Traube Muskat Blau |
Eine Tafeltraubensorte, die längst ein Klassiker ist und bis heute in die Spitzengruppe der Aromakönige gehört ist die Sorte Muskat Bleu oder Muskat Blau oder Muscat Bleu. Sie ist wahrscheinlich auch die in Deutschland am meisten angebotene Tafeltraube, wenn man Pflanzware kauft. Das schlägt sich im Preis nieder: Man bekommt sie sehr preisgünstig. Sortenschutz besteht schon lange nicht mehr. Auch für den Tafeltraubenanbau von Direktvermarktern in der Schweiz und teilweise Deutschland und Belgien ist sie beliebt. Man kann auch Wein aus ihr herstellen sowie Sekt und Brände. Entstanden ist sie in der Schweiz, im kleinen Weinort Peissy, Kanton Genf in den 1930er Jahren durch den privaten Züchter Charles Garnier, der noch viele weitere Sorten züchtete.
Gepflanzt habe ich sie schon oft, man findet sie generell häufig in Gärten, in denen Tafeltrauben stehen. Alle Leute, die sie haben sind in der Regel mit ihr zufrieden. Die Kurzübersicht der Testwertung:
Wuchs und Krankheiten
Blattwerk |
Muskat Blau wächst mittelstark, auf schwierigen Standorten sogar nur schwach. Die Blätter haben oft kein sattes Grün, sondern einen hellgrünen Ton und sind auch nur unterdurchschnittlich gross. Auf gute Nährstoffversorgung ist zu achten, möglicherweise ist auch ihre Kalktoleranz nicht allzu hoch. Ihre Frostfestigkeit im Winter ist gut. Aber sie ist spätfrostanfällig, nach einem warmen Winter kommt sie früh in Saft, dann sterben bei Spätfrostereignissen viele Ranken weit ab. Ihre Bestandssicherheit ist nicht so hoch wie bei anderen Sorten, es ist die einzige Rebe die mir auch einmal ganz abgestorben ist.
Dafür ist ihre Krankheitsfestigkeit legendär. Die Anforderungen des Züchters waren hoch, denn im Kanton Genf herrschen feuchtwarme Sommer, die Krankheiten begünstigen. Bereits beide Eltern sind sehr robuste interspezifische Reben, Garnier 15/6 und Perle Noire, ihre Eltern stammen von vier verschiedenen Rebenarten ab. Gegen falschen Mehltau ist sie hypersensibel, Infektionsstellen sterben schnell kleinräumig ab (man sieht kleine Löcher in den Blättern) anstatt sich weiter zu verbreiten. Nur manchmal sieht man Symptome, wenn dann erst spät im Jahr. Die Trauben werden nicht befallen.Festes, gesundes und dickes Stielgerüst |
Gegen echten Mehltau ist sie fast resistent, ich habe nie einen Befall erlebt. Das ist ziemlich einzigartig in der Tafeltraubenwelt. Damit kann man sie auch in windgeschlossenen Lagen pflanzen, in Hausecken zum Beispiel. Und man kann sich Pflanzenschutzmassnahmen sparen.
Erstklassig ist auch ihr gesundes Stielgerüst, keine Stiellähme, die Beeren hängen fest und werden bis zur Vollreife gut versorgt. Leider ist aber die Kirschessigfliege sehr scharf auf sie, angezogen von Duft und Beerenfarbe. Also wieder einmal: Eintüten mit Organza-Beuteln. Auch die Vögel mögen sie, Wespen etwas, aber deren Flughöhepunkt liegt etwas früher wie die Reifezeit. Die fest hängenden Beeren lassen sich von Vögeln nicht so leicht abreissen, deshalb hacken sie hinein, die Trauben sehen dann schnell mies aus.
Sogar die jungen Triebe bleiben mehltaufrei. Blattstengel sind oft rötlich. |
Ertrag und Pflege
Ihre Ertragssicherheit ist hoch. Wenn es mit der Ernte schiefgeht, dann wegen Spätfrost oder Hagel. Ihr Fruchtansatz ist mässig, so dass man nicht ausdünnen muss. Die Trauben können variieren, gut gepflegte Stöcke können grosse, schöne Trauben bekommen, meist sind aber klein und ziemlich locker, denn die Blüten verrieseln leicht. Wind und Kälte begünstigen das. Für kühle, windige Lagen ist sie nichts. Man kann sie also nicht nur wegen ihrer Krankheitsfestigkeit an windarmen Stellen pflanzen, sondern auch weil sie dann weniger verrieselt. Der Ertrag ist mittelhoch. Sie schafft bis zu 1kg/qm berankte Fläche Ernte. Die Rebe ist schön pflegeleicht, ideal auch für Anfänger.
Trauben und Beeren
Halbierte Beeren mit kräftig entwickelten Kernen |
Die Trauben sind locker mit tiefblauen Beeren besetzt. Die bleiben mittelgross, an jungen oder weniger gut versorgten Stöcken nur klein. Wer kleine Beeren bekommt, muss dem Stock bessere Bedingungen verschaffen. Essreife liegt ab Mitte September, je nach Lage auch deutlich später. Die Beeren zeigen eine fleischige Konsistenz, die mit der Reife weicher wird. Nicht weich, sondern knackig ist die Schale. Sie kaut sich aber gut. Reife Früchte halten sich gut am Stock, ihre typischen Geschmackseigenschaften hat sie aber nicht lange, die Aromen veratmen sich im Reifeprozess. Das kommt bei würzigen Tafeltrauben oft vor.
Tja, und ihre grösster Nachteil liegt ebenfalls in den Beeren: Grosse, dicke, fette Kerne. Und viele. Jeder, für den Kerne ein Übel sind wird sie hassen. Um die Kerne kommt man bei Muskat Blau nicht herum, das ist ihr ewiger Pferdefuss. Vielleicht ist sie ja für Traubenkernölproduktion interessant. Genug Kerne hat sie jedenfalls.
Inhaltsstoffe, Aroma und Verwendung
Reife Beeren von Muskat Blau |
Auch nach der Ernte veratmen sich die Aromen schnell. Frisch vom Stock sind sie stark, schon wenige Stunden nach dem Schnitt wirken sie schwächer. Nach zwei Tagen sind sie fast verschwunden. Man sollte sie also immer erst kurz vor dem Essen abschneiden, nie lagern sofern man ihre besondere Aromenkomposition liebt. Kauft man sie bei Tafeltraubenanbauern, hat sie nicht mehr volle Qualität weil tags zuvor oder morgens geerntet wurde, gegessen dann erst einen Tag später. Der Presssaft aus ihr wird gut, dafür nicht zu spät ernten, besser schon bei Reifebeginn. So ist sie auch gut für Traubengelee geeignet. Das starke Aroma im Frischzustand erscheint aber nicht in dieser Kraft im fertigen Produkt, auch Erhitzen schwächt es.
In guter Lage können Trauben und Beeren recht gross werden. Bereits mit Vogelschäden. |
Hintergrundinformationen zum Standort
Habe sie an mehreren Standorten im Weinbauklima. Auf flachgründigem, schweren Boden kommt sie nicht recht voran. An einer Pergola in Reihenhauszeilen bringt sie gute Ernten mit dicken Trauben. Keine Behandlung mit Pflanzenschutzmitteln, Düngung unregelmässig.
Vielen Dank für das schöne Portrait! Es deckt sich zum größten Teil mit den Beobachtungen bei den eigenen Muscat bleu. Dieses Jahr haben wir massig Wespen und Hornissen an den reifen Trauben, sonst kaum. Letzte Woche haben wir sie durch den Entsafter gejagt, gefiltert und den Saft nach ein paar Stunden in den Kühlschrank gestellt. Jetzt moussiert er leicht und schmeckt ganz spannend, nicht wahnsinnig süß, nach Federweißer mit Rotweinnote.
AntwortenLöschenViele Grüße aus Südhessen,
Annabelle
Die Wespen lassen schon nach, allerdings verzögert sich das jetzt durch das warme Wetter. Die hier hatten vor ein paar Tagen schon über 80° OE, da wird Saft schon ziemlich süss. Ein billiges Refraktometer (auch sonst ganz brauchbar bei allerlei Reifebestimmungen) kann das messen.
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