Donnerstag, 22. Dezember 2022

Schwierig, aber manchmal nötig: Hühner schlachten

Zwei unserer drei Hähne, leider zwei zu viel.

Unsere Hühner, die Zwergwyandotten sind herrliche Tiere, schön anzusehen, überaus nützlich, ideale Ergänzung zum Nutzgarten, pädagogisch für die Kinder sehr wertvoll. Sie fühlen sich wohl bei uns, haben genug Platz, einen Top-Stall, sind gesund und munter. Die kleine Herde hat einen tollen Hahn. Besucher aller Altersgruppen kommen gerne vorbei uns besuchen die sich sichtbar wohlfühlenden Tiere am Gartenzaun. Eine Erfolgsgeschichte.

Aber, ach: Auch Hühner werden älter, legen nicht mehr, bekommen Altersprobleme. Und da die Hühner auch brüten dürfen, gibt es zwar Nachwuchs, aber eben nicht nur Hennen, sondern auch Hähne. Die krähen nicht nur uns die Ohren voll, sondern auch den Nachbarn und streiten eifrig miteinander, denn mehrere Hähne an einem Platz machen Stress. Wir können keine Hahnzucht führen und wir wollen auch keine alten, krank gewordenen Hühner dahinsiechend leiden lassen, bis sie qualvoll verenden, das haben wir schon mit einigen Hühnern gemacht weil wir nicht schlachten wollten, es war aber keineswegs tierfreundlicher oder sinnvoller. Und schliesslich kann es auch unrettbar verletzte Hühner geben, etwa nach einem Raubvogelangriff. Also schliesslich doch schlachten, wie das die Menschen eben tun seit sie Hühner halten. Als Vegetarier etwas, das ich in meinem Leben weder tun noch indirekt verursachen wollte. Aber wer Hühner einmal hat, kann das nicht einfach so mit Worten wegreden, es gibt Entscheidungen und Arbeiten vor denen man sich nicht drücken kann. Immerhin hatten alle Hühner ein selten gutes Leben, waren geliebt, durften artgerecht leben, vor allem im Vergleich zur häufigsten kommerziellen Hühnerhaltung.

Ich habe es also dann getan: Hühner geschlachtet, dann gerupft, ausgenommen, im Ofen gegart, gegessen. Das erste Hühnerfleisch seit der Kindheit. Was ich selber töten muss, esse ich auch. Es war sehr schwer, eindrücklich und hat mich ziemlich verändert. Nicht mehr nur schlaue Reden führen, sondern es selbst wirklich und bestmöglich tun, das ist ein gigantischer Unterschied. Und wie macht man das?

Die Werkzeuge der Mordtat
  1. Vorbereiten. Nötige Geräte besorgen, einen guten Platz finden, sich eine gute Zeit überlegen. Die Geräte: Dicker Stock (Vorschlag: 4cm Durchmesser) für die Betäubung, Küchenbeil, Hackblock, Schlachttrichter, grosser Kochtopf für das geschlachtete Huhn, Kochplatte mit Temperaturregelung oder Küchenthermometer, scharfe Messer, Geflügelschere oder robuste Küchenschere, desinfizierbare Küchenschneideunterlagen, Geräte zum Huhn backen oder Folie zum einfrieren.
  2. Huhn einfangen. Am besten frühmorgens direkt aus dem Stall holen. Hühner bekommen keine Henkersmahlzeit, der Kropf sollte leer sein.
  3. Sich vom Huhn verabschieden, ein kleines Ritual ist gut. Huhn zum Schlachtort tragen. Der sollte nicht einsehbar sein. Wir wollen keine Nachbarskinder traumatisieren und keine dummen Kommentare von Zuschauern bei einer ernsten Sache, bei der man sich konzentrieren muss.
  4. Huhn an den Beinen mit einer Hand sehr gut festhalten, das Tier nahe am Körper. Mit dem Stock kräftig, aber nicht heftig von oben auf den Hinterkopf zwischen Augen und Ohren schlagen. Das Huhn wird betäubt. Es wird starr, aber die Flügel flattern unkontrolliert.
  5. Sofort ohne jede Verzögerung auf den Hackblock damit, Kopf mit dem Küchenbeil abhacken. Dafür reicht ein leichter Schlag. Auch ohne Kopf zuckt und flattert das Huhn noch.
  6. Kopfüber in den Schlachttrichter stecken. Man kann das Huhn auch ungeköpft in den Schlachttrichter stecken und dann mit einem Kehlschnitt töten. Das sollte man aber mal bei jemand gesehen haben, der das kann. Ausbluten lassen. Viel Blut kommen ohnehin nicht.
  7. Nach zehn Minuten in einem grossen Kochtopf in 60 Grad heissem Wasser ganz bedeckt zwei Minuten brühen.
  8. Das Huhn mit der Hand rupfen.
  9. Ausnehmen. Anschneiden und die Innereien herausziehen. Dafür gibt es viele Videos, dieser Teil der Sache ist leichter wie es wirkt.
  10. Sofort zubereiten oder folieren und einfrieren. Wenn man das Tier erst liegen lässt, wird es starr und zäh, erst wieder nach ein paar Tagen weicher.

Die ersten Hühner, die ich geschlachtet habe waren zwei sehr alte Tiere, die schon lange keine Eier mehr legten und bereits letztes Jahr die Mauser kaum überstanden haben. Sie waren nicht mehr vital, liefen nicht mehr viel herum, kamen auf keinen Sitzbalken mehr hoch. Kälte und Winter waren in Sicht, die Mauser setzte ihnen bereits wieder zu, sie waren erkennbar am Ende. Mit diesen Hühnern wollte ich beginnen und später die grösseren und schwierigeren überzähligen Junghähne schlachten.

Rupfen mit der Hand

Werkzeuge besorgte ich, suchte nach Verfahren und erkundete das Vorhaben gründlich mehrere Tage lang, lernte die Details, informierte mich, fragte mehrere andere Hühnerhalter, kramte in meinen eigenen Erinnerungen von Grossmutter (die bis über 90 auch immer Hühner gehalten hat) und vom aufwachsen im Dorf. Morgens, als die Kinder in der Schule waren stellte ich alles bereit und fing ist das erste Althuhn ein. Ich musste mich dazu zwingen gegen den starken Drang, alles abzublasen, jemand anders (es gab aber niemand) machen zu lassen, in ein Mauseloch zu entfliehen, wieder an die aseptische Tastatur und den Bildschirm zu gehen, alles, nur nicht weitermachen. Irgendwie stürzte die ganze Welt ein und es war auch keine Zeit mehr zu überlegen, zu verzögern. Fast geheult. Stock genommen, geschwungen, in der Nervosität fast daneben geschlagen, aber getroffen und wie automatisch Kopf und Hals des Huhns auf den Hackblock gehalten, mit der Hand weiter die Beine neben dem Hackblock festgehalten um sich nicht selber die Finger zu kürzen, Beil geschwungen, Kopf ab. Dieser Schlag ging fast leicht. Konnte den Rumpf aber nicht mehr anfassen. Der Körper fiel ins Gras, Beine und Flügel schlugen noch eine Zeitlang erratisch, dann lag es still. Verwerten wollte ich dieses Uralt-Huhn nicht mehr, also kein Schlachttrichter und rupfen. Sofort zum zweiten Huhn, alles nach demselben Muster durchgezogen. Danach alles aufräumen. Der Hackblock war jetzt blutig, die Schuhe hatten Blutspritzer, am Küchenbeil klebten Federn. Mir kam alles sehr still vor, es war unwirklich, wie in einem Horrorfilm. Einerseits war ich enorm erleichtert, dass ich alles hinbekommen habe, andererseits lag jetzt ein zusätzliches düsteres Gewicht auf der Seele, eine Art Schuld. Ein breiter Fluss war überquert, der reden von tatsächlich tun und töten trennt.

Eine Woche später waren nach gleichem Muster die Hähne dran. Wir hatten erlebt, wie sie aus dem Ei schlüpften, Einen selbst aufgezogen weil er ein Nachzügler im Legenest war. Nichts ging leichter wie beim ersten schlachten, im Gegenteil. Mein Stock war diesmal etwas dicker, ein Schlachttrichter stand bereit, ein grosser Wassertopf mit 60° warmem Wasser. Wir wollten sie auch essen. Die Hähne waren viel vitaler. Ich war mir sehr unsicher, wie fest ich zuschlagen sollte. Es klappte, bis der Kopf ab war, dann riss sich der Hahn ohne Kopf los und stolperte umher, die Flügel schlugen wild und noch einmal, als ich ihn packen wollte. Diese Reaktionen waren zu erwarten gewesen, das wusste ich. Dann in den Schlachttrichter, Kochtopf, rupfen. Das dauert alles seine Zeit, die man einplanen sollte. Rupfen ist langwierig aber leicht, wenn das Tier ganz vom Wasser bedeckt war. Die Federn kommen in den Kompost, sie sind stickstoffhaltiger Dünger.

Gerupft und ausgenommener Hahn, küchenfertig

Der erste Hahn wog gerupft aber noch nicht ausgenommen nur 1,1 Kilo. Ich habe ihn nach Anleitung sofort ausgenommen (was gut ging), im Ofen nach einem Standardrezept zubereitet und serviert. Das Fleisch war gut, nicht zäh, aromatisch, aber wie es dazu gekommen war versuchte ich zu verdrängen, eine zwiespältige Situation. Verwertbar war nur recht wenig, Rassehühner haben keine grosse Brust, das schaffen nur Qualzuchten von Hybridhühnern in Intensivhaltung oder mit sehr viel Zeit und Futtereinsatz. Wenn Rassehühner, dann von Fleischrassen (etwa Orpingtons, Cochins oder Brahmas). Schenkel, Flügel, Muskelstücke - viel war es nicht bei unserem Hahn, eher für eine wie für zwei Personen. Für viel Futter und ein halbes Jahr Aufzucht war es herzlich wenig, aber es ist eine kleine Rasse, deren Wert in der leichten Haltung und der guten Eierleistung der Hennen liegt.

Der zweite Hahn war grösser, etwa 1,5kg butto. Seine Schlachtung und weitere Verarbeitung lief genauso ab, wir haben ihn in Folie eingefroren und werden ihn bald ebenfalls zubereiten. Das Fazit? Es gehört dazu, es geht, es nicht leicht, es ist sehr ernst, es schmeckt.

Die Innereien... "schön bunt"

Wer das Glück hat, dass ein Hühner-Schlachtmobil in der Gegend existiert, kann sein Huhn auch schlachten lassen. Das sind Leute, sich auf Schlachtung von Hühnern aus Privathaltung gegen Gebühr spezialisiert haben und manchmal mit einem Anhänger mit den Geräten dafür durch die Lande fahren. Sie machen das sehr professionell und betäuben das Huhn nicht mit einem Stock, sondern mit einem Stromschlag. Das ist erwiesen stressfrei. Die Geräte dafür sind leider sehr teuer, sonst wäre das auch für Hühnerhalter eine Anschaffung wert. Die oft angebotenen Bolzenschussgeräte mit einer eingebauten Feder sind nicht zu empfehlen, wegen der stabilen Federkeile von Freilandhühnern wird davon abgeraten. Anschliessend kann man das Huhn auch gleich rupfen und ausnehmen lassen.

Im Ofen, gefüllt und mit einer Marinade auf dem Hühnchensitz

1 Kommentar:

  1. Ich bin mittlerweile mit der Stiel-Methode sehr glücklich. Huhn an den Füßen nehmen, leicht kopfüber halten. Werden dann automatisch ruhiger, mit dem Kopf von oben auf einen festen Untergrund ablassen, bis Kopf und etwas Hals aufliegen. Besenstiel quer über den Hals legen. Dann schnell links und rechts mit den Füßen auf den Stiel treten und gleichzeitig an den Füßen ziehen. Bricht sofort das Genick. Worst case reisst man den Kopf ab. Kein Leiden, kein Danebenschlagen.
    Grüße

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