Dienstag, 28. Februar 2023

Schnapsige Quittenverwertung

Unser grösster Quittenbaum

Unsere Quitten tragen jedes Jahr besser, weil die Bäume mehrerer Sorten stetig wachsen. Sie gedeihen, und es ist wirklich die einzige Obstart hier, die trotz der brutalen Wetterveränderungen mit Hitze, durchgängiger Sommertrockenheit, Spätfrösten und ständigem Import neuer Krankheiten auf der Obstwiese überlebt, Zuwachs hat und verwertbare Ernten bringt. Quitten werden immer wichtiger. 

Auch 2022 war es die einzige Obstart, die eine gute Ernte brachte. Oft verschenken wir einen guten Teil davon, der Rest wird selber verwertet, als Saft, Gärmost, Quittenspeck, Desserts, Gelee, was man eben so macht und schon in früheren Beiträgen genannt und gezeigt wurde. Dieses Jahr wollte aber keiner Quitten. Das war die Chance, mal ein ganz anderes Ziel anzusteuern: ein eigener Quittenschnaps. Der gehört zwar zu den schwierig herzustellenden Schnäpsen und wir trinken Hochprozentiges ohnehin nur selten. Wenn, dann wenig und als Digestif nach einem ausgiebigen Sonntagsessen, aber mal einen Brand aus den eigenen Quitten machen bringt auch Spass und Erlebnis. Das Endprodukt ist haltbar, man kann es also erst einmal stehenlassen (wird dann sogar besser) und der Druck einer sofortigen Verwertung schwebt dadurch nicht über uns.

Wie fängt man sowas an, was benötigt man? 
  • Zunächst mal muss man die Mengen kalkulieren, prüfen, ob man überhaupt genug gute, reife Quitten zusammenbekommt. Gefordert sind 90 bis 140 Liter Maische, mindestens so viele einwandfreie Quitten sollte man also zusammenbekommen. Aus Gründen, die später noch detaillierter beschrieben werden, ist weniger Maische nicht zu empfehlen. Hat man mehr, sollten es Vielfache von 140 Liter sein - also 280 Liter oder 420 und so weiter.
  • HDPE-Fass 100 Liter für den Ansatz
    Benötigt werden dieselben Geräte wie für eine Saftherstellung, Obstmühle, Presse, zusätzlich ein Gär- und Transportgefäss, Reinzuchthefe. Beliebt dafür sind die bekannten blauen Chemikalienfässer ab 100 Liter Fassungsvermögen mit Deckel und Spannring. Oder eben passende Maischefässer aus dem Hausmosterei-Handel. Bekannte Firmen sind beispielsweise Speidel und Rink. Die Chemikalienfässer sind bereits sehr gut, sie sind sehr robust und bruchfest, bestehen aus HDPE (High-Density Polyethylen) und sind voll lebensmittelecht, transportfähig.
  • Das Fass benötigt einen Standplatz, wo die Maische in Ruhe gären kann. Dieser Standplatz sollte kühl aber nicht kalt sein, das schwere Fass muss man dorthin- und wieder wegbringen können, womit ein Keller über eine Treppe oft ein Problem sein wird. Eine robuste Sackkarre ist sehr von Vorteil. Gut geeignet sind Gartenhütten, leere Aussengaragen, Scheunen.
  • Man benötigt eine Abfindungsbrennerei in der Nähe und muss das schwere Fass hintransportieren können. In unserem Fall klappte das nur mit einem Anhänger, nicht im Kofferraum. Eine Brennerei ist kein Laden mit Öffnungszeiten, bevor man mit dem Fass ankommt, erst mit der Brennerei die Details vereinbaren.
  • Wirklich viel Geld benötigt man nicht. Zu zahlen ist der Brennlohn und die Alkoholsteuer.
  • Will man den Brand anschliessend noch lagern, ist dafür ein Glasballon gut geeignet. Für den Transport der Ergebnisse sind Kanister gut. Zum Abfüllen Glasflaschen nach Wunsch.

 

Maische aus Quitten herstellen

Mit der Obstmühle die Früchte zerkleinern

Am Wichtigsten für die Qualität des Brandes ist eine gute Maische. Die Quitten dafür pflückt man, wenn sie vollreif sind, wenn sie "quittengelb" beginnen, von selbst zu fallen. Danach werden sie möglichst sofort und komplett verarbeitet. Wer keine Presse und Obstmühle hat, kann sie auch in einer Lohnmosterei pressen lassen, bekommt dann aber nur Saft und keine Maische mit Fruchtfleisch. Nur den Saft vergären geht, aber mit dem Fruchtfleisch zu vergären, ergibt mehr und besseres Aroma.

Sorten mit hohem Zuckergehalt sind zu bevorzugen. Je mehr Zucker, desto mehr Ausbeute. Unsere Hauptsorte ist da leider nur mittelmässig und erreicht 50-60° OE (12,6 bis 14,7 Grad Brix). Ein billiges Refraktometer klärt den Zuckergehalt schnell. Die anderen Sorten erreichen teils deutlich mehr, 70° OE (17,1° Brix) sind keine Seltenheit, die Rekordwerte bei schwachem Behang und starkem Sommer liegen noch höher. In anderen Regionen mag das weniger oder mehr sein, aber generell lohnt es sich kaum, bei unter 50° OE einzumaischen und zu brennen. Ausbeute und Aromen sind dann zu gering.

Quitten waschen, Flaum abreiben!
Für die Maischeherstellung sollte man sie waschen und Flaum auf der Schalenoberfläche gut abreiben. Der enthält ein Öl, das dem Brand geschmacklich schadet. Bei dieser Gelegenheit sehr genau nach Faulstellen sehen, vor allem um den Nabel herum, zweifelhafte Früchte wegwerfen. Die Guten in die Obstmühle werfen, eimerweise das Fass mit der Maische füllen. Die Maische enthält auch Luftbläschen, für 90 Liter Maische muss der Füllstand also etwas höher liegen.

Quittenmaische verflüssigt sich während der Gärung nicht gut, zusätzlich sollte man bis etwa 20% Quittensaft zugeben, um den Saftanteil sachte zu erhöhen. Also nach der Obstmühle nicht alles ins Fass kippen, sondern auch eine gewisse Menge ganz normal abpressen. Früher hat man gerne etwas Wasser und Zucker zugegeben. Zuckerzugabe ist aber logischerweise wegen der Alkoholsteuer nicht erlaubt und das hätte ohnehin nur den Alkoholgehalt, nicht das Aroma erhöht, also sein lassen! Wir wollen beste Qualität, nicht beste Quantität.
Quittenmaische frisch gemust. Bazig, nicht fliessfähig

Die Maische in Gärung im Fass

Das Fass kommt an den Ort, an dem es ein paar Monate kühl stehen kann. Vorab vermehrte Reinzuchthefe (Sorte: Kaltgärhefe) rein, mit einer sauberen Stange rühren, Deckel darauf, Gärspund. Wir hatten ein blaues Chemikalienfass und einfach den Deckel mit Dichtung locker aufgesetzt, ohne den Spannring zu verriegeln. Dann eine Apfelkiste auf den Deckel gestellt, sodass durch die Gärung ein dauernder leichter CO₂-Überdruck im Fass herrschte und kein Sauerstoff eindringen kann. Anfangs muss man das Maischefass noch gelegentlich öffnen und mit einem Stock umrühren, sonst sammeln sich alle Feststoffe durch die Gärung oben und quellen eventuell aus dem Fass. Also auch genug Raum lassen, etwa ein 120 Liter Fall für 100 Liter Maische nehmen. Nach zwei bis höchstens drei Monaten ist die Maische normalerweise komplett vergoren, auch Fruchtstücke sind musig weich, lassen sich mit der Hand leicht zerdrücken. Mit einer Kelle holt man sich etwas aus dem Fass und prüft, ob das Ergebnis wirklich zuckerfrei und damit ganz durchgegoren ist. Bitte so wenig wie möglich öffnen, nicht "gucken", Luftzutritt ist schädlich.

In der Literatur wird gerne geraten, die Maische anzusäuern, um Fehlgärungen zu verhindern, dafür wird Schwefel-, Milch- oder Phosphorsäure genutzt. Darauf verzichten wir. Wichtiger ist es, gut vermehrte Reinzuchthefe für Gärung in kühlen Räumen zuzugeben. Vorher alles langsam auf gleiche Temperatur bringen, damit die Hefe keinen Kälteschock bekommt. Geht die Gärung schnell und kräftig los und taugt die Maische etwas, ist das ein guter Schutz gegen Fehler wie Essigstich.

Noch etwas Saft ohne Feststoffe dazu

 

Anmelden, Steuern bezahlen

Der Steuerbescheid

Man kann, aber sollte die Maische nicht lange lagern. Vor allem nicht in die warme Jahreszeit hinein. Die Hefe zersetzt sich und das gilbige Aroma eines Proteinabbaus kommt, Fruchtaromen werden schwächer. Also ab zum Brenner, der einem auch dabei hilft, den Brand anzumelden. Kein Schnaps ohne Gesetz, Bürokratie, Behörden, Steuern zahlen. So läuft das:

  1. Der Brenner meldet den Brand auf einem Formular beim Zoll an. 
  2. Dann dauert es mehre Tage bis Wochen. Irgendwann schickt der Zoll eine Rechnung an euch, die sogenannten "Stoffbesitzer". Ihr habt Steuern zu bezahlen - rund 10 EUR pro Liter unverdünntem Alkohol. Die entstehende Alkoholmenge wird vom Zoll nur geschätzt und richtet sich nach einer Tabelle, dem sogenannten Ausbeutesatz. Bei Quitten lag der 2022 bei 2,6. Dieser Wert entspricht der Alkoholmenge in Litern reinen Alkohols (lA), die bei mehligen Stoffen aus 100 kg und bei nichtmehligen Stoffen aus 1 hl der Stoffe gewonnen wird. Hier: Richtlinien und Tabelle. Wir zahlten für unsere 90 Liter Maische etwa 25 EUR Alkoholsteuer.
  3. Der Brenner erhält gleichzeitig vom Zoll die Genehmigung für den Brand und einen Brenntermin, an dem der die Maische brennen muss. Ohne amtliche Genehmigung geht nichts.

 

Der Brand

Die Brennerei. Sauber, aufgeräumt, funktional, gut.

Einige Brenner lassen einen zusehen, wie sie brennen. Der Vorgang erfordert viel Erfahrung und vor allem muss der Brenner seine Destille sehr gut kennen. Die typischen Kleinbrennerdestillen haben alle eine Brennblase mit einem Fassungsvermögen von 140 bis 150 Litern. So löst sich auch das Rätsel, wieso der Ansatz maximal diese Menge haben sollte. Man zahlt immer für den Brandvorgang, egal ob man 50 oder 140 Liter bringt. Im einen Fall ist die Brennblase dann halt voll, im anderen nur teilweise. Pro Liter ist der Brand also um so teurer, je mehr man unter den 140 Litern bleibt. Der Aufwand für den Brenner ist auch derselbe.

Beim Brand entsteht erst Vorlauf, dann Mittellauf, schliesslich Nachlauf und die leergebrannte Maische, auch Plempe genannt - sie wandert meist direkt ins Abwasser, wird also verplempert. Der Vorlauf enthält unter anderem Methanol, ist nicht geniessbar, ja sogar giftig. Er hat auch kein Aroma. Man kann ihn mitnehmen und als Desinfektionsmittel nutzen. Wir bekamen einen Liter Vorlauf. Der Mittellauf ist das gute Zeug. Wir haben ihn gleich vom Brenner mit etwas demineralisiertem Wasser auf Trinkstärke von 42% verdünnen lassen und ihn im mitgebrachten Kanister bekommen. Es waren sieben Liter. Der Nachlauf hat etwas Aroma, aber viele unangenehme Fuselöle. Den haben wir dem Brenner gelassen. Er sammelt den Nachlauf aller Brände der vergangenen Monate und brennt sie am Ende der Saison noch einmal, das gibt noch einige verwertbare Liter Obstler. Anschliessend wird der Brennlohn gezahlt - 45 EUR bei uns, etwas billiger wäre es gewesen, wenn wir das Holz zum Maische kochen in der holzbefeuerten Destille mitgebracht hätten. 

"Schwarz brennen", also selber, illegal ohne den Zoll, das kam für uns nie in Frage. Kleinere Brenngeräte aus dem Urlaub in Osteuropa kaufen und einschmuggeln geht zwar, aber wozu? Beste Qualität ist mit diesen einfachen Destillen nicht zu erreichen. Die Kenntnisse eines erfahrenen Brenners haben wir auch nicht. Teurer Krempel für etwas, das man einmal im Jahr nutzt für ein Produkt, das man wenig konsumiert plus Strafbarkeit, das wäre hirnrissig.

Natürlich bleibt auch so mit Steuern, Brennlohn, herumfahren, dem sonstigen Aufwand alles eine finanziell tief im Minus bleibende Liebhabersache. Man bekommt die Essenz der eigenen mühevoll angebauten Früchte, das ist es auf jeden Fall wert, aber wer glaubt, er kann die Kosten durch Weiterverkauf des Brands wieder hereinholen, wird das nicht schaffen. So ist das eben bei fast allen Hobbys, wer etwas verdienen will muss Händler für Zubehör werden oder Angestellter beim Zoll.

 

Abholen, mischen, lagern, trinken

Brennergebnis - unspektakulär

Schliesslich waren wir auf dem Heimweg, mit unserem leeren Fass und zwei Alkoholkanistern. Zu Hause kann man es natürlich nicht abwarten, das Ergebnis zu probieren. Wir schraubten den Kanister auf und wunderten uns sofort: Der Duft nach Quitten erfüllte das Zimmer. Das hatte ich nicht erwartet. Erwartet hatte ich etwas mehr Obstlerartiges, dass das leichtflüchtige Quittenaroma so stark sein würde, das überraschte. Dann im Glas und im Mund: Intensiv blumig quittig, aus dem Spektrum des Quittenfruchtaromas rollte eine überraschende Fruchtsüsse über die Zunge, die nicht durch Zucker, sondern Aromen entstand. Der Brand war einerseits weich, aber auch noch in der Mitte etwas unrund, was sich durch Lagerung einebnen wird. Dass aber das Kaleidoskop des Quittenspiels mit Lagerung auch so intensiv bleibt, kann ich mir nicht vorstellen. Sicher ist: Der Brenner verstand sein Handwerk meisterhaft und unsere Maische war hochwertig. Auf jeden Fall ein Erfolg für uns, dieser erste Versuch.

Abfüllung in 5l Ballon

Wir haben dann fünf Liter in einen Glasballon getrichtert, gut verschlossen und in den Keller gestellt. In ein paar Monaten füllen wir den Inhalt in Flaschen ab. Kommerzielle Hersteller lagern bis zu zwei Jahre im Edelstahltank vor der Abfüllung. Die restlichen zwei Liter kamen in schmale, schöne 100ml Fläschchen, Korken darauf, Schrumpffolie drüber, Etikett drauf. Dazu zwei Halbliter-Apothekerflaschen, ebenso verschlossen. Die kleinen Flaschen sind ideale Geschenke, grössere Flaschen sollten bei einem halben Liter bleiben. So schnell trinkt man den Sprit nicht und in halbleer getrunkenen Flaschen verliert der Brand an Aroma. Wer trinkt schon einen halben Liter Schnaps auf einmal? Wir jedenfalls nicht.

 

Quittenbrand - das Endergebnis

Getrunken wird bei Zimmertemperatur, nicht aus dem Keller. Beliebt ist Quittenbrand nach dem Essen, pur, laut Büchern besonders nach einem Wildgericht, das ich als Vegetarier eher nicht auf dem Tisch habe. Wenn er aber derartig aromakräftig bleibt, werden wir ihn aber auch als Zutat für Desserts verwenden. Wohl bekomms.

Samstag, 21. Januar 2023

Klimawandel und neue Obstarten

Feigen, reif. Madeleine de deux saisons.

Draussen ist gerade Winter, jedenfalls im Kalender. Zeit für einen etwas textlastigeren, längeren Beitrag.

Wir Nutzgärter erleben es unmittelbar: Die Wettermuster ändern sich grundlegend im Vergleich zu früheren Jahren. Wir erleben serienweise ganz neue Extreme, früher nie erlebte lange Hitze- und Trockenphasen, wochenlang zweistellige Temperaturen im Januar, dann wieder Starkniederschläge, vieles davon früher in diesem Ausmass undenkbar. Die Rekorde purzeln auf allen Ebenen. Aber nicht zum Guten: Gärtnern ist nicht einfacher, sondern deutlich schwieriger geworden.

Häufig hört man von Leuten, die die fortschreitenden Klimaveränderungen in Europa zwar anerkennen, aber nicht tragisch sehen, man könne sich ja anpassen. Viele sehen das neue Wetter als ein "es wird wärmer" Ding an, somit wird suggeriert, immer mehr Gegenden würden in die Anbauzone leckerer Mittelmeergenüsse rücken, die es früher nur südlich der Alpen gab. Man meint, wenn der Apfel wegen Hitze nicht mehr wächst, bauen wir halt irgendwann Bananen, Orangen, Avocados an.

Leute, die auch einen Garten haben, probieren das zur grossen Freude der Verkäufer auch gerne exzessiv aus. Der Kunde und Hobbygärtner hat ein Hoffnungsschema, eine Erwartungshaltung, der Verkäufer bedient das. Hinzu kommt der ewige Wunsch "was neues probieren". Es wird ja wärmer, also könnte es klappen, denkt man. Und fühlt sich als Pionier, der das ausprobiert. Eifrig wird gepflanzt, diskutiert, gehegt und gepflegt. Es gibt eine Reihe von Obstarten, die früher nördlich der Alpen knapp jenseits der Anbaugrenze lagen, die gerade knapp nichts wurden, aber bei mehr Wärme jetzt vielleicht doch etwas werden? Mittlerweile wird stellenweise viel mehr über solche Arten diskutiert wie über den Anbau der Obstarten und -sorten, die erwiesen wachsen und Erträge bringen. Genug Versuche habe ich natürlich auch betrieben und möchte über einige der Erfahrungen berichten. In Wirklichkeit ist das auch kein Phänomen der Gegenwart, sondern ein ewiges Thema, in jeder Warmzeit der Vergangenheit haben die Leute immer wieder dasselbe versucht und glaubten meist, sie wären die Ersten, das das jetzt schaffen. Reste von Mittelmeerobstarten finden sich nördlich der Alpen immer wieder, in Abortgruben des Mittelalters etwa mit Nachweisen von Granatapfelkernen und Feigen. Man hat es immer schon ausprobiert. Gehen wir die typischen Arten durch:


Kaki, Persimone, Diospyros kaki

Kakiblüten an meinem Baum

Bekannt aus dem Supermarkt, meist als Früchte der Sorte "Rojo brillante" oder "Tipo" aus Spanien. Sie hält auch Frost aus, in etwa wie ein Feigenbaum zwischen -8 bis kurzfristig -14°C, wenn sie wirklich  in Winterruhe ist. Theoretisch reichen die Grenzen mittlerweile für ein paar mehr Regionen Mitteleuropas. An dieser Obstart zeigen sich sehr anschaulich alle Chancen und Probleme mit Subtropenobst in Mitteleuropa. Die Verkäufer haben sich schnell auf die Ausprobierwünsche der Kundschaft eingestellt, in jedem Gartenmarkt stehen auch getopfte Kakibäumchen, fertig zum Auspflanzen. Meistens sind das reine Diospyros kaki mit bekannten Sortennamen, manchmal auch Hybriden mit der kleinfrüchtigen und immer stark gerbstoffhaltigen amerikanischen Art, Diospyros virginiana. Es gibt noch die frostharte Diospyros lotus, die Lotuspflaume, die taugt aber geschmacklich nichts. Spezialistenverkäufer haben sich herausgebildet, die viele Sorten haben und versenden, die tolle frostharte und frühe japanische Sorte, die nicht adstringierende schönfarbige Sorte, die besonders robuste Hybride. In die Sorten- und Qualitätsdiskussion und die Versionen der Adringenz will ich aber nur am Rande einsteigen. Ich hatte schon mehrere Sorten verschiedener Typen.

Manche wuchsen super, blühten sogar und hatten Fruchtansatz. Und starben irgendwann alle bis auf eine. Die Ursache war: Spätfrost brachte sie um, hinzu kamen noch einige ungünstig wirkenden weiteren Faktoren. Das neue Klima ist zwar im Schnitt wärmer, aber eines wird fast immer ausgeblendet: Auch die Extreme ins Minus haben zugenommen oder bestehen einfach fort. Und so kommt es, dass wir beispielsweise im Januar heutzutage wochenlang zweistellige Plustemperaturen haben, aber die härtesten Frosttage im April erleben oder sogar Dezember. Im Winter 21/22 gab es nur an einem Tag Schnee - im April. Dafür Anfang Juni 22 noch Bodenfrost. Die winterliche Wärme hilft überhaupt nichts, sondern wirkt sogar tödlich, denn die Bäume ziehen Saft weil es warm ist, beenden die bei subtropischen Arten ohnehin schwache Winterruhe, treiben - und dann kommt viel später eine Nacht mit -8°C wie zum Beispiel am 20.4.2017 und es ist vorbei, weil die Bäume längst voll im Saft stehen. So passiert bei mir. Tückisch dabei ist, dass es auch jahrelang gut gehen kann und man so tun kann, als scheine die Sonne des Erfolgs, aber früher oder später kommt so ein Ereignis und damit der Tod. 

In Gartenforen häufen sich Beiträge von Leuten, die erfolgreich Kakis anbauen. Alles immer super. Das suggeriert, es könnte damit jetzt in ganz Deutschland klappen. Klappt auch, manchmal viele Jahre. Erfolg, stolz und laut verkündet! Aber plötzlich ist Ruhe, Stille. War war los? Spätfrost war los und die Bäume wie die Forenbeiträge werden "sehr schlank". Dieser Zyklus wiederholt sich - zu Freude der Verkäufer. Wenn es besser klappt, dann immer in sehr urbanen Zonen, Stadtgärten, vor Mauern. Die zugebaute zerstörte Landschaft, die Stadt war und ist weiterhin das Geheimnis und nicht das Gesamtklima. Stadtklima schwächt die Minusextreme ab und kennt viele Kleinstklimazonen mit schwächeren Tiefextremen. Aber bereits das gesamte Stadtgebiet von Grossstädten liegt meist zwei Winterhärtestufen über der Umgebung. Derselbe Effekt war schon immer an Feigen ausserhalb bester Gunstlagen zu sehen. Vor der Stadt sterben sie, in der Stadt wachsen sie, gerade so wie wenn es Dank "Klimawandel" keine Probleme mehr geben würde. In Wirklichkeit ist es die krebsartig ausgeweitete Verwandlung des Landes in eine urbane Zone voller Stein, beheizter Gebäude, Strassen, zubetonierter Flächen. Es ist der Siedlungs- und Zerstörungsdruck, der mehr besser geeignete Bereichsinseln erschafft. Ausserhalb davon ist der Traum schon wieder zu Ende. Die Klimakarten beweisen diese urbanen Wärmeinseln sehr gut, wenn man ehrlich genug ist, sie sich mal anzusehen statt nur an wärmeres Gesamtklima oder die eigene gärtnerische Genialität oder gar an pseudowissenschaftliche Theorien des Lyssenkoismus, irgendeiner "Abhärtung" zu glauben.

Noch ein Punkt: Kaki werden als gut trockenfest beschrieben. Das ist schlichtweg eine Lüge, immer abgeschrieben aber nicht gewusst. In ihrem Ursprungsgebiet in Asien haben sie 1200-1500mm Niederschlag, viel davon im Sommer. In Spanien wird massiv bewässert. Anders geht es gar nicht. Die Kaki-Plantagen bei Valencia bekommen den ganzen Sommer über Flusswasser vom Fluss Xúquer. Auch ich musste lernen, dass der deutsche Sommer jetzt in zwei von drei Jahren in unserer Region keine nennenswerten Niederschläge mehr hat und Pflanzen wie Kakis damit verhocken, vertrocknen, stehenbleiben, ausser man schafft kräftig Wasser herbei. Von wegen "Subtropenpflanze, trockentolerant", das ist eine weitere Fehlannahme.


Granatapfel, Punica granatum

Der Anbau des Granatapfels wurde in allen Warmzeiten der Vergangenheit bereits in Mitteleuropa versucht. Er hat in etwa dieselben Frostgrenzen wie Kakis, tendentiell etwas schlechter. Ständig wurde versucht, ihn zu pflanzen, dauerhaft gelang die Einbürgerung nie. Auswahlzüchtung und alle greifbaren Sorten schafften es 2000 Jahre lang nicht, ihn nördlich der Alpen zu etablieren. Für ihn gilt dasselbe Problem wie für Kakis mit schnell beendeter Winterruhe und Spätfrostproblematik. Er ist zwar etwas trockenfester, hat dafür mehr Probleme mit Kaltphasen im Frühjahr. Dann stirbt er oder die Blüten erscheinen erst sehr, sehr verzögert, weil der erste Blütenknospensatz erfriert. Ein Fruchtansatz wird so nicht mehr reif. Wer ihn pflanzt, erlebt dasselbe wie bei Kakis: Erfolg, Erfolg, Misserfolg, Erfolg, Spätfrosttod. Über die Erfolgsjahre spricht man viel und laut, zum Tod viel weniger, das ist eher peinlich, angenehmer ist das Bild, Granatapfelanbau würde heute gelingen und man selber wäre ein Pionier dabei, zumindest wäre man aber offen, experimentierfreudig, modern oder hätte eine supertolle Gartenlage.

Meine leben noch, sind aber auch schon in einem Winter mit schwachen Frost von -8°C kräftig zurückgefroren. Das tun sie mehr oder weniger alle, auch in milden Wintern. Eine ist die Sorte "Granatapfel Sorte 1" aus Bulgarien, eine kleiner bleibende Ostblockzüchtung die ohne Pflege lange Jahre überlebt hat und sehr frosthart sein soll. Die Andere "Hermione", auch sehr robust. Leider ganz eindeutig nicht bei mir. Lustig ist die wundersame Steigerung der Frosthärte - Granatäpfeln sagt man -10°C Härte nach, im bulgarischen Datenblatt wird die Sorte mit -11°C aufgeführt, deutsche Verkäufer machen -18°C daraus. Ebay-Verkäufer gehen auf -20°C rauf. Das sind schlichtweg Verkäuferlügen und auch die üblichen Märchen der Wundersorten aus Kasachstan, Usbekistan oder sonstwo bringen das nicht. Die ferne Herkunft aus angeblich kalter Gegend ist auch ein typisches Verkäuferrequisit bei all diesen Pflanzenarten und gehört dazu wie der Prinz zum Märchen.

Bekannte weitere Sorten, die mit überdurchschnittlicher Frosthärte in Verbindung gebacht werden sind Salavatski, Sotschi, Russian, Provence, Agat, Kazake. Manche sind nur für Saft tauglich. Wer es ernsthaft probieren will, sollte eine der kleinbleibenden Sorten nehmen und in einer Stadt direkt an eine Hauswand pflanzen. Niemals freistehend. Er soll sich freuen, wenn sie im Sommer wächst und nicht ärgern, wenn sie jeden oder jeden zweiten Winter wieder zurückfriert.


Loquat 

Nespoli, Nisperos, japanische Wollmispel, Eriobotrya japonica. Auch eine der Dauer-Wunschfrüchte für den eigenen Garten. Kleiner Baum oder Busch. Empfindlicher wie eine Kaki. Ihr eigentliches Problem sind aber die Blüten, sie blüht nämlich im Herbst, Früchte im Spätfrühling. Bereits ab mittleren Frösten im Winter erfrieren die kleinen Fruchtansätze. Die Pflanze überlebt also deutlich mehr Frost wie die Früchte. Die Jungfrüchte im Winter sterben unter -3°C. Der Baum schafft -10°C. Aber was bringt neues Obst, das nicht trägt? Am Bodensee und Rheinebene kannte ich Bäumchen, die aussehen als würde es klappen. Sie überlebten und wuchsen schön, endeten dann nach obigem Muster. Exitus nach einem ungünstigen Winter. Mein eigener Baum schaffte zwei Jahre. Grösser und selten mit Früchten schaffen sie es ausschliesslich an Küstennähe, einzelne Bäumchen sind auch aus städtischem Gebiet vor Mauern und am Rhein bekannt. Dort bestätigt sich das Mantra als universell gültig, dass es nur ganz spezielle Gunstlagen sind, in denen Hoffnung auf einige Jahre Wachstum besteht.

Wer es probieren will: Nicht aus einem Kern einer gekauften Frucht ziehen. Es gibt blassere tropfenförmigere japanische Sorten, kräftigere chinesische Sorten und am Mittelmeer populäre Sorten. Die japanischen Sorten sind oft leicht frostfester (aber nicht die bekannte "Tanaka", die auch bei gehandelten Früchten sehr verbreitet ist), aber das sind nicht die Sorten deren Früchte manchmal hier käuflich sind. Einige Hybriden sind vielleicht anbauwürdiger, etwa "Coppertone" oder "Rose Anne". Das sind Hybriden mit Glanzmispeln und zwar nicht frostfester, aber die blühen im Frühling statt im Herbst. Auch "Piera" schafft das, eine alte Mutante von "Algerie" die plötzlich lautstark von einem Händler vermarktet wird. Damit steigt die Chance auf Früchte, da sie im Sommer wachsen statt über den Winter. Ihre Sommerfrüchte sind jedoch leider schlecht, unter anderem der Zuckerhalt ist gering und die Fruchtgrösse ist lächerlich klein, sie haben weniger Fruchtfleisch wie eine Kirsche.


Morus Australis

Die koreanische Maulbeere, um auch etwas zu nennen das es öfter schafft. Bekannteste Sorte ist "Mojo Berry". Es gibt noch mehr Sorten, einige bleiben angenehm klein. Ähnelt anderen Maulbeeren, auch die Früchte, die aber kleiner sind und bei morus australis reif immer schwarze Farbe haben. Tatsächlich ist das eine Art, auch mittlerweile hier gelingt, wenn sie als Jungpflanze geschützt wird. Sie schafft nach zwei Jahren einwachsen -14°C, bleibt aber spätfrostempfindlich, mir ist schon öfter der Austrieb abgefroren. Hauptvorteil gegenüber anderen Maulbeeren ist, dass Morus Australis kein Riesenbaum wird wie es andere Morus werden, sondern ein Busch bleibt. Die Früchte erreichen zwar nicht das Niveau von morus nigra (der in Deutschland nicht wächst), aber sind besser als die meisten morus alba, stilistisch kaum zu unterscheiden. Sehr klein, nur 1cm-Früchte. Nicht viel Eigenaroma, aber saftig und süss.

Auch andere Maulbeerarten werden probiert. Leider ist nur die riesig werdende Morus Alba zuverlässig winterhart sowie Hybriden aus ihr mit Morus rubra ("Illinois Everbearing"). Die echte Morus Nigra mit den rauhen Blättern geht nicht und leider auch Morus macroura mit ihren grossen Früchten nicht. Morus kagayamae wird gross, wenn sie nicht zurückfriert, was sie leider immer wieder tut.


Winterharte Passionblumen

Blüte

Leider nicht wirklich winterhart. Passionsblumen sind eine sehr vielfältige Gattung, aber keine davon ist in in Mitteleuropa heimisch. Viele Arten werden der sehr schönen Blüten wegen im Topf angebaut. Etwas frostfester sind passiflora caerulea (Blaue Passionsblume) aus Südamerika; Passiflora lutea (Gelbe Passionsblume) und passiflora incarnata aus Nordamerika. Letztere hat vielleicht die interessanteren Früchte und ist auch eine alte Arzneipflanze. Eine Fruchtsorte ist "Eia popeia". Die Maracuja, passiflora edulis ist leider überhaupt nicht frosttolerant, sie hat die besten Früchte. Dann gibt es noch eine unübersehbare Anzahl von Versuchen mit Hybriden und weiteren Arten wie passiflora iridescence (Früchte taugen aber nichts). Alle Arten haben hierzulande Probleme mit der Ausreife, wenn sie denn Früchte ansetzen. Die Winterhärte beruht darauf, dass sie zwar oberirdisch abfrieren, aber wieder gut aus der Wurzel austreiben. Blüten erscheinen sowieso an neuen Trieben. Das bedeutet aber eben leider auch, dass sie erst spät blühen können und dann die Früchte selten noch reif werden. Eigentlich müssen sie von selbst abfallen, etwas Nachreife ist auch nötig.

Die Früchte haben alle wenig Inhalt, aber viele Kerne, dazu mehr oder weniger leckere glibberige Saftschläuche, verwertbar ist der Inhalt nur im Grammbereich.

Meine Freilandversuche waren nur kurz erfolgreich. Als Pflanze schön, als Fruchtsorte wenig Gewinn.

Reife Früchte - innen aber nicht viel drin


Feige

"Dottato" Früchte

Ficus carica, Mittelmeerfeigen gehören wirklich zu den wenigen Gewinnern, die es in einigen Zonen Mitteleuropas im Gegensatz zu anderen Mittelmeearten ab und zu schaffen. Ausserhalb der Städte bleibt das aber auf ein paar Regionen beschränkt. Eine Feige statt einem Apfelbaum auf der Obstwiese ist nicht drin. Und noch etwas bleibt schlecht: Die Ertragshoffnungen. Das bei den anderen Arten ständig wiederholte Mantra gilt auch für Feigen. Winterfrost ist seltener Todesgrund, aber lange Wärmewochen im Winter, Austrieb und dann doch noch Spätfröste machen die Schäden, also genau der Wetterstil der uns neuerdings quält. Friert Holz an älteren Pflanzen ab, wächst es leicht nach, sie regeneriert gut.

Über Feigen wird vermutlich am meisten geschrieben, deshalb möchte ich mich kurzfassen und nur ein paar eigene Sortenerfahrungen fürs Freiland geben, fünf Sorten habe ich. "Negronne" war zwar sehr frosthart aber ein totaler Reinfall, da viel zu späte Reife. Wer Chancen auf eine Ernte haben will, muss Ende August pinzieren, die Triebspitzen abschneiden. Eine Feige für Topfkultur, "Dottato" hat manchmal unansehnliche Früchten, ist aber zusammen mit der schöneren aber hoch wachsenden "Ronde de Bordeaux" ein sicherer, ausreifender Träger. "Madeleine de deux saisons" zeigt sich als Schönheitskönigin, aber nur die seltenen Sommerfeigen reifen sicher. Aromatisch sind sie alle, wenn sie Sonne haben. Gut frosthart sind noch ein paar mehr Sorten, meistens aber mit Abstrichen an den Früchten. Trotzdem können sie sehr gut werden - in besonderen Jahren mit einer Kombination von glücklichen Umständen. In drei von vier Jahren werden sie bei mir suboptimal, Aprilfrost zerstört die erste Ernte fast immer und bis die Zweite in die Nähe von Reife kommt, ist es Herbst, ein guter Teil der Ernte wird je nach Sorte nicht mehr reif. Leute, die regelmässig von guten Sorten ausgepflanzter Bäume ernten haben sie in Innenhöfen stehen, direkt an Hauswänden, Mauern, ab März abgedeckt vor Frostnächten., in Gunstlagen. Der Aufwand ist erheblich, von "wächst jetzt bei uns" deutlich entfernt. Gunstlagen sind z.B. die Pfalz, Teile des Rheintals, die erwähnten Grossstädte - dort ist es keine Kunst, Feigen zu ziehen, aber 5% der Landesfläche sind eben kein "das geht jetzt auch hier".

An Mauern wuchsen Feigen immer schon recht gross

 

Zitrus

Zitrusblüte. Die meisten Arten duften.

Sie sind der absolute Wunschtraum der Mitteleuropäer seit Jahrhunderten, seit Zitrus im Mittelmeerraum wachsen. Mit absurdem Aufwand wurden sie in Mitteleuropa bereits in der Renaissance gepflegt, Fürsten liessen Orangerien bauen, abschlagbare Hütten mit Ofen um ausgepflanzte Bäume im Winter herum aufstellen, es gibt eine eifrige Züchtung, man hat viel versucht. Jeder will Zitrus, Jeder versucht es. Übrigens auch in China, Korea, Japan und das dort schon sehr viel länger, immer ging es um Ausweitung der Wuchsorte. Die Grenzen konnten ein klein wenig in kühlere Gebiete hinein verschoben werden, aber mehr nicht.

Zitrus Poncius Trifoliata... hübsch.

Und ebensolange ist man auf Dauer in den meisten gemässigten Zonen erfolglos. Jedenfalls, um gute Früchte zu bekommen. Denn tatsächlich wächst sogar eine Zitrusart im Freiland Mitteleuropas: Die weitgehend ungeniessbare und auch sonst kaum nutzbare dreiblättrige Orange, Poncirus trifoliata, sie ist leider ein hässlicher Stachelstrauch. Hat man Glück, bekommt man einen Sämling, dessen generell kernreiche Früchte ein paar Teelöffel voll sauren Saft schaffen, alles andere ist terpentinartig gewürzt und ungeniessbar. Weitere Sorten und Arten sind Hirngespinste geblieben, auch alles aus dem steten Strom der Wunderhybriden. Die geheimnisvolle japanische Yuzu (die ich hatte und von deren Qualitäten ich sehr enttäuscht war), die Emorange (ihre behauptete Frosthärte geht auf einen Fehler mit Fahrenheit und Celsius zurück, trotzdem anhaltend grosse Hoffnung), die Poncirus-Hybriden (entweder frostfest oder ungeniessbar, aber nie beides), die Citsuma Prag Chimäre, die Citrumelo, die Citrange Morton oder Carrzio, Citrus ichangensis...  Namen werden erfunden ohne Ende und gekreuzt wird eifrigst, jedes Jahr neue "Erfolge" vermeldet. Aber es bleibt dabei: Nördlich der Alpen im Freiland schwierig bis unmöglich. Am ehesten wachsen Zitrus noch an den Küsten. Dann haben sie aber Probleme mit der Ausreife. Zitrus - nur kein Problem wenn als Topfkultur oder mit aufwendigen Anbausystemen, Pflanzung in tiefen Gräben, dann im Winter abdecken und ähnliche "Tricks".

Bei den essbaren Sorten reichen schon geringe Minusgrade aus, um schwere Schäden oder Totalausfall zu verursachen. Kurze Fröste in einzelnen Nächten werden besser vertragen. Bei mir schaffte es nur eine Poncirus im Freiland, kein sehr obstattraktives Gewächs, am brauchbarsten für die Unterlagenproduktion, wenn man Zitrussorten selbst veredelt.

 

Oliven

Auch das haben viele probiert. In mehreren Gegenden haben in den letzten zehn Jahren Fans Olivenhaine gepflanzt. Engagiert Hobbyisten probieren es so wie bei anderen Fruchtarten auch, manchmal sehr gut dokumentiert wie beispielsweise "Olivenhain Kraichgau". Es gibt sogar schon eine Firma mit klug gewähltem Namen "Ein Olivenhain zum Selbermachen", die ganze Olivenhaine in Österreich nach Auftrag verkauft. Oft auch als lokale Attraktion und in den Medien verkündet. In Österreich im vermeintlich warmen Burgenland und der Steiermark ist das gerade ganz besonders Mode mit massenhaft Versuchen. In Deutschland gibt es jedes Jahr ein paar Meldungen von neuen Olivenhainen. Der Grösste ist wohl in Pulheim-Stommeln bei Köln. Beliebte Sorten sind Empeltre, Arbequina und Lecchino. Auch hier geht es immer eine Zeitlang gut und dann kommt ein Unglücksjahr mit Frost zur Unzeit oder Tiefsttemperaturen zur Unzeit. Danach - Schweigen.


Erdbeerbaum

Der westliche Erdbeerbaum (Arbutus unedo) wächst rund um das Mittelmeer wie Unkraut, deshalb kennt man ihn aus einem Urlaub. Er ist schön, seine kirschgrossen Früchte auch, deshalb will man ihn auch in Mitteleuropa. Die Früchte taugen leider nichts, sie haben kaum Aroma. Er blüht immer weiter, während schon Früchte da sind. Funktioniert in Gunstlagen in Städten, friert oft zurück, ausserhalb davon nicht lange überlebensfähig.

 

Pistazien

Hätte man gerne, Bäumchen sind aber kaum zu bekommen. Einige Verkäufer betrügen oder wissen es nicht besser. Per eBay kommen ähnliche verwandte Arten wie der Mastixstrauch oder Pistacia chinensis (nicht essbar). Echte Pistazien halten höchsten -10°C aus, vorausgesetzt das dauert nur wenige Stunden nachts und wird tagsüber wieder warm. Der Mastixbaum hält ein klein wenig mehr aus und in den Botanischen Gärten steht der noch frosthärtere Pistacia chinensis, er suggeriert Besuchern, es wären echte Pistazien, aber das stimmt nicht.


Brasilianische Guave, Feijoa

Die Art heisst Acca sellowiana und hält die berühmten -10°C aus, wie sie in der langen Listen bei vielen anderen Gewächsen auch behauptet wird. Frost plus Sonne mögen sie gar nicht. Die Blüten im Frühjahr sind hübsch und sogar essbar. Die Frucht ist ein grüner, Einlegegurken- oder kartoffelförmiger Bollen, die Konsistenz ist relativ weich und saftig, das Aroma wie eine säuerliche Birne mit etwas Banane. Sie ist nicht süss. Kaufen kann man die Pflanzen in italienischen Baumschulen, bekannte Sorten sind Gemini, Apollo, Grossa de Sicilia, Mammoth, Triumph, Cooldige, Marian. Dann noch die Wundersorten aus Neusseeland, Kakariki etwa. Ich hatte sie selber noch nicht, weiss aber von innerstädtischen Pflanzen im Rheintal. Die Früchte enttäuschten auf Dauer immer. Viel Aufwand, Ergebnis witzlos.

 

Weitere Spezialitäten

Die Liste der Hoffnungen, die mittlerweile hierzulande im Freiland probiert werden geht noch sehr viel weiter. Dazu gehört noch die Ugni, die Chilenische Guave (Ugni molinae), Frosttolerante Avocados (Sorten wie Poncho oder Mexicola), die schwarze Maulbeere Morus Nigra (die echte und NICHT schwarzfrüchtige morus alba), gelbe und rote grossfrüchtige Kiwis (actinidia deliciosa, grüne Sorten reifen eher aus), Che (Cudrania tricuspidata, Seidenraupenbaum), Jujuben und noch einiges mehr. Auch die Endlosgeschichte mit Prunus Salicina, der chinesischen Pfaume und ihrer ebenso endlosen Hybridenzahl gehören dazu. Seit 150 Jahren jedes Jahr als Neuheit gefunden, teuer besorgt, gepflanzt da "winterhart" und aufgrund der frühen und empfindlichen Blüte sehr zuverlässig ohne Ertrag. Zierpflanzen, bis sie von Monilia dahingerafft werden.

 

Zusammenfassend kann man hinsichtlich des Ziels, mehr Fruchtsorten anzubauen feststellen:

  • Spätfröste sind häufiger das Problem wie mangelnde Winterhärte. Spätfrostprobleme sind nachweislich sogar weit schlimmer geworden, nicht besser.
  • Bei ihrer Winterhärte sind weniger die absoluten Temperaturen das Problem, sondern das stark wechselnde Wetter mit langen Wärmephasen, das die Winterhärte herabsetzt und nachfolgenden Frost viel problematischer macht. Mitteleuropa kombiniert aufgrund der sehr ungünstigen Lage die problematischen Elemente von atlantischem und kontinentalem Klima. Feuchte lauwarme Luft vom Meer satt, dann wieder der Kaltluftvorstoss direkt aus Sibirien.
  • Wachsende Gehölze bedeuten nicht, auch zu ernten. Was immer wieder wegen Frost nachwachsen muss, fruchtet schlecht oder zu spät im Jahr. Die mögliche jährliche Vegetationsdauer ist für fast alle Arten ein Problem.
  • Der Wasserbedarf wird fast immer unterschätzt. Die Mehrheit der Arten benötigt nicht nur Wärme, sondern auch feuchten Boden, die letzten zehn deutschen Sommer zeigten, dass das die Ausnahme geworden ist.
  • Die Fruchtqualität hält in vielen Fällen nicht, was man sich erhofft. Ausreifeprobleme, fehlendes Licht ab dem Äquinoktium bremsen die Qualität, eine Menge Arten haben schon von Anfang an nichts drauf. Erst probieren, dann pflanzen! Eine Minderheit anderer Arten sind ein echter Gewinn, wenn sie denn mal gelingen, Feigen etwa oder Kakis.
  • Die kälterobusten Sorten innerhalb der Arten sind selten die mit guter Fruchtqualität. Das zeigt sich besonders bei Kakis, Jujuben, Zitrus.
  • Als Hobbys und zum Spass kann und sollte man natürlich alles pflanzen, alles ist möglich, man sollte sich nur nicht zu viele Wunschphantasien machen, sonst wird man zu oft enttäuscht. Wir wollen Spass und Erträge, nicht die Kassen der Verkäufer füllen und dann das Ergebnis tot abräumen. Über den Exoten sollte man nicht die bewährten Arten vergessen, die einem auch gute Erträge bringen. Eine edle Birne mit schmelzendem Fruchtfleisch und müskiertem Wohlgeschmack und ein paar Eimern Ernte macht Spass, vor allem wenn die Qualitäten weit besser wie die schlechte Kommerzware aus dem Supermarkt sind.

Mittwoch, 4. Januar 2023

Winteranbau Dicke Bohnen / Puffbohnen bei hartem Frost

Keimling von "Priamus" Ende Oktober

Der Anbau dicker Bohnen (Ackerbohnen, Puffbohnen, Saubohnen, Pferdebohnen) über den Winter ist mittlerweile keine Besonderheit mehr, auch wenn das nach wie vor deutliche Ausfallrisiken hat. Viele Erfahrungen sind bereits in früheren Beiträgen beschrieben, siehe "Ackerbohne, dicke Bohne im Winteranbau - Teil 1" und allgemeines in Teil 2.

Ausfälle passieren vor allem durch unvorhergesehene Extremwetterlagen. Einmal war der Herbst nach knochentrockenem Sommer so heftig nass, dass die Samen im schweren Boden verfault sind. Oder zu früh ausgesät, das Wetter ist zu warm, sie wachsen weit und hoch, haben dann weniger Frosthärte. Oder frühe Kälteperioden verhindern die Keimung. Alles schlecht berechenbar. Diese Saison keimten sie sehr gut, aber wieder entwickelte sich das Wetter sehr wild: T-Shirt Wetter bis November, kein richtiger Frost bis Anfang Dezember, mit Paprika und Auberginenernte, die Bohnen wuchsen bis Dezember in die Höhe, dass es mir Angst und bange wurde.

Puffbohnenreihen am 10. November. Danach noch vier Wochen Wachstum bis zum ersten Frost.

Wurzelbildung früh und stark

Und das aus gutem Grund. Wieder einmal schlagartig fielen die Temperaturen mal eben um 20°C in den Eiskeller. Eine Woche mit Dauerfrost und klare Nächte mit -11°C fegten durch den Garten. Am Boden unten bedeutet das -15°C, die dort dort so manchen hoffnungsvollen Winteranbau beendeten. Es ist jede Menge Gemüse erfroren, trotz Vlies. Das war sogar mit etwas zusätzlich isolierendem Schnee bedeckt. Irgendwann ist eben Ende Gelände.

Und die Puffbohnen? Ausgesät wurden sie Mitte Oktober, die Keimlinge waren ab Ende Oktober zu sehen. Sie keimt aber schneller. Bevor die Keimlinge einer Puffbohne sichtbar sind, bildet sie bereits eine schnurgerade, sehr schnell in grosse Bodentiefen vorstossende erst Pfahlwurzel. Eine habe ich mir angesehen, ein beeindruckendes Bild.

Sie sind dann ohne Winterschutz frei weiter gewachsen, es war ja auch immer sehr warm für die Jahrezeit. Ein Vlies war dann beim späteren Kälteeinbruch nicht mehr möglich, da die Pflanzen bereits zu hoch geworden waren, ein aufgelegtes Vlies erhöht das Umknickrisiko. Die wichtigsten Punkte:

Puffbohne Hangdown, Frost-Totalschaden
  • Ausgesät hatte ich die Sorte Priamus. Nach wie vor ist das die einzige lieferbare Sorte für Hobbygärtner, die den Winteranbau probieren und gute, grosse Kerne ernten wollen. Dieses Jahr hatte ich aber auch Sämlinge bekannter anderer Sorten im Garten, "Hangdown" etwa. Keine dieser anderen Sorten hat den Temperatursturz auch nur teilweise überstanden. egal wie weit sie gewachsen waren. Ihre Stängel sind komplett erfroren, es gab auch keine Nachtriebe mehr. Aus und vorbei. Das bestätigte frühere Erfahrungen: Ohne spezielle, explizit für Winteranbau geeignete Sorten geht es nicht! Die Frosthärte der Sorten unterscheidet sich gravierend.
  • "Priamus" hatte auch Schäden, aber 80% der Pflanzen überlebten ganz, weitere 5% teilweise, 15% gar nicht. Damit ist die Sorte selbst unter so harten Bedingungen wie dieses Jahr wirklich wintertauglich.
  • Zu gross - Stängel erfroren
  • Die Totalschäden sahen im Detail so aus: 2cm über dem Boden erfror der Stängel. Das ist die kälteste Stelle bei Frost, der durch Strahlungsfrost knapp am Boden noch stärker ist. Exakt dort ist der tiefste Punkt der Temperatur. Die Grenztemperatur wurde offenbar sehr genau erreicht und liegt somit bei dieser Sorte definitiv zwischen -13°C bis -16°C. Die Wetterdiensttemperaturen beziehen sich immer auf 2m Höhe, dort waren es amtlich gemessene -11°C. Vor vorhergesagten Temperaturen dieser Kategorie sollte man kurzfristig ein Vlies auflegen, wenn das noch geht.
    Erfroren sind die immer die Pflanzen, die schon am meisten Länge erreicht hatten, das waren 10cm-Pflanzen. Bei ihnen nimmt die Frostfestigkeit offenbar bereits wieder ab und sie wird nicht mehr so schnell aufgebaut. Am frostsichersten ist ein niedriges Stadium mit zwei Blattpaaren. Da lässt sich notfalls auch noch ein Vlies auflegen. Das Vierblattstadium hinzubekommen ist halt schwierig, weil es sehr stark vom Herbstwetter abhängt. Die besten Chancen bei uns hat man mit Aussaat zwischen dem 15. und 30. Oktober.
  • Unten neue Knospen!
  • Die Teilschäden im Detail: Einige Pflanzen hatten noch einen gesunden Stängelrest in der Erde, dort schoben sich in den folgenden (warmen) zwei Wochen neue Knospen heraus, nachdem der obere Teil abgestorben war. "Priamus" regeneriert gut - das ist positiv.
  • Alle Pflanzen zeigten zudem starken Stress. Blätter rollten sich oder hingen schlaff zum Boden, Stängel zeigten Veränderungen durch Schäden auch dann, wenn sie nicht abgestorben waren. Die Pflanzen erholten sich jedoch ganz langsam wieder, zumindest optisch. Dass danach eine vierwöchige Warmphase kam, war sicher positiv.
  • Auch ein weiterer Versuch war erfolgreich: Ich hatte auch Samen "tiefergelegt", in kleine Vertiefungen hineingesät, Saattiefe darin normale 5-7cm. Diese Pflanzen überstanden die Frostwoche auffallend gesund, die Blätter wurden auch weniger schlaff.  Der Stängel war da unten wohl besser geschützt. Hätte ich das bei allen Pflanzen gemacht, hätte ich auch leichter Vlies auflegen können. Da Puffbohnen ausserdem später oft Probleme mit Standfestigkeit haben, wäre die Aussaat in eine Furche generell zu empfehlen. Die lässt sich später wieder zuschieben und damit die Standfestigkeit der Pflanzen verbessern. 
  • Garten-Wegschnecke Arion hortensis
  • Die Warmphase danach war kein Grund zum Aufatmen. Der durch den feuchtwarmen Herbst ohnehin schlimme Befall von Arion hortensis, der kleinen schwarzen Garten-Wegschnecke ging sofort weiter. Diese Art ist schwer zu bekämpfen und gerade die regnerischen Warmphasen im Winter gefallen ihr ausnehmend gut, eine Zeit in der man nicht so sehr an Schneckenbekämpfung denkt. Ein Fehler. Günstig sind Fangbretter, damit habe ich die meisten Erfolge. Glatte alte Holzlatten auf die Erde legen - die Schnecken kriechen bei mildem und feuchtem Wetter darunter, kleben tagsüber am Brett. Regelmässig das Brett drehen, nachsehen und beseitigen. Ich hatte in dieser Saison schon einzelne Bretter mit 15 Schnecken.

Nun bleibt mir nur noch die Hoffnung, dass nicht noch einmal solche Temperatur-Abstürze kommen. Falls nichts passiert, wird es eine sehr frühe Reife geben, denn die Pflanzen sind so weit wie nie und wachsen sichtlich in der jetzigen Warmphase. Das wäre überaus positiv, weil auf diese Weise auch die winterlichen Niederschläge noch nutzbar sind. Nachdem die letzten Jahre im Winter immer Regenzeit und Sommer (in der Hälfte der Jahre sogar extreme) Trockenzeit herrschten, ist das essenziell für den Anbauerfolg. 2022 hatte ich keinen Ertrag. Bei 30°C im April und danach noch viel mehr wurden nicht einmal Schoten angesetzt, die Pflanzen waren dauerschlapp und bleiben klein. Auch Bewässerung half da nichts mehr. Puffbohnen haben nicht nur Frostgrenzen, sondern auch Hitzegrenzen.


Puffbohne oben geschädigt durch Frost, unten spriessen neue Triebe

Bild im Frost, Blätter wirken schlaff

Donnerstag, 22. Dezember 2022

Schwierig, aber manchmal nötig: Hühner schlachten

Zwei unserer drei Hähne, leider zwei zu viel.

Unsere Hühner, die Zwergwyandotten sind herrliche Tiere, schön anzusehen, überaus nützlich, ideale Ergänzung zum Nutzgarten, pädagogisch für die Kinder sehr wertvoll. Sie fühlen sich wohl bei uns, haben genug Platz, einen Top-Stall, sind gesund und munter. Die kleine Herde hat einen tollen Hahn. Besucher aller Altersgruppen kommen gerne vorbei uns besuchen die sich sichtbar wohlfühlenden Tiere am Gartenzaun. Eine Erfolgsgeschichte.

Aber, ach: Auch Hühner werden älter, legen nicht mehr, bekommen Altersprobleme. Und da die Hühner auch brüten dürfen, gibt es zwar Nachwuchs, aber eben nicht nur Hennen, sondern auch Hähne. Die krähen nicht nur uns die Ohren voll, sondern auch den Nachbarn und streiten eifrig miteinander, denn mehrere Hähne an einem Platz machen Stress. Wir können keine Hahnzucht führen und wir wollen auch keine alten, krank gewordenen Hühner dahinsiechend leiden lassen, bis sie qualvoll verenden, das haben wir schon mit einigen Hühnern gemacht weil wir nicht schlachten wollten, es war aber keineswegs tierfreundlicher oder sinnvoller. Und schliesslich kann es auch unrettbar verletzte Hühner geben, etwa nach einem Raubvogelangriff. Also schliesslich doch schlachten, wie das die Menschen eben tun seit sie Hühner halten. Als Vegetarier etwas, das ich in meinem Leben weder tun noch indirekt verursachen wollte. Aber wer Hühner einmal hat, kann das nicht einfach so mit Worten wegreden, es gibt Entscheidungen und Arbeiten vor denen man sich nicht drücken kann. Immerhin hatten alle Hühner ein selten gutes Leben, waren geliebt, durften artgerecht leben, vor allem im Vergleich zur häufigsten kommerziellen Hühnerhaltung.

Ich habe es also dann getan: Hühner geschlachtet, dann gerupft, ausgenommen, im Ofen gegart, gegessen. Das erste Hühnerfleisch seit der Kindheit. Was ich selber töten muss, esse ich auch. Es war sehr schwer, eindrücklich und hat mich ziemlich verändert. Nicht mehr nur schlaue Reden führen, sondern es selbst wirklich und bestmöglich tun, das ist ein gigantischer Unterschied. Und wie macht man das?

Die Werkzeuge der Mordtat
  1. Vorbereiten. Nötige Geräte besorgen, einen guten Platz finden, sich eine gute Zeit überlegen. Die Geräte: Dicker Stock (Vorschlag: 4cm Durchmesser) für die Betäubung, Küchenbeil, Hackblock, Schlachttrichter, grosser Kochtopf für das geschlachtete Huhn, Kochplatte mit Temperaturregelung oder Küchenthermometer, scharfe Messer, Geflügelschere oder robuste Küchenschere, desinfizierbare Küchenschneideunterlagen, Geräte zum Huhn backen oder Folie zum einfrieren.
  2. Huhn einfangen. Am besten frühmorgens direkt aus dem Stall holen. Hühner bekommen keine Henkersmahlzeit, der Kropf sollte leer sein.
  3. Sich vom Huhn verabschieden, ein kleines Ritual ist gut. Huhn zum Schlachtort tragen. Der sollte nicht einsehbar sein. Wir wollen keine Nachbarskinder traumatisieren und keine dummen Kommentare von Zuschauern bei einer ernsten Sache, bei der man sich konzentrieren muss.
  4. Huhn an den Beinen mit einer Hand sehr gut festhalten, das Tier nahe am Körper. Mit dem Stock kräftig, aber nicht heftig von oben auf den Hinterkopf zwischen Augen und Ohren schlagen. Das Huhn wird betäubt. Es wird starr, aber die Flügel flattern unkontrolliert.
  5. Sofort ohne jede Verzögerung auf den Hackblock damit, Kopf mit dem Küchenbeil abhacken. Dafür reicht ein leichter Schlag. Auch ohne Kopf zuckt und flattert das Huhn noch.
  6. Kopfüber in den Schlachttrichter stecken. Man kann das Huhn auch ungeköpft in den Schlachttrichter stecken und dann mit einem Kehlschnitt töten. Das sollte man aber mal bei jemand gesehen haben, der das kann. Ausbluten lassen. Viel Blut kommen ohnehin nicht.
  7. Nach zehn Minuten in einem grossen Kochtopf in 60 Grad heissem Wasser ganz bedeckt zwei Minuten brühen.
  8. Das Huhn mit der Hand rupfen.
  9. Ausnehmen. Anschneiden und die Innereien herausziehen. Dafür gibt es viele Videos, dieser Teil der Sache ist leichter wie es wirkt.
  10. Sofort zubereiten oder folieren und einfrieren. Wenn man das Tier erst liegen lässt, wird es starr und zäh, erst wieder nach ein paar Tagen weicher.

Die ersten Hühner, die ich geschlachtet habe waren zwei sehr alte Tiere, die schon lange keine Eier mehr legten und bereits letztes Jahr die Mauser kaum überstanden haben. Sie waren nicht mehr vital, liefen nicht mehr viel herum, kamen auf keinen Sitzbalken mehr hoch. Kälte und Winter waren in Sicht, die Mauser setzte ihnen bereits wieder zu, sie waren erkennbar am Ende. Mit diesen Hühnern wollte ich beginnen und später die grösseren und schwierigeren überzähligen Junghähne schlachten.

Rupfen mit der Hand

Werkzeuge besorgte ich, suchte nach Verfahren und erkundete das Vorhaben gründlich mehrere Tage lang, lernte die Details, informierte mich, fragte mehrere andere Hühnerhalter, kramte in meinen eigenen Erinnerungen von Grossmutter (die bis über 90 auch immer Hühner gehalten hat) und vom aufwachsen im Dorf. Morgens, als die Kinder in der Schule waren stellte ich alles bereit und fing ist das erste Althuhn ein. Ich musste mich dazu zwingen gegen den starken Drang, alles abzublasen, jemand anders (es gab aber niemand) machen zu lassen, in ein Mauseloch zu entfliehen, wieder an die aseptische Tastatur und den Bildschirm zu gehen, alles, nur nicht weitermachen. Irgendwie stürzte die ganze Welt ein und es war auch keine Zeit mehr zu überlegen, zu verzögern. Fast geheult. Stock genommen, geschwungen, in der Nervosität fast daneben geschlagen, aber getroffen und wie automatisch Kopf und Hals des Huhns auf den Hackblock gehalten, mit der Hand weiter die Beine neben dem Hackblock festgehalten um sich nicht selber die Finger zu kürzen, Beil geschwungen, Kopf ab. Dieser Schlag ging fast leicht. Konnte den Rumpf aber nicht mehr anfassen. Der Körper fiel ins Gras, Beine und Flügel schlugen noch eine Zeitlang erratisch, dann lag es still. Verwerten wollte ich dieses Uralt-Huhn nicht mehr, also kein Schlachttrichter und rupfen. Sofort zum zweiten Huhn, alles nach demselben Muster durchgezogen. Danach alles aufräumen. Der Hackblock war jetzt blutig, die Schuhe hatten Blutspritzer, am Küchenbeil klebten Federn. Mir kam alles sehr still vor, es war unwirklich, wie in einem Horrorfilm. Einerseits war ich enorm erleichtert, dass ich alles hinbekommen habe, andererseits lag jetzt ein zusätzliches düsteres Gewicht auf der Seele, eine Art Schuld. Ein breiter Fluss war überquert, der reden von tatsächlich tun und töten trennt.

Eine Woche später waren nach gleichem Muster die Hähne dran. Wir hatten erlebt, wie sie aus dem Ei schlüpften, Einen selbst aufgezogen weil er ein Nachzügler im Legenest war. Nichts ging leichter wie beim ersten schlachten, im Gegenteil. Mein Stock war diesmal etwas dicker, ein Schlachttrichter stand bereit, ein grosser Wassertopf mit 60° warmem Wasser. Wir wollten sie auch essen. Die Hähne waren viel vitaler. Ich war mir sehr unsicher, wie fest ich zuschlagen sollte. Es klappte, bis der Kopf ab war, dann riss sich der Hahn ohne Kopf los und stolperte umher, die Flügel schlugen wild und noch einmal, als ich ihn packen wollte. Diese Reaktionen waren zu erwarten gewesen, das wusste ich. Dann in den Schlachttrichter, Kochtopf, rupfen. Das dauert alles seine Zeit, die man einplanen sollte. Rupfen ist langwierig aber leicht, wenn das Tier ganz vom Wasser bedeckt war. Die Federn kommen in den Kompost, sie sind stickstoffhaltiger Dünger.

Gerupft und ausgenommener Hahn, küchenfertig

Der erste Hahn wog gerupft aber noch nicht ausgenommen nur 1,1 Kilo. Ich habe ihn nach Anleitung sofort ausgenommen (was gut ging), im Ofen nach einem Standardrezept zubereitet und serviert. Das Fleisch war gut, nicht zäh, aromatisch, aber wie es dazu gekommen war versuchte ich zu verdrängen, eine zwiespältige Situation. Verwertbar war nur recht wenig, Rassehühner haben keine grosse Brust, das schaffen nur Qualzuchten von Hybridhühnern in Intensivhaltung oder mit sehr viel Zeit und Futtereinsatz. Wenn Rassehühner, dann von Fleischrassen (etwa Orpingtons, Cochins oder Brahmas). Schenkel, Flügel, Muskelstücke - viel war es nicht bei unserem Hahn, eher für eine wie für zwei Personen. Für viel Futter und ein halbes Jahr Aufzucht war es herzlich wenig, aber es ist eine kleine Rasse, deren Wert in der leichten Haltung und der guten Eierleistung der Hennen liegt.

Der zweite Hahn war grösser, etwa 1,5kg butto. Seine Schlachtung und weitere Verarbeitung lief genauso ab, wir haben ihn in Folie eingefroren und werden ihn bald ebenfalls zubereiten. Das Fazit? Es gehört dazu, es geht, es nicht leicht, es ist sehr ernst, es schmeckt.

Die Innereien... "schön bunt"

Wer das Glück hat, dass ein Hühner-Schlachtmobil in der Gegend existiert, kann sein Huhn auch schlachten lassen. Das sind Leute, sich auf Schlachtung von Hühnern aus Privathaltung gegen Gebühr spezialisiert haben und manchmal mit einem Anhänger mit den Geräten dafür durch die Lande fahren. Sie machen das sehr professionell und betäuben das Huhn nicht mit einem Stock, sondern mit einem Stromschlag. Das ist erwiesen stressfrei. Die Geräte dafür sind leider sehr teuer, sonst wäre das auch für Hühnerhalter eine Anschaffung wert. Die oft angebotenen Bolzenschussgeräte mit einer eingebauten Feder sind nicht zu empfehlen, wegen der stabilen Federkeile von Freilandhühnern wird davon abgeraten. Anschliessend kann man das Huhn auch gleich rupfen und ausnehmen lassen.

Im Ofen, gefüllt und mit einer Marinade auf dem Hühnchensitz

Freitag, 16. Dezember 2022

Der Streusalzwahn

Streufahrzeug im Einsatz der Gemeinde
Selten genug kommt es hier vor, heute noch seltener als früher: Es schneit im Winter und ein bisschen Schnee bleibt auch wenige Tage liegen. Passiert es nachts, merkt man es hier in Möckmühl schon morgens vor dem Aufstehen. Es rumpelt, Traktoren fahren umher, auch im Wohngebiet, das hört man. Auch jetzt wieder, dieses Jahr.

Im Auftrag der Gemeinde wird gestreut. Leider in der Regel kein Splitt oder eines der modernen organischen Streumittel, sondern Salz, Streusalz, jährlich 1,5 bis 4 Millionen Tonnen davon im Land. Also bis zu 50 Kilo pro Einwohner! Bezahlt werden dafür schwindelerregende 400 Millionen Euro, die Tonne kostet 100 Euro plus Kosten für die Ausbringung. Es enthält Natriumchlorid (Kochsalz) und andere Chloride, Calcium- und Magnesiumchlorid und weitere Salze. An Steigungsstrecken ist Streuen sicher sinnvoll (aber nicht zwingend mit Salz), im flachen Tempo-30 Wohngebiet und bei seit Jahren vorgeschriebener Winterbereifung ist das einfach nur hirnrissig. Es kostet die Gemeinde, also den Steuerzahler viel Geld und die Streufahrzeugfahrer viel Arbeit. Und vor allem kostet es mich Pflanzen am Strassenrand.

Strasse und mein Vorgarten, in dem das Strassensalz
auch landet.

Unsere Wohnstrasse ist relativ schmal, hat keinen Gehsteig, kein Randstein. Kommt das Streufahrzeug, fliegt das Streusalz auch auf den Rand unseres Vorgartens und versalzt mir den ohnehin nicht guten Boden. Dort am Rand zur Strasse wächst blütenreiches Wildobst und das zeigt erschreckend viele Ausfälle. Das Salz reichert sich über die Jahre im Boden an. Die Folgen: Feinwurzeltod, verstärkte Verschlämmung, Schädigung von Bodenlebewesen. Schäden erscheinen zeitverzögert, ein vermeintlicher Trockentod im Sommer fand vielleicht nur deshalb statt, weil die Pflanze wegen Versalzung vorgeschädigt war. Das Lamento der weiteren Schäden an Bauwerken, an Fahrzeugen, an Tierpfoten, dem Abwassersystem, Fracht des feingegefahrenen Salzstaubs per Wind in weitere Entfernungen will ich gar nicht erst anstimmen, das ist bekannt und denkende Menschen wissen das schon lange.

Immer drauf. Reines Streusalz.


Völlig irre wird es, wenn einige Mitbürger streuen, leider in unserer Gemeinde mehr Regel wie Ausnahme. Motto: Mit beiden Händen voll raus oder mit irgendwelchen Streuhandwagen, die wallartige Salzhaufen hinterlassen. Dann landet oft mehr Salz als Schnee auf Wegen, ausgerechnet auch noch dort, wo sich Vegetation direkt anschliesst und Schmelzwasser in den Boden läuft.

Viel = Viel gut? Auf ebener Anliegerstrasse...
Gefällestrecke, da ist Streugut eher nötig
In Schweden, Finnland, der Slowakei und anderen Ländern wird kein Streusalz verwendet. Städte wie München (wo es wesentlich öfter Schnee und Frost hat wie hier), viele Andere und auch eine unserer Nachbargemeinden haben das längst abgestellt und damit viel Geld und Umweltschäden eingespart. Ein Hinweisschild an der Stadtgrenze weist darauf hin. Streusalzverwendung ist dort auch Privatleuten generell verboten. Die Gemeinde streut nur auf einigen Hauptstrassen, Gefällestrecken und an besonderen Stellen wie einigen Fussgängerüberwegen. Privatleute können Streusalz unabhängig von Gemeindeverboten säckeweise in jedem Baumarkt kaufen.
Gemeinde streut auch, wenn es trocken und eben ist

Wer am Grundstücksrand Probleme mit seinen Pflanzen hat, sollte mal prüfen, ob ihm im Winter vielleicht Salzfracht beschert wurde. Durch Streufahrzeuge oder streuende Nachbarn direkt, durch spritzenden Schneematsch, in dem Streusalz enthalten ist, durch von der Strasse hereinlaufendes Tauwasser mit Streusalz. Die Gemeinden mit ihrem eigenen Verhalten und ihren Regelungen sind das Problem, so wie auch in unserer auch auf anderen Feldern sehr umweltzerstörenden Gemeinde: Sprecht Gemeinderatsmitglieder an, den Bürgermeister. Kommt nicht mit radikalen Forderungen, sondern mit Geld sparen durch besonnene Verwendung und vor allem mit Beispielen von umliegenden Gemeinden, in denen das bereits praktiziert wird. Kein Gemeinderat interessiert sich für eure toten Gartenpflanzen und sehr wenig für Umweltschäden, aber wenn etwas Geld kostet und sich das leicht sparen lässt, gehen die Ohren schon viel eher auf.

Der Privatmann greift zum Salz - Garten daneben


Freitag, 9. Dezember 2022

Dezemberernte Paprika und Auberginen

Früher war im Oktober Schluss. Mittlerweile erlebe ich nun das dritte Jahr, in dem bis Anfang Dezember im Freiland Paprika und Auberginen zu ernten sind, es gibt sogar noch zwei Zucchinipflanzen, aber sie tragen nicht mehr. Es gab immer noch keinen Frost - bis 8. Dezember! Nun soll er aber kommen und ich habe abgeräumt:

Erntetisch im Dezember

Es ist längst ratsam geworden, nicht zu voreilig die Beete freizuräumen. Es können den ganzen Herbst andauernde lange Phasen mit mildem Wetter bestehen bleiben, das ist keine Ausnahme mehr. Die Wintergemüse kommen ebenfalls sowieso laufend - Radicchio, rote Rüben, Kohlrüben, Teltower Rübchen, Sellerie, Lauch, Chinakohl und diverse andere. Wird es richtig kalt, wird auch dort abgeräumt.

Die Früchte hatten noch hohe Qualität und die Paprikapflanzen waren noch sehr gesund:

Paprika, Dolce di bergamo

Himbeeren gab es auch noch. Und viele Obstbäume sind noch voll belaubt:

Apfel "Roter von Simonffi" im Dezember

Nachteile des anhaltend armen Wetters: Der Winteranbau von dicken Bohnen könnte misslingen, weil die Pflanzen bereits in die Höhe wachsen. In diesem Zustand sind sie etwas weniger frostfest und Schnee würde sie umknicken. Beim Radicchio gab es durch die Wärme Probleme mit der Kopfbildung. Die beginnt er erst, wenn das Wachstumswetter vorbei ist. Stattdessen habe ich Riesenpflanzen mit vielen Seitenblättern ohne kompakten Kopf in der Mitte. Kohlrüben sind monströs geworden, Rüben mit 2kg Knollengewicht sind die Regel, die werden wir nie und nimmer essen können, das wäre ansonsten ein Kohlrübenwinter wie 1917. Alle Winterblumenkohlpflanzen sind misslungen, die bildeten bereits jetzt Blumenkohlköpfe anstatt im März.

Und last but noch least: Es war der schlimmste Schneckenherbst seit langem. Immer warm und immer feucht, die Schnecken unter Kontrolle zu halten war fast unmöglich, die Garten-Wegschnecke (Arion hortensis) feierte Dauerpartys. Und auch der schlimmste Unkrautherbst. Vor allem Gräser wuchsen, versamten sich wie nie. Herbst ist der neue Sommer, alles wächst, genug Regen, genug Wärme, während im Sommer alles vertrocknet, verbrennt, stehenbleibt.


Andere Perspektive.
Aubergine hauptsächlich "Bonica", gesunde Pflanzen und Früchte.