im Mund wirkt sie flüssig statt fleischig. Die Kerne stören leider, aber sie sind wenigstens nicht besonders gross und neigen im Mund nicht zum splittern. Die Haut stört nicht beim kauen.

Inhaltsstoffe, Aroma und Verwendung


Hat viel Zucker, liegt bei knapp 90° OE. Auch etwas Säure ist anfangs vorhanden, dann weniger. Kennzeichnend für die Sorte ist ein starkes Muskataroma, das durch die zuckrige Süsse kräftig hervortritt. Der Stil ist sehr blumig, aber geschmacklich etwas einseitig, denn sonst ist wenig Substanz da. Wer auf so blumig-süssen Geschmack steht, wird sie lieben. Das Aroma hält sich lange in die Überreife hinein und übersteht ein, zwei Tage Lagerung. Häufig veratmen sich diese Aromen schnell, aber bei Druschba ist die Dosis so hoch, dass der Abbau gar nicht so schnell gehen kann. Der Nachteil ist, dass sie penetrant wirken kann. Viel auf einmal essen kann man nicht von ihr.

Wegen der Kerne und Beerengrösse ist sie fürs trocknen ungeeignet. Saft wird gut, aber sehr süss. Angegoren als Federweisser schmeckt sie auch, aber vergoren wird sie irgendwie unharmonisch, Säure fehlt. Durch den Muskatgeschmack passt sie nicht immer zu anderen Lebensmitteln. Sehr gut präsentiert sie sich sie in Mischung mit Trauben anderer Sorten, wenn die Abwechslung zum starken Muskataroma nicht weit ist. Als Vertreterin kräftigen Muskatgeschmacks passt sie in den Hausgarten-Tafeltraubenkanon, aber ausladend Platz würde ich ihr nicht einräumen.

Hintergrundinformationen zum Standort


Freistehend, sehr warm und trocken, was echten Mehltau begünstigt. Der Boden ist schwer und flachgründig. Milde Winter, deshalb keine Angaben zur Frostfestigkeit möglich. Früher Austrieb, deshalb immer Spätfrostgefahr. Keine oder wenig Düngung, Pflanzenschutzmassnahmen in der Regel nicht.


Rechts Druschba.

Donnerstag, 12. Juli 2018

Verjus, Agrest - der selbstgemachte Zitronensaft aus Weintrauben

Im Beitrag über Tafeltrauben stand es schon: Man kann sogar aus den Beeren unreifer Wein- oder Tafeltrauben interessante Produkte herstellen. Und das funktioniert sogar relativ einfach. Ich habe das natürlich ausprobiert und mich gewundert, wie leicht es vonstatten ging und wie gut das Ergebnis ist. Presst man Saft aus unreifen Trauben, kann das Ergebnis in der Küche als universelles Säuerungsmittel Verwendung finden, etwa so wie Zitronensaft. Sogar mit einigen Vorteilen gegenüber Zitronensaft. Dies hat eine sehr lange Tradition, die zwischenzeitlich in Deutschland leider fast verloren ging. Dieser Saft aus grünen Trauben nennt sich Agrest oder Verjus. Anfang Juli habe ich wieder welchen aus einigen meiner Trauben zubereitet. Doch der Reihe nach.

Geschichte


Die Idee, Verjus herzustellen ist uralt, schon in Mesopotamien hat man das getan. Unreife Trauben gibt es, seit es Wein gibt und es liegt ziemlich nahe, diese Trauben auch noch irgendwie zu verwenden, vor allem wenn sie beispielsweise durch Hagelereignisse oder Abrisse anfallen. Der daraus gepresste Saft wurde als universelles Säuerungsmittel in der Küche verwendet, in der Medizin als Arzneimittel und in verdünnter Form als erfrischendes Getränk. Verjus/Agrest verschwand zwar nie ganz, aber in den letzten Jahrhunderten zog sich seine Verwendung in Nischen zurück. Zum Säuern verwendete man immer mehr Zitronensäure (E 330), heutzutage sogar biotechnisch hergestellt, in den USA und China mittels gentechnisch veränderter Schimmelpilze. In einigen Ländern ist Agrest aber als tägliches Säuerungsmittel erhalten geblieben. Auch der klassische echte Dijon-Senf wird mit Agrest hergestellt. Er enthält vor allem Apfel- und Weinsäure und kombiniert sich erstklassig mit gemahlenen Senfkörnern. Früher wurde Verjus mit viel Salz haltbar gemacht, heute füllt man ihn heiss und steril in dichte Glasflaschen mit luftdichtem Verschluss. Geöffnet kann er mangels Zucker zwar nicht gären, aber schimmeln. Man muss ihn im Kühlschrank aufbewahren. Der Liter in Bioqualität kostet satte 58 EUR (Stand Juli 2018), wer ihn kaufen will.

Ausdünnen und grün ernten

Grüne Traube - beschädigt, ideal für Verjus

"Grüne Trauben? Lass ich lieber reif werden und habe dann das süsse Obst oder den Saft", werden die meisten Leute spontan sagen. Aber viele Tafeltraubensorten der jüngsten Generation stammen aus Osteuropa und haben neben einigen Vorteilen leider auch Nachteile. Einer dieser Nachteile ist ihr starker Hang zur Überlastung. Es werden massenhaft Trauben angesetzt, die der Stock nie und nimmer ernähren kann. Der fette Ansatz sieht erst mal toll aus, ist aber ein heftiges Eigentor. Man muss dann durch die Zweige gehen und von Hand ausdünnen, unreife Trauben abschneiden. Das Problem haben auch klassische Rebsorten, von denen Klone über Jahrzehnte hinweg primär nach Ertragskraft ausgelesen wurden: Hoher Beerenansatz, hohe Ernte. Leider bringt eine Riesenernte minderwertige Qualität. Was der Rebstock leisten kann, ist durch Blattfläche und Sonneneinstrahlung physikalisch begrenzt, steigt der Fruchtansatz über die Leistungsfähigkeit der Pflanze, leidet der Rebstock, die Beeren bleiben kleiner, es gibt Reifeverzögerungen, Aromaschwäche, mangelnde Zuckereinlagerung, abgesenkte Frosttoleranz, Wachstumsblockaden bis zum him Absterben im Folgejahr. Um noch vernünftige Qualität zu erhalten, muss zu hoher Fruchtansatz ausgedünnt werden.

Blick durchs Refraktometer bei 15°OE
Ein guter Zeitpunkt zum Ausdünnen ist erreicht, wenn die Beeren Erbsengrösse haben. Für die Agrestherstellung kann man sich noch ein bisschen länger Zeit lassen. Hier liegt der optimale Zeitpunkt zu Beginn der Zuckereinlagerung, denn dann wird auch Saft gebildet. Die Beeren sind dabei schon etwas grösser wie Erbsen, je nach Sorte beginnt das im Juni oder erst Anfang Juli. Gefärbt sind sie da noch nicht, deshalb ist es egal ob es weisse, rote oder blaue Sorten sind. Man kann das mit Hilfe eines billigen Refraktometers messen, der Öchslegrad der grünen Beeren sollte 10° / 2 Brix nicht übersteigen, bis 20° OE geht es aber auch noch, allerdings ist dann dem Rebstock schon viel Energie entzogen und die positiven Effekte durch die Ausdünnung schwächen sich ab, ausserdem sinken die Säuregehalte. Süss soll Agrest keinesfalls sein. Das zu kontrollieren geht schnell, "quick & dirty": Beere mit den Fingern zerquetschen, Tropfen auf die Messfläche, durch das Okular gucken - alles klar.

Wieviel ausgedünnt werden sollte, ist sortenabhängig. Pro Trieb werden gewöhnlich eine grosse oder zwei kleinere Trauben empfohlen, was darüber liegt sollte man schneiden. Geschnitten werden entweder ganze Trauben oder von allen Trauben die untere Hälfte. Die abgeschnittenen Trauben werden gesammelt und sofort weiterverarbeitet.

Herstellung


Die Trauben werden grob entrappt (von den Stängeln abgerissen) und zu einer Maische verarbeitet, zermust. Im Gegensatz zur Weinherstellung sollte man das mit einem Mixer machen, der Mus herstellt. Bei reifen Trauben für Wein würde das einen schwer pressbaren Brei mit vielen Trübstoffen und gehäckselten Traubenkernen ergeben, bei unreifen Trauben ergibt es eine kräftig grüne Sosse, die sich bei hoher Ausbeute ausserordentlich gut pressen lässt.
Für die Pressung nimmt man am besten einen Handpressbeutel aus Nylon. Nach wenigen Minuten bekommt man Saft und Maische ganz low-tech getrennt. Saft kurz auf >90°C erhitzen, aufsteigenden Schlamm abschöpfen, in kleine Flaschen abfüllen, abkühlen lassen - schon fertig. Ungeöffnet ist Agrest fast unbegrenzt haltbar, geöffnet im Kühlschrank einige Wochen. Ich habe für den ganzen Zubereitungsvorgang keine halbe Stunde gebraucht, ein Jahr später etwas länger weil ich diesmal richtig grosse Mengen mit mehreren Litern hergestellt habe. Das Reinigen der Küchengeräte dauerte so lange wie die Herstellung.
Nach einiger Zeit Lagerung kristallisiert am Flaschenboden fast immer Weinstein ab, so wie er von manchen alten Weinen oder Traubensaft bekannt ist. Das sind nichtlösliche Salze der Weinsäure wie Kaliumhydrogentartrat oder Calciumtartrat, selbstverständlich ungiftig. Sie schmecken nach Nichts und lassen sich für einige andere Dinge weiterverwenden, etwa als Backtriebmittel, Komplexbildner, Säuerungsmittel und Säureregulator. Calciumtartrat ist auch ein Lebensmittelzusatzstoff mit der Nummer E354.

Ausgepresste Maische und frischer Saft


Verwendung

Verjus heisssteril abgefüllt. Der trübe Satz lässt sich entfernen.
Und wie schmeckt das nun? Ganz erstaunlich. Ein Weintraubenaroma ist bereits vorhanden. Die enthaltene Säure wirkt sehr breit, erfüllt den ganzen Mund im Gegensatz zum spitz wirkenden Zitronensaft. Sie hält auch länger an, kriecht aber nicht unangenehm durch den Mund. Nichts davon kommt ätzend, unrund oder zu gerbstoffhaltig. Fürs Kochen und in Salaten ist das eine echte Alternative zu Essig oder Zitronensaft. Die gleiche Menge Verjus wirkt milder wie Zitronensaft, dafür mit harmonischer Wirkung, Säure die säuert aber nicht so leicht stechend wie Zitrone oder Essig wird. Ein Gewinn für die Küche. Das Weintraubenaroma merkt man erst in der Verdünnung, vorher wird es von der Säure übertönt. Ich habe jetzt immer eine angebrochene Flasche im Kühlschrank stehen und habe die Agrestgewinnung Jahr für Jahr ausgeweitet.

Seit alters her wird Agrest auch für allerlei gesundheitliche Zwecke empfohlen. Da es aber in diesem Blog nur um echte, selbst gemachte Erfahrungen geht stattdessen der Hinweis auf die äusserst inhaltlich ausgreifenden Seiten: https://www.elmar-lorey.de/agrest/.

Agrest, halbe Jahresernte

Freitag, 27. Oktober 2017

Sommerschlussverkauf im Nutzgarten

Letzte Kürbisblüten in der schon schwachen Herbstsonne
Kälte und Sturm sind angesagt. Jetzt wird es Zeit, die frostempfindlichen Sommergemüsearten im Freiland abzuernten. Die letzten Jahre war das immer erst Ende Oktober so weit, dieses Jahr ebenso. Nachtfrost im Oktober kam nicht mehr vor. Selbst Wetterlagen, die Kaltluft direkt von der Arktis nach Mitteleuropa pumpen bringen keinen Frost mehr, weil die herbstlichen Meerestemperaturen im Schnitt deutlich höher geworden sind, um mindestens zwei Grad. Anströmende Polarluft ist bereits in der Arktis wärmer und wärmt sich zudem leichter auf, wenn sie über dem Meer Richtung Süden strömt.

Sommerschlussverkauf Gemüse
Und so waren jetzt die restlichen Süsskartoffeln, viele Paprika (die meisten roten Sorten passten nicht mehr auf den Tisch), Auberginen, unreife Kürbisse (die reifen sind schon geerntet) an der Reihe, ausserdem noch einen Eimer voll Weintrauben, viele Physalis und einige Kleinigkeiten. Im Gewächshaus wird es noch zwei Wochen länger gehen, dort bleibt im Moment alles, wie es ist.

Jetzt werde ich Vieles sofort verarbeiten, sonst würde der Segen teilweise verderben. Aus den Weintrauben entsteht Saft, die Kürbisse werden wie Zuccini gegessen, Paprika in Stücken eingefroren, diverse Chilisorten zu Sossen verarbeitet, Auberginen verschenken wir teilweise, Süsskartoffeln halten sich ein paar Wochen. Ausserdem haben wir gelbe Rüben / Möhren und Pastinaken geerntet und in Sand gelegt, Radicchio "Rossa di Verona" für den Winter zurückgeschnitten.

Ausgewogener Traubensaft

Restliche Weintrauben
Die Weintrauben sind eine späte Sorte, die noch viel Säure hat. Als Saft sind sie ein ausgewogener Genuss, hätten sie weniger Säure, dann würde er zu klebrig-süss werden. Wir trinken ihn eine Woche lang gekühlt frisch, der Rest wird heißsteril in Flaschen gefüllt.

Die Herstellung ist einfach, ohne Presse, ohne technisches Klimbim. Die Beeren werden mit der Hand zerquetscht. Im auf dem Bild gezeigten Eimer waren knapp 5kg Trauben. Die Maische lasse ich einfach in einem Sieb über Nacht ablaufen. 3,7 Liter Saft laufen ohne Pressung ab, die Ausbeute beträgt also rund 75%! Sich deswegen die Mühe zu machen, mit einer Presse oder Pressbeuteln herumzuquetschen und anschliessend die Geräte mühsam zu säubern lohnt sich einfach nicht, die paar noch herausholenden Prozent Ausbeute stehen in keinem Verhältnis zum Mehraufwand.
Restmaische nach einer Nacht

Das wird nicht mit allen Traubensorten zu allen Zeiten funktionieren, soviel ist auch klar. Am besten klappt es mit sehr reifen Beeren und mit Sorten, die kein allzu festes Fruchtfleisch haben. Die sind auch meistens als "für Saftherstellung geeignet" beschrieben.

Unreife Kürbisgenüsse

Ein besonderer Genuss sind die unreifen Moschuskürbisse. Anderswo ist das ein Gemüse, das auch in Stücken verkauft wird, hierzulande gänzlich unbekannt - die einzigen verwendeten unreifen Kürbisse sind Zucchini. Gekocht oder gebraten weisen sie eine aussergewöhnlich schöne Konsistenz auf, zerfallen einerseits nicht, zerschmelzen aber trotzdem auf der Zunge. Aroma haben sie auch, kräftiger und leckerer wie Zucchini.

Herbstferien im November

Auch die Herbstferien haben heute begonnen. Sie dokumentieren, wie stark wir uns vom wachsen unserer Nahrung und der Natur entwöhnt haben: Früher hiessen die Herbstferien "Kartoffelferien" und lagen in der ersten oder spätestens zweiten Oktoberwoche. Da wurde geerntet und geholfen. Keiner wäre auf die schwachsinnige Idee gekommen, erst im November Herbstferien zu veranstalten. Im Frühjahr bzw. Spätwinter passierte dasselbe, dort gibts jetzt tourismusoptimierte "Faschingsferien" oder "Skiferien" statt längere Osterferien, damit der Bürger sein Geld in Urlaub investieren möge. Wer das nicht kann, hockt die Herbst- und Skiferien über bei kühltrübem Wetter häufiger denn je in der Wohnung oder darf sich mit Spaziergängen in der zersiedelten Landschaft zwischen Autobahn, Industriegebieten, Bürgerpalästen in Neubaugebieten ablenken.

Tatsächlich ist Anfang Oktober enorm viel zu tun. Erntezeit! Äpfel und Birnen sind reif und wollen geerntet, eingelagert oder verarbeitet werden, wir sind bis in die Nacht beschäftigt. Aber nicht mehr der Lebensrythmus des Naturjahres bestimmt das Leben unserer Kinder, sondern die Wünsche und Vorstellungen der Tourismusindustrie, was die Werte und Lebenswelt der von der Natur entwöhnten Menschen stark verändert hat.

Sonntag, 1. Oktober 2017

Tafeltrauben für jedermann

Gesunde Hausweinrebe am 1. Oktober
Schon seit Anfang August essen wir sie aus unserem Garten, das wird bis Anfang November so weitergehen. Jetzt Anfang Oktober ist der Höhepunkt eben überschritten: Tafeltrauben. Sie gehören zu den dankbarsten Obstsorten für jeden Garten, sei er auch noch so klein. Tafeltrauben passen wirklich überall hin, weil sie so wachsen wie man sie wachsen lässt: Im Vorgarten die Hauswand hinauf, in der dunklen Ecke gepflanzt und ins Licht nach oben geführt, an der Balkonbrüstung oder der Zaunkrone entlang, über der Terrasse als Rebenlaube... wer sonst nichts essbares im Garten hat, Tafeltrauben sollte er haben. Es gibt keine Entschuldigung, Keine zu haben.


Wenig Ärger mit späten Frösten


Weinblätter, in der Küche ebenfalls beliebt
Nicht einmal der Extremfrost Ende April dieses Jahres, der fast sämtliche andere Obstsortenblüten zerstört hat brachte Totalausfälle, nur Ernteeinbussen. Sogar ganz abgefrorene neue Tafeltraubentriebe können aus Reserveknospen noch einmal kleinere Gescheine (=Blüten) schieben, so dass es auch in schlimmsten Katastrophenjahren noch eine kleine Ernte gibt. Manche Sorten schaffen das ganz gut, zum Beispiel "Garant" oder auch "Druschba".


Enorm vielseitig


Kaum ein Obst ist so vielfältig verwendbar wie Tafeltrauben. Frisch gegessen kennt sie jeder, dass man leckeren Saft damit machen kann weiss man auch, wie leicht dies auch ohne Presse zu bewerkstelligen ist schon weniger und auch wie gut Rosinen aus kernlosen Sorten schmecken. Der Saft schmeckt pur, kann aber auch eine Zwischenstufe für Gelee, Wein, Weinessig, eingekochtem Sirup sein. Kaum mehr bekannt und leider völlig zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist ein Produkt aus unreifen grünen Trauben: Agrest oder Verjus, ein saurer Würzsaft über den es mittlerweile einen eigenen Beitrag gibt, weil ich damit schon sehr gute Erfahrungen gemacht habe. Verwendbar ist von der Rebe noch mehr, vor allem die Blätter und junge Triebe.


Sorten und Züchtungsarbeit


Boskoop Glory - meine Erste
Eine Tafeltraube war das erste Obst, das ich gepflanzt habe, noch als Stundent in Mietwohnungen. Die Rebe wuchs zwei Stockwerke hoch zu meinem WG-Zimmer und dann am Dachtrauf entlang, es war die Sorte "Boskoop Glory". Damals gut, heute gibt es Besseres. Überall wo ich danach wohnte hinterliess ich gepflanzte Tafeltraubenstöcke, einige existieren noch. Bei den Sorten tut sich enorm viel, es gibt sehr frostfeste Züchtungen die bis 800m Höhe wachsen, immer besser schmeckende aber wenig krankheitsanfällige interspezifische Züchtungen aus Vitis-Arten verschiedener Kontinente, sehr grossbeerige Sorten, eine Vielzahl kernloser Sorten. Für Privatgärten interessante Sorten werden in den letzten Jahren vor allem in Russland, der Ukraine, Moldavien gezüchtet. Mittlerweile stehen wir in der dritten Generation wenig anfälliger Tafeltrauben, die die Robustheit einiger Vitis-Arten gegen die im 19. Jahrhundert eingeschleppten fatalen Pilzkrankheiten (man fürchtete zeitweise, der gesamte europäische Weinbau wäre komplett am Ende) mit dem guten Geschmack der Europäerreben Vitis vinifera kombiniert.

Viele Sorten habe und hatte ich selber, eine sehr vielfältige Mischung aus älteren und ganz neuen Sorten: Besagte Boskoop Glory, Lakemont, Sirius, Johanniter, Olimpiada, Venus, Kodrianka, Frumoasa Alba, Palatina, Ramtes, Theresa, Charli, Druschba, Jakobsberger, Muskat Blau, Vera, Canadice, Suffolk Red, Elegant Sverhranny, Straschinski, Galahad, Kischmisch Zitroni, AmetNow, Solotoi Don, Rote Victoria, Galbena Nou, Pleven Ustojcivij, Lilla. Sicher habe ich ein paar vergessen.

...oder reicht kaufen?


Schlagzeile Rückstände Tafeltrauben
Für eigenen Anbau gibt es mehrere gute primäre und sekundäre Gründe. Im Supermarkt liegt nur Importware, die bestenfalls süsslich schmeckt, nie ganz reif ist, häufig überlagert, kein Aroma hat. Zudem gehören Tafeltrauben aus kommerziellem Anbau zu den am meisten belasteten Obstarten überhaupt. In jährlichen Untersuchungen finden sich eine Vielzahl von Pflanzenschutzmitteln, Mehrfachbelastungen,  auch Grenzwertüberschreitungen. Auch mehr als Hälfte von Bio-Trauben weisen Rückstände auf. Auf solche "Cocktails" sollte man verzichten. Lange Transportwege sind die Regel: Heimischen kommerziellen Anbau in Deutschland hat die EU jahrzehntelang verunmöglicht und so haben heimische Produzenten einen hohen Kenntnisrückstand. Geeigente Anbausysteme und Sorten sind wenig bekannt, Tafeltrauben gibt es bestenfalls von Weinbauern als Nebenhobby, die auf diese Weise schlechtere Flächen verwerten und Wochenmärkte beliefern. In der Schweiz, die sich bei Tafeltrauben nichts von einer EU-Bürokratie vorschreiben lassen muss konnte man früher beginnen, den eigenen Anbau zu entwickeln. Dort liegt der Marktanteil von Trauben aus dem Land bei über 50%. Die Meisten als Bioware.

Leckere Sorten gibt es im Supermarkt nicht zu kaufen, nur neutralen Einheitsschliff. Gute blaue Sorten sind zum Beispiel nie zu finden, nur mit heruntergedimmtem Inhalt - die Gerbstoffe aus der Schale könnten stören, sagt das Marketing. Sorten mit Muskat- oder anderen Aromen kommen nicht vor oder das schwache Aroma ist veratmet, bis die Trauben im heimischen Obstteller liegen. Stattdessen werden mittels Pflanzenhormonen die prinzipiell kleinbeerigen kernlose Sorten zu grossen wässrigen Beeren aufgebläht. Viel Kilo, viel Einnahme.

Das brauchen wir nicht. Die für den häuslichen Nutzgarten im mitteleuropäischen Klima besonders geeigneten Sorten werden Stück für Stück bebildert in der Gartenzone vorgestellt, so dass man abschätzen kann ob man die auch selbst pflanzen könnte. Die Erfahrungen beruhen auf eigenem Anbau, nicht abgeschrieben, kein Bücherwissen. Pflanzt Tafeltrauben!