Freitag, 26. Dezember 2025

Mandeln auf der Obstwiese

Pumperlgsund, grün und Vollbehang: Mandel

Seit Jahren gibt es wenig Freuden- und Erfolgsmeldung von Obstwiesen. Alles wurde immer nur schlechter, massenhaft neue und verschlimmerte alte Krankheiten, brutale Wetterextreme, sterbende Bäume, es macht in immer mehr Gegenden keinen Spass mehr. In unserer schon recht lange nicht mehr. Geschlossene Obstwiesen sind verschwunden, es geht nicht zu Ende, sondern ist schon am Ende. Erfahrungen darüber, was man noch machen und pflanzen kann, ob extensiver privater Anbau von Obst oder anderen Gehölzen irgendwie weiter entwickelt werden kann bekommen noch einen eigenen Betrag.

Für heute soll es um eine einzelne Art gehen, mit der ich tatsächlich langjährige und gute Erfahrungen gemacht habe: Der Mandel, Prunus amygdalus. Ja, ausgerechnet Mandeln, die früher als Mimosen galten, immer gefährdet, tragen angeblich nie wegen sehr früher Büte und gehen schnell ein. Und doch steht eine bei mir, die schon 15 Jahre alt ist, über fünf Meter hoch und mittlerweile gute Ernten bringt. Und andere wachsen. Problemfrei sind sie nicht und einiges ist zu beachten, falsche Hoffnungen sind zu vermeiden. Aber da läuft was. Gehen wir es im Detail durch, wo die Haken und Stärken meiner Erfahrung nach sind:

Das Beschaffungsproblem

Eben geöffnete Blüte noch mit
verkapselten Pollenständen

Schon der Kauf ist etwas schwieriger. Mandeln sind unüblich oder gelten als Zierpflanzen, eine Ziermandel ist in Deutschland leichter zu kaufen wie Fruchtsorten. Wenn es Sorten gibt, dann nur wenige, am häufigsten ist "Dürkheimer Krachmandel" und "Pfälzer Fruchtmandel". Manchmal werden Findlinge als Sorten verkauft und mit neuen Namen versehen. Auch solche Sorten probiere ich aus, etwa die "Thürheimer". Schon viel seltener gibt es französische Sorten, dort sind Ferragnes, Ferraduel und noch mehr populär. Von dort habe ich neben Ferragnes und Ferraduel auch Guara. Gerade das sind auch interessante Sorten für Deutschland, aber mit Einschränkungen, dazu später mehr. In Frankreich wird auch aktiv gezüchtet, die Ergebnisse draus machen Mandeln robuster und weniger frostgefährdet. Ferner gibt es auch Hybriden mit speziellen Eigenschaften, die selbstfruchtbare Robijn etwa habe ich, hat aber mehr Monilia.

Zum Baum gehört auch die Unterlage, die man sehr wichtig nehmen sollte. Gute Kalk- und Trockentoleranz und genug Zuwachs für eine Obstwiese haben die arteigenen Unterlagen oder Hybriden draus, das ist Mandelsämling, GF 677 (ein Mandel-Pfirsichhybrid) und oft auch Bromptonpflaume. Die Bromptonpflaume hat Vorteile auf schweren Böden und bei anhaltendem Regen, erstere haben den besten Wuchs und die beste Trockenresistenz. Keinesfalls sollte man St.-Julien Pflaume verwenden, ein Klon ("A") wächst entweder zu schwach, der andere ("INRA2") macht Wurzelausläufer.

Das Befruchterproblem

Vollblüte. Und der Duft... Paradies.

Und so blühte meine erste Mandel jedes Jahr wunderschön. Dann fielen immer alle Blüten ab, keine Früchte, auch ohne Frost. Ein Befruchterproblem? Dabei hat mir jemand erzählt, sie könnten von Pfirsich oder Aprikose bestäubt werden? Davon habe ich viele Bäume und Sorten unmittelbar neben der Mandel. Nutzt aber nichts, wie ich seither weiss. Nicht alle, aber die meisten Mandelsorten benötigen eine andere Mandelsorte, sie sind weder selbstfruchtbar noch werden sie durch andere Arten befruchtet. Sie brauchen die eigene Art, Süssmandeln, blühend zur selben Zeit natürlich. Es gibt besondere Ausnahmen, etwa Mandel-Pfirsich-Hybriden, die manchmal auch gute mandelähnliche Kerne liefern.

Dann pflanzte ich mehr Mandeln. Eine Sorte hatte schon im Pflanzjahr Blüten, weil das aufverdelte Edelreis schon mit Knospen ankam. Schlagartig fruchtete auch die grosse Mandel, statt nur Blüten abzuwerfen - die Befruchtung funktioniert und dafür reichten wenige nahe Blüten einer anderen, als Befruchter geeigneten Sorte.

Das Frostproblem

Auch die abgefallenen Blüten
sind noch hübsch und frisch

Früher reicht die Frosthärte der Bäume nur für ein paar Gegenden. Mandeln schaffen -20°C im Winter, sind also noch empfindlicher als Wein. Früher war das ein Riesenproblem in Mitteleuropa, heute nicht mehr, Tiefstwerte unter den -20°C wurden zuletzt am 13.1.1987 in den meisten Teilen Deutschlands erreicht, davor alle paar Winter mal. Die Bäume kamen gar nicht hoch. 

Ein anderes Kälteproblem sind Fröste, die die Blüten erwischen oder die wasserreichen Jungfrüchte danach. Bekannte Sache, weswegen auch weiterhin von Mandeln abgeraten wird. Zunächst sollte man spätblühende Sorten nehmen. Die bekanntesten französischen Sorten sind solche Spätblüher und blühen von allen Mandelsorten ganz zum Schluss. Damit kann man hoffen, den Frösten eher zu entkommen. So wie bei Aprikosen ist das immer noch sehr früh, meistens Mitte bis Ende März, in glücklichen Jahren auch Anfang April. Das ist schon was! Aber nicht viel, häufig kommen Ende April noch Luftfröste, manchmal richtig üble. Dagegen hilft nichts.

Robuste Sorten stecken aber leichte Minusgrade weg, sowohl in Blüte als auch Jungfrucht, ganz ähnlich wie manche Pfirisichsorten, die erstaunlicherweise manchmal noch tragen, obwohl anderes Steinobst und Kernobst-Frühblüher wie Birnen abgefroren sind. Als härteste Mandelsorte zeigt sich die ertragssichere "Ferraduel". Auch die Höhe bringt etwas bei der Temperatur, die Blüten und Früchte an oberen Ästen in 5m Höhe haben im Grenzbereich des Schadens weniger Frostschäden wie bodennahe Äste.

Das Krankheitsproblem

Mandel unreife Jungfrucht

Mandel = Monilia. So war es früher. Das war der grosse Begrenzer. Und ist es nicht mehr, denn es gibt resistente Sorten Dank der französischen Züchtung. Ferragnes und Ferraduel an erster Stelle, auch Ferrastar ist robust. Es stimmt tatsächlich und ist keine Baumschulprosa, mit diesen Sorten habe ich kaum Monilia erlebt, auch nicht im feuchten Frühling. Kleine tiefstehende Ästchen erwischt es manchmal, jetzt höher und luftiger, desto weniger. Dabei ist die Lage ein ziemliches Monilialoch, wie andere Steinobstsorten beweisen, die überdurchschnittlich stark befallen werden.

Frostspanner meiden Mandeln leider nicht so wie sie Pfirsiche meiden, aber die Schäden halten sich sehr in Grenzen.

Schrotschusskrankheit - auch das selten bei den modernen Sorten. Und wenn doch, so luftfeuchte Lagen sind normalerweise auch für andere Steinobst nicht geeignet. Ebenso selten: Kräuselkrankheit. Bleibt bei den Pfirsichen.

Pseudomonas - das ist ein Bakterienbrand. Zeigt sich auch an schrotschussartigen Blattschäden, Gummifluss, Trieb- und Baumsterben. Kann nichts näheres drüber sagen, hatte ich noch nicht.

Das Verarbeitungsproblem

Schwerlast-Nussknacker, auch für Mandeln geeignet

Bei Reife springt die weiche Fruchthaut auf, sie ist grüngrau. Bleibt etwas von ihr am Stein hängen, entfert man sie. Es bleibt der Stein, in dem sich der begehrte essbare Samenkern befindet. Die Fruchthaut wirkt wie ein dünner Pfirsich. Probiert man sie, schmeckt sie sehr sauer und gerbstoffhaltig, aber auch deutlich nach Pfirsich. Sie ist ein stofflich wertvolles Nebenprodukt, man kann sie für viele Dinge verwenden, was auch industriell gemacht wird, aber hier zu weit führt.

Er knackt, wenn auch mit Knalleffekt

Es gibt Papiermandeln mit dünnem Stein und Sorten mit dickem, harten Stein. Ähnlich wie Walnüsse muss man geerntete Mandeln gut nachtrocknen, Schimmel ist auch hier ein Risiko. Die Papiermandeln sollte man sowieso bald öffnen, das geht recht leicht. Die sprichwörtlich harte Nuss sind die Sorten mit dickem, harten Stein. Mit den gängigen Nussknackern für Walnüsse kommt man da nicht weiter. Es geht nicht, die Dinger sind zu hart. Mit einem Steinbrocken draufhauen ist auch schlecht, damit wird oft der Mandelkern zerquetscht, Splitter und Kernteile mischen sich dabei. Was geht, sind spezielle und grosse Nussknacker mit einem Hebel aus spanischer Produktion, es gibt auch ein teures und lautes elektrisches Modell. Damit kriegt man sie klein. Das macht man am besten in einer Schachtel, die Schalenteile und der Kern spritzen auch bei dieser Methode geradezu explosiv weg, wenn der Kern mit so viel Kraft geknackt wird.

Danach sind die Kerne erneut nachzutrocknen oder sofort zu verwenden, Haltbarkeit bei gutem Trockengehalt ein Jahr.

Das Bitterproblem

Erster Fruchtfall

Bittermandeln sind eigene Sorten, bekanntermassen giftig. Sie enthalten das Glycosid Amygdalin in hohen Konzentrationen, das im Körper zu Blausäure umgewandelt wird. Wenn wir hinter den Kernen her sind, lohnen sich solche Sorten nicht. Schöne Zierpflanzen sind es trotzdem. Verwenden kann man sie auch. Durch längeres kochen im Wasser wandelt sich Amygdalin in Benzaldehyd um, das dann auch den erwünschten Würzwert als Backaroma hat. Das giftige Amygdalin selbst hat jedoch nur schwaches Eigenaroma. Deshalb sind beispielsweise Aprikosenkerne wegen ihres besonders hohen Amygdalingehalts noch giftiger wie Bittermandelkerne, obwohl sie nicht so bitter schmecken. Das "Bittermandelaroma" wird erst durch die Abbauprodukte geliefert, insbesondere Benzaldehyd. Je geringer der Abbau, desto giftiger die Kerne, aber weniger bitter. Die Lehre daraus: Niemals die Giftigkeit aufgrund des Bittergeschmacks beurteilen.

Reifezeit. Blätter und Früchte schon teils gefallen.

Leider können auch einige Süssmandelsorten entgegen der Beschreibungen in Deutschland eine unerwünschte Restbittere aufweisen. Bittermandeln reichern viel Amygdalin während der Reife an, damit entstehen wie gesagt auch die aromagebenden Folgeprodukte. Süssmandeln tun das Gegenteil, wenn vorher Amygdalin gebildet wurde (einige tun das gar nicht), dann nimmt der Gehalt mit der Reife ab. Es erfolgt eine Verdünnung des Amygdalins durch Zellwachstum sowie ein enzymatischer Abbau. Nun kommt der Knackpunkt: Spätreifende Sorten haben in Deutschland ausserhalb Gunstlagen Ausreifeprobleme. Das weiss niemand, weil Abschreiben von Beschreibungen statt Eigenanbau und selber ausprobieren üblich ist. "Reife Ende September" heisst bei französischen Sorten September in Südfrankreich. In Deutschland reicht es nur in Gunstlagen. Dieser Faktor verstärkt den Bittereindruck, Amygdalin im frühen Entwicklungsstadium ist höher konzentriert und damit haben auch die Folgeprodukte höhere Konzentrationen. Weitere Faktoren sind Überbehang, Bestäubung durch Bittermandeln, Stress der die Cyanogenglykosid-Synthese fördert.

Stein und Fruchthaut, frisch gefallen

Genau das habe ich bei der oben genannten Sorte Ferraduel erlebt. Die Bitterwirkung nahm im September Woche für Woche deutlich ab, aber erreichte nicht Null. Das kann sich von Jahr zu Jahr ändern, je nach dem wie gut die Reife erreicht wird. Also nicht wundern, sondern auf jeden Fall abkochen, um eventuelles Amygdalin loszuwerden und dann als Backzutat verwenden. Pur gegessen schmeckten die Kerne ungekocht und gekocht oft nicht gut, der restliche Bittergehalt stört. In der Lebensmittel- und Pharmaindustrie gibt es technisch kontrollierte Entbitterungsverfahren, die aber für uns zu aufwendig sind. Sorten, bei denen wirklich alles gleichzeitig stimmte - moniliafest, späte Blüte, frühe Reife - die gibt es noch nicht. Es stimmt aber schon ziemlich viel und der Weg sieht machbar aus, die zu spätreifenden moniliafesten Sorten mit früher reifenden moniliaanfälligen Sorten zu kombinieren.

Die guten Erfahrungen

Gute Mandelernte

Schluss mit den Problemen. Die Bäume sind standfest, haben jährlich guten Zuwachs und sind hammerhart trockenfest, wenn sie einmal eingewachsen sind. Zudem kalkverträglich und kommen auf meinem armen, flachgründigen Boden ganz prima klar. Blütenfrostschäden der spätblühenden Sorten liegen im Bereich von robusten Pfirsichen die auf derselben Wiese wachsen, das ist tragbar. Im Gegensatz zu Pfirsichen vertragen sie sogar Wuchs im Grasland ohne gepflegte Baumscheibe. Auch der Schnittaufwand ist gering. Wenn Schnitt, dann wie auch bei anderem Steinobst angeraten ab Spätfrühling bis Hochsommer. Niemals im Winter, durch Schnittflächen kommt Monilia sofort ins Holz.

Der Baumaufbau ist licht, die Blätter schmal und lang, damit werfen Mandeln wenig Schatten. Dahinterstehenden Gehölzen wird wenig Licht genommen und auch Fussbepflanzungen bekommen noch Licht ab. Damit sind sie leicht und frei auf Grundstücken plazierbar.

Duft und Anblick der blühenden Bäume gehören zudem zu den schönsten Anblicken, die man in Baumgärten geniessen kann. Dazu die Chancen auf eine Ernte. Der Eimer kann zwar voll werden, aber viel ist es netto trotzdem nie, denn von den Früchten bleibt nur der viel kleinere Kern übrig, man arbeitet lange am knacken und bekommt dann Mengen die nicht mehr eindrucksvoll aussehen. Aber sie sind haltbar und nutzbar. Pflanzt Mandeln!

Auch im Winter schön

 

Mittwoch, 17. Dezember 2025

Gemüsefenchel dick machen

Vor kräftigen Nachtfrösten noch geerntet

Knollenfenchel oder Gemüsefenchel ist in Mitteleuropa fast ausschließlich ein Supermarktgewächs, ganzjährig meist importiert aus Italien und selten wirklich gut. Dort wirkt er oft ausgesprochen aromamatt, wässrig, mastig. 

Am häufigsten wächst Fenchel in Deutschland als Bestandteil von Blütenmischungen auf temporären Stillegungsflächen in der Landwirtschaft auf trockenen, kalkhaltigen Böden. Dort gedeiht er auch in trockenen Jahren, blüht, liefert sehr viel Nektar und etwas Pollen für Insekten und wird bis zu zwei Meter hoch. In den trockenen Stängeln nisten Wildbienen. Das sind natürlich keine Sorten mit dicken Knollen, sondern Bitterfenchel (Foeniculum vulgare var. vulgare). Gemüsefenchel mit Knollen ist Foeniculum vulgare var. azoricum, Gewürzfenchel ist Foeniculum vulgare var. dulce. Fenchelkörner sind als Tee, Gewürz oder Saatgut beliebt und liefern wertvolles Öl.

Aus dem Garten geerntet, zerteilt, gut.

Viele Hobbygärtner versuchen den Anbau im Nutzgarten - und scheitern damit. Fenchel ist sehr robust, aber so dicke Knollen wie im Supermarkt bekommt man nicht: Er schießt früh oder die Knollen bleiben einfach klein, wenig fleischig und wirken schnell holzig. Das ist ein typisches Beispiel für den Unterschied zwischen Gartenbuchweisheiten über Fenchelanbau und der Realität. Das liegt sicherlich auch daran, dass Knollenfenchel eine verhältnismäßig junge Züchtung ist. In den gerne behaupteten Bedürfnissen lebt aber eine Orientierung am Gewürzfenchel fort, der ein paar tausend Jahre älter ist und eine weit breitere ökologische Anpassungsfähigkeit hat, die Bedürfnisse für viele Samen sind auch andere wie die für eine dicke Knolle als Basis der Blätter.

Mir ging es nicht viel besser, und ich habe einiges probiert. Doch mit der Zeit haben sich die echten Erfolgsfaktoren herauskristallisiert - es sind mehrere, und alle müssen erfüllt sein.

Pflanzzeitpunkte

Schöne Knolle, schöne Wurzeln

Wichtiger Faktor ist der Pflanz- bzw. Aussaatzeitpunkt. Es gibt bei Fenchel einen Frühjahrsanbau und Herbstanbau. Frühjahrsanbau ist schwieriger. Fenchel ist eine Langtagspflanze. Die Blütenbildung wird also durch lange Tage ausgelöst, was bedeutet dass die langen Sommertage ihn zum schiessen bringen. Er wird holzig und schiebt einen Blütenstengel. Dummerweise hat das mitteleuropäische Frühjahr wenig Vegetationstage. Es gilt also die Devise, früh zu säen, also vorziehen, dann abhärten, dann früh auspflanzen und ggf. schützen, denn er ist nicht wirklich frosthart. Die Voranzucht ist problemlos, er keimt leicht, Saattiefe 5-10mm, gute Zimmertemperatur. Möglichst viel Licht bei der Anzucht. Kältereize draussen bringen ihn zum schiessen und erhöhen auch die Schosserempfindlichkeit durch andere Faktoren, wenn er nicht sofort schiesst. Aus dem Frühjahrsanbau sind deshalb keine grossen Knollen zu erwarten, solange man seine Langtagsallüren nicht aus ihm herauszüchten kann.

Wurzeln werden recht lang im Humusboden

Der Herbstanbau bringt mehr. Ausgesät wird Anfang bis spätstens Mitte Juni, direkt ins Freiland oder auch wieder Voranzucht. Im Freiland geht er oft schlecht auf - zu heiss, zu trocken. Voranzucht ist auch im Sommer besser, wenn die aktuelle Wetterperiode ungünstig ist. So kann man ihn dann auch leichter auf gemulchte Flächen setzen, das ist wichtiger Punkt der später noch begründet wird. Geerntet wird bis zum Frost. Geht es im September schnell runter mit den Temperaturen, können die Knollen nicht mehr gross werden. In Italien wächst er noch Monate weiter und auch Spätaussaaten sind möglich, deshalb wird er auch im tiefsten deutschen Winter importiert und frisch verkauft. Haltbar sind alte Knollen nicht mehr lange, am Besten im 0° Fach des Kühlschranks. Knollen, die noch keine Anzeichen von Holzigkeit zeigen halten sich etwas besser. Im eigenen Nutzgarten erntet man meistens zu spät, weil man immer noch dickere Knollen hofft, obwohl das Wachstum schon eingestellt wurde. Er wird dann faserig, holzig, zäh.

Die Bodenverhältnisse

Der schwere, flachgründige, basische Boden bei mir macht ihm wenig aus. Auch auf Sandboden wächst er gut. Aber ganz anders als oft behauptet benötigt er Dünger, insbesondere Stickstoff. Gewürzfenchel ist tatsächlich ein Schwachzehrer, aber Knollenfenchel ein mittelstarker bis starker Zehrer, wenn er Knollen bilden soll. Der klassische Fehler ist, Fenchel als Nachkultur im Herbst anzubauen, ohne neu zu düngen. Zu düngen ist vor allem mit Stickstoff. Auch der Humusgehalt im Boden ist wichtig: Viel Humus, bessere Knollen. Sehr gut wächst er auf Hochbeeten, die normalerweise gut versorgt sind.

Mulchen!

Schöne Knollen, Restmulch noch zu sehen.

Toller Trick, bringt sehr viel bei Fenchel, wenn er jung ist.

  • Jungpflanzen sind sehr empfindlich auf Trockenheit und UV-Strahlung. Trockene, heisse Winde im Juni sind mittlerweile normal, das mag er gar nicht, Pflanzen gehen ein oder sind so geschädigt dass sie nie mehr richtig hochkommen. Mulchen hilft enorm, die Bodenoberfläche trocknet langamer aus statt in der Mittagshitze bereits wieder trocken zu sein. Sie schützt zusätzlich die unteren Pflanzenteile vor UV-Strahlung.
  • Jungpflanzen sind auch sehr empfindlich bei stärkerem Wind. Windböen vor Gewittern können ganze Beete umreissen. Der junge Fenchel knickt um, der Wurzelhals reisst ab. Tief pflanzen sollte man ihn auch nicht gerade, aber gut gemulcht löst das Problem. Da sitzt er im Boden, die Mulchschicht darüber hält ihn fest und darf auch höher sein. Gut ist etwas älterer Pferdemist, der kann ruhig schon ausgewaschen sein. Bei Mulch und Fenchel geht es um Haltung und Feuchtigkeit, Düngen sollte man den Boden, Mulch der etwas mitbringt ist nur der Bonus.
    Anhäufeln hat man früher empfohlen, das ist kein so guter Ersatz, vor allem nicht bei schwerem Boden. Meine fettesten Knollen bekam ich ausschliesslich aus gemulchtem Boden.

Mulchen erhöht aber das Risiko für Schneckenfrass. Fenchel hat zwar keine hohe Anziehung für Schnecken, aber bei höherem Befallsdruck wird auch er niedergemacht. Sie können auch ältere Pflanzen befallen und Löcher in die Knollen raspeln oder zum Grün hochschleimen.

Weitere Ansprüche

Zu früh geschossen, Hitze

Wasser benötigt er als Jungpflanze und zwar viel, da ist er ebenfalls ganz anders wie Gewürzfenchel, der auch in trockenen Gegenden ohne Zusatzwasser gross und stark wird. Dabei muss tiefgründig gewässert werden. Später macht er selber lange, stabile Wurzeln. Pflanzen, die mindestens schon Mittelgrösse erreicht haben müssen nicht mehr so gründlich mit Zusatzwasser bedacht werden.

Fenchel ist eine Voll-Licht Pflanze. Er braucht Sonne. Nicht hinter anderen hohen Kulturen verstecken. Nicht dicht pflanzen, so dass er sich selbst beschattet, das passiert leicht. Dann hat man viel Grün und keine Knollen. Einige Empfehlungen für Pflanzabstände gehen herunter bis 20cm. Das ist bestenfalls auf freiem Feld möglich. Im Hausgarten, wo immer irgendein Baum, ein Gebäude zu bestimmten Tageszeiten verschattet, sollte man viel weiter gehen und die Abstände grösser halten. Leider hat die Sonne auch Nachteile. Knollenfenchel braucht das Licht, aber nicht die Hitze. In Hitzewochen mit über 30°C und vielleicht noch Stress in der Jungfplanzenphase steigt das Risiko stark an, dass er das Knollenwachstum einstellt und dann schiesst. Da kann es besser sein, bei Hitze früh zu ernten statt gar nichts zu bekommen.

Sorten

Fenchel Velino geerntet, leichter Schneckenschaden

Ausprobiert habe ich schon Profisorten und die typischen Samentütchensorten für Privatleute. Oft wird mit "schossfest" geworben und mit grossen Knollen. So richtige Unterschiede sind mir nicht aufgefallen, die anderen Faktoren waren immer stärker. Dieselbe Sorte in einem Jahr mager und ohne Knolle, im anderen Jahr dick und gut. Einmal geschossen, einmal gar nicht.

Um aber einige Sorten zu nennen, die schon was geworden sind: Das war Velino, Orion (war früher lange auch im kommerziellen Anbau die Referenzsorte), Rondo.

Fazit

Keine Angst vor Fenchel, lassen wir uns nicht durch den Frust schlechter Erfahrungen dieses herrliche Gemüse verderben oder uns nur mit der Supermarktware zufrieden geben. Es lohnt sich, es geht und er wird was, wenn man ein paar Sachen richtig macht.

Samstag, 22. November 2025

Süsse Kürbissorten im sauren Jahr

Dieses Jahr war mein Motto im Kürbisbeet "süsse Sorten". Sorten, die gebacken besonders gut schmecken, dabei süsser werden. Das Jahr der süssen Kürbissorten. Leider war das Jahr sauer, sehr schwierig für Kürbisse. Ein später Bodenfrost am 22. Mai richtete viel Schaden an, danach regnete es zwei Monate nicht mehr, um dann zur Reife hin kühl zu werden, eigentlich stimmte gar nichts. Aber etwas war dann doch zu ernten, nicht so viel wie sonst und auch reifeknapper.

Kürbisstile

Was versteckt sich da für eine süsse Sorte unter den
Kürbisblättern?

Kürbisse sind weitgehend amerikanische Arten, nur Flaschenkürbisse der Art Lagenaria siceraria waren immer schon weltweit verbreitet. Heute werden die drei Hauptarten Moschuskürbis (Cucurbita moschata), Riesenkürbis (Cucurbita maxima) und Gartenkürbis (Cucurbita pepo) auf allen Kontineten angebaut. Jede Gegend hat dabei ihre Schwerpunktstile entwickelt. 

In Nordamerika werden süsse Varianten vorgezogen und auch süss zubereitet, klassisch ist der Kürbiskuchen, Pürree, Muffins, oder einfach im Ofen gebacken. Natürlich gibts auch genügend scharfe und herzhafte Gerichte, aber die süssen Verwendungen ist sind schon sehr nordamerikanisch.

Manche Sorten machen gerne Addentivwurzeln

Deutschland und Osteuropa lieben die Kürbissuppe und nehmen dafür Hokkaidokürbis, das sind Cucurbita moschata Sorten. Ansonsten sind in Europa Eintöpfe damit beliebt, Risotto, Gratins. Dafür sind süsse Sorten weniger geeignet, wichtiger sind Konsistenz, Farbe.

In Asien werden sie gerne und viel verwendet, die amerikanischen Arten auch kräftig weitergezüchtet. Weichgekocht mit speziellen Sossen, gebraten, frittiert, Brei, es gibt alles. Kürbis wird dort aber generell seltener gebacken oder überbacken, häufiger gedämpft, gekocht oder gebraten.

Afrika hat auch Rezepte mit den jungen Kürbisblättern. Kürbisfrüchte gelten dort als nahrhaftes, günstiges Alltagsgemüse, häufige Kombinationen sind mit Erdnüssen, Kokos, Tomaten.

Und mir ging es dieses Jahr um süsse Zubereitungen, ganz besonders wie sie in den USA üblich sind. Und dafür die richtigen Sorten, und die richtige Behandlung. 

Wie werden sie süsser?

Halbreife Georgia Candy Roaster

Da denkt man natürlich zuerst an Sorten, die mehr Zucker einlagern. Klar. Aber das ist nur die halbe Miete. Noch wichtiger ist die richtige Behandlung nach der Ernte. Kürbisse müssen einige Wochen in Ruhe nachreifen, erst dabei verstärkt sich Süsse und es entstehen weitere Aromen. Wer sie sofort schlachtet, bekommt nur gemüsige Aromen mit wenig sonst dabei. Je nach Sorten folgt dann eine konstante Plateauphase von einem bis vielen Monaten, danach der Abbau, wo sie wieder langsam Aroma verlieren und auch keine weitere Süsse mehr bilden. Die Süsse kann man bereits roh schmecken. Eine weitere Süssverstärkung bekommen sie duch langsames backen, etwas beim in den USA sehr beliebten Ofenkürbis.

Georgia Candy Roaster reif im Beet

Grundlage für maximale Süsse und Aroma sind immer ausgereifte Früchte. Das ist nicht so selbstverständlich wie es aussieht. Einige Sorten werden in normalen Lagen Mitteleuropas selten richtig reif, das trifft zum Beispiel auf einige Moschuskürbisse zu, die in Spanien und Italien sehr populär sind. In meiner Lage bin ich mit denen immer an der Grenze und dieses war es besonders kritisch wegen eines späten Bodenfrosts, der die Pflanzen zurückgeworfen hat. Man kann Kürbisse auch problemlos nicht ganz reif verwenden, die meisten Leute merken es nicht mal, wenn ihr Supermarkt-Hokkaido nicht vollreif ist. Die meiste Süsse und das Aroma kommt aber erst zum Schluss in der Vollreife.

Sorten 

Viele Sorten werden "mit Süsse" angepriesen, tatsächlich sind es aber gar nicht so viele, die das schaffen. Ausprobiert habe ich ja schon sehr viel, dieses Jahr waren die Süssen sogar das Motto. Was kam dieses Jahr dabei heraus? Tadaaa, die Top-3 Favoriten: Georgia Candy Roaster, Sweet Meat, Honey Nut. Im Detail:

Georgia Candy Roaster 

Georgia Candy Roaster, die Riesenbananen

Eine Sorte der Maxima-Art und sie hat sich als Hit herausgestellt. Hätte ich das nur schon früher gewusst, aber die Sorte ist in Europa nicht sehr bekannt. Sie war und ist bei Cherokee-Indianern populär und seit mindestens 100 Jahren im Anbau, vermutlich aber sehr viel länger. Die Riesenbanane mit dem irren Aroma. Mit Pferdemist gedüngt wurde es ein Wahnsinnsgerät, schob 15m lange Ranken und brachte pro Pflanze mindestens vier rosa, grünspitzige krumme Dinger, die aufgeschnitten eine absolut herrlich leuchtende Farbe zeigen, die allerdings an der Luft bald verblasst. Im Anbau war sie problemlos, braucht aber viel Platz, liefert pro Pflanze 3-6 Riesenbananen, die man bald auf ein Holzbrettchen legen sollte. Sie wiegen je nach Bodennährkraft bis zu 8kg, manchmal wird es sogar mehr. Leider ein Nachteil, diese Menge kann man nicht auf einmal vertilgen und nach täglich Kürbis macht der grösste Fan schlapp, weil sie ihm bis zur Oberkante stehen. Ein weiterer Nachteil: Sie faulen leicht und nach drei, maximal fünf Monaten beginnen sie zu faulen. Mit der Lagerzeit steigt aber auch die Süsse.

Gebacken: Süss und Spitze

Der Name ist jedenfalls Programm und das stimmte. Diese Frucht zu backen ist eine Offenbarung gewesen. Im Ofen eine Hälfte 50 Minuten bei 200°, bepinselt mit Öl, leicht gesalzen, sonst nichts. Ist wohl der Kürbis mit dem deutlichsten Eigenaroma, den ich je hatte. Marone, Nuss, gelbe Rübe, Anderes. Und süsslich. Nicht penetrant, sondern genau richtig, optimal genusssteigernd. Eine Erwähnung verdient auch die Konsistenz des Fruchtfleischs. Es wirkt etwas leichter und weniger kompakt wie andere Sorten, und zerfällt auch langsamer, wird nicht bazig, was sich im Mund sehr gut macht. Empfehlung für Backkürbis! Suppe wird nicht so gut, Sorten mit höherer Fleischdichte und weniger süss kommen da besser. Aber mir ging es dieses Jahr nicht um Suppe, sondern um Süsse.

Sweet Meat

Kürbisse der Sorte Sweet Meat

Wieder so eine Bombe. Sie stammt von 1947 und ist auch ein Maxima. Ein richtig schweres Ding, wenn reif. Gute Kiloerträge. Pflanze etwas mehltauanfällig, grosse Blätter, lange Ranken. Benötigt auch eine längere Vegetationsdauer. Die Früchte wirken nicht so gross wie der Candy Roaster, weil sie rekordverdächtig dicke Fruchtfleischwände haben. Man kann ihn kaum aufschneiden, ohne dass das Messer abbricht. Etwas ertragsschwächer wie der Candy Roaster, auch mit Schalenfäulerisiken und nicht wirklich lange haltbar.

Massenhaft Fruchtfleisch

Das Aroma ist gekocht tatsächlich süsser als die meisten anderen Sorten, auch hier erhöht Lagerung die Süsse. Das Fruchtfleisch wirkt trockner, kompakter und fester wie das des Candy Roaster. Suppengeeignet ist er besser, aber speziell diese Sorte soll der Klassiker für Pumpkin Pie sein und Kürbismuffins. Dabei wird auch nicht immer die frische Frucht verwendet, gekochtes, püriertes Sweet-Meat-Fleisch lässt sich hervorragend einfrieren oder einkochen. In den USA kann man es in Dosen abgefüllt verwendungsfertig kaufen, zum Beispiel Libby's Pumpkin Filling aus 100% Kürbisfleisch.

Stücke Sweet Meat, verwendungsfertig


Honey Nut

Gruppe reifer "Honey Nut" Kürbisse

Der Singlekürbis, eine Moschuskürbissorte. Eine sehr neue Züchtung aus den USA, ein Moschuskürbis mit Schwerpunkt Geschmack und begrenzter Grösse. Die Pflanzen werden gerne als kompakt angepriesen, tatsächlich wachsen sie bei mir mit recht langen Ranken, allerdings waren sie mit Pferdemist gut versorgt. Wenig Mehltau. Man bekommt viele, viele kleine Früchte, die auch sehr gut haltbar sind. Die Kiloerträge sind trotzdem nicht so hoch. Früchte glatt, mit untergelegten Brettchen ist selten eine dabei, die Schalenschäden hat. In diesem Stil gibt es noch mehr Moschuskürbisse, die im Mittelmeerraum beliebt sind, in Deutschland haben sie jedoch oft nicht genug Vegetationsdauer. Das ist ein echter Vorteil von Honey Nut: Der hat diesen würzigen Stil ebenfalls und wird auch in weniger guten Gegenden reif. "Honey Nut" ist besonders süss, das Fleisch dicht, feinkörnig und saftig. Sein Aroma liegt mehr bei Sweet Meat (Süsskartofel, Maronen), weniger beim einzigartigen Candy Roaster.

Honey Nut, gebacken
Honey Nut, halbiert

 

Weitere Sorten

Haltbarkeit nicht immer gut


Etwas Süsse haben auch einige Pepos, der berühmte Marina di Chioggia, die Violina-Kürbisse und mehr. Tatsächlich sind die drei oben genannten Sorten aber die Süssesieger und im Aroma durchweg Oberklasse. Die Suche nach Süsse ist aber noch nicht vorbei. Nachdem der Candy Roaster so gut war, versuche ich nächstes Jahr noch andere Bananensorten wie die "blaue Banane" oder die "North Georgia Banana", vielleicht auch "Pink Jumbo".

Sonntag, 9. November 2025

Haferwurzel, Tragopogon porrifolius - neue Freude trotz alt und vergessen

Erdfrische Haferwurzeln

Die letzten Jahre hatte man den Eindruck, dass immer weniger Gemüsesorten im Garten etwas werden. Hitze und Trockenheit machen den Sommer von der Wachstumszeit zum Sommerloch, in dem beispielsweise alle Kohlgemüse das Wachstum einstellen, nichts mehr keimt, alles verzwergt, Salat ab Mai nicht mehr geht, der Sonnenbrand Früchte und Blätter empfindlicher Sorten zerstört. Dieses Jahr waren zum Beispiel auch Pastinaken nicht mehr zum keimen zu bringen, Frost und Rekordhitze in kurzer Abfolge liessen noch nicht einmal dieses robuste Wurzelgemüse etwas werden.

Auf einem Beet, auf dem die geliebten Pastinaken einfach nicht zum keimen zu bringen waren, probierte ich deshalb relativ spät im Jahr etwas ganz Neues, das eigentlich etwas ganz Altes war, nämlich Haferwurzeln, Tragopogon porrifolius. Hatte eh nichts zu verlieren. Aussaat der länglichen Samen erst Ende Mai, kurz nach dem Spätbodenfrost am 22.5, das war auch so ein Wetterextrem. Mal ausprobieren ohne grosse Hoffnung auf eine vernünftige Ernte, aber vielleicht mit Spass dabei. Um das Ergebnis vorwegzunehmen und nicht erst wie in Youtube-Videos endlos herumzulabern damit einem Werbung reingedrückt wird: Es war überraschenderweise auf Anhieb ein voller Erfolg. Aber was ist das denn überhaupt für ein Zeug, die Haferwurzel? Kennt ja keiner mehr.

Was sind Haferwurzeln?

Haferwurzeln, fast wie eine Wiese

Haferwurzeln stammen auf der Familie der Korbblütler und liegen im selben Tribus wie eine Reihe anderer Nutzpflanzen, etwa die Wegwartensalate Radicchio, Zuckerhut, Chicoree oder alle Garten-Blattsalate, die sehr nahe verwandten Schwarzwurzeln, Gemüse-Gänsedisteln. Ihre Wildformen wachsen mit Schwerpunkt im östlichen Mittelmeerraum. In Kultur waren sie der Wurzeln und Blätter wegen (auch die noch geschlossenen Blütenknospen sind beliebt gewesen) seit Tausenden von Jahren. Heute will man ihr vor allem an die Wurzeln. Viele Verwandte sind auch in Deutschland heimisch, es sind die Wiesenbocksbärte, an Blüten und Blättern sieht man die Verwandtschaft sofort. Der nahe Verwandte "Schwarzwurzel" hat ihren Schwerpunkt im westlichen Mittelmeerraum.

Bester Pflanzabstand

Ihre wichtigste Zeit als Gemüsepflanze hatte sie bis ins 19. Jahrhundert und wurde dann wie so viele andere Wurzelgemüse von der Kartoffel verdrängt, die bessere Erträge hat. Satt werden war eben am wichtigsten. Kaufen kann man sie fast nicht, wenn dann auf Erzeugermärkten, aber auch dort wird man viel eher die Schwarzwurzel bekommen. Von der bin ich nicht so der Fan, auch im Anbau nicht. Sie schält sich unangenehm mit ihrem vielen Latexsaft oder sie muss vorher gekocht werden, dann geschält, sie wird schnell innen hohl wenn sie dicker ist, für meinen flachgründigen Boden hat sie zu lange Wurzeln und ihr Aroma bleibt durchweg blass. Auch sie hat es selten bis nie in die Supermärkte geschafft, nur als Dosengemüse fristet sie ein traurig-mattes Restdasein.

Bei den Inhaltsstoffen liegt sie auf ähnlichem Niveau wie andere Wurzelgemüsse, z.B. besagte Schwarzwurzel, Klettenwurzel, Pastinake. Gelbe Rüben weichen etwas ab, sie haben auch nur die Hälfte der Kalorien. Eine Besonderheit der Haferwurzel ist ihr Inulinreichtum, da liegt sie in der Gruppe von Topinambur, Schwarzwurzel, Klettenwurzel. Inulin wirkt präbiotisch, ist gut für die Darmflora, fördert Bifidobakterien, bis man sich daran gewöhnt hat kann es aber blähen. Das verbessert sich bei häufigerem Konsum.

Haferwurzel im Jahresverlauf

Keimung auf dem verschlämmten Boden

Ausgesäht habe ich sie in der vorletzten Maiwoche. Angeblich kann man das auch schon zwei Monate früher ab Ende März - sie hält etwas Frost aus und auch Vernalisation ist angeblich kein Problem, d.h. sie schiesst deshalb nicht mit früher Blütenbildung. Kleine Kerbe in den Boden gezogen, Samen reingebröselt, wieder zugeschoben, also rund 2cm Saattiefe. Natürlich angegossen. Am besten haben die Samen in der Reihe mindestens 3cm Abstand. "Zu eng stehen" ist aber nicht so richtig tragisch. Auch was etwas enger steht, wird oft was.

Und schon die erste Überraschung: Das Zeug ging bombengut ohne Lücken auf. In einer Woche, schneller als alle Gartenbücher behaupten. Und das auf meinem schweren Boden, der immer bald Trockenrisse zeigt und hart wird. Nach dem Bodenfrost kam sofort Hitze, das schadete weder der Keimung noch den Jungpflanzen. Dabei gleich die nächste Überraschung. Trotz Hitze räumten Schnecken im Garten immer noch stark ab, aber nicht so bei den Haferwurzelpflänzchen, darauf hatten sie keine Lust. Grösster Nachteil war, dass die Jungpflanzen lange wenig konkurrenzstark sind und auch später das Beet immer licht wirkt, weil die schmalen Blätter keinen geschlossenen Bestand zuliessen. Damit bleibt das Thema Unkraut während der gesamten Kulturdauer wichtig. Man sollte nicht auf verunkrautetem Beet säen wie man das mit Mais tun kann, der später allen unerwünschten Beikräutern das Licht nimmt. Vielmehr sollte man auch die Unkrautbekämpfung schon bei der Aussaat beachten, etwa in möglichst geraden Linien säen, damit man später rückenschonend leicht die Pendehacke durchziehen kann.

Anfang Juli
...und im August
Haferwurzel, Oktober, nach Sturm

Das Wachstum in den folgenden Monaten passierte sehr kontinuierlich, stetig wurden Blätter geschoben und von der Seite sah das Beet aus wie eine Wiese oder eng gesetzter Junglauch. Ab August verlangsamte sich das Blattwachstum. Besondere Düngung gab es nicht, aber Gartenboden ist natürlich immer besser versorgt wie eine umgebrochene Wiese. Das Zeug wuchs einfach, obwohl der Standort alles andere als gut war. Morgens Schatten, dann pralle Nachmittagssonne mit Hitzestau, unterbrochen von zwei Wochen kühlfeuchter Nässe ab Ende Juli, dann wieder trocken. Bis dahin habe ich sie auch wie den übrigen Garten bewässert, aber immer nur knapp. Andere Gemüsearten zeigten Trockenschäden, mir ging es darum die begrenzten Wasservorräte nicht in kurzer Zeit hinauszublasen. Ab August wurde noch weniger bewässert. Der Boden wie gesagt schwer, hat auch Steine und ist nur rund 25cm tief, was für Wurzelgemüse wie Petersilienwurzel, gelbe Rübe, Klettenwurzel ein Riesenproblem ist. Nur Pastinake kommt durch und wird was, wenn man sie zum keimen und durch die Jungpflanzenphase bringt.

Anfang September zeigte sich Mehltau auf den Blättern, ansonsten nicht die Spur einer Krankheit. Der Mehltau verschwand wieder in den Folgewochen ohne Blattschäden zu hinterlassen. Stürme zerzausten die Blätter, alle lagen am Boden. Und standen wieder auf, die Haferwurzel wuchs weiter. Haferwurzeln schien einfach nichts zu bremsen, absolut nichts.

Ernte

Ernte meiner allerersten Haferwurzel

Da sie Frost aushält und auch lange im Boden bleiben kann, habe ich erst Ende Oktober die erste Wurzel gezogen. Ernten soll man sie ab November, angeblich wachsen sie noch im Spätherbst. Auch das war überraschend. Es erschein eine schöne, gerade, beige Wurzel ohne Mehrbeinigkeit, wie eine schlanke gelbe Rübe aus Sandboden. Auch ohne Schneckenfrass, wie das Grün oben. Mit gut 20cm ideal lang. Leicht zu reinigen. Vorsicht aber beim ziehen, sie können abbrechen und wer mit einer Schaufel hantiert, verletzt sie leicht. Besser mit dem Spaten die Reihe blockweise hochbringen und dann die Wurzeln herausklauben. Als ich dann eine grössere Ladung herausholte, zeigte sich eine recht variable Grössendifferenz bei den Wurzeln und auch ein paar mehrbeinige Pflanzen. Das kommt also schon vor, aber bei unserem schweren Boden ist das bei gelben Rüben, Petersilienwurzel & Co viel problematischer. Vor allem gelbe Rüben kann man fast vergessen. 

Ein paar Haferwurzelpflanzen kann man stehen lassen, eventuell über den Winter Stroh draufschütten. Im Folgejahr schieben sie schöne violette Blüten, aus denen Samen mit Schirmchen entstehen, wie bei anderen Bocksbärten. So schafft man ohne Mühe eine eigene Samengewinnung.

Verwendung, Rezepte

Leicht geschält, bald in Pfanne mit Deckel gedünstet

Im frühen 18. Jahrhundert verschwindet sie in deutschen Kochbüchern oder nur noch die ähnliche Schwarzwurzel fristet als regionale Spezialität eine kleine Rolle. In der Gegenwart hat die französische Küche mit Abstand die größte Rezeptvielfalt und lebendigste Tradition im Umgang mit der Haferwurzel, gefolgt von der italienischen und britischen Küche. Einzelne Rezepte gibt es auch in Spanien ("salsifí") und der flämischen Küche. Typische Zubereitungen sind gekocht und in Butter geschwenkt, mit Bechamelsosse, Sahnesosse, in Teig ausgebacken (GB), in Gemüsesuppe, überbacken, püriert (GB), mit Eiersosse (Flämisch). Sie ist sogar roh essbar, wie alle Bocksbartgewächse. Roh schmeckt sie aber recht neutral.

Pflanzensaft wie Nougat. Vorsicht, der klebt.

Zu Beginn probierte ich sie pur, schälte sie leicht mit dem Sparschäler, schnitt sie in Stücke und kochte sie mit etwas Salz. Bürstet man sie gut ab, kann man sich schälen auch noch sparen. Heraus kam ein leicht süssliches Gemüse, im Aroma ähnlich anderen Wurzelgemüse-Speicherknollen, etwas erdig, etwas Artischocke und gekochter Mais oder Klettenwurzel, aber die Haferwurzel war einen Strich nussiger, süsser plus etwas Säure, mit angenehmen schwachen Bitterton (aber nie bitter) ähnlich Radicchio, auch die gelegentlichen Vergleiche mit Austern kann man nachvollziehen. Sie wirkt rustikal, anpassungsfähig, rund. Weitere Versuche waren mit Sossen, gekocht in der Pfanne mit Wasser, Weisswein, Olivenöl, dann mit einer Bechamelsosse aus Milch, Butter, Mehl fertiggegart. Gewürze zurückhaltend Muskat oder Muskatblüte, Salz, Pfeffer. Auch bei Kräutern ist eher Zurückhaltung angebracht, Petersilie, Schnittlauch, Kerbel. Orientieren kann man sich an Spargel.

Gekocht, in leichter Bechamelsosse finalisiert

Immer herausragend war die Konsistenz. Sie ist markig-sämig, ohne trocken zu wirken, gart in mässiger Zeit gut durch, keine Fasern, keine Hohlräume. Ich mag diesen "Bodenspargel" auf Anhieb sehr.

Aber Vorsicht. Sucht man im Internet, kommt ein Riesenschwung aufwendiger Schwachsinnsrezepte mit kaum zu beschaffenden Spezialzutaten, die dieses Gemüse geschmacklich plattwalzen. Oder es wird eine Regionalität erfunden, die gar nicht existierte oder existiert. Manche Seiten korrigieren auch den Suchbegriff "Haferwurzel" zwanghaft zu "Haferflocken", weil die viel häufiger Zustat sind. Viele Treffer, falscher Inhalt. Anzuraten ist, erst einmal Grundrezepte damit zu probieren.

Lagerung

 

Die Lagerung ist einfach und orientiert sich an anderen Wurzelgemüsen. Ausgraben, grob säubern, in eine Kiste mit feuchtem Sand legen, Sand drüberstreuen, Kiste mäuse- und frostsicher aber kühl lagern - Gartenhaus, Erdmiete, Aussengarage... Oder man lässt sie einfach im Garten stehen, heutzutage ist der Boden sowieso nie mehr wirklich lange gefroren, so dass man sie auch herausbekommt. Wie für Samengewinnung kann man auch Stroh über das Beet drüberstreuen, damit kein starker Kahlfrost Schaden anrichtet. Ich lass sie draussen, grabe sie aus wenn ich damit etwas vorhabe, bürste sie dann unter fliessend Wasser ab und lege sie bis zur Verwendung ins Kühlschrankgemüsefach. Dort halten sie auch über eine Woche.
 

Fazit

 
Der austretende Milchsaft wirkt fast violett
Die Haferwurzel ist eine Freude für Nutzgärtner und Geniesser. Sie macht wenig Arbeit, benimmt sich problemlos im Garten selbst unter schwierigen Bedingungen, ist gut zu verwerten, ich finde kaum ein Haar in der Suppe. Kritisch könnte man die geringen Flächenerträge werten, die Wurzeln sind halt nicht schwer und nicht fett, auch verzwergte Pflanzen sind immer eingestreut. Das macht einen kommerziellen Anbau unwirtschaftlich, uniforme Ergebnisse und die Kilo auf der Verkaufswaage kriegt man nicht bzw. wollen nicht bezahlt werden. Das neue Sommerwetter hält sie im Gegensatz zu vielen anderen Gemüsearten aus, sie profitiert vom milden Herbst und Winter. Wer wegen seines Bodens immer Probleme mit Wurzelgemüse hatte, dem sei sie besonders ans Herz gelegt. Ausprobieren ist es wert. Bei mir kommt sie ins Dauerprogramm.
 
Haferwurzeln mit Blaukraut und Semmelknödeln

Mittwoch, 29. Oktober 2025

Klimatische Grenzen von Papaus. Und giftig auch noch?

Auch dieses Jahr konnte ich sehr viel über Indianerbananen lernen, über ihre klimatischen Grenzen und auch über Vermutungen, sie könnten eine bestimmte neurodegenerative Form der Parkinsonkrankheit verursachen.

Das Papaujahr 

Grosser Fruchtknoten Papau

Das Papaujahr begann ganz gut, nämlich ohne kräftige blütenmordende Fröste, holperte dann durch Hitze, Trockenheit und zwei Kaltwochen in den Herbst, wo trotz allem Unbill eine grössere Ernte zu holen war. Erfolg! Dieses Jahr reiften Sorten wie "Prima 1216" und "Overleese" auch zu 80% aus, was die letzten Jahre keineswegs immer der Fall war. Prima lieferte Früchte bis 500 Gramm und Fruchtknoten, die 1,3 Kilo auf die Waage brachten. Aber es gab auch Ärger durch Wetterextreme, was erneut sehr gut demonstrierte, wo die Grenzen dieser Art im Anbau liegen. 

  • Prima 1216 hatte sehr guten Fruchtansatz. Mein grösster Baum der Sorte Prima 1216 warf den aber bis Mitte Juli zu 80% ab, weil er im starken Trockenstress war. Der Sämling warf sogar alles ab. Der Abwurf von den anderen Bäumen war geringer. Glücklicherweise regnete es dann endlich Ende Juli, was die Ernte rettete, aber den Reifevorsprung auf Null stellte, denn im Trockenstress wachsen sie nicht mehr.
  • Prima 1216 Fruchtknoten mit typischem Sonnenbrand
    "Shenandoah", eine Sorte von Peterson, zwei Jahre alt, vertrocknet oder Wurzelprobleme, tot. Richtig anwachsen ist mindestens zwei Jahre eine sehr kritische Zeit bei Papaus, wenn sie aus dem Anzuchttopf heraus ausgepflanzt werden. Andere kleine Jungpflanzen wuchsen besser. Man sollte sie so jung wie möglich verpflanzen, bevor die Wurzeln in die Länge wollen. Niemals überständige Pflanzen nehmen.
  • Erster trockenstressbedingter Blattabwurf in der zweiten Trockenperiode, die über zwei Monate ab Mitte August dauerte.
  • Wie jedes Jahr Sonnenbrand an vollsonnig stehenden Pflanzen und leider auch an den Früchten. Die bekommen eine verhornte schwarze Schale und bleiben zur Reifezeit unterklassig.
Abwurf junger Früchte wegen Trockenheit - es waren noch viel mehr.

 

Klimatische Anbaubreite heute 

Kühlschrankgereift - blass, aber nicht bitter

Papaus sind einfach keine Obstwiesenpflanzen, diese Hoffnung ist enttäuscht worden weil die Wasservefügbarkeit dafür immer weniger ausreicht. Nicht gedeckter Wasserbedarf und Sonnenbrand sind bis 2017 nur punktuelle Probleme gewesen, heute sind das Dauerprobleme, wenn n icht gerade ein selten gewordenes Feuchtjahr herrscht. Ihre Reifedauer ist immer noch ein Problem, obwohl die Vegetationszeit länger wurde. Auf der anderen Seite sorgen verstärkte Wetterschwierigkeiten für Reifeverzögerung. Die selbstfruchtbare Prima 1216 mit ihrer mittelspäten Reife ist meiner Ansicht da die absolute Grenze in unserer Gegend und ansonsten besser im Rheintal aufgehoben, während "Sunflower" bei uns sogar fast immer unreif bleibt. Ein Teil der Früchte von Pima 1216 wird immer gut reif, ein Teil nie, da sie ja deutlich folgernd reift. Das Fruchtfleisch bleibt dann hell, die Früchte schmecken bitter. Es ist essenziell, ausserhalb von Gunstlagen nur frühe Sorten zu pflanzen wie z.B. Allegheny, NC-1, Taylor. Keine davon ist selbstfruchtbar. Bei den Niederschlägen ist die immer trockener gewordene Südmitte Deutschlands zwischen Pfalz und Oberfranken kaum mehr ohne Bewässerung geeignet. Oder es sind bodenmächtige Tallagen, die lange Wasser führen.

Verwertung

Kälteschaden?

Indianerbananenmilch war dieses Jahr der Hit. Milch mit Papaufruchtfleisch (nicht zu viel, sonst Matsch statt Milchgetränk) in den Mixer, lecker. Auch ein Lagertest im Kühlschrank war interessant. Sie halten dort ein bis zwei Wochen und reifen sogar etwas nach, das Fruchtfleisch bleibt aber gekühlt blass. Das Aroma wird jedoch tatsächlich besser, die Früchte weicher so dass man sie leichter auslöffeln kann, Restbitterkeit wird abgebaut. Allerdings vertrugen einzelne Früchte den Kühlschrank nicht, sie wurden innen wolkig schwarz. Vielleicht, weil ich sie im 1° C Fach lagerte, zu kühl ist möglicherweise auch nicht gut.

Die Kerne habe ich gesammelt. Aus ihnen soll man ein Insektizid herstellen können, das wurde schon ausprobiert. Mal sehen, ob ich das auch schaffe.

Sind die giftig?

Giftkiste

Für Unruhe unter deutschen Papaufreunden sorgte eine Veröffentlichung der CVUA Stuttgart Ende 2023, die vom bedenkenlosen Verzehr der Papaufrüchte abrät. Das Papier lässt sehr, sehr viele Fragen offen (etwa der Reifezustand der Früchte), eine Prüfung verschiedener Sorten wurde schon für 2024 angekündigt, aber darüber ist bis heute nichts zu finden, offenbar versandet. Ich versuchte, mit der CVUA in Kontakt zu treten, schrieb, bekam aber nie Antworten. Das Interesse ist dort offenbar gering, sich nach der Ablehnung der Frucht als Lebensmittel näher mit dem Thema zu beschäftigen.

Kritisch wird der Gehalt an Acetogeninen im Fruchtfleisch gesehen, das sind die Stoffe die auch eine nachgewiesene Wirkung gegen Krebszellen haben, Forschungsarbeiten beschäftigen sich deshalb damit, wie man möglicht viel Acetogenine bekommen kann. Auch einige enthaltene Alkaloide werden kritisch gesehen. Tatsächliche negative Wirkung auf den Menschen wurden aber nur in Teilen Lateinamerikas beobachtet, wo Annonengewächse oft und häufig verzehrt werden und auch weitere Produkte daraus, etwa Tee aus Blättern, die einen besonders hohen Gehalt an diesen Stoffen haben. Damit schützt sich die Pflanze vor Insektenfrass. Angesichts der nur Tage dauernden kurzen Haltbarkeit und kommerziellen Nichtverfügbarkeit von Annonengewächsen in Deutschland erscheint es seltsam, ausgerechnet in Deutschland deren Verzehr kritisch zu sehen - an 360 Tagen im Jahr isst man eh nichts davon. In den USA, wo die Frucht beliebter ist hat die sonst ziemlich pingelige Food and Drug Administration (FDA), eine US-Bundesbehörde keinerlei Bedenken gegen der Verzehr, auch weil sie als heimische Art schon seit Jahrhunderten gegessen wird ohne bekannte negative Folgen. Es gibt in den USA grosse Verkostungen, Wettbewerbe, Züchter und Liebhaber, die Papaus in erheblichen Mengen und Zeiträumen vertilgen, die Acetogeninen zugeschriebenen neurodegenerativen Folgen sind dort aber in der Moderne nie aufgefallen. Die drei von der CVUA angegebenen Quellen gehen nirgends darauf ein, eine Quelle bezieht sich nicht einmal auf Papaus, sondern verarbeitete Produkten aus Stachelannonen wie z.B. Nahrungsergänzungsmittel.

Offene Fragen 

Die seltsame Wortkargheit der CVUA lässt zu viele Fragen offen. Sie schreiben von Früchten eines Hobbyisten und "Nach dem Verzehr klagten mehrere Personen über Bauchschmerzen und Verdauungsbeschwerden". Was haben die wohl gegessen? Das Jahr 2023 der untersuchten Früchte war sehr ungünstig für die Reifeentwicklung von Papaus, die in Deutschland am meisten gepflanzen Sorten „Prima 1216“ und „Sunflower" reiften selbst im Rheintal oft nicht richtig aus. Frühreifende Sorten wie „Allegheny“ sind noch sehr neu in Deutschland, die gab es da noch gar nicht. Ob und wie der der Reifezustand der Analysefrüchte festgestellt wurde, bleibt ungesagt. Reife Papaus liegen bei 90° OE (22° Brix). Die Notreife im Untersuchungsjahr 2023 zeigte sich durch schlechte Verträglichkeit und auch einem Bitterton, ich schrieb schon im Blog daüber. In Deutschland hat man noch nicht gelernt, Reife von Papaus zu erkennen, auch von selbst fallende Früchte sind in solchen Jahren oft nicht ausgereift, Notreife eben. Alkaloid- und Acetogeninegehalte sinken aber erst mit der Reife stark ab. Kein Wort davon bei der CVUA, das schien nicht berücksichtigt worden zu sein.

Andere Untersuchungen

Kann das schaden?

Geforscht wird anderswo durchaus. Eine Arbeit von Kirk Pomper / Kentucky State University fasst Wirkungen und Arbeiten zu Acetogeninen zusammen. Fütterungsversuche mit Tieren benötigen hohe Dosen, um Effekte zu zeigen, umgerechnet auf den Menschen wären das ein Jahr lang täglich Früchte. Interessant war der hohe Gehalt bei unreifen Früchten. Es existieren viele Arbeiten zu Acetogeninen und Papaus. https://www.nature.com/articles/s41598-024-79413-z findet, wie die Gesamt-Acetogenin-Gehalte im Fruchtfleisch in biologisch gereiften und reifen Stadien abnehmen - die Autoren interpretieren das als typischen Abbau sekundärer Pflanzenstoffe während der Fruchtreifung.
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29660776/ aus Korea, selber Inhalt, Reifeabbau.
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/19711911/ Gehalte und Profil zwischen Sorten, Organen und Reifestadien variieren stark.

Fazit

Geschält, nicht gelöffelt. Geht auch.
  • Papaus weiterhin geniessen, wenn man sie hat.
  • Lernen, wie Reife aussieht, nur wirklich reife Früchte essen und bittere oder blasse Früchte verwerfen. 
  • Frühe Sorten anbauen. Irgendwann stellt sich vielleicht auch heraus, welche Früchte sortenbedingt generell niedrigere Gehalte an den kritisierten Stoffen haben. In den bisherigen Studien werden solche Unterschiede gefunden, aber ein umfassendes Sortentableau fehlt.

 

Typische Sonnenbrandfolge an Papaublättern, passierte sogar im lichten Schatten eines hohen südseitigen Nussbaumes