Samstag, 9. Dezember 2023

Obstneupflanzungen im neuen Klima

Neu gepflanzte Champagner Renette

Gründe für Neupflanzungen sind bei mir leider meist traurig: Vorher dort stehende Bäume sind abgestorben. Das Sterben der Obstbäume ist in den letzten Jahren aufgrund der veränderten Wetterbedingungen zur Epidemie geworden. Äpfel sterben in meiner Lage vorrangig wegen Rindenbrand, Steinobst leidet stärker unter Monilia und nun auch viel zu warmen Wintern, die zum Austrieb und dann Absterben von grossen Astpartien oder dem ganzen Baum führen, weil doch noch kräftige Nachtfröste kommen. Zweigmonilia und andere Pilzkrankheiten sind generell virulenter geworden. Junge Bäume sterben, weil Extremsommer ohne Regen gekommen sind und man zu wenig oder zu selten Wasser hinschaffen kann. Andere Bäume sterben einfach so, wie es nun mal passieren kann - aber ganz klar häufiger als früher, direkte Gründe für den Stress sind nicht immer zu sehen.

Also wird neu gepflanzt. Die Baumschulen freut es. Aber nicht mehr die der Region, ich kaufe vermehrt im Mittel-osteuropäischen Ausland, der guten Qualität wegen und weil ich dort die Sorten auf den Unterlagen (nämlich mittelstark wachsende) bekomme, die ich haben will. Ich kann nicht alles selber veredeln. Das Sortiment der meisten deutschen Baumschulen (es gibt fachlich sehr gute Ausnahmen!) passt ausserdem meistens weder zum sich veränderten Klima noch für Hobbygärtner. Die teure Ware wird sowieso immer öfter billig importiert, von grossen Vermehrern aus Ost- und Südeuropa. Früher Baumschule, heute Händler. Aber auf einen Extra-Zwischenhändler kann ich verzichten.

Wie pflanzt man heute am besten?

Wurzelballen von Äpfeln, Idealzustand. Grosse Wurzeln
geschnitten. Nie abtrocknen lassen!

Früher war es noch eine Dauerdiskussion, die Frage ob Herbst- oder Frühjahrspflanzung besser ist. Das Klima hat es entschieden: Gepflanzt wird heute ausschliesslich im Herbst. Der Herbst ist eine endlos lauwarme, trübe Angelegenheit geworden, in der meist nach langer Trockenzeit wieder eine Regenzeit beginnt. Lange Frostperioden im folgenden Winter gibt es nicht mehr, der Boden ist nie mehr als wenige Zentimeter tief gefroren. Wir hatten dieses Jahr zehn Wochen im Frühsommer ohne Regen und sechs Wochen im Spätsommer. Im Herbst begann eine Regenzeit und zwar sieben Wochen täglich (!) Regen. Dieses Muster anhaltender Trockenzeiten und Regenzeiten ab Herbst ist mit wenigen Ausnahmen seit Jahren üblich geworden. Den Wetterstil von früher gibt es nicht mehr, die Wetterlagen sind heute viel statischer, oft bis zur Katastrophe konstant. Das ist eine Folge der Klimaveränderung, der Abschwächung des polaren Jetstreams wegen abnehmender Temperaturkontraste entlang der Breitengrade, deshalb stehen die Rossby-Wellen heute viel ortsfester und mäandern auch viel weiter nach Nord und Süd.

Herbstpflanzung statt Frühjahrspflanzung ist bereits in https://gartenzone.blogspot.com/2019/03/fruhlings-oder-herbstpflanzung-die.html beschrieben und die Argumente von damals haben sich noch verstärkt. Die Angst vor harten Winterfrösten, die Neupflanzungen schädigen ist heute unbegründet. Vielmehr kann man mit einer Herbstpflanzung sogar die neuen Wachstumsmonate im Winter ausnutzen, länger Schnee und tief gefrorene Böden gab es seit Jahren nicht. Die Wurzeln beginnen sofort nach Einpflanzung zu wachsen, neue Feinwurzeln bilden sich, der Baum "schlägt Wurzeln".

Die Pflanzung muss heute mehr denn je den wetterbedingt gestörten Wasserhaushalt berücksichtigen. Zu viel Regen gibt es nicht bei Obstbäumen (wenn sie nicht neben einem Bach stehen und dann unter Wasser), aber zu wenig.

  • Wichtig sind deutliche Giessränder mit grossem Durchmesser um den Stamm herum im Traufbereich der Jungkrone. Erstens sollen plötzliche kurze und starke Regenfälle nicht oberflächlich ablaufen, sondern möglichst in den Boden eindringen. Diese Technik wird in Permakulturen immer schon in verschiedenen Formen angewendet, zum Beispiel durch ziehen geeigneter Furchen. Zweitens muss man Neupflanzungen immer giessen, das mühsam hergetragene Wasser soll ebenfalls nicht über die Wiese, sondern an die Wurzeln des Baums, es braucht Zeit um in die Tiefe zu kommen. Also schon bei der Pflanzung grosszügige Giessränder modellieren, Mindesthöhe 5cm, je mehr desto besser.
  • Die Baumscheibe nicht nur konsequent von Bewuchs freihalten (jede andere Pflanze ist Wasser- und Nahrungskonkurrenz), sondern auch die Oberfläche so gestalten, dass Wasser gut versicken kann und wenig von unten verdunstet. Beispiel: Keine Erde mit Verschlämmungstendenz oben liegen lassen!
  • Pflanzloch, Pfahl, eingestreutes Agrargel
  • In Nordafrika schon länger bei Gehölzpflanzungen angewendet, auch in Deutschland sehr empfehlenswert geworden: Die Verwendung von Agrargel oder Hydrogel im Pflanzloch. Agrargele sind "Bodenhilfsstoffe für Trockengebiete". Superabsorber, die sich bei Wasserzugabe zu einem Gel vollsaugen, ein vielfaches des eigenen Gewichts an Wasser binden und wieder langsam abgeben können. Solche Stoffe werden zum Beispiel in Babywindeln verwendet. Bis vor einigen Jahren waren das biologisch abbaubare Kunststoffe, etwa Natriumpolyacrylat, mittlerweile gibt es auch rein aus Holz hergestellte Gele auf der Basis von Lignin mit denselben Eigenschaften. Damit verlängert sich die Bodenfeuchte in Trockenzeiten und verlängert damit auch die Mindest-Giessintervalle. Details meiner guten Anwendungserfahrungen werden Gegenstand eines eigenen Beitrages sein.

Die übrigen Standardtipps zu Pflanztiefe, Behandlung des Wurzelballens, Pflanzschnitt, anbinden etc. haben sich wenig geändert. Die erste Düngung sollte aber etwas früher erfolgen als in der Literatur angegeben, weil die Bodentemperaturen meistens früher steigen und Stickstoff deshalb früher aufgenommen werden kann, früher benötigt wird, in der späteren Sommertrockenzeit dann weniger. In unserer Gegend am Südwesthang mit magerem Boden gebe ich Stickstoff an bedürftige Gehölze schon im Februar, je nach Wetter. Jungbäume bekommen viel Pferdemist oben auf die Baumscheibe, aber nicht am Stamm. Damit bleibt sie bis zur ersten Mahd bewuchsfrei und der Belag hält das Wasser besser im Boden. Eine Düngewirkung hat der Pferdemist mehr indirekt, weil er auch das Bodenleben anheizt.

Rindenbrand an "Gala"

Vor der Pflanzung kommt das Abräumen toter Bäume. Eine traurige Angelegeheit. Abgeräumt habe ich diesen Herbst einen Apfel der Sorte Roter Bellefleur, toll gewachsen, eine Lagerapfelhoffnung. Er hatte immer stärker schwarzen Rindenbrand und starb im Frühling komplett. Wenn es denn diese Sorte war, in Reiserschnittgärten wurde nach einen genetischen Untersuchung oft der Rheinische Winterrambur als "Roter Bellefleur" vermehrt. Ein geschenkter "Gala" starb auch den Rindenbrandtod. Weissanstrich nutzte nichts. Drei Pfirsiche und eine Aprikose starben aus den Gründen im ersten Absatz. Ein weiterer Apfel, zehn Jahre alt, starb. Eine "Neue Orleans Renette" wurde von einem irregeleiteten Biber abgefressen, der über einen normalerweise trockenen Graben kam, der nur durch anhaltende Regenfälle zum Bach wurde und wieder biberungeeignet trocken fallen wird. Das Tier wird doch nicht überleben, aber vorher frisst es noch meine Bäume. Eine Quitte und eine Rundpflaume, letztes Jahr gepflanzt starben, ich konnte dort schlecht giessen und habe Fehler bei der Behandlung der Baumscheibe gemacht. Den schweren Lehm aus dem Pflanzloch dort liegen gelassen. Der verschlämmt schnell. Eine andere Bodenoberfläche, die Wasser bei Trockenheit leichter versickern lässt wäre besser gewesen - grob mulchen etwa, organisches Material in den Oberboden mischen. Die Rindenbrandbäume habe ich verbrannt. 

Tod Orleans Renette durch Biberfrass

Pflanzungen diese Saison

Was kam neu? Vieles. Da ich die Wiesen und das Obst trotz der Riesenprobleme noch nicht aufgegeben habe, pflanze ich konsequent nach, Obstarten und Obstsorten, die einen Versuch wert sind, ob sie es auch im neuen Wetter schaffen.

Äpfel

Alles stimmt. Giessrand, Anstrich, Pfahl, Biberschutz

Sie war einmal Hauptsorte in Südtirol bis etwa 1960, spätreifender geschätzer Lagerapfel der erst auf dem Spätwinter schmeckt und ist einer der Elternäpfel des Brettacher: Eine Champagner Renette steht jetzt auf der Wiese. Und bleibt hoffentlich ohne Rindenbrand. Die Sorte hat auch ein Bekannter, sie wird in unserem Klima ganz gut, hat durchaus Aroma und kommt mit trockenen Sommern besser als der Durchschnitt zurecht. Sie bleibt auch etwas kleinkronig, so passte sie noch an einen Pflanzplatz im engeren Raster. Halbstamm.

Nachdem James Grieve und Klarapfel den Abgang machen bzw. schon machten, Aldingers Georg Cave versagt, fehlt mir ein Sommerapfel. Deshalb neu im Garten: Ametyst, auf mittelstarkwachsender Unterlage. Neuere tschechische Sorte, eher säuerlich, Robustheit wird gelobt, aber das wird muss sich in der Praxis beweisen.

In fast allen unseren heutigen Sorten im Stammbaum: Die Edelrenette, Reinette franche, schon 1540 erwähnt. Seither als robuster, gut lagerfähiger, sehr aromatischer Apfel bekannt. Fruchtgrösse ist aber klein. Was als derart alte und damit altbewährte Sorte so viele Nachkommen hatte, ist einen Versuch wert.

Mit dem Ribston Pepping habe ich einen zugegeben vermessenen Sortenversuch gepflanzt, allerdings kenne ich auch relativ gesunde Bäume und der Pflanzplatz ist nicht schlecht. Ribston Pepping ist einer der Cox Orange Vorfahren und in der Cox Orange Genealogie wohl die anbaufähigste Sorte unter all den sehr empfindlichen Mimosen wie Cox eine ist. Halbstamm.

Geheimrat Breuhahn, selbst veredelt, nun an seinem endgültigen Platz. Auch etwas kleinkroniger bleibend. Wurde mir sehr empfohlen als robuster Apfel mit gutem Geschmack, der sich lange lagern lässt.

Zehn Jahre alt geworden. Rindenbrand.
Mehrfacher Schutzanstrich wirkungslos.

Auch veredelt und schon am endgültigen Platz ist "Stina Lohmann". Ich bekam Reiser vom Korbiniansapfel, der aber vermutlich gar nicht mehr existiert, sondern verloren ist. Genetische Untersuchungen haben ergeben, dass die unter diesem Namen vermehrte Sorte immer nur die ältere Sorte "Stina Lohmann" ist, ein Langlagerapfel, zwar nicht allerbeste Güte, aber saftig bleibend und haltbar.

Nach einem bisher gesund gebliebenen Court Pendu Gris, einem hierzulande seltenen grauen Kurzstiel kommt nun auch ein königlicher Kurzstiel auf die Wiese. Auch eine sehr alte Sorte, seit 500 Jahren in Deutschland nachgewiesen und immer als sehr gesund beschrieben. Man sollte es allerdings schaffen, ihn luftfeucht zu lagern, sonst welkt er stark. Das bekomme ich hin mit Folienhaubenlagerung. Viel schwieriger wird sein, überhaupt bis zu einer Ernte zu kommen.

Birnen

Überraschung beim Pflanzloch ausheben:
Trockener Boden auch nach einem Monat Regen.

Dafür habe ich nicht viele Pflanzplätze, denn sie brauchen tiefgründigeren Boden. Auf Quitte veredelt nicht so sehr, dafür ist dagegen das Wachstum oft unbefriedigend. Gepflanzt wurde diesen Herbst Liegels Winterbutterbirne, eine schöne und lagerfähige Sorte, aber sehr schorfanfällig. Deshalb steht sie oben an der Hangkante, wo am meisten Wind herrscht. Die Birnen sind klein, rundlich, sehen nicht toll aus, aber das bewahrt sie vielleicht vor Diebstahl.

Winternelis hatte ich schon einmal, sie ging ein, der Platz war aber auch nicht gut. Ein sehr klein bleibender Baum, dünntriebig, aber sehr gute und ebenfalls lagerfähige Früchte, ebenfalls auf der kleineren Seite. Lagerbirnen sind ein seltenes Gut und es gibt nichts schöneres, als mitten im Winter noch süsse, schmelzende Birnen zu haben. Sie kam in eine Ecke mit bestem Boden.

Champagner Bratbirne steht noch im Beet, ist selbst veredelt, harrt noch der Auspflanzung. Leider sehr feuerbrandanfällig, gehört aber zu den hochwertigsten Mostbirnen überhaupt. Ich habe mal den Versuch gemacht, sie auf Quitte BA29 zu veredeln. Mostbirnen wollte man immer starkwachsend auf Sämlingsunterlagen, aber auf Quitte wird der Baum kleiner bleiben, früher in Ertrag kommen und mit dem flachgründigen Boden besser zurechtkommen.

Anderes Kernobst

Quitte am Steilhang - schwierig, aber möglich

Die Muskatquitte auf BA29 ist eingegangen - und wurde gleich nachgepflanzt. Der Standort ist schwierig, am steinigen Steilhang, aber wenn dort etwas zurechtkommt, dann Quitten. Mehrere andere Sorten wachsen dort bereits, eine ist sogar schon ein stattlicher Baum, sie müssen aber die ersten Jahre überleben. Das dornige Gebüsch aus Hagebutten, Mahonien, endlosen Myrobalane-Schösslingen muss kleingehalten werden, Wasser muss mittels Kletterpartien hingetragen werden. Die Quitten haben sich dort sehr gut geschlagen, von vier Quittensorten schafften es drei.

Noch eine Mispel: Eine Kurpfalzmispel. Sie wurde leider auf Weissdorn veredelt geliefert. Ich setzte sie tiefer, damit sie aus der Unterlage herauswächst.

Steinobst

Pfirsiche haben es im neuen Wetter auch schwer, Baumausfälle haben zugenommen, Monilia wurde virulenter, neue Probleme kamen hinzu. Eine neue, angeblich sehr robuste Hoffnung ist nun im Boden, Flaming Fury Lucy13, auf einem arteigenen Sämling veredelt. Die Sorte soll auch gut schmecken, sie ist kurz nach "Red Haven" reif, also Mitte bis Ende August. Die "Flaming Fury" Pfirsiche sind die Serie eines privaten US-Züchters mit -zig Sorten, bislang eher selten in Europa, aber in den USA auch im kommerziellen Anbau und mit Schwerpunkt im späten Reifebereich.

Der Drops ist gelutscht

Coes Golden Drop kommt an den Platz eines rätselhaft dahingegangenen Spillings. Coes Golden Drop ist eine Pflaume, die Richtung Reneklode geht. Steht auf Unterlage Wavit. Zur Reife sehr platzempfindlich bei Regen, sonst sehr gut. Angesichts der trockenen Sommer als neue Regel bedeutet das keine grosse Gefahr.

Bellamira bekam ich von einem Bekannten, der sie auch veredelt hat. Neuzüchtung aus Geisenheim, eine gelbe rundliche Pflaume mit grossen Erträgen. Hofentlich, denn an Erträgen mangelts mir.

Vertige, auch eine Neuzüchtung, Aprikose. Gezüchtet von INRA, Frankreich. Mit deren Mandelzüchtungen habe ich schon sehr gute Erfahrungen gemacht. Veredelt ist sie auf Reneklode, das ist eher selten. In Frankreich steht sie auch im kommerziellen Bionabau, weil sie wenig Pflanzenschutz benötigt, blüht ausserdem spät, angeblich moniliafest, selbstfruchtbar. Da stimmt alles. Ich habe schon mehrere Aprikosen, die Obstart wächst bei mir auf der Südwestwiese erstaunlich gut und einige Sorten auch ohne drastische Krankheiten. Eine "Orangered" ist sogar ein richtig dicker Baum. Auf kräftiger Unterlage kommen sie auch mit dem schlechten Boden sehr gut zurecht. Aber das neue Wetter sorgt bei dieser Obstart schlimmer als bei jeder Anderen für frühe Blüten und frühen Austrieb, der Ernteausfall durch Spätfrost ist praktisch unvermeidlich. Also setze ich auf möglichst spät blühende Sorten und bei kleineren Bäumen vielleicht nächstes Frühjahr auf grosse Hauben.

Mal sehen, was in ein paar Jahren noch steht und wie es trägt. Nicht gepflanzt habe ich subtropische Arten, die zwar ebenfalls zur Freude der Verkäufer schwer in Mode sind, aber mit wenigen Ausnahmen so ziemlich versagten: https://gartenzone.blogspot.com/2023/01/klimawandel-und-neue-obstarten.html

Freitag, 17. November 2023

Immer mehr Mispeln

Langsam wächst die Zahl meiner Mispelsorten. Am 14.11.2023 hab ich die Bäume und Bäumchen abgeerntet. Die Verarbeitung ist schon in einem früheren Beitrag beschrieben: https://gartenzone.blogspot.com/2019/11/mispeln-mespilus-germanicus-letzte.html.

Diesmal geht es mehr um Erfahrungen mit Sorten. Ich habe fünf, vier davon sind jetzt parallel geerntet. Ob sie wirklich sortenecht sind, ist nicht bewiesen, Mispeln sind nicht so leicht zu unterscheiden wie die meisten Apfelsorten voneinander zu unterscheiden sind. Mit was soll man vergleichen? Gute Sortenbeschreibungen existieren nicht. Man muss sich auf den Baum- oder Edelreislieferanten verlassen. Was schon bei besser bestimmbaren Obstsorten zu oft schiefgeht, Fehllieferungen gibt es immer wieder. Züchterisch ist Mespilus Germanica nicht sehr bearbeitet. Früchte an einem Baum variieren optisch oft stärker untereinander wie Früchte zwischen verschiedenen Sorten. Am besten messbar sind noch Durchschnittsfruchtgrössen und die Analysewerte. Studien, die genetische Abstammungs- und Zuordnungsuntersuchungen gemacht haben, sind mir nicht bekannt.


Metzer Mispel

Metzer Mispel, etwa 60% der Gesamternte

Kein Bäumchen mehr, fast schon ein Baum. Ziemlich typischer Habitus mit dem schleudernden, oft sehr einseitigen Wuchs. Im Vergleich zu den anderen Kultursorten kleine Früchte, auch am nun älteren Baum. Bekommt manchmal Sonnenbrand. Reife etwas spät. Hoher Fruchtbehang, aber die mässig grossen Früchte bringen dann nicht viele Kilo.

Die Früchte dieses Jahr satte 100° OE, Gerbstoff- und Säuregehalt sind ebenfalls hoch, auch das Aroma. Sollte ich mal genug zusammenbekommen, wird das die Sorte sein, deren Maische zum brennen vergoren wird. Von Jahr zu Jahr erreicht diese Sorte höhere Zuckergehalte, weil das Wetter immer wärmer und die Sommer immer länger werden. Am Anfang waren 60° OE normal, seit 2018 sind es immer 90° und mehr. Mein Baum ist da keine Ausnahme, ältere Bäume woanders haben sich ebenso gesteigert.


Macrocarpa

Mispel Sorte Macrocarpa
Robuster Baum, typischer Habitus, wächst aber schwach auf meinem Standort. Die Früchte werden grösser, wenn der Baum grösser wird. Auch sie hat gute Erträge. Sie reift früher wie "Metzer", Früchte teigen schon von innen her, während die Metzer noch durchgängig hell und hart ist.

Die Früchte erreichten 75° OE, sie sind hübsch, das Aroma ist süss, wenig Säure, auch wenig Gerbstoffe, wenn sie sich vom Ast lösen lassen oder fallen, kann man sie auch direkt essen, ohne enzymatische Umwandlung. Das ist die Lieblingssorte für Desserts, zum einfrieren und auftauen, um sie dann weich zu essen oder weiterzuverarbeiten.


Kurpfalzmispel

Zwei Kurpfalzmispeln

Der Baum ist noch jung, das Wachstum noch nicht klar, aber es ist kräftig. Die ersten Früchte sind bereits recht gross. Sie erreichten aber nur 60° OE, wurden noch früher reif wie "Macrocarpa", hatten mittleren bis niedrigen Gerbstoffgehalt und etwas Säure. Möglicherweise wird ein älterer Baum noch mehr Zucker schaffen. Mispeln haben ohnehin einen Altersdimorphismus, ältere Bäume steigern auch ihre Fruchtgrösse sehr deutlich.

Royal

"Royal", halbierte frische Frucht

Auch sie ein junger Baum, aber erstaunlich starkes Wachstum, bisher sogar ausgeglichenere Astbildung, was ein stabileres und schöneres Baumbild ergibt.

Früchte mit 78° OE, das Aroma etwas schwächer wie das der Metzer, aber grössere Früchte, die sich leichter und mit höherer Ausbeute pressen liessen

Nottingham

Niedriger Wuchs, aber in die Breite. Von ihr hatte ich einmal mehrere Bäume. Einer ging ein, er war auf Weissdorn veredelt, aber diese Unterlage ist für Mispeln weder langlebig noch sinnvoll, sondern nur billig, deshalb ist sie bei Baumschulen immer noch beliebt. Sie produziert unangenehme dornige Schosser aus Wurzel und Stamm, erhöht die Feuerbrandempfindlichkeit, führt bei den ohnehin instabilen Mispeln zu Sturmabrissgefahr weil sie im Durchmesser fast immer stark unter der Mispel bleibt, grosser Stamm auf kleiner Unterlage und hat immer wieder Kompatibilitätsprobleme, je nach druntersitzendem Weissdorn. Vorzuziehen ist stattdessen Quitte BA29 oder arteigen Mispel.

Die Sorte braucht guten Boden und Wasser. Die Früchte an älteren Bäumen werden riesig, um die 7cm Durchmesser sind normal. Früchte eher breit als lang. Bei dieser Sorte besteht auch die Gefahr, dass sie auseinanderbricht, weil der Fruchtbehang recht schwer werden kann. Keine Messung dieses Jahr, in früheren Jahren um 80° OE, wahrscheinlich heute darüber. Die Gerbstoffe und Säure waren deutlich, optisch auch recht schöne Früchte, schon wegen der Grösse.

Verwendung

Die Ernte ist leider nach wie vor zu wenig für einen Maischeansatz, der dann gebrannt werden kann. Dafür sind etwa 150kg nötig, daraus 50% Saft, 50% gemahlene Maische. Also mache ich Saft aus den Früchten. Sie sind schon etwas zu teigig, das mag die Obstmühle nicht, das Ergebnis ist ein schmieriger, schwerer Teig und viel Putzarbeit an der benutzten Obstmühle.

Macht aber nichts. Die weitere Verarbeitung: Zugabe von Pektinase, tags darauf pressen mit dem Handpressbeutel und dann noch einige Pressvorgänge mit einer älteren Spindelpresse. Die Hydropresse deshalb noch einmal anzuwerfen und dann zu reinigen lohnte sich nicht.

Die knapp 3 kg Maische pro Pressung ergeben 1,25 Liter Saft plus 1,7 kg trockenen Presskuchen, die Ausbeute liegt also bei über 40%, was okay ist für so einfache Technik. Der Saft wird aufgekocht und heisssteril in Glasflaschen gefüllt. Er schmeckt kräftig, aufgrund der Vollreife sind mittlerweile kaum mehr Gerbstoffe vorhanden. Dem hohen Zuckergehalt steht mittlere Säure entgehen. Die Aromen liegen bei Bratapfel, etwas Gummibärchen, insgesamt breiter und voller wie Apfelsaft. Als Mispelsaft erkennbar ist er nicht, in einer Blindverkostung würde man ihn als sehr kräftigen, würzigen Apfelsaft einer besonderen Sorte werten. Mit Mispeln in diesem guten Reifezustand hergestellt finde ich ihn klasse.


Mispelmaische, in einfacher Spindelpresse

Der übrige trockene Presskuchen

Donnerstag, 9. November 2023

Pawpaw, Riesenernte und weitere Erkenntnisse

Pawpawblüte

Dieses Jahr war das Jahr der Pawpaws. Fast das gesamte Baumobst ist wieder einmal ausgefallen, Blütenfrost, Wetter, Schadorganismen. Aber meine Pawpaw-Bäumchen sind mittlerweile etwas grösser und schafften einen richtig guten Fruchtbehang. Die Blüten kommen spät und vertragen Frost relativ gut. Das Gesamtgewicht der Ernte lag bei 20kg. Und auch sonst entwickelte sich einiges weiter bei dieser Obstart, so dass die früheren Beiträge eine Erweiterung verdienen.

Fast im Vollertrag

Die meisten Pawpaw-Bäumchen sind nicht mehr so klein, der Grösste erreicht jetzt 3m Höhe. Er wächst stetig 20-35cm pro Jahr. Der Sommer war diesmal stressarm, alle angesetzten Früchte wurden auch gross. Die Äste bogen sich unter der Fruchtlast, aber nichts ist abgerissen. Pawpaw-Holz ist zwar brüchig, aber Zugbelastung hält es aus.

Guter Behang, fast reif

Das Fruchtgewicht der reifen Früchte reicht von winzigen 20g - Früchtchen bis 400g - Bollen, im Schnitt waren es 100-150g, wie ein Apfel. Innen im weichen gelben Fruchtfleisch befinden sich natürlich auch die Samen, der Anteil beträgt etwa 6-8 Gewichtsprozent. Mit dem Samen sollte man auch die wenig angenehmen Nabelreste entfernen, dunkle Knubbel im Anschluss an die Samen. Einfach mit einem Löffel herausheben.

Essreif


Verpflanzen?

Auf manche Erfahrung hätte ich gerne verzichtet. Mittlerweile sind neue Sorten auch in Deutschland lieferbar, es gibt nun auch eine spezialisierte Baumschule. Ihre Preise sind gesalzen, aber immerhin, die Vielfalt wächst. Ein klein wenig Züchtung findet statt - in den USA. Auch die Sorten des Züchters Neal Peterson und drei Sorten der Kentucky State University haben es nach Europa geschafft. Darunter sind sehr interessante Sorten, gerade für den Hausgarten. Da ich mit einer meiner Sorten unzufrieden war, habe ich sie vorsichtig ausgegraben, verpflanzt und eine Sorte der Peterson - Pawpaws gesetzt. Gekauft in einem Gartenmarkt, mittlerweile sind sie weder selten noch schwierig zu bekommen. Und dabei erlebt, was auch Andere schon sagten: Verpflanzen geht oft schief. Das verpflanzte Bäumchen trieb zwar noch aus, ging dann aber trotz Pflege ein. Pawpaw lieben keine Verpflanzung. Damit kappt man die wichtige Pfahlwurzel.

Sehr wichtig: Die Reifezeit

Nachdem die letzten Jahre angesetzte Früchte immer wieder abgeworfen wurden, weil die Bäume noch zu klein war um sie zu ernähren, zweimal Früchte unreif abgeworfen wurde weil sie im starken Trocken- und Hitzestress litten, gab es diesmal eine anders begründete Enttäuschung: Viele Früchte reiften heran, aber sie reiften nicht mehr aus. Und das in einem Jahr, das einen sehr warmen, langen Herbst erlebte. Andere Pawpaw-Besitzer der Region berichteten ähnliches.

Pawpawblüte in Kälte und Nässe

Was ist passiert? Die Antwort liegt in den Wetterdaten. Es bestätigten sich frühere Beobachtungen: Pawpaws reagieren empfindlich auf kalte Nächte im Frühjahr. Glücklicherweise nicht, indem sie Blüten oder Jungfrüchte abwerfen, sondern indem sie massiv einbremsen. Austrieb, Wachstum, Blühgeschehen laufen wie in Zeitlupe ab. So war es dieses Jahr. Tagsüber zwar oft warm (mit Rückschlägen), aber nachts bis Ende April Phasen mit 1°C und leichtem Bodenfrost, bis fast in die dritte Maiwoche ging es noch auf 3° herunter. Und so zog sich die Blüte schier endlos über vier Wochen hin und lief noch folgernder ab wie ohnehin schon in anderen Jahren. Die sehr lange Zeitlupen-Blühphase führte dann zwar zu einer guten Befruchtung, aber die Früchte hingen im Schnitt erst zwei Wochen später am Baum, was sie auch nicht mehr aufholten bis Oktober. Es fehlte dann "hintenraus".

Reife, von selbst gefallene Früchte

Und so lieferte die Prima 1216 statt in der ersten Oktoberwoche erst Mitte Oktober reife, bitterstofffreie Früchte und da die Reife auch wieder folgerte und wegen beginnender Herbstkälte kaum mehr vorankam, hing noch ein Drittel Anfang November unreif in den Bäumen. Prima 1216 gehört meinen Sortenvergleichs-Erfahrungen nach eigentlich zur mittleren Reifegruppe, ist sogar etwas früher als der Durchschnitt. Nach einer Woche Lagerung waren sie zwar noch gut essbar, aber erreichen nicht die Qualität ganz am Baum ausgereifter Früchte.

Weich, süss, aber unreif

Damit zeigt sich, dass selbst in unserer Weinbaugegend das Risiko zu gross ist, dass mittlere Sorten nicht ausreifen. Jahre wie dieses mit nachtkühlem Frühling sind trotz anschliessender Hitzesommer keine grosse Ausnahme. Unser Klima im maritim-kontinentalen Übergangsbereich der Mittelbreiten ist weit stärker schwankend wie das kontinental-subtropische Klima in ihrem Ursprungsgebiet. Frühe Sorten sind also wie schon vermutet essentiell, etwa Allegheny, Halvin, Kentucky Champion, Atwood, KSU-Benson, NC-1. Auch Sorten, die nur früh anfangen, dann aber sehr lange folgernd "dahintropfen" kommen noch in Frage, dafür ist Shenandoah bekannt. Die ersten Früchte reifen deutlich vor Prima 1216. Man kann damit alle Jahreswettertypen ausnutzen, hat in frühen Jahren ab Ende September bis Ende Oktober frische Früchte und in späten Jahren immerhin noch eine Teilernte. Vielleicht der beste Kompromiss.

Aroma, Qualität bei Pawpaws

Fast erntereif, Frucht wird oben gelblich

Das lässt sich sehr einfach auf einen entscheidenden Punkt reduzieren: stressfreies Wachstum, dann volle Ausreife. Aroma und Qualität drehen sich ausschliesslich um eine gute Reife. Gute gereifte Pawpaws aller Sorten sind aromastark, nicht bitter, gelb, weich, duften das Zimmer voll, haben keine Fremdaromen, etwa die Komponente "vergammelte Banane" bei halbreif geernteten, dann gelagerten Früchten. Pawpaws sind da wirklich tückisch, denn wie schon in einem früheren Beitrag erwähnt bringen auch notreife Früchte gelbe und weiche Früchte, behalten aber Bittertöne und unangenehme Aromen. Sie tarnen und täuschen, um dann zu enttäuschen. Das schreibt der Unkundige der ganzen Obstart zu und schätzt Pawpaws anschliessend insgesamt ungerecht schlecht ein. Die war doch reif! War sie nicht.

Reifekurven, wenn alles gutgeht in einem guten Jahr - mein subjektiver Eindruck

Sorten

Pawpaw-Sämlingsbaum im Herbstkleid

Neben mehreren Prima 1216, einem Sämling, einer Shenandoah, einer Prolific habe ich noch eine Overleese. Eine Allgheny werde ich noch kaufen, die Prolific entfernen, sie reift zu spät und setzt zu schlecht an, die Blüten werden nicht gut von der danebenstehenden Prima befruchtet. Nicht alle Sorten befruchten sich offenbar gleich gut. Die Unterschiede zwischen den Sorten sind überhaupt erstaunlich gross. Der Sämling wächst um einiges stärker und schöner wie alle Namenssorten. Seine Blätter sind viel kleiner und gesünder, besonders Prima 1216 bekommt im Herbst noch lange vor dem Blattfall Blattschäden, nekrotische Stellen. Der Sämling setzte um Jahre später Blüten an, die viel kleiner waren wie die der Sorten. Früchte hat er noch gar keine angesetzt. Ich lasse ihn stehen, er ist hübsch und kann als Befruchter fungieren. 

Verarbeitung

Pawpaw-Sorbet

Die Erntemassen animierten zum Ausprobieren weiterer Verwendungen. Zuerst sollte es Eis sein. Das war schwieriger wie gedacht. Das Rühren in der Eismaschine klappte nicht so gut wie bei anderen Sorten, eine Schicht am Rand fror im Gegensatz zu anderen Eissorten fest. Ein Sorbet mit Eiweiss und Zucker gelang dann gut. Das Eis hatte nettes Pawpaw-Aroma, die Konsistenz blieb etwas seltsam. Dick auf der Zunge, etwas zäh, nicht richtig schleimig, aber klebrig wirkend. 

Etwas Mus habe ich eingefroren, dazu die Früchte zerquetscht und durchpassiert. Die grossen Kerne sollte man vorher ganz herausnehmen, sonst blockiert die Passiermühle.

Was tun mit dem Segen?

Mit dem Pürree ein Quarkdessert zu aromatisieren schwächte das Aroma und auch da war die Konsistenz etwas seltsam, es wirkt zäh und liegt etwas klebrig im Mund. Die Frage stellt sich, ob es Gerichte gibt, in denen man sich diese spezielle Konsistenz zunutze machen kann, wo das erwünscht ist. 

Sehr gut war eine Pawpawmilch, zubereitet wie eine Bananenmilch. Fruchtfleisch mit Milch und Purierstab mixen. 

Sollten die Bäume so weitertragen, wird mir jedenfalls das Rohmaterial für Versuche nicht ausgehen. Festzustellen war auch, dass man schnell an die Mengengrenzen kommt. Die Früchte halten sich ja nicht. Viele habe ich dann verschenkt. Bevor man also mit Sortensammlungen anfängt, sollte man genug Leute kennen, die Pawpaws wollen oder sich Verkaufskanäle schaffen.

Obstteller mit selbstangebauten Früchten im Oktober, links Pawpaw





Eine Woche später: Überreif, wie Bananen.

Sonntag, 5. November 2023

Noch mehr Neues von der Yakon, Polymnia sonchifolia

Yakonblüte, schön, aber kommt spät im Jahr

Yacón, das hört sich an wie ein mexikanischer Drogenhändlerboss. "Yacón will wissen, was du für 100 Kilo Stoff zahlst." Vor ein paar Jahren habe ich sie erstmalig angebaut und dort https://gartenzone.blogspot.com/2018/12/yakon-polymnia-sonchifolia-wieder-was.html darüber berichtet. Sehr begeistert war ich nicht. Aber aufgegeben wird auch nicht, ich habe immer wieder gepflanzt, mehrere Sorten, mehrere Orte, viele neue Erfahrungen. Jetzt habe ich die diesjährige Ernte eingefahren und möchte noch einmal darüber berichten.

 

Ertrag und Pflanzplatz

Die Erträge waren in den Folgejahren lange mies, die Pflanze wuchs nicht oder die Knollen brachten nicht viel. In voller Sonne gab es Blattschäden und bei hohen Temperaturen stellte sie wie alle diese Hochlandpflanzen das Wachstum ein. In Norddeutschland oder Hochlagen mag das anders laufen, aber wir haben eine sehr sommerheisse Gegend. Im Dreiviertelschatten wuchs sie ein bisschen besser, setzte aber wenig an. Es war praktisch immer zu trocken für die Pflanze, vor allem auf meinem Boden. Yacón sind Säufer! So viel Wasser brachte ich gar nicht an die Pflanze, wie sie will. Die Erträge kamen dann auf 1 bis 1,5 kg pro Pflanze, was ich für mager halte. Blüten waren selten zu sehen, hoch wurde sie gar nicht erst.

Jungpflanze am idealen Platz. Richtung Süden die Teilverschattung

Erst mit der Zeit hatte ich den Dreh raus und erst dieses Jahr war alles so weit optimiert, dass sie ein Volltreffer wurde. Mein Nachbar hat mich nämlich auf meiner Südseite komplett zugebaut. Direkt auf der Grundstücksgrenze. Eine Garage, Wassertanks, hohe Pflanzen und dann eine riesige Balken-Foliendachkonstruktion. Ein breiter Streifen auf meiner gesamte Gartensüdseite ist dadurch verschattet. 

Aber die Yacónpflanzen explodierten dort förmlich, wie ich feststellte. Ich pflanzte hinter den Foliendächern. Die schatteten zu 50 % ab. Zum Pflanzzeitpunkt im Mai bis Anfang Juli stand zudem die Sonne so hoch, dass ohnehin noch viel Licht hinkam. Dann wanderte der Schattenwurf wegen Folien und hohen Tomaten. Aber meine Yacon-Pflanzen hatten auch Höhe gewonnen, die wuchsen so schnell wie der Sonnenhöchststand mit dem Jahresverlauf sank. Damit war der Boden und der untere Bereich im Schatten, oben war Luft und Sonne. Ideal, immer gleich teilverschattet, diesmal keine Hitzeschäden! Die grossen Pflanzen mit den grossen Blättern sorgten nebenbei auch dafür, dass kaum Unkraut kam.

August. Sie wächst kräftig.
September. Blüte. Oben immer Sonne trotz Herbstbeginn.

Durch den früh beschatteten Boden war auch Verdunstung und Verschlämmung gebremst. Nochmal ideal. Und schliesslich packte ich eine dicke Mulchauflage rund um die Pflanze. Auch das erwies sich als ideal. Es verbesserte die Wasserversorgung entscheidend: Das Giesswasser drang viel leichter in den Boden, die Verdunstung nach oben blockiert, bessere Nährstoffversorgung. Anders als behauptet habe ich durchaus den Eindruck, dass Yacónpflanzen ganz schön Nährstoffe ziehen, sie aber nur nutzen können, wenn auch alle anderen Punkte stimmen. Dann explodiert sie. Und so hatte ich im Oktober Pflanzen, die aus einem Stangenwald berstanden, der 2 m Durchmesser erreicht und 2 m Länge. Aber nicht 2m Höhe, denn die langen Triebe fielen etwas auseinander statt immer steil senkrecht zu wachsen. Sie blühten ab September, sogar Samen zeigten sich. Im Oktober wurden einige Blätter vom ersten Nachtfrost zerstört, Ende Oktober erntete ich die Wurzeln und bekam pro Pflanze 4,5 kg verwertbare Wurzeln. Das war dann doch eine ganz andere Nummer wie die Jahre vorher.

Direkt nach der Ernte

Probleme durch Schnecken trotz starkem Schneckenbesatz von Arion Hortensis hatte sie nach wie vor nicht, keine Krankheiten, keine Schädlinge. Das ist eine echte Stärke dieser Art.

Und schliesslich die Sorte: Am meisten brachte die Sorte "Morado", die es auch häufig zu kaufen gibt. Die Knollen sehen auch gut aus, bei der Ernte rot, später dann dunkler. An den Pflanzen waren keine Unterschiede zu anderen Sorten zu sehen, das kann aber durch andere Faktoren überlagert sein. Morado soll überdurchschnittlich gross werden. Wird sie. Die oberirdische Biomasseproduktion zusätzlich zu den Knollen ist nicht schlecht, so wie bei vielen Helianthae und Smallanthus. Einige aus diesen Gattungen (zum Beispiel Silphium perfoliatum) sind sogar als Energiepflanzen nutzbar, die Biogasausbeute ist mit Mais vergleichbar.

Gewaschen, netto 4,5kg
Einzelknollen bis zu 739g
Auch die Stängel sind Brummer. Unten am Stock sinds sogar bis 4cm Durchmesser


Das Aroma

In der Sonne süss werden lassen

Direkt nach der Ernte sind sie praktisch ungeniessbar, das stimmt weiterhin auch bei dieser Sorte. Man sollte die Wurzelknollen möglichst unverletzt lassen, abspülen und für einige Tage auf einen Gartentisch in der Sonne legen, jedenfalls bei Frostfreiheit. Das ergibt dann nach spätestens einer Woche mildes, saftiges, süsses Fruchtfleisch, das viel mehr von Obst hat wie von Wurzelgemüse. Im Hintergrund steht noch etwas Erdaroma, etwa Richtung Topinambur. Sie isst sich roh ganz angenehm, schälen sollte man sie aber. Sie bräunt etwas an der Luft. Mittlerweile kommen auch immer mehr Verwendungs- und Rezepttipps im deutschen Sprachraum an. Sie bleibt beim Kochen fest. Und da nun endlich gute Rohware da ist, kann ich da loslegen. Kaufen kann man sie nach wie vor nur im Ausnahmefall. Markt, Bioladen, selten, frech, teuer. Kilopreise um die 10 EUR sind die Regel.

Die Vermehrung

Rhizome, Wurzeln, Speicherknollen, Stengel

Das bleibt ein Problem. Die Jungpflanzen sind sauteuer. Selber vermehren ist also wichtig. Die dicken Knollen sind reine Speicherorgane und dienen nicht der Vermehrung. Dafür sind die Rhizome da, das sind die unterirdischen Sprossachsen, der Wurzelstock. Rhizome sind nicht die Wurzeln selbst. Eine Wurzel besitzt weder Nodien (Sprossknoten) noch Internodien (Verdickungen). Von dem Rhizom gehen nach unten die eigentlichen Wurzeln und Knollen, nach oben die Triebe der Blätter aus. Die Rhizome der Yacon sind kleine, manchmal (ja nach Sorte) rote Verdickungen direkt unter der Erde. Man lagert den ganzen Block und teilt dann im Frühjahr die Rhizome ab, setzt sie einzeln in einen 8 cm Topf mit Erde, zieht die Pflanzen vor. Aus einem gut entwickelten Stock kann man bis zu 20 Rhizome gewinnen.

Den Stock sollte man trocken in Sand bei 1-4° über den Winter lagern. Das ist im Nutzgarten natürlich schwierig. Der Keller ist wärmer, Gartenhäuser nicht frostfrei. Ideal wäre eigentlich ein kühl eingestellter Kühlschrank. Wer aber einen weiteren Kühlschrank deswegen benötigt, kann gleich die Jungpflanzen kaufen, das ist billiger wie die entstehenden Stromkosten.

Meine Überwinterungsversuche fanden bisher in der Garage statt, in einem Eimer mit Sand. Und der richtige Erfolg war es noch nicht, bisher nur Teilerfolge - ich muss die Rhizome recht früh wider in einen Topf setzen, sonst halten sie nicht bis ins Frühjahr. Hat man einen geeigneten Boden, wäre noch eine Überwinterung in der Erdmiete einen Versuch wert. Maus- und feuchtigkeitsgeschützt natürlich. Da gibt es noch etwas zu entdecken.

Halbierte Yacon Blütenstände mit Samen

Da Yacon auch Blüten bilden, könnte man auf die Idee kommen, sie aus Samen zu vermehren. Das wäre dann eine generative statt vegetative Vermehrung und das Ergebnis könnte von der ursprünglichen Sorte abweichen.

Problem ist dabei, dass die Blüten erst spät im Jahr erscheinen, ähnlich wie bei Topinambur und dann die Samen nicht mehr voll ausreifen. Trotzdem habe ich einzelne braue Samen in meinen Blüten gefunden, die aber nicht reif genug waren. Mit etwas Nachreife im Haus, Blütenstängel in Vase und später dann die Blüten trocknen lassen, könnte vielleicht etwas keimfähiges herauskommen.

Donnerstag, 26. Oktober 2023

Fehlschläge, frisch geliefert

Der Sommer war wieder Garten und mehr - draussen, nicht am Bildschirm mit schweissigen Fingern. Nach der Blog-Sommerpause nun mitten im Herbst der erste neue Beitrag, dessen Thema schon fast Tradition hat: Was lief besonders krass schief dieses Jahr? Man verkündet ja immer gerne kleine und grosse Erfolge im Garten. Verschweigen wir aber auch ganz freimütig die Fehlschläge dieses Jahres nicht, zumal man viel daraus lernen kann.

Pak Choi, geschossen in Frühlingshitze


Knollenziest, Crosne, Stachys affinis

Viel unscheinbares Grün, wenig dahinter...

So lecker die Knöllchen dieses Lippenblütlers sind und obwohl er sogar als invasive Art geführt wird: Es war fast schon zu erwarten, dass es nichts wird. Wurzelgemüse hat es meistens schwer hier. Auch der Knollenziest, der lieber sandigen Boden will und viel Wasser, dazu Temperaturen um 23°C. Hoffnungsvoll gepflanzt, wuchs er mässig, von den 50cm Höhe keine Spur, es blieb bei 20cm. Jetzt ausgegraben und nachgesehen, was unten dran ist. Und die Knollen sind: Lächerlich. Eigentlich nicht vorhanden. Die Grösste hatte 3mm Durchmesser. Das wird nichts mehr. Kompletter Fehlschlag.

Wo sind die Knollen am Knollenziest?!

 

Pak Choi und die Gartenschnecke

Abgefressener Pak Choi, nicht gefressenes Schneckenkorn

Pak Choi ist eine Art glatter Chinakohl, kleiner, hat ähnliche Bedürfnisse wie dieser, ist eine tolle Zutat für schnelles Bratgemüse. Er wächst nur im Herbst, die Frühlingspflanzungen sind mir noch nie gelungen, auch dieses Jahr nicht. Jedes einzelne Pflänzchen ist wieder einmal geschossen und bildete sehr bald einen dünnen Blütenstengel mit Blüten aus, anstatt Blattwachstum zu zeigen. Tagsüber Hitze, kalte Nächte, das klappt nicht, auch Chinakohl geht im Frühling nur in einem anderen, weniger extremen Klima.

Kohlerdflöhe am Pak Choi

Zweiter Versuch im Frühherbst, nachdem die Kohlerdflöhe endlich verschwunden sind, die alle jungen Kohlgemüse ziemlich schnell fertigmachen. Diesmal ist es die Sorte Tatsoi, die kleinbleibende Minipflanzen ausbilden soll. Mühsam in einer Pflanzplatte vorgezogen, dann ausgepflanzt. 80% wurden in den kommenden Tagen von Gartenschnecken gefressen, Arion Hortensis. Diese Art sind schwarze, kleine Schnecken, die ganzjährig ihr Unwesen treiben und sowohl im Blog als auch im Garten häufig anzutreffen sind. Dieses Jahr war es eine absolute Katastrophe. Zwei feuchte Wochen Ende Juli reichten dafür aus. Das reichte, um eine Massenvermehrung zu ermöglichen. Man sieht sie nicht, auch nachts nur selten, sie sitzen im Boden, bevorzugt an Wurzeln, kommen hoch wenn es feucht genug ist, kriechen nicht weit umher, sondern fressen die nächstliegende Pflanzen ab. In meiner Not streute ich dann Schneckenkorn. Ergebnis waren sehr viele Schleimspuren und tote Minischnecken, aber der Frass ging weiter. Weiteres Schneckenkorn bewirkte dann nichts mehr. Alle meine Herbstpflanzungen waren schwer unter Druck.

Arion Hortensis, Gartenschnecke. Klein und tödlich.

Und die überlebenden estlichen 20% der Pak Choi Pflanzen: Begannen sofort zu schiessen. Nette gelbe Blüten, wie im Frühling. Denn der Herbst hatte endlose Hitzetage, die Pflanze will aber gemässigte Temperaturen.


Samenkauf als Glückssache: Chinakohl Scarlette

Auch der Herbst-Chinakohl stand unter keinem glücklichen Stern. Ich wollte wieder die violette Mutation pflanzen, davon gibt es einige Sorten, zum Beispiel Scarlette oder Scarvita. Den hatte ich schon einmal, speziell für Salate ist sein Aroma und seine Optik sehr schön. Chinakohl ist ebenfalls eine empfindliche Kultur, diesmal habe ich ihn unter ein Gemüseschutznetz gepflanzt, um die vielfältigen tierischen Schädlinge zu vermeiden, Kohlfliege, Raupen, Kohldrehherzmücke, Erdflöhe. Allerdings kann man damit Pilzerkrankungen verstärken, denn es bleibt länger feucht unterm feinmaschigen Netz. Schnecken, Unkraut sind auch nicht leicht zu bekämpfen.

Jedenfalls wuchsen die Pflänzchen nach etwas trockenbedingter Bremse und wurden grösser - leider aber rein grün. Keine Spur von violett. Auch später nicht. Die Chinakohl-Köpfe wurden mittelgross bis klein. Das Aroma war nicht sehr lecker, etwas grob-kohlig. Viel Mühe, Ziel verfehlt, diesmal nicht wegen Anbaufehlern, sondern Samenhändlerfehlern.

Bei Sichtung des Samentütchens fiel mir dann ein, dass ich bei derselben Firma vor zwei Jahren schon einmal kräftig reingefallen bin: Lügende Rüben: Teltower Rübchen gefälscht.

Also Samentüte fotografiert mit Chargennummer drauf, Pflanzen fotografiert, an Dürr geschickt, geschrieben dass die Pflanzen der vermeintlichen Sorte Scarlette nicht violett wurden. Auch Wochen später keine Antwort, Firma Dürr schweigt. Ich denke, das ist das Ende meiner Käuferbeziehung zu Dürr. Fehler passieren, aber dort eindeutig zu oft.


Abschied von Äpfeln

Gut gepflegt und doch abgestorben: Roter Bellefleur

Steinobst gibt es schon seit einschliesslich 2017 nicht mehr, das neue Wetter sorgt mit bisher undenkbaren Warmphasen mitten im Winter für sehr frühen Austrieb, der dann von Nachtfrösten regelmässig zerstört wird. Neue Krankheiten, virulentere Krankheiten, immer mehr importierte Katastrophen, extreme Trockenheit mit Hitze sorgen dafür, dass der privat Nutzgärtner in der ganzen Gegend nur noch wenig bis nichts erntet.

Das Kernobst leidet auch. Trockenheit, Sonnenbrand, Krankheiten wie Rindenbrand, die so schlimme Katasatrophen verursachen, dass die Mehrheit der bekannten Sorten gar nicht mehr anbaufähig sind. Dieses Jahr war nicht einmal besonders schlimm, aber Schäden der letzten Jahre wüteten weiter in den gestressten Bäumen. Und dieses Jahr starben Bäume auch komplett ab. Ein wunderschöner roter Bellefleur etwa, sechs Jahre alt, gut gepflegt und im Ertragsbeginn. Schlagartig tot. Auch andere Äpfel, zwei ältere Säulenapfelbäume etwa - abgestorben. Auf der Wiese steht kaum noch ein Baum im Ertragsalter, die älteren Bäume sind fast alle so schwer geschädigt dass sie entfernt werden mussten und von den Neupflanzungen zeigen sich nur manche Sorten dem neuen Wetter gewachsen. Bisher.

Die Wiese kostet viel Zeit und Mühe. Früher haben wir regelmässig zwei Tonnen und mehr Äpfel bekommen plus massenhaft Steinobst, heute bin ich froh, wenn es noch zwei Kisten Äpfel werden, Steinost gibt es gar nicht mehr. Der Hobbyobstbau ist noch mühevoller und traurig gewordem und dies nicht nur in Einzeljahren so, sondern jedes einzelne Jahr der gesamten letzten sieben Jahre war sehr schlecht.

Gewisse Mitmenschen aus dem benachbarten Möckmühl-Züttlingen sind da schon weiter: Nach den Steinen letztes Jahr hat man mir diesmal am Sonntag Mittag, den 8.10.2023 Gartenabfall, irgendwelche Blumentopfrest angefahren und auf die Wiese gekippt. Obstwiesen als kostenlose Auffüllplätze, immerhin dafür scheinen sie für einige Zeitgenossen nützlich zu sein.

Sonntag vormittag mir auf die Obstwiese geworfen

 

Gute Geister nötig, Unsere Kürbisgeister im Herbst

Freitag, 14. April 2023

Tafeltrauben - Planung von Neupflanzungen und Verkäuferprosa

Öffentliche Sortenverkostung Tafeltrauben

Im April war früher die Pflanzzeit für Reben im Weinbau. Nach dem Ende der deutlicheren Nachtfröste hat man sie gesetzt. Heute ist das nicht mehr so wichtig, Herbstpflanzung ist sogar vorzuziehen, denn beim heutigen Winterwetter mit seinen langen Warmphasen wachsen die Wurzeln bereits im Winter und es wird selten so kalt, dass der Jungpflanze Frostschäden drohen.

Auch dieses Jahr haben ich neue Sorten gepflanzt und ein paar Sorten gerodet. Hinausgeflogen sind unter anderem die sehr gut schmeckende aber stark für Stiellähme und Mehltau anfällige Suffolk Red, die auch permanent gigantisches Wachstum zeigte und damit sehr viel Arbeit für wenig Kiloertrag machte. Auch "Straschinski" ist Vergangenheit, sie wuchs an einem Premiumplatz aber blieb geschmacklich deutlich hinter anderen Sorten zurück, generell hat sie einen sehr einfachen Stil. Die untere Hälfte der Trauben bleib trotz kräftiger Ertragsreduzierung weich, klein, sauer, oben waren dafür dicke Schaubeeren. Auch zwei russische Sorten mit unterirdischer Geschmacksqualität sind gerodet.  All diese Sorten hatten zudem ein kurzes Erntefenster, nur zwei Wochen auf dem Höhepunkt, dann zerfallen sie.

Neu gepflanzt sind "Ontario" und "Einset seedless". Das mag verwundern und wie ein Rückschritt aussehen, sind das doch relativ alte Sorten, die nicht mehr so populär sind. Um das zu erklären muss man etwas ausholen. Die meisten Tafeltraubenzüchtungen, die an Privatleute verkauft werden kamen die letzten Jahre aus der Ukraine, Russland, in zweiter Linie aus Moldavien und anderen Ländern Osteuropas. Auch die Mehrheit meiner Sorten kommt daher. Diese Züchtungen bevorzugen meist (es gibt Ausnahmen) einen bestimmten Stil. Kernpunkte davon sind:

  • grosse Beerengrössen und Optik ist wichtigster Faktor, erwünscht sind auch grosse Trauben. Viele Kunden für die Reben sind kleine Nebenerwerbsanbauer, die ihre Ernte auf dem Markt verkaufen. Deshalb gab es auch lange nur wenig kernlose Sorten, weil kernlose Sorten kleinbeeriger sind.
  • die Aromen und ihre Bandbreite spielen eine geringere Rolle - möglichst süss müssen sie sein, das reicht. Ein paar werden unter "Muskat" abgehandelt. Bereits die Geschmacksbeschreibungen sind wenig differenziert.
  • lange spielte Krankheitsfestigkeit keine so wichtig Rolle, denn in dem kontinentalen Klima und angesichts der sehr leichten Verfügbarkeit von allerlei Pflanzenschutzmitteln (die dort Jeder kaufen und ohne Hemmungen anwenden darf, ganz im Gegensatz zu Deutschland) war das nicht oberste Priorität.
  • die genetische Bandbreite ist gering. Es sind immer wieder dieselben Eltern in den Stammbäumen. Es gibt zum Beispiel endlos viele Abkömmlinge von "Wostorg" und "Talisman".
  • eine grosse Sortenschwemme existiert, jeder versucht etwas vorzustellen und sofort zu verkaufen. Das reift dann beim Kunden, die meisten Sorten verschwinden schliesslich wieder, weil sich später herausstellt, dass trotz Verkäufersäuselns doch irgendwelche Punkte problematische k.o. Faktoren sind. Diese Inflation ist sehr ärgerlich für Leute mit wenig Platz wie es im engen Deutschland üblich ist, man kann hier nicht einfach zwanzig Sorten setzen, abwarten was rauskommt und dann halt achtzehn wieder roden. Hier hat man von vornherein häufiger nur Platz für zwei Reben und wenn die nichts sind, hat man jahrelang gar nichts was man will.
  • positive Eigenschaften sind: Es gibt auch viele sehr frühe Sorten und einige, die sehr frostfest sind, also für Grenzlagen geeignet. Hohe Frosthärte schaffen auch nordamerikanische Züchtung, übertreffen es sogar, aber die sind in Europa gar nicht zu haben und sie sind auch geschmacklich nicht der Hit. Beispiele dafür sind Valiant, die -40°C aushält oder Swenson, Edelweiss, Minnesota 78, Bluebell, Beta, Baltica, Atcan, St. Croix, Zilga.
Viel Arbeit nötig, Schnitt und Ausdünnen

Ältere Sorten haben bereits unter vielen unterschiedlichen Umständen ihre Qualitäten gezeigt. Man kann sich auch leichter in Natura ansehen, was sie bringen und sie probieren. Von "Ontario" und "Einset" weiss ich aufgrund von älteren Pflanzungen in der Nachbarschaft bereits, dass sie trotz unseres schwierigen Wetters ein unglaublich langes Erntefenster haben, weil die Beeren erstklassig haltbar sind ohne zu verderben, dass sich Einset gut für Rosinen eignet und der anfangs vielleicht zu kräftige Erdbeergeschmack mit der Zeit eben wird und dass sie sehr krankheitsfest sind. Mich störte nämlich an meinen jetzigen später reifenden Sorten, dass es spätestens Mitte Oktober immer schon vorbei war mit Tafeltrauben. Sorten, die sich lange gesund am Stock halten sind selten. Im November noch Trauben auf dem Tisch zu haben ist herrlich.

Speziell amerikanische Sorten spielen auch oft gekonnt mit den genetischen Anteilen der in Nordamerika heimischen Wildreben, die Aromenvielfalt und Varianz ist gross, die erdbeerartigen Töne häufig. Beispiele dafür sind die auch in Europa sehr populären Sorten "Venus", "Jupiter", "New York Muskat". Sie sind oft (aber nicht immer!) unkompliziert bei hoher Ertragssicherheit, bringen aber nicht die Riesenbeeren an Riesentrauben (die man dann doch wieder ausdünnen muss) wie es viele russische Sorten tun.


Wo kaufen?

 

All die schönen Sorten, die man gerne hätte - woher bekommt man sie?

  • Gartenmarkt. Dort eher nicht. Dort sind viel häufiger einfache Reben unter Phantasienamen zu haben, die Auswahl ist generell sehr klein. Ein paar grössere Märkte haben manchmal ein leicht besseres Angebot, aber meistens sind es die üblichen Standardsorten, die angeboten werden: Muskat Blau, Lakemont, Vanessa, Venus, oft auch Züchtungen von Wolf Reben, von denen ich nicht viel halte. Preise manchmal gut, aber nie billig.
  • Rebschule Schmidt, https://www.rebschule-schmidt.de. Ein nur auf Tafeltrauben spezialisierter Betrieb mit einer relativ grossen, guten Auswahl, breites Sortenspektrum und gut aufgebauten Internetseiten, ideal für Anfängerkäufer. Einige Sorten sind recht teuer geworden. Die neuesten Sachen bekommet man nicht, aber die Pflanzware hat gute Qualität, wird sauber verpackt verschickt. Hier kaufe ich auch manchmal. Einmal stimmte allerdings die Sorte nicht und einmal bekam ich Monate nach einer sofort bezahlten Rechnung eine Mahnung. Der Betrieb ist sicher gut, die Buchhaltung und Ordnung dahinter hat noch Luft nach oben. Preise leicht über Gartenmarkt. Andere Versender in Deutschland: "Heidis Tafeltrauben", https://www.heidis-tafeltrauben.de, "Pillnitzer Tafelreben" https://pillnitzer-tafelreben.de
  • eBay. Die Anbieter dort betreiben manchmal Wucher, manchmal sind sie absoluter Preiskönig. Dann aber meist mit weniger guten Ursachen. Weil der eigentlich vorgeschriebene Pflanzenpass fehlt zum Beispiel oder weil es eigentlich illegale Direktträgerware (also bewurzelte Stecklinge) ist. Wer Bescheid weiss, die Angebote verfolgt, nicht an einen Betrüger gerät, der bekommt konkurrenzlos günstige und oft sehr neue Sorten. Für den etwas abenteuerlustigeren Kunden. Ich hatte schon Glück und Pech damit, auf jeden Fall muss man wissen was man will und viel Zeit in die Suche stecken, auch wegen der unterschiedlichen Schreibweisen der Sorten.
  • Direktversender aus Osteuropa. Häufig aus Polen, Slowakei oder Slowenien. Dank Internet und Übersetzungssoftware heute ein normaler Einkauf. Dort sind dann auch die ganz grossen Vermehrer mit dem ganz grossen Sortenspektrum und vielen ganz neuen Sorten zu finden. Die Preise sind zum Zeit noch (2023) sehr niedrig. Beispiele: http://www.winorosl.pl (nach der Liste suchen, bieten Edelreiser und bewurzelte Reiser an) oder https://www.shop.zahradnictvolimbach.sk (oft aber leergekauft), es gibt noch mehr.

 

Die Verkäuferprosa

 

Grosse Beeren, kleines Aroma

Ein eigenes Kapitel sind die Sortenbeschreibungen. Klar, dass alles immer super klingt, es soll ja gekauft werden. Osteuropa-Seiten haben oft ein Zahlensystem für die Krankheitsfestigkeit und andere Parameter. Das ist in Deutschland dann nicht immer nachvollziehbar, die Situation, der Kontext ist eben anders. Man sollte sich also nicht zu sehr auf die scheinbare Solidität von Zahlen und Noten verlassen.

Geschmacksbeschreibungen sind schwierig, Verkäufer verzichten darauf meistens und verwenden nur wenige formelhafte Ausdrücke. Die muss man lesen wie ein Arbeitszeugnis, das auch immer gut klingt, aber eine zweite Ebene enthält, die eigentliche Information. Einige Beispiele habe ich gesammelt und liste das mal auf, hier das kleine 


Lexikon der Verkäufersprache

 

Angenehmes Aroma: Überhaupt kein Aroma.
Feines Muskataroma: Muskataroma nur zu erahnen, aber nicht zu schmecken.
Erdbeerton: Der Geschmack nach nassem Fuchsfell bei Einkreuzung amerikanischer Rebarten, der sogenannte "Foxton".
Angenehmer Erdbeerton: Alle möglichen untypischen Aromen zwischen angenehm und penetrant.
Sehr schmackhaft: Keine differenzierten Aromen, sondern nur süsssauer.
Sehr saftig: Hat kein oder schlabberiges Fruchtfleisch, mehr Kelter- als Esstraube.
Angenehm knackig: Unangenehm dicke Beerenschale.
Geschmack fruchtig–süß: Leer, etwas Zucker, etwas Säure, nichts mehr.
Feinfruchtig: Oft nicht besonders süss.
Fleischige Beeren: Inclusive Sorten mit gallertartig-schleimigem Fruchtfleisch.
Hoher Ertrag: Muss zwingend mit viel Arbeit ausgedünnt werden, sonst mangelnde Ausreife, schlechte Qualität und sterbende Fruchtruten im Winter durch die sommerliche Überlastung und dadurch bedingte unzureichende Holzreife.
Gute Krankheitsfestigkeit: Behandlung gegen die typischen Mehltau-Pilzkrankheiten nötig, ansonsten immer Ernte-Totalausfall.
Sehr gute Krankheitsfestigkeit: Behandlung gegen die typischen Mehltau-Pilzkrankheiten nötig, ansonsten meistens Ernteausfall.
Hervorragende Krankheitsfestigkeit: Behandlung gegen Pilzkrankheiten nicht immer nötig.
Mittelfrühe Reife: Reift oft nicht in Mitteleuropa aus.
Späte Reife: Reift in Mitteleuropa nur in allerbesten Lagen oder gar nicht aus.
Wunderschöne Trauben: Ein Blender ohne innere Qualitäten.
Liebt geschützten Standort: Nicht im Freien, nur unter Dachüberstand pflanzen, ansonsten bleibt sie sauer und krank.
Schöner, starker Wuchs: Gibt ein Monster, das stark geschnitten und geführt werden muss. Viel Holz- und Blattproduktion, wenig gute Frucht.
Sehr grosse Beeren: Platzempfindlich bei Niederschlägen.
Kernarm: "Nur" ein bis zwei Kerne pro Beere, aber im Mund trotzdem kernig, im Biss splitternd und bitter.

Alle Eigenschaften, die nicht genannt werden: Negativ. Fehlen zum Beispiel Angaben zu den Kernen, dann hat die Sorte besonders viele, grosse, unangenehme Kerne.

 

Pflanzung

 

Querschnitt Rebholz - 5cm Durchmesser in 5 Jahren

Das ist noch der einfachste Teil. Dabei kann man sich die Vorschläge der Verkäufer halten. Die Erde um die Rebe herum bewuchsfrei halten, beispielsweise mulchen. Giessen bei wenig Niederschlag, nicht zu oft aber gute Mengen. Der Wuchsbeginn kann sich extrem stark unterschieden, ich hatte schon "verschnupfte" Reben, die erst Mitte Juni ausgetrieben haben oder im ersten Jahr ein aus unerfindlichen Gründen sehr schwaches Wachstum. Das sieht dann aus wie ein scheinbar totes Edelreis. Dann wieder eine, die im ersten Jahr eine vier-Meter Ranke machte. Viel Wasser und wenig Stress (auch Hitzestress ist schlecht!) spielt dabei eine Rolle, das können aber nicht einzigen Faktoren gewesen sein.

Wenn Düngung, dann nur wenig und früh im Jahr, die Gefahr ist gross dass man damit nur die Holzreife verdirbt, weil sie durch den Düngerschub zu lange wächst, dann sterben Zweigpartien im folgenden Winter gleich wieder ab.

Wichtig noch: Gescheine, also Blüte sollte man die ersten beiden Jahre entfernen. Ist sie gut gewachsen, kann man im zweiten Jahr einen kleinen oder halbierten Blütenstand steehen lassen, um die Sortenechtheit zu verifizieren. Und dann, ab dem dritten Jahr beginnt die ersehnte Erntephase mit hoffentlich erwartungsgemässen Ergebnissen!